If This Gets Out (eBook)
464 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93596-7 (ISBN)
SOPHIE GONZALES lebt in Adelaide, Australien. Wenn sie keine Geschichten für Jugendliche schreibt, fährt sie Schlittschuh, tritt beim Musiktheater auf oder übt Klavier.
SOPHIE GONZALES lebt in Adelaide, Australien. Wenn sie keine Geschichten für Jugendliche schreibt, fährt sie Schlittschuh, tritt beim Musiktheater auf oder übt Klavier. CALE DIETRICH lebt in Brisbane, Australien. Er hat ein Faible für Jugendliteratur – als Autor und Leser –, ist begeisterter Gamer und tragischer Pop-Punk-Fan. Christel Kröning studierte in Düsseldorf Literaturübersetzen. Neben Unterhaltungs- und Jugendliteratur (z. B. Juno Dawson) übersetzt sie Sachbücher, Lyrik, Essays und Erzählungen (u. a. von Virginia Woolf) aus dem Englischen ins Deutsche. Rund um das Thema Literaturübersetzen hält sie auch Vorträge und sie engagiert sich im Presseteam des Verbands der Literaturübersetzer*innen, VdÜ. Mehr über Christel Kröning auf www.christelkroening.de
2.
Zach
Ich bin ziemlich sicher, dass mein Fahrer Saturday-Fan ist.
Er guckt immer wieder in den Rückspiegel und lächelt mich an.
Da! Schon wieder. Mir stellen sich die Nackenhaare auf. Statt zu Moms Wohnung könnte er mich ja theoretisch sonst wohin fahren, und so wie er lächelt, ist er womöglich stolzer Besitzer eines mit Saturday-Postern tapezierten Kellers, aus dem ich nie wieder entkommen werde.
Ich fahre mir durch die Haare und gucke konzentriert aus dem Fenster. Ruhig Blut. Denken wir doch mal logisch. Erin hat den Fahrer engagiert, also muss er vertrauenswürdig sein. Allein schon, weil Erins Karriere einen kapitalen Sturzflug hinlegen würde, wenn nicht. Eigentlich weiß ich also, dass nichts Schlimmes passieren wird.
Warum aber lächelt dieser Typ mich unentwegt an, als ob er irgendwas im Schilde führt?
Da dringt ein vertrautes Gitarrenriff an mein Ohr. Oh, nein.
Der Fahrer hebt die Brauen und grinst mich an, als wollte er sagen: Oh, doch.
Punktgenau da, wo meine Stimme aus den Lautsprechern dringt, macht er lauter. Kann er mich stattdessen bitte doch einfach nur kidnappen? Nicht, dass ich »Ertappt« nicht mögen würde. Das Lied macht Spaß, ist sogar einer meiner Lieblings-Saturday-Titel, hauptsächlich wegen dieses absolut smoothen Riffs und Rubens gesanglicher Topleistung. Im Ernst mal, er klingt so was von abgefahren gut in diesem Song.
Ich lehne den Kopf gegens Fenster, und der Refrain beginnt. »Ertappt« ist einer unserer früheren Songs aus der Zeit, in der ich den Punk-Einschlag noch nicht ganz abgelegt hatte – jene Art zu singen, die Geoff so freundlich als weinerlich und unverkäuflich beschrieb. Meine Stimme ist darum ganz wacklig und das Auto-Tune unüberhörbar. Bekäme ich eine zweite Chance, würde ich den Song besser hinkriegen, aber wenn man berühmt ist, verfolgt einen alles bisher Fabrizierte quasi auf ewig.
Prüfend gucke ich in den Rückspiegel und, jepp, der Fahrer lächelt mich noch immer an. Scheißgruselig.
Ich wippe mit dem Kopf zur Musik und tue so, als würde ich sie genießen. Nach dem Motto: »Ertappt«, yeah, könnte ich den ganzen Tag hören.
»Meine Tochter ist von dir besessen, Zach«, sagt der Fahrer und stellt schon wieder lächelnd Blickkontakt her. »Von euch allen, aber besonders von dir. Sie sagt, sie ist dein größter Fan.«
Ich winde mich unangenehm, zwinge mich aber zurückzulächeln. »Wow, danke, wie schön das zu hören.«
Er kichert. »Gern geschehen. Ich bin ja eher so der Rockmusik-Typ, aber mal unter uns gesagt: Ein paar eurer Songs gehen echt ins Ohr, muss ich zugeben.«
Die alte Leier. Fast kein Kerl lobt Saturday, ohne dabei eine Fußnote zu setzen: Eigentlich seid ihr scheiße, aber …
»Mh-hm.« Ich zögere, dann versuche ich’s einfach mal. »Ich bin auch eher so der Rockmusik-Typ.« Der erste ehrliche Satz, den ich zu ihm sage.
Ich zupfe an dem Lederarmband herum, das Viktor mich zu tragen anweist.
Fürs Protokoll: Ich mag unsere Lieder durchaus. Nur sind sie weder das, was ich in meiner Freizeit am liebsten höre, noch das, was ich singen würde, wenn ich selbst entscheiden könnte.
Kann ich aber nicht. Deswegen spielt es keine Rolle.
Die Fahrt dauert lange genug, um unsere halbe Diskografie durchzuhören und um herauszufinden, wie oft hintereinander man peinlich berührt sein kann, aber endlich kommen wir vor Moms Wohnung an. Ich schiebe die Autotür auf, trete in den vormittäglichen Sonnenschein hinaus und strecke mich ausgiebig, damit ich meinen Blick unbemerkt über die Straße wandern lassen kann. Doch niemand ist in der Nähe, vor allem keine Paparazzi, zumindest, soweit ich sehen kann. Mit am schrägsten am Berühmtsein ist, in Zeitschriften Fotos von sich zu finden, obwohl in der entsprechenden Situation scheinbar gar keine Fotograf*innen anwesend waren. Die werden ja auch immer raffinierter, so mit Fotoapparaten, die einen noch aus hundert oder mehr Metern Entfernung erwischen. Inzwischen gibt es ständig überall Bilder von mir, deswegen habe ich auch ständig das Gefühl, angestarrt zu werden. Zu Recht offenbar.
Mit Blick ins Autofenster fange ich also an, mich zurechtzuzupfen, denn Chorus würde die Wand hochgehen, wenn ich auf einem Foto wie hingerotzt aussehe. Meine Haare sind unordentlich. Und zwar nicht auf die gekonnte Art – ein paar Strähnen stehen zu sehr ab. Auf Geoffs Anweisung hin habe ich meinen Null-Aufwand-Stachelschnitt rauswachsen lassen und mich immer noch nicht an die neue Länge gewöhnt. Ständig fallen mir die Haare in die Augen oder kitzeln mich am Nacken. Geht mir tierisch auf den Geist, und ich bin nicht einmal sicher, ob es jetzt so viel besser aussieht, dass es den Ärger wert wäre.
Der Fahrer holt mein Gepäck aus dem Kofferraum, bevor ich es selbst tun kann.
»Danke«, sage ich und gebe ihm fünfzig Dollar Trinkgeld.
»Kein Problem.« Er sieht mich immer noch an. »Könnten wir ein Foto schießen? Meine Tochter bringt mich um, wenn ich nicht wenigstens frage.«
Ich stelle sicher, dass mein Lächeln extra fröhlich ist. »Knipsen Sie los!«
Er holt sein Handy raus und legt den Arm um mich für ein Selfie. Ein Teil von mir will das hier abbrechen und einfach nur weg, zu Mom, doch ich reiße mich zusammen. Sei nicht einer von diesen Promis, tadelt mich meine innere Stimme. Ist doch nur ein kleiner Gefallen. Ist doch alles gut.
Nachdem der Fahrer genug Fotos geschossen hat, um ein Album zu füllen, verabschiedet er sich. Ich gehe ins Haus, rufe den Aufzug mit meiner Keycard und fahre in den obersten Stock. Keine fünf Sekunden nachdem ich geklopft habe, geht die Tür auf.
Mom stürzt mir entgegen und drückt mich ganz fest. Sie hat sich offenbar fein gemacht für unser Wiedersehen – trägt eine in die Jeans gesteckte gestreifte Bluse. Als wir uns voneinander lösen, glänzen Tränen in ihren Augen. Sie wischt sie weg, als wären sie etwas Peinliches und nicht das Süßeste überhaupt. Dann streckt sie wieder die Arme aus und drückt mich noch einmal, und zwar diesmal so fest, dass es glatt ein bisschen wehtut. Sie trägt Parfum, von daher, jepp, sie hat sich definitiv fein gemacht. Mein Dad mag ein Stück Scheiße sein, das abgehauen ist und sich nicht mehr blicken lässt, aber Mom hier ist ein echter Glücksgriff.
»Du hast mir so gefehlt«, sagt sie.
»Ach, echt?«
Sie lacht, schüttelt den Kopf und tritt einen Schritt zurück. »Holla. Diese Muckis sind aber neu.«
Ich stecke eine Hand in die Hosentasche. »Erin schickt uns jetzt zweimal täglich zum Workout.«
Mom runzelt die Stirn. Ich weiß, dass sie ihre eigene Meinung über die, in ihren Worten, voll bescheuerte Extraarbeit hat, die Erin und Chorus uns aufbürden. Die ständigen Workouts sind Teil davon. Aber ich bin ja nicht etwa überarbeitet. Alles gut. Als ich noch normal zur Schule ging, war ich Stürmer im Fußballteam, was auch jede Menge Zeit gefressen hat und trotzdem total schön war. Wenn ich als Teil eines Teams auf ein Ziel hinarbeite, kommt mir Befehle-Befolgen überhaupt nicht wie Arbeit vor. Mit Saturday ist das genauso. Außerdem bin ich keine sechzehn mehr, deswegen leuchtets mir durchaus ein: Mit süß kommt man nun mal nur soundso weit. Ich muss dringend auf heiß umschwenken, wenn ich weiter Karriere machen will. Und das will ich. Vielleicht nicht so sehr wie Ruben, aber trotzdem.
»Was ist?«, frage ich Mom, die mich immer noch ansieht.
»Nichts. Du ähnelst bloß so sehr deinem Vater.«
Ich frage mich, wie das für sie sein muss. Ich meine, die Ähnlichkeit sehe ich auch, jetzt erst recht mit den breiteren Schultern und so. Und das bedeutet, ich sehe aus wie der Typ, der einfach eine neue Familie mit einer Kollegin gegründet hat, die zehn Jahre jünger ist als er. Der Typ, der erst seit Saturdays Durchbruch angefangen hat, sich wieder regelmäßiger zu melden. Der Typ, der meine musikalischen Ambitionen anfangs für die Tonne fand, nur um nachher angekrochen zu kommen und zu erwarten, an jedem kleinen bisschen Profit beteiligt zu werden.
Aber ich spreche nichts davon aus, nicke Mom nur zu.
Ihre Wohnung ist groß, hochwertig ausgestattet und bietet durch die Glastüren, die auf den Balkon führen, einen herrlichen Ausblick auf Portland. Hier bin ich nicht etwa aufgewachsen. Mom musste nach Saturdays Durchbruch umziehen, weil unsere alte Mietwohnung einfach zu ungeschützt lag. Was spätestens dann klar wurde, als ein Fan die Adresse herausfand und vor der Tür ein Zelt aufschlug in der Hoffnung, einen Blick auf mich zu ergattern. Wenige Wochen später habe ich Mom diese Immobilie gekauft.
»Wie läufts mit dem neuen Album?«, fragt sie.
»Gut, denke ich. Ich habe Geoff ein paar meiner Songtexte geschickt, also Daumen drücken, dass sie Galactic gefallen.«
»Ganz bestimmt. Ich habe deine Texte schon immer geliebt.«
»Ja, aber du bist meine Mom. Du musst das sagen.«
»Soll ich sie etwa verreißen? Wär dir das lieber?« Sie grinst, also zieht sie mich bloß auf. Ich schüttle den Kopf.
»Dann beschwer dich nicht.« Sie lächelt. »Ernsthaft, wie stehen die Chancen für dich? Ist ja eine ganz schön große Sache.«
»Mh-hm. Ich mache mir besser nicht zu viele Hoffnungen, schätze ich. Aber es wäre schon cool, einen selbst geschriebenen Song dabeizuhaben.«
»Dann wärst du ein richtiger Chansonnier.«
Ich mache...
Erscheint lt. Verlag | 9.1.2023 |
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Übersetzer | Christel Kröning |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Aktion Kulturpass • band boy Romance • Band-Romantik • Booktok • Boyband • Bücher mit Musik • Buch Liebesroman • Erfolg Musikbranche • Friends to Lovers • gay love deutsch • gay romance deutsch • Große Gefühle • Gruppendynamik • Jugendbuch Romantik Musik • Leistungsdruck • Medien • New Adult • Öffentlichkeit • Popkonzerte • queer Bücher deutsch • TikTok • Tournee |
ISBN-10 | 3-646-93596-0 / 3646935960 |
ISBN-13 | 978-3-646-93596-7 / 9783646935967 |
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