Allein auf dem Meer -  Chris Vick

Allein auf dem Meer (eBook)

Roman

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
272 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-75643-5 (ISBN)
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Bill ist der Einzige, der den Untergang der Jacht vor der Küste Marokkos überlebt. Allein in einem kleinen Boot, rettet er Aya, ein Berbermädchen, die in denselben Sturm geraten ist. Viele Wochen treiben die beiden verloren auf dem Meer, der unerbittlichen Sonne ausgeliefert. Nur die Nächte, in denen Aya - wie Scheherazade - Geschichten aus 1001 Nacht erzählt, können ihnen noch Hoffnung geben. Irgendwann stranden sie auf einer kleinen Insel, wo eine ganz andere Gefahr lauert ... Ein gnadenlos spannender Roman, der tief eintaucht in die Schönheit und den Schrecken des Meeres.

Chris Vick lebt als freier Autor und Lehrer mit seiner Familie in der Nähe von Bath in England. Seine ganze Leidenschaft gilt dem Meer, er ist begeisterte Surfer und unterstützt eine Wohltätigkeitsorganisation zum Schutz von Walen und Delfinen sowie die Initiative Authors4oceans. Der Roman »Allein auf dem Meer« wurde in England für den CILIP Carnegie Prize nominiert und war im Juni 2022 in der Hitliste Die besten 7 Bücher für junge Leser im Deutschlandfunk vertreten.

Die Pandora


1


Wir befanden uns zwölf Seemeilen nördlich der Kanarischen Inseln. Die Sonne stand hoch am Himmel und der Wind blähte die Segel.

Ich liebte es. Von der Gischt durchnässt, von der Sonne verbrannt, brüllte ich im Rausch der Geschwindigkeit über die Dünung hinweg.

Unsere Crew bestand aus sieben Leuten, alles Jungen zwischen vierzehn und sechzehn, dazu unser Erster Offizier Dan, der ein bisschen älter war als wir, und unser Kapitän Jake Wilson. Er war dünn, stark wie ein Seil, er hatte das Boot im Griff und brachte uns für den Segelwettbewerb in Form.

Es war gut. Wir arbeiteten zusammen und lernten zu tun, was zu tun war. Ich kam mir nicht länger wie der seekranke Anfänger vor, der ein paar Tage vorher aus dem Flugzeug gestiegen war. Ich hatte sogar Freunde gefunden, Sam und Pete.

Ich hatte das Ruder übernommen und sollte die Pandora auf Kurs halten, solange Wilko einen Funkruf entgegennahm. Sein Kopf lugte aus der Kabine. Er machte den Mund auf, als wolle er etwas sagen, holte aber bloß tief Luft und schluckte.

»Alles okay?«, sagte ich.

»Sturmböen im Norden. Wir machen uns auf den Heimweg. Wir müssen das Beiboot einholen.«

Wie eine Gruppe Erdmännchen guckte die ganze Crew plötzlich zu uns herüber. Die Sonne brannte vom Himmel. Wo Norden war, konnte ich nicht sagen, aber nirgends war auch nur eine einzige Wolke zu sehen. Der Wind blies kräftig, aber nicht stürmisch.

»Sicher?«, fragte ich.

»Ja! Hab’s gerade über Funk gehört. Der Wind wird auch drehen. Lass uns einfach das Beiboot raufschaffen, ja?«

Das Beiboot war das Ruderboot, mit dem wir an Land setzten. Normalerweise zogen wir es hinter uns her. Ich war Anfänger, aber selbst mir war klar, dass es keinen Grund gab, es einzuholen. Es sei denn, Wilko hatte vor, mit der Pandora Tempo zu machen. Ich stellte keine Fragen und tat einfach, was ich sollte. Wir alle machten das so. Dan übernahm das Ruder und drei von uns halfen Wilko mit dem Boot. Dann holten wir die Segel ein und zogen eine Sturmfock auf. In der Zeit flaute der stete Südwestwind, der uns den ganzen Morgen über angetrieben hatte, ab, und aus Norden kam frischer Wind auf. Als das Segel gesetzt war, vollführte die Pandora eine weite, bogenförmige Wendung. Der Wind blähte die Segel, und die Jacht raste los wie ein Tier, das man von der Leine gelassen hatte. Wir ritten auf roher Gewalt.

Jemand rief: »Guckt mal!« Der Horizont hinter uns verschwamm zu einer dünnen nachtschwarzen Linie. Vor einer Minute war da noch gar nichts gewesen und jetzt das. Noch weit entfernt, aber es kroch auf uns zu.

»Was jetzt?«, fragte ich.

»Tja, Bill, für den Anfang kannst du schon mal deine Rettungsweste anlegen«, sagte Dan.

Ich hatte sie ausgezogen, als ich das T-Shirt gewechselt hatte, und nicht wieder angelegt. Mir war noch nicht einmal aufgefallen, dass ich sie nicht mehr trug. Ich stürzte in die Kabine, schnappte mir die Weste und kehrte an Deck zurück.

Der Spaß war vorbei. Die Angst lag mir jetzt wie ein kalter Stein im Magen. Ich starrte auf die Rettungsweste, aber meine zitternden Hände wollten nicht wie ich. Ich war immer noch dabei, die Weste anzulegen, als uns eine Welle traf. Ich stolperte und stürzte, ließ die Rettungsweste fallen, ließ sie, vor lauter Dummheit und Ungeschick, einfach los. Ich sah, wie sie davonschlidderte, über das Deck rutschte und ins Wasser fiel.

2


Der Wind begann zu wüten. Die Wellen türmten sich und brachen, als tobte der Sturm schon seit Tagen und nicht erst seit Minuten auf dem Meer. Wilko behielt Dan und zwei andere Jungs – die besten – bei sich und schickte den Rest von uns in die Kabine, aber ich blieb auf Deck. Ich musste zusehen, musste sehen, was geschah.

Die Pandora schaffte es zunächst. Das Segel spannte und bauschte sich, trieb uns vorwärts. Doch jedes Mal, wenn ich mich umsah, schien der Sturm näher gekommen zu sein. Wolken jagten über den Himmel. Und der Wind drehte wieder und wieder, rüttelte und schüttelte die Jacht.

Wilko rutschte aus und ließ das Ruder los, das sich wie wild drehte. Wir legten uns auf die Seite, die Pandora neigte sich ins Meer. Eine Woge überspülte die Reling und durchnässte mich. Mühsam kam ich wieder in die Höhe, von der schieren Wucht der Welle wie betäubt. Ich rang nach Luft. Der Schreck hatte mir den Atem verschlagen.

Der metallene Himmel war jetzt über uns, vor uns war das Licht. Es war ein Rennen zum Licht, aber wir verloren. Der Sturm hüllte uns ein wie ein Umhang.

Vor uns türmte sich das Wasser, ein Berg, der wogte, immer größer wurde und zu einem Monster anschwoll.

Wilko stand wieder am Ruder und steuerte hart, geradewegs auf den Wellenkamm zu. Wir jagten in ein Wellental und wurden seitwärts gerissen, als zöge eine riesige Hand an uns.

Dann sah ich, im Wasser, einen Schatten. Eine Sekunde lang. Etwas Großes, ganz nah.

Wir kippten über den nächsten Kamm und stürzten, den Bug im Wasser, talwärts. Das Meer fraß die Pandora auf. Der Himmel prasselte auf uns herab. Ein Himmel aus Wasser. Wir wurden überspült, ein Schlag ließ das ganze Boot erbeben. Ich klammerte mich fest, von den Wassermassen wie erschlagen.

Wir tauchten wieder auf, schnappten nach Luft, suchten das Meer nach dem nächsten Brecher ab. Aber der, der uns erwischt hatte, war der übelste gewesen.

»Gott sei Dank«, keuchte ich.

Wilko wendete die Pandora und bellte Befehle. Er biss sich auf die Zähne, stur sah er nach vorn.

»Das war eine Warnung«, sagte er. »Da kommt noch mehr.«

3


Ich wartete darauf, dass die Pandora sich fing, uns davontrug und über den Sturm triumphierte. Doch sie schleppte sich nur so dahin. Ich dachte an den Schatten. Was war das gewesen? Ein Felsen? Ein Wal?

In der Luke tauchte Dans panisches Gesicht auf.

»Wasser!«, rief er.

Ich lief hin, um nachzusehen. Drei der Jungs saßen auf dem Tisch und sahen ungläubig zu, wie das Wasser bis zu ihren Knöcheln, dann bis zu ihren Beinen stieg. Sie zogen die Beine an. Denk nach, denk nach, sagte ich mir. »Keine Panik, das kommt von der Welle.«

Aber stimmte das? Das Wasser schwappte wild umher. Es war unmöglich zu sagen, woher es kam.

»Nimm das Ruder!«, hörte ich Wilko Dan zurufen. Er kletterte in die Kabine.

Die Zeit raste. Raste so schnell wie der Wind.

Wilko, der panisch an der Pumpe fummelte, um sie in Gang zu bringen.

Wilko, der gegen sie trat, als das misslang.

Wilko, der sich den Funk schnappte und »Mayday« brüllte und unsere Koordinaten, wieder und wieder und wieder.

Der Funk, der knisterte und pfiff. »Wir hören euch, Pandora, könnt ihr …«

Und die Stimme, die in einem Sturm aus Schreien und Bersten unterging.

Das strudelnde Boot.

Wilko, der die Handpumpe für zehn Sekunden zum Laufen brachte, bevor ihm klar wurde: Das Boot lief tatsächlich in rasender Geschwindigkeit voll.

Die Jungs auf dem Tisch, die dem steigenden Wasser entkommen wollten. Pete, der schrie: »Was passiert hier?«

»Das Beiboot«, sagte ich.

»Nein, es gibt ein Rettungsfloß«, sagte Wilko. »Ein aufblasbares, im Laderaum. Das Ruderboot wäre nutzlos.«

Er zerrte das Floß heraus. Wir halfen, das Ding an Deck zu ziehen und packten es, wie ein großes, orangefarbenes Zelt, aus seiner Tasche.

Wilko zog an einem Griff. Das Floß blies sich binnen Sekunden auf. Es war ein Dingi, ein stabiler Ring aus einem luftgefüllten Schlauch mit einem Vordach und einem Zelteingang mit Reißverschluss. Daran befestigt war eine lange Leine, die Wilko an der Reling vertäute.

»Helft mir«, sagte er.

Zusammen hoben wir das Floß in die Höhe und schleuderten es aufs Wasser hinaus. Ich stand ganz am Ende von diesem wirren Haufen verängstigter, durchnässter...

Erscheint lt. Verlag 9.2.2022
Übersetzer Wieland Freund, Andrea Wandel
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-407-75643-7 / 3407756437
ISBN-13 978-3-407-75643-5 / 9783407756435
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