Kaya Komplizert
kwasi Verlag
978-3-906183-31-2 (ISBN)
Noëmi Sacher, 1980 in Schwyz geboren, studierte Germanistik, Volksliteratur und Kunstgeschichte in Zürich und schloss mit einer Arbeit über Bestsellerforschung am Beispiel von Dan Brown ab. Absolvierte dann die Schule für Angewandte Lingistik in Zürich. Sie schreibt historische Romane, Fantasy und Kindergeschichten und lebt mit ihrer Tochter in Arth und Luzern (Schweiz). www.schreib-einfach.ch
Tanja Stephani ist Grafikerin, Illustratorin und freie Künstlerin. Sie lebt mir ihrer Familie und Tieren auf einem abgelegenen Bauernhof im Zürcher Oberland (Schweiz). www.lartquirit.ch
„Ein gut recherchiertes, spannend geschriebenes Buch, das auf lockere Art zeigt: Je früher die Neigung zu Zwängen eingegrenzt wird, desto besser. Empfehlenswert nicht nur für Familien, in denen unbequeme Kleider, größere und kleinere Ticks oder rot geschrubbte Hände ein Thema sind.“
Monika Kramer, Psychologische Beraterin für Eltern von Kindern mit Zwangserkrankungen
www.monika-kramer.ch
Nachwort für Eltern »Kaya kompliziert« ist ein liebevoll gestaltetes Kinderbuch, das sich mit Zwangsstörungen im Kindesalter auseinandersetzt. Kinder im Alter zwischen drei und elf Jahren zeigen vielfältige Entwicklungsrituale und abergläubisches Verhalten. Das ist Teil einer normalen Entwicklung. Gewohnheiten und Rituale vermitteln Struktur und Sicherheit. Kinder lernen so, ihre Ängste besser zu bewältigen. Rituale am Morgen und am Abend helfen zudem, den Alltag besser zu strukturieren. Vor allem in Zeiten, in denen Kinder mit Veränderungen und Übergängen konfrontiert sind, stellen zwanghafte Verhaltensweisen wie bestimmte Verabschiedungs- und Gute-Nacht-Rituale nicht unbedingt die Vorboten einer Zwangsstörung dar. Sie können auch harmlos sein, und die gemeinsame Ausübung kann Freude bereiten. Bei Kaya ist es aber anders. Schon längst sind es nicht mehr nur kleine Rituale, sondern ganze Muster und Ketten, die sich von morgens bis abends durch ihren Tag ziehen. Die Beziehung zur Mutter ist belastet und mündet in einen großen Streit. Kaya bleibt bedrückt, traurig und verängstigt zurück, und auch Mama kann kaum schlafen. Vor allem wenn Kinder einen übermäßig bedrückten Eindruck machen, sich von Freunden und der Familie zurückziehen, stundenlang mit scheinbar unsinnigen Handlungen beschäftigt sind und weniger zugänglich wirken, ist es Zeit zu handeln. Zwangsstörungen beginnen bei Kindern häufig im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren, selten auch zwischen drei und sechs Jahren. Wir gehen davon aus, dass ungefähr ein bis vier Prozent der Kinder eine Zwangsstörung entwickeln. Wie bei Erwachsenen zeigen sich häufig Wasch- und Putz-, aber auch Kontroll-, Wiederholungs-, Ordnungs- und Zählzwänge. Bei den Zwangsgedanken finden sich Ängste vor Verschmutzung, Verseuchung, eigenen und fremden Verletzungen, Vorstellungen von Aggressivität und Gewalt sowie religiöse Zwangsgedanken. Kaya hat vor allem sogenannte Just-right-Zwänge, bei denen sich Socken oder Pullis genau richtig anfühlen müssen. Kayas Verhalten, das aus ihrer Perspektive zunächst spielerisch aussieht und in kleine, nachvollziehbare Geschichten verpackt ist, wirkt von außen merkwürdig, unverständlich und übertrieben. Kayas Ängste bleiben unentdeckt. Fantasievoll führt die Autorin hier die wesentlichen Prinzipien in der Behandlung von Zwangsstörungen ein. Die Helferin wird in Form einer Drachin vorgestellt: Jette, die Angst vor dem Fliegen hat und deshalb nicht fliegen kann, soll Kaya darin unterstützen, ihre Ängste zu überwinden und sich von den Zwängen zu befreien. Schritt für Schritt machen sie sich auf den Weg, immer das Ziel vor Augen und ganz fokussiert. Kaya kann sich nach und nach überwinden, unangenehme Gefühle auszuhalten, und bemerkt, dass Angst und Anspannung nachlassen. Sie lernt, sich auf anderes zu fokussieren und nicht ständig in sich hineinzuspüren. So kann sie auch die ›falschen‹ Socken anziehen. Sie fasst immer mehr Mut, glaubt an sich und wird belohnt, indem sie ihr Ziel erreicht: morgens wieder im eigenen Bett aufzuwachen und von Mama geherzt zu werden. Auf dem Weg hat sie gelernt, den Zwängen zu widerstehen. Was in der Geschichte einfach wirkt, ist bei Kindern mit Zwangsstörungen harte Arbeit. Quasi über Nacht und fast von allein verschwinden Zwänge nicht. Im Gegenteil: Unbehandelt können sie sich ausdehnen und noch mehr Leid verursachen. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern, die bemerken, dass ihr Kind unter Zwängen leidet, rasch professionelle Hilfe suchen. Die Symptome bei Kindern werden häufig ungewollt durch das Verhalten der Erwachsenen beeinflusst. So kann es schnell passieren, dass ein hilfreich gedachtes Verhalten zur Verstärkung des Zwanges beiträgt oder Familienbeziehungen sich durch häufigen Streit verschlechtern. Darum werden in der Therapie Eltern und Geschwister einbezogen und angeleitet, sich von dem betroffenen Kind nicht in die Zwangshandlungen einbinden zu lassen. Das Kind selbst lernt, wie Kaya, sich mit den gefürchteten Situationen oder Gegenständen auseinanderzusetzen und sich der Angst zu stellen, ohne danach Zwangshandlungen auszuführen oder die Situation zu vermeiden. Natürlich entstehen dadurch negative Gedanken, Gefühle (z. B. Angst oder Ekel) oder auch körperliche Symptome. Diese werden am Anfang in Begleitung mit der TherapeutIn so lange ausgehalten, bis sie von selbst nachlassen. So lernen die Kinder, dass die gefürchtete Konsequenz nicht eintritt. Sie gewöhnen sich langsam an die Situation. Nach und nach wird diese Intervention in den häuslichen Alltag eingeführt und durch die Eltern angeleitet. Das Üben zu Hause und in Alltagssituationen ist besonders wichtig, um den Zwang in seine Schranken zu weisen. Das Ziel der Behandlung ist, dass das betroffene Kind wieder »Chef« seines Lebens wird und nicht der Zwang den Alltag bestimmt. Kaya findet mit Unterstützung der Drachin Jette ihren Weg. Das Buch kann betroffenen Kindern und ihren Eltern Mut machen, sich selbst auf den Weg zu begeben und dem Zwang den Kampf anzusagen. Verfasst vom Team der Spezialsprechstunde für Tic- und Zwangsstörungen Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Neumünsterallee 3, 8032 Zürich
Ein ganz normaler Morgen »Aufwachen!« Mama streicht Kaya sanft über die Wange. Das fühlt sich gut an. Kaya seufzt wohlig und kuschelt sich noch ein wenig fester in die Decke. Aber Mama kuschelt sich nicht zu ihr, sondern zieht die Vorhänge zurück und öffnet das Fenster. »Zeit zum Aufstehen.« Sie gibt Kaya einen Kuss. Versuchsweise streckt Kaya einen Fuß unter der Decke hervor. Ein kalter Luftzug streicht darüber. Sie zieht den Fuß ein, doch da schlägt Mama die Bettdecke zurück. Kaya protestiert. »Mama, nicht! Ich bin noch viiiel zu müde.« »Die Schule wartet aber nicht, bis du ausgeschlafen hast«, meint Mama und geht aus dem Zimmer. Rasch zieht Kaya die Decke wieder hoch bis zum Kinn. Die Luft im Zimmer ist voller Eisgeisterchen, die besonders gerne in Zehen und Nasenspitzen pieksen. Schnell versteckt sie auch den Kopf unter der Decke. Die Eisgeisterchen führen draußen einen wilden Tanz auf und versuchen, zwischen Kissen und Matratze hereinzukriechen. Nichts da! Kaya ist schneller und verschließt auch noch die kleinste Ritze mit den Händen. In ihrer Höhle ist es wunderbar warm. Nur wenig Licht dringt durch die Bettdecke. Die Eisgeisterchen springen draußen auf und ab und suchen ein Schlupfloch. Kaya kichert. Es gibt keins. Jetzt beraten sie sich und wispern aufgeregt. Kaya muss die Ohren spitzen, damit sie ihren Plan mitkriegt. Da fliegt die Decke weg und die Eisgeisterchen stürzen sich auf Kayas Nasenspitze. Zwischen ihren Triumphschreien hört sie eine genervte Stimme. »Kaya! Aufstehen jetzt!« Wenn sie jetzt nicht gehorcht, wird Mama die Decke mitnehmen. Seufzend krabbelt Kaya aus dem Bett und geht zum Kleiderschrank. Als Erstes zieht sie die Schublade mit den Socken auf. Die gestreiften sind ihre Lieblingssocken. Die rosafarbenen kneifen an den Fersen. Die blauen sind zu dunkel, da werden ihre Füße traurig. Die roten sind zu heiß und die weißen machen Flusen zwischen den Zehen. Allein die Vorstellung daran macht sie ganz wuschig. Kaya wühlt in der Schublade, findet zwei Paar weiße, drei Paar rote und – igitt! – ein Paar gelbe Socken. Aber keine gestreiften! Ihre Füße krümmen sich vor Schreck zusammen. Der große Zeh tuschelt beunruhigt mit seinem Nachbarn: Wird sich Kaya für die weißen Socken entscheiden? – Dann müssen wir den ganzen Tag mit den Flusen streiten! »Nein, nein«, beruhigt Kaya ihre Zehen. »Auf keinen Fall die Weißen.« Sie ist sicher, dass da noch irgendwo ein paar gestreifte Socken sind. Die Schublade ist nur einfach zu voll, da findet ja niemand was. Sie nimmt alle einfarbigen Socken und wirft sie auf den Boden. So ist es schon besser. Tatsächlich: ganz hinten in der Ecke! Triumphierend holt sie ein Paar violett-gelb-weiße Socken ans Licht. Der misstrauische große Zeh entspannt sich. Kaya zieht die Socken an und ihre Füße strecken sich wohlig. Jetzt sind Unterhosen und Leggins an der Reihe. Das ist leicht. Seit Kaya heimlich alle Hosen und Jeans in den Beutel mit den Altkleidern gesteckt hat, hat Mama ihr keine neuen mehr gekauft. Jetzt gibt es in ihrem Schrank nur noch Leggins, da geht das Anziehen viel schneller. Bereits greift sie zum Stapel mit den Pullis. Der oberste ist blau mit einer großen roten Blume vorne drauf. Die Blume gefällt Kaya. Sie sieht nach Sommer aus, auch wenn draußen Schnee liegt. Aber kaum hat sie den Blumenpulli übergestreift, protestiert ihr Hals. Viel zu eng, schreit er. Ich ersticke! Wie der Blitz schlüpft Kaya aus dem Blumenpulli. Das war knapp! Zum Glück kann sie sich so schnell ausziehen. Sie knüllt den Pulli zur Strafe zusammen und pfeffert ihn in die Ecke. Jetzt muss sie vorsichtig sein. Den grünen Pulli legt sie lieber gleich zur Seite. Der hat eine kratzige Borte. Den mit dem Hund drauf mag sie ebenfalls. Vorsichtig probiert sie ihn an. Aua!, schreit der Hals entsetzt. Geht’s noch? Die Borte ist viel zu steif! Auch dieser Pulli landet in der Ecke. Was jetzt? Auf dem Stapel ist noch das graue Strickkleid – wenn sie es nur schon ansieht, protestiert der Hals – und ein Pulli aus dünnem Stoff. Der geht bestimmt. Sie zieht ihn an, und wirklich: Ihr Hals ist einverstanden. Kaya schlurft zufrieden ins Bad. Nachdem sie Pipi gemacht und lange gewartet hat, ob noch mehr kommt, wäscht sie sich die Hände. Sie mag es, wenn die Seife tüchtig schäumt. Darum nimmt sie dreimal davon. Bald ist das Waschbecken voll mit kleinen Schaumwolken, die über den Himmel ziehen. Aber Achtung: Jetzt braut sich ein Sturm zusammen. Kaya rührt mit den Händen im knisternden Schaum. Ihre Finger hinterlassen spiralförmige Spuren. Das ist ein Wolken-Wirbelsturm. Gleich wird es in Strömen regnen. Kaya dreht den Wasserhahn auf, