Fehu - Das Flüstern der Raben (2) -  Malene Sølvsten

Fehu - Das Flüstern der Raben (2) (eBook)

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2022 | 1. Auflage
720 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-156-6 (ISBN)
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Band 2 des großen nordischen Fantasy-Bestsellers! Anne erreicht Hrafnheim, eine ihr unbekannte Parallelwelt voller Götter, Halbgötter und Wesen. Dort wird sie von Soldaten der Herrscherin Ragnara aufgegriffen, doch ein abtrünniger Offizier der Armee, Rorik, befreit Anne. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, ihre von Ragnara gefangene Zwillingsschwester Serén zu befreien. Der Weg in die Hauptstadt Sént ist voller tödlicher Gefahren, und die Vision ihrer eigenen Ermordung plagt Anne unaufhörlich. Sie beginnt immer mehr zu begreifen, dass Ragnarök, der Untergang der Welt, unmittelbar mit ihrem eigenen Schicksal verknüpft ist ...

Malene Sølvsten, geboren 1977, debütierte 2016 mit dem ersten Band der Fantasy-Trilogie Das Flüstern der Raben und wurde im selben Jahr für den 'Buchpreis der Leser:innen' ('Læsernes Bogpris') nominiert. Die Serie entwickelte sich in Dänemark rasch zu einem Überraschungserfolg und Bestseller, für den die Autorin und 2018 den 'Edvard P. prisen', der vom dänischen Bibliotheksverband jährlich vergeben wird, erhielt. Die gelernte Ökonomin lebt mit ihrer Familie in Kopenhagen, wo sie inzwischen als Vollzeit-Autorin arbeitet.

Malene Sølvsten, geboren 1977, debütierte 2016 mit dem ersten Band der Fantasy-Trilogie ›Das Flüstern der Raben‹ und wurde im selben Jahr für den ›Buchpreis der Leser*innen‹ nominiert. Die Serie entwickelte sich in Dänemark rasch zu einem Überraschungserfolg, für den die Autorin 2018 den ›Edvard P. prisen‹, der vom dänischen Bibliotheksverband jährlich vergeben wird, erhielt. Die gelernte Ökonomin lebt mit ihrer Familie in Kopenhagen, wo sie als Vollzeit-Autorin arbeitet.

Kapitel 1


Zwei Tage früher – Ravnssted

 

Der Sand flimmerte unter dem grellen Sonnenlicht, und obwohl er strahlend weiß war, zeigten sich hier und da nasse Flecken.

Dunkelrote Flecken.

Wo war ich?

Eine tätowierte Hand lag unmittelbar vor meinen Augen.

Ich lag mit einer Wange direkt auf dem Sand. Die Sonne brannte auf die Seite, die nach oben zeigte. Der untere Teil einer Säule befand sich mitten in meinem Blickfeld. Eine Säule? Verwirrt ließ ich den Blick ein Stück weiter wandern und sah, wie sich eine Zuschauerreihe nach der anderen hoch, hoch, hoch Richtung Himmel erstreckte. Die Menschenwand bildete einen Halbkreis vor mir. Alle Plätze auf der Tribüne waren besetzt, aber niemand gab einen Laut von sich. Sie starrten nur atemlos auf etwas, das sich rechts von mir befand.

Das Knarren mehrerer Seile, an deren Ende etwas Schweres hing, mischte sich mit dem Gestank von Blut, Schweiß und Schafen.

Ein leises Bräää war zu hören, aber es klang nicht nach einem Tier, das ich kannte.

Schritte knirschten auf dem Sand, und ein Paar Füße durchquerten mein Blickfeld. Frauenfüße. Klein und zierlich, in goldverzierten Sandalen. Das Gold war geformt wie ein Knäuel aus Schlangen, und die Fußknöchel waren nackt. Ein seltsamer Stoff aus aneinandergehefteten schwarzen Steinen schlug klirrend um die Beine wie eine genähte Steinbrünne.

Die Füße entfernten sich von mir. Jetzt atmete jemand schluchzend und voller Angst. Einen Moment lang glaubte ich, dass ich es war.

Nein. Das Weinen kam nicht von mir, denn direkt über mir bettelte eine Mädchenstimme: »Nicht, nicht.«

Die riesige Menschenmenge holte kollektiv Luft.

»Das ist sie«, wurde geflüstert. »Das ist Thora Todesbluts Tochter.«

Jetzt versuchte ich mit aller Kraft, den Kopf zu drehen, aber es war unmöglich.

»Die Thorastochter hat sich verschworen und unterstützt den Widerstand gegen uns.« Die Stimme klang hell, beinahe kindlich.

Aus den Zuschauerreihen kamen ein paar leise Buh-Rufe.

