Unser Sommer am See (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1., Auflage
272 Seiten
Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-61122-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unser Sommer am See - Nikola Huppertz
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Sommer genießen, Lieblingsort finden: Die perfekte Urlaubslektüre zum Wohfühlen und Wegträumen, für Kinder ab 10. Inmitten einer endlosen Waldlandschaft steht einsam auf einem Berg das Haus am See, in dem Agda, Nick und Jula die Ferien mit Papa verbringen. Der entlegene Ort steckt voller Geheimnisse und Abenteuer. Auch das Auftauchen des Landstreichers Pepe gibt Rätsel auf. Und dann verschwindet Nick spurlos. Hat er sich etwa allein auf die gefährliche Suche nach dem Waldgoldschatz begeben? In besonderer Ausstattung mit Halbleinen und Lesebändchen.

Nikola Huppertz, geboren 1976 in Mönchengladbach, studierte Musik und Psychologie und experimentierte parallel mit dem Schreiben. Für ihre zahlreichen Kinder- und Jugendbücher, Gedichte und Kurzprosa in Literaturzeitschriften sowie Geschichten für den Rundfunk wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Evangelischen Buchpreis 2022. 2021 wurde sie von der Deutschen Oper am Rhein beauftragt, ein Libretto für die Kinderoper 'Die Unbedingten Dinge' zu schreiben. Sie hat eine Tochter und einen Sohn und lebt als freie Autorin in Hannover. 

Das Haus stand still in der zirpenden Wiese, der alte, ein wenig verkommene Teil düster, alle seine Fensterläden waren zugeklappt und verbargen, was dort zu verbergen war, der neue Teil hell und einladend, und das Metalldach glänzte in der Nachmittagssonne.

Die Hemdsärmel bis über die Bizepse hochgekrempelt, die Locken wild vom Schweiß, drehte Frau Neumüller noch eine Runde über das Grundstück. Sie warf einen Blick in die wassergefüllte Steinwanne mit der Pumpe und einen auf die Feuerstelle, fegte ein paar vertrocknete Blütendolden vom Steintisch und sah zwei Libellen nach, die, nachdem sie für einen Moment blaufunkelnd in der Luft stehengeblieben waren, einander über den Weiher nachsetzten. Sie schaute auch nach den Ringelnattern aus, die oft darin schwammen, konnte aber keine entdecken. Dann ging sie die kleine Steigung hinauf ums Gebäude, hängte den Schlüsselbund an den Nagel neben der Haustür zum Neubau und marschierte zu ihrem Kombi. Schon einen Moment später brauste sie den Schotterweg, der zur Straße führte, entlang, dass die Steinchen nur so flogen.

Entschieden zu lange hatte sie auf die Familie Emmerich gewartet, die die nächsten drei Wochen hier oben verbringen wollte. Sie hatte eine Nachricht geschickt, die unbeantwortet geblieben war, hatte versucht anzurufen, aber es war keine Verbindung zustande gekommen. Jetzt musste sie wieder runter in den Ort, es war Montag, sie hatte ihre Verpflichtungen und konnte nicht ewig auf dem Krähenriegel zubringen.

Dass sie die Feriengäste nicht erreicht hatte, lag übrigens nicht am Netz hier oben. Der Empfang war hervorragend. Aber bereits im ersten Stau, irgendwo zwischen Braunschweig und Magdeburg, hatten Nick und Jula Emmerich den Akku vom Smartphone ihres Papas Claus leergezockt. Und kurz vor Leipzig passierte dasselbe mit dem Gerät ihrer älteren Schwester Agda. Die hatte sich mit drei Freundinnen parallel geschrieben, Fotos hin- und hergeschickt und nebenbei YouTube-Videos mit Bruce Lee angeguckt. Bruce Lee, der als Schuljunge Wing Tsun gelernt hatte, genau wie Agda es seit einem halben Jahr tat, und der später ein berühmter Kampfkünstler geworden war, genau wie sie es vorhatte. Und als Claus sie kurz vor Regensburg bat, die Verwalterin anzurufen und Bescheid zu geben, dass ihre Ankunft sich um mindestens anderthalb Stunden verschieben werde, aber auch drei, vier, fünf Stunden seien möglich, konnte sie nur mit den Schultern zucken.

