We Were Liars. Solange wir lügen. Lügner-Reihe 1 (Auf TikTok gefeierter New-York-Times-Bestseller!) (eBook)
320 Seiten
Ravensburger Buchverlag
978-3-473-51154-9 (ISBN)
Emily Lockhart studierte Schreiben und Literatur an der Vassar und an der Columbia University und steht im ständigen Austausch mit ihren Fans.
Emily Lockhart studierte Schreiben und Literatur an der Vassar und an der Columbia University und steht im ständigen Austausch mit ihren Fans.
1
HERZLICH WILLKOMMEN BEI den wunderschönen Sinclairs.
Niemand von uns ist ein Verbrecher.
Niemand ein Abhängiger.
Niemand ein Versager.
Wir Sinclairs sind athletisch, groß und gut aussehend. Wir sind Demokraten aus dem alten Geldadel. Unser Lächeln ist breit, unser Kinn markant und unsere Tennisaufschläge sind aggressiv.
Es spielt keine Rolle, wenn eine Scheidung unser Herz zerreißt, sodass es nur noch widerwillig schlägt. Es spielt keine Rolle, wenn das Geld auf Treuhandkonten knapp wird, wenn Kreditkartenrechnungen unbezahlt auf der Küchenanrichte liegen bleiben. Es spielt keine Rolle, wenn auf dem Nachttisch eine Sammlung von Tablettenschachteln steht.
Es spielt keine Rolle, wenn jemand von uns hoffnungslos, hoffnungslos verliebt ist.
So verliebt,
dass hoffnungslos verzweifelte Maßnahmen
ergriffen werden müssen.
Wir sind Sinclairs.
Niemand ist schwach.
Niemand hat Unrecht.
Wir wohnen, zumindest in den Sommermonaten, auf einer Privatinsel vor der Küste von Massachusetts.
Vielleicht ist das schon alles, was ihr wissen müsst.
2
MEIN VOLLSTÄNDIGER NAME ist Cadence Sinclair Eastman.
Ich wohne zusammen mit Mum und drei Hunden in Burlington, Vermont.
Ich bin fast achtzehn.
Ich besitze nicht viel mehr als einen gut genutzten Bibliotheksausweis, obwohl ich in einem prachtvollen Haus voller teurer, nutzloser Dinge wohne.
Früher war ich blond, aber jetzt sind meine Haare schwarz.
Früher war ich stark, aber jetzt bin ich schwach.
Früher war ich hübsch, aber jetzt sehe ich krank aus.
Seit meinem Unfall leide ich an Migräne.
Schwachköpfe kann ich nicht leiden.
Ich mag es, wenn etwas mehrere Bedeutungen hat.
An etwas leiden, jemanden nicht leiden können.
Das Wort bedeutet in beiden Fällen fast dasselbe, aber eben nur fast.
Leiden.
Man könnte sagen, dass es ertragen heißt, aber auch das trifft es nicht genau.
Meine Geschichte beginnt vor dem Unfall.
In dem Sommer, als ich fünfzehn Jahre alt war, ist mein Vater mit irgendeiner Frau abgehauen, die er mehr liebte als uns.
Dad ist ein halbwegs erfolgreicher Professor für Militärgeschichte. Damals habe ich ihn vergöttert. Er trug Tweedjacken. Er war schlank. Er trank seinen Tee mit Milch. Er mochte Brettspiele und ließ mich gewinnen, er mochte Boote und brachte mir das Kajakfahren bei, er mochte Fahrräder, Bücher und Museen.
Hunde mochte er nie, und die Tatsache, dass unsere Golden Retriever auf den Sofas schlafen durften und er jeden Morgen fünf Kilometer mit ihnen spazieren ging, war ein Beweis dafür, wie sehr er meine Mutter liebte. Meine Großeltern mochte er auch nicht, und die Tatsache, dass er trotzdem jeden Sommer in Windemere House auf Beechwood Island verbrachte, wo er Aufsätze über längst ausgefochtene Schlachten schrieb und sich zu jeder Mahlzeit für die Verwandten ein Lächeln abrang, war ein Beweis dafür, wie sehr er sowohl Mum als auch mich liebte.
In jenem Juni, Sommer Fünfzehn, verkündete Dad, dass er uns verlassen werde, und zwei Tage später ging er fort. Er sagte meiner Mutter, dass er kein Sinclair sei und dass er auch nicht länger versuchen wolle, so zu tun. Er wolle nicht mehr lächeln, nicht mehr lügen, kein Teil dieser wunderschönen Familie in ihren wunderschönen Häusern sein.
Wolle nicht. Wolle nicht. Würde nicht.
Er hatte den Umzugswagen bereits bestellt. Er hatte auch schon ein Haus gemietet. Mein Vater verstaute einen letzten Koffer auf der Rückbank des Mercedes (er ließ Mum mit dem Saab sitzen) und startete den Motor.
Dann zog er eine Pistole und schoss mir in die Brust. Ich stand gerade auf dem Rasen und ich fiel. Die Einschussstelle klaffte weit auseinander und mein Herz rollte aus meinem Brustkorb ins Blumenbeet. In rhythmischen Stößen quoll Blut aus meiner offenen Wunde,
aus meinen Augen,
meinen Ohren,
meinem Mund.
Es schmeckte nach Salz und Versagen. Hellrot tränkte meine Scham, nicht geliebt zu werden, das Gras vor unserem Haus, die gepflasterte Auffahrt, die Stufen zur Veranda. Mein Herz zuckte zwischen den Pfingstrosen wie eine Forelle.
Mum blaffte mich an. Sie sagte, dass ich mich zusammenreißen soll.
Benimm dich normal, sagte sie. Sofort, sagte sie.
Weil du es bist. Weil du es kannst.
Mach keinen Aufstand, sagte sie. Atme und setz dich.
Ich tat, was sie verlangte.
Sie war alles, was ich noch hatte.
Als Dad den Hügel hinunterfuhr, reckten Mum und ich unser markantes Kinn nach oben. Dann gingen wir ins Haus und warfen all seine Geschenke in den Müll: Schmuck, Kleider, Bücher, alles Mögliche. In den folgenden Tagen beseitigten wir die Sofas und Sessel, die meine Eltern zusammen gekauft hatten. Wir schmissen das Hochzeitsgeschirr, das Tafelsilber, die Fotos weg.
Wir schafften uns neue Möbel an. Engagierten einen Innenausstatter. Gaben eine Bestellung für Tafelsilber bei Tiffany’s auf. Verbrachten einen Tag in verschiedenen Kunstgalerien und kauften Gemälde, um mit ihnen die leeren Stellen an den Wänden zu verdecken.
Wir beauftragten Großvaters Anwalt, damit er Mums Vermögen in Sicherheit brachte.
Dann packten wir unsere Taschen und fuhren nach Beechwood Island.
3
PENNY, CARRIE UND Bess sind die Töchter von Tipper und Harris Sinclair. Harris kam mit einundzwanzig Jahren nach seinem Harvardstudium zu Geld und vermehrte sein Vermögen mit Geschäften, die zu verstehen ich mir nie die Mühe gemacht habe. Er erbte Häuser und Grundstücke. Er traf kluge Entscheidungen an der Börse. Er heiratete Tipper und überließ ihr die Herrschaft in Küche und Garten. Er behängte sie mit Perlen und stellte sie auf Segelbooten zur Schau. Ihr schien das zu gefallen.
Großvaters einziger Misserfolg war, dass er nie einen Sohn bekam. Aber was machte das schon. Die Sinclairtöchter waren braun gebrannt und wunderschön. Sie waren groß, fröhlich und reich wie Prinzessinnen aus einem Märchen. Sie waren in ganz Boston, Harvard und auf Martha’s Vineyard für ihre Kaschmircardigans und ihre grandiosen Partys bekannt. Sie waren wie gemacht für Legenden. Wie gemacht für Prinzen und Eliteschulen, teuren Schmuck und prachtvolle Häuser.
Großvater und Tipper liebten ihre Töchter so sehr, dass sie nicht einmal sagen konnten, welche von ihnen sie am liebsten hatten. Manchmal war es Carrie, dann Penny, dann Bess, dann wieder Carrie. Auf drei sensationelle Hochzeiten mit Lachs und Harfenmusik folgten hübsche hellblonde Enkel und süße blonde Hunde. Niemand hätte stolzer sein können auf seine umwerfenden amerikanischen Mädchen, als Tipper und Harris es waren.
Auf ihrer felsigen Privatinsel bauten sie drei neue Häuser und gaben jedem einen Namen: Windemere für Penny, Red Gate für Carrie und Cuddledown für Bess.
Ich bin die älteste der Sinclairenkel. Erbin der Insel, des Vermögens und der Erwartungen.
Na ja, vielleicht.
4
ICH, JOHNNY, MIRREN und Gat. Gat, Mirren, Johnny und ich.
Die Familie nennt uns vier die Lügner und wahrscheinlich verdienen wir das auch. Wir haben alle im Herbst Geburtstag und sind praktisch gleich alt. Und in all den Sommern auf der Insel haben wir immer irgendwie für Ärger gesorgt.
Gat kam zum ersten Mal nach Beechwood, als wir acht waren. Sommer Acht nannten wir das.
Davor waren Mirren, Johnny und ich noch nicht die Lügner. Wir waren einfach nur ein Cousin und zwei Cousinen, und Johnny ging uns auf die Nerven, weil er nicht gern mit Mädchen spielte.
Johnny. Er ist Energie, Einsatz und Bissigkeit. Damals hat er immer unsere Barbies erhängt oder mit seinen Legopistolen auf uns geschossen.
Mirren. Sie ist Freundlichkeit, Neugier und Anmut. Damals verbrachte sie ganze Nachmittage mit Taft und den Zwillingen planschend am großen Strand, während ich Bilder auf Millimeterpapier zeichnete oder in der Hängematte unter dem Vordach von Clairmont lag und las.
Dann kam Gat, um den Sommer mit uns zu verbringen.
Tante Carries Mann verließ sie, als sie mit Johnnys Bruder Will schwanger war. Ich weiß nicht, was vorgefallen ist. Die Familie redet nie darüber. Im Sommer Acht war Will ein Baby und Carrie hatte schon etwas mit Ed angefangen.
Ed war Kunsthändler und vergötterte die Kinder. Das war alles, was wir über ihn gehört hatten, als Carrie verkündete, dass sie ihn zusammen mit Johnny und dem Baby nach Beechwood bringen würde.
Sie waren die Letzten, die in diesem Sommer auf die Insel kamen, und wir warteten alle am Steg darauf, dass das Boot anlegte. Großvater hob mich hoch, damit ich Johnny zuwinken konnte, der eine orangefarbene Schwimmweste trug und uns über den Bug hinweg etwas zurief.
Oma Tipper stand direkt neben uns. Sie drehte sich einen Moment lang vom Boot weg, fasste in ihre Tasche und holte einen Pfefferminzbonbon heraus. Sie wickelte ihn aus und steckte ihn sich in den Mund.
Als sie wieder zum Boot schaute, änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Ich kniff die Augen zusammen, wollte sehen, was sie sah.
Carrie stieg als Erste aus. Sie hatte Will auf dem Arm, der in einer gelben Babyschwimmweste steckte, aus der nicht viel mehr als sein weißblonder Haarschopf hervorlugte. Sein bloßer Anblick löste eine Welle der Entzückung aus. Diese Weste hatten wir alle als Babys getragen. Die Haare. Wie wundervoll, dass dieser kleine Junge, den...
Erscheint lt. Verlag | 1.7.2022 |
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Reihe/Serie | Lügner-Reihe |
Lügner-Reihe | Lügner-Reihe |
Übersetzer | Alexandra Rak |
Verlagsort | Ravensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | ab 14 Jahren • Buch • Bücher • Family of Liars • für Mädchen • Geschenk • Geschenkidee • Jugendbuch • Lesen • Liebe • Liebesgeschichte • Literatur • Love-Story • Mysteriös • Mystery • New Adult • New-York-Times-Bestseller • Paranormal • poetisch • Roman • Romance • romantisch • TikTok • tragisch • Young Adult |
ISBN-10 | 3-473-51154-4 / 3473511544 |
ISBN-13 | 978-3-473-51154-9 / 9783473511549 |
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