»Es ist unser Geschenk an das Volk, euch von ihren Verschwörungen zu befreien und von ihrer«, wieder eine kleine Pause, »ihrer Lebensweise.« Letzteres wurde mit eisiger Säure hinzugefügt.

Ein scharfes Riiitsch zeigte an, dass jemand oder etwas hochgezogen wurde. Ersticktes Röcheln jagte mir eine Gänsehaut über die Arme.

Die Zuschauer johlten begeistert. »Seht, wie sie baumelt«, rief einer. »Zunge raus, Zunge raus …«

Ich drehte den Kopf, um festzustellen, wo ich war, aber die Sonne stach mir in die Augen und blendete mich.

Ehe ich wieder sehen konnte, hörte ich das Schrammen von Metall, das aus einem Holster gezogen wurde. Gefolgt von einem Geräusch, als würde ein Spaten in den Sand gerammt.

Wieder schnappten die Zuschauer nach Luft.

Blut floss auf mich herab, ich hustete und war kurz davor, von der warmen Flüssigkeit erstickt zu werden. Schließlich bekam ich mich einigermaßen wieder unter Kontrolle, genug, um zu erkennen, dass ich überhaupt nicht zu atmen brauchte.

Eine knallrote Haarsträhne schwebte herab und legte sich als kleine Locke vor mir auf den Sand.

 

Ich erwachte mit einem Keuchen und riss die Arme hoch, um meinen Mund vor dem warmen Blut zu schützen, aber letztlich hampelten sie nur ziellos herum.

Luna legte einen Arm um mich. »Stimmt was nicht?«

Wir lagen dicht nebeneinander auf der Matratze in dem kleinen, grün gestrichenen Zimmer im Haus von Ben und Rebecca. Dem Zimmer, das meine beste Freundin zu meinem erklärt hatte. Die bunten Decken und Kissen waren bestimmt nicht meine Idee, aber Luna bestand darauf, dass ihre Farbenergie mich beschützte.

»Mir geht es gut«, log ich.

»Du weißt, dass die Dinge, von denen man an Weihnachten träumt, wahr werden, oder?«

»Was?« Ich drehte entsetzt mein Gesicht zu ihr und dachte an den blutbefleckten Sand und den Gestank von Tieren.

»Ich denke, das ist nur Aberglaube.« Sie gähnte und rollte sich auf den Rücken. »Wollen wir nicht noch ein bisschen schlafen? Ich bin immer noch vollgefressen von gestern.« Sie tätschelte ihren Bauch. »Ich weiß nicht, ob ich in zwei Tagen überhaupt in mein Silvesterkleid passe.«

Ich setzte mich auf und boxte ein neongelbes Kissen weg. Durch meine Bewegung rutschte die Bettdecke herunter.

»Iih, das ist kalt!«, jammerte sie.

»Meine Decke«, sagte ich und riss sie ihr ganz herunter. »Was machst du überhaupt hier?«

Sie rieb sich die leicht verquollenen Augen. »Du hast im Schlaf geschrien. Erst hast du nach Arthur gerufen. Dann nach Monster.«

»Von denen kommt keiner, ganz egal wie sehr ich rufe.«

Mein Vater ruhte sich immer noch bei seiner Leiche aus, und Monster war zurück in Hrafnheim, von ihnen war also keine Hilfe zu erwarten. Luna schob ein paar wirre Locken beiseite, die ihr in die Augen hingen. Im Moment war ihr Haar aschgrau.

»Wir sind gekommen, als du mich gerufen hast.«

Ich senkte den Blick und zupfte an einem orangen Faden. »Danke«, murmelte ich, dann warf ich den Kopf zurück und sah wieder hoch. »Warte mal. Was meinst du mit wir

Die Kissen und Decken auf der anderen Seite von Luna bewegten sich, und Mathias’ bildschönes Gesicht tauchte zwischen zwei blauen indischen Nackenrollen auf.

»Euch ist schon klar, dass das hier eine Matratze für eine Person ist?«, fragte ich.

Mathias streckte den Arm über die Bettdecke und griff nach meiner Hand, sodass die Kraft in mich hineinströmte. Die göttliche Kraft – oder was immer es war, was er besaß – wuchs Tag für Tag.

Ich zog meine Hand in gespieltem Ärger zurück. »Welchen Teil von ›Nähe ist nicht so meins‹ habt ihr nicht verstanden?«

»Das sind nur die Beschwörungen meines Vaters, die dich beeinflusst haben.« Luna zog die Bettdecke wieder hoch. »In Wirklichkeit bist du sehr empfänglich für menschlichen Kontakt – und für Farbmagie.« Sie strich über das currygelbe Laken.

Ich machte die strenge Miene meiner Betreuerin nach und schlug auf die bunte Decke. »Respektiert wenigstens meine Intimitätsprobleme.«

Mathias schnaubte. »Du hast überhaupt keine Intimitätsprobleme. Vielleicht haben Leute Probleme, mit dir intim zu sein, aber nicht umgekehrt.«

Ich warf mich zurück. »Ihr seid unmöglich.«

Luna zog den Halsausschnitt meines T-Shirts herunter und strich über die dicke Narbe auf meiner Brust, dort, wo Ragnara mich als Baby erdolcht hatte. Auf unerklärliche Weise war ich in ihren Händen geheilt.

»Du wirkst hart«, sagte sie und hob mit der anderen Hand eine meiner feuerroten Locken an.

Mathias nickte hinter ihr. »Aber wir wissen, dass du butterweich bist.«

Ich zog das Unterhemd hoch und klopfte auf meine durchtrainierten Bauchmuskeln. »Quatsch. Ich bin überhaupt nicht butterweich.«

»Wollen wir wetten?« Luna legte sich auf mich und stach mir ihre Finger in die Seiten.

Ich quiekte lachend und panisch und versuchte, ihr zu entkommen, aber Mathias machte es Luna grinsend nach und kitzelte mich, bis ich fast keine Luft mehr bekam.

 

Unten waren Ben und Rebecca aufgestanden. Ich ging schon mal vor, damit meine verliebten Freunde zu Ende knutschen konnten.

Die Weihnachtsfestivitäten liefen immer noch, obwohl mir schon bei dem Gedanken an noch mehr Entenfett und Alkohol kotzübel wurde.

Rebecca sang in der offenen Küche vor sich hin, und Ben war damit beschäftigt, einige Federn und einen Katzenschädel auf dem Regal neben der kleinen Figur zu drapieren, die ihm zum Verwechseln ähnlich sah. Mit einer gelben, körnigen Masse malte er konzentriert eine Rune auf die Stirn des Schädels. »Jolner, Porr, Heimdallr«, murmelte er, zuerst leise, dann mit jedem Wort lauter werdend. »Færa«, sagte er zum Schluss, und das Wort wurde ganz lang gezogen und am Ende fast gehaucht.

»Heißt færa nicht ›verhindern‹ auf Altnordisch?«, fragte ich.

Ben antwortete nicht. Die körnige Masse trocknete und rieselte vom Schädel. Er bleckte die Zähne und versuchte es noch einmal. »Jolner, Porr, Heimdallr, Færaaaaaahhh.« Diesmal fauchte er das letzte Wort lang gezogen und nachdrücklich, aber die Substanz rieselte wieder wie gelber Staub auf das Regalbrett. »Gnit!«, rief er aus, und obwohl ich nicht viele altnordische Worte kannte, war offensichtlich, dass er fluchte. »Läuseeier«, wiederholte er auf Dänisch, und dann folgten ein paar französische Ausdrücke, für die ich keine Übersetzung brauchte.

»Sie wollen das Opfer nicht annehmen«, sagte er zu Rebecca.

Neben dem geschmückten Weihnachtsbaum sahen Ben und das Arrangement bizarr aus. Seine Kleidung, bestehend aus einer Fellhose, und die hoch in die Stirn geschobene Ziegenbockmaske versuchte ich komplett zu ignorieren.

Rebecca stellte eine dampfende Schüssel auf den Tisch, aus der es süß nach Äpfeln duftete. »Liebste Anne Stella, setz dich und greif zu.«

»Lecker, noch mehr Essen.« Ich blickte aus dem Fenster nach Odinshöhe, das halb von einer Nebelbank verborgen auf der anderen Seite des Feldes lag. Ich hatte mehrere Male versucht, mich zu dem Haus hinaufzukämpfen, das ich immer noch als mein Zuhause ansah, aber der Hügel war magisch versiegelt, und niemand konnte die Beschwörungen durchdringen. Wir hatten keine Ahnung, warum.

Luna kam hereingetänzelt, mit Mathias dicht auf den Fersen. Sie drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange.

Rebecca strich ihrer Tochter geistesabwesend über den Kopf.

»Nach dem Essen stellen wir Garben auf dem Feld auf«, rief sie Luna nach, die bereits auf den Tisch...

Erscheint lt. Verlag 16.2.2022
Reihe/Serie Das Flüstern der Raben
Übersetzer Dagmar Mißfeldt, Dagmar Lendt
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte action • Außenseiter • Dänemark • Edda • Fantasy • Freundschaft • Geschwister • Götter • Halbgötter • Kampf • Mordserie • Mut • Nordische Mythologie • Odin • Parallelwelt • Ragnarök • Romance • Rune • Sagen
ISBN-10 3-03880-156-9 / 3038801569
ISBN-13 978-3-03880-156-6 / 9783038801566
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