»Geht nicht, du besitzt ja leider kein Autoladekabel wie jeder normale Mensch mit Auto«, hatte Agda erwidert, elegant darüber hinweggehend, dass sie diesen Anruf ohnehin nicht gemacht hätte. So gerne sie ihr Smartphone hatte, so sehr hasste sie es, mit wildfremden Leuten zu telefonieren. »Aber willst du wissen, was Bruce Lee im Trailer von Todesgrüße aus Shanghai macht?«

»Nein!«, sagte Claus. »Und du solltest es eigentlich auch nicht wissen, soweit ich eure Mutter verstanden habe.«

Agda schwieg einen Moment. »Willst du denn vielleicht noch ein Bonbon, Papa?«, fragte sie dann.

Claus Emmerich wollte noch ein Bonbon. »Ein oranges, bitte«, seufzte er.

»Und ich ein gelbes!«, rief Nick von der Rückbank.

»Und ich ein grünes!«, rief Jula.

»Grüne gibt es doch nicht.« Agda verdrehte die Augen. »Das hab ich dir schon tausendmal gesagt.«

»Ich will trotzdem ein grünes«, sagte Jula, denn Grün war ihre Lieblingsfarbe. »Aber ich nehm auch alle anderen.«

Also reichte Agda Bonbons in sämtliche Richtungen, wickelte sich selbst eins aus und steckte es in den Mund. Dann zupfte sie das verschwitzte T-Shirt zurecht und lehnte sich im Beifahrersitz des alten Ford Puma zurück. Sie wusste nicht recht, ob sie froh sein sollte oder nicht. Immerhin, dachte sie, waren sie unterwegs. Mit ihrem Papa, und das hatte seit mehreren Jahren nicht geklappt. Eigentlich noch nie, dachte Agda weiter, jedenfalls nicht, seit ihre Eltern sich getrennt hatten.

Erstens, weil Claus während der Sommerferien meistens arbeiten musste, während ihre Mama Saskia als Lehrerin naturgemäß freihatte. Und zweitens, weil Saskia fand, es würden an den Besuchswochenenden, die Agda, Nick und Jula bei ihrem Papa verbrachten, schon genug Kleinkatastrophen passieren. Da könnte so ein lieber langer Urlaub ja nur zur Großkatastrophe werden. Aber in diesem Jahr hatte Claus nicht nur alles drangesetzt, seinen Jahresurlaub in die Sommerferien zu legen, sondern Saskia war auf einmal der Ansicht gewesen, sie seien nun alt genug, um ein solches Wagnis überleben zu können.

Was möglicherweise damit zu tun hatte, dass ihr aufgefallen war, noch nie in Florenz gewesen zu sein, und sie beschlossen hatte, dies in diesem Sommer nachzuholen. Genauer gesagt: ohne Kinder. Dafür aber mit ihrer Freundin Ulrike, die fand, Frauen müssten viel mehr Zeit mit ihren Freundinnen verbringen und zusammen Spaß haben als allgemein üblich, und an Saskias Beschluss darum nicht ganz unschuldig war.

Auch Agda war noch nie in Florenz gewesen. Sie stellte sich Florenz interessant vor, deutlich interessanter als Burdur, wo ihre beste Freundin Samira immer im Sommer war, und meilenweit interessanter als den Bayerischen Wald mit seiner … Gegend. Den allerdings hatte Claus sich als Urlaubsziel ausgesucht, angeblich weil es dort ruhig war und einem nicht ständig irgendwelche Leute über den Weg liefen. Also alles, was in Agdas Augen uninteressant war. Sie für ihren Teil mochte nämlich Leute (und zwar lieber als Wald und Moder und Gräser voller Zecken und anderem Viehzeug). Vor allem Leute, die so alt waren wie sie selbst – jedenfalls, wenn es Mädchen waren. Und wenn sie nicht doof waren, wie sich von selbst verstand, sondern witzig und cool und großstädtisch. Sie mochte es außerdem, wenn etwas los war. Die Sache wurde also nicht besser dadurch, dass Claus das einsamste Häuschen gemietet hatte, das sich hatte auftreiben lassen. Das einsamste und vermutlich das billigste. Aber immerhin sind wir unterwegs!, dachte Agda noch mal und beschloss, fürs Erste zumindest ein kleines bisschen froh zu sein.

Auch zwei Stunden später, als Frau Neumüller längst wieder im Ort zurück war, gerade in die grünen Gartengaloschen geschlüpft war und sich daranmachte, ihre Hortensien zu gießen, waren sie übrigens noch unterwegs. Und zweieinhalb Stunden später immer noch. Da allerdings standen sie nicht mehr im Stau, sondern hatten in Passau die Autobahn hinter sich gelassen und kurvten zwischen nicht enden wollenden Waldstreifen die Serpentinen hoch. Hier und da lichteten sich die Reihen der Bäume, und ihnen zeigte sich ein Bachlauf oder eine Flur, die in allen Farben blühte, dann wieder tauchten sie in die langen Schatten der Tannen ein.

»Vielleicht ist die Straße ja verzaubert und hört nie wieder auf«, sagte Jula.

»Bitte nicht!«, stöhnte Claus, dem während der letzten Kilometer ein säuerlicher Geschmack in den Mund gestiegen war.

Aber da kam Jula, entzückt von ihrem Gedanken, in Fahrt. »Vielleicht ist hier alles verzaubert! Die ganze Gegend. Und wir kriegen auch gerade Zauberkräfte.«

»Pff, Zauberkräfte, du spinnst ja«, sagte Nick. Er war fast drei Jahre älter und hatte für die Kindereien seiner Babyschwester nichts übrig.

Jula funkelte ihn an. »Du kriegst vielleicht keine, aber ich

Nick drückte ungerührt Brille und Nase ans Seitenfenster, maß die Höhe der Tannen und den Umfang der Ulmen und vertiefte sich in seine eigenen Vorstellungen, die alle mit der wilden Wildnis dort draußen zu tun hatten, mit Geheimnissen und gefährlichen Abenteuern. Er war ganz Sohn seines Papas und voller Vertrauen, dass es kein besseres Urlaubsziel geben konnte als das von ihm gewählte. Sein Papa würde wissen, wo man etwas erleben konnte, dieses Aufregende, nach dem Nick sich so oft sehnte (ungefähr so oft, wie er sich nach seinem Papa sehnte), und auf das er sich nun schon seit Wochen freute. Nur Claus selbst wurde gerade durch gewisse Magenprobleme in seiner Vorfreude gedämpft.

»Hättest du vielleicht noch ein Bonbon für mich?«, wandte er sich an Agda. »Sonst steh ich diese Kurven nicht durch.«

»Ich will auch eins!«, rief Jula und beschwor direkt ihre neu erworbenen magischen Fähigkeiten herauf, um ein grünes in die Tüte zu hexen. »Nämlich ein …«

»… oranges.« Agda reichte ihr ein Bonbon, noch ehe Jula irgendetwas verwandeln konnte.

»Es wird in meinem Bauch grün«, verkündete sie darum und stopfte es in den Mund.

Danach sagte keiner mehr was. Denn vor ihren Augen riss der Wald auf, gab eine Ortschaft mit weißen Häusern und zwiebelbedachtem Kirchturm frei, und hinter allem erhob sich spitz wie ein angewinkeltes Knie der Krähenriegel.

Es dauerte genau siebeneinhalb Minuten, bis Nick Emmerich den Schlüsselbund fand.

Zuerst hatten sie alle reglos dagestanden und geguckt, während die Wärme des Tages, die noch in der Wiese festhing, an ihnen hochkroch und die Grashüpfer um ihre Waden sprangen.

»Oooh!«, rief Jula, nachdem sie lange genug geguckt hatte, und hüpfte einem besonders dicken Grashüpfer hinterher. »Ich geh mal gucken, wo die Krähen sind! Krähen sind Zaubervögel!«

Damit war der Bann gebrochen. Mit langen Schritten ging Claus zur Haustür, die an der Hügelseite des Neubaus gleich in die erste Etage führte, aber sie war verschlossen, und von einem Schlüssel war keine Spur. Also stapfte er weiter zum alten Teil des Hauses und betrachtete den schweren Eisenriegel, der mithilfe eines Vorhängeschlosses die andere Tür versperrte. »Diese Verwalterin kann uns doch nicht einfach ausschließen, nur weil wir uns ein kleines bisschen...

Erscheint lt. Verlag 28.4.2022
Illustrationen Elsa Klever
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Bayerischer Wald • Bayern • Bruce Lee • Erste Liebe • Familienchaos • Ferienhaus • Geheimnisse • Geschenk • Geschwister • Katze Kinderbuch • Kinderbuch • Lesezeichen • Mutprobe • Reise • Schatzsuche • Schwimmen • See • Sommerferien • Summertime • Urlaub
ISBN-10 3-522-61122-5 / 3522611225
ISBN-13 978-3-522-61122-0 / 9783522611220
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,5 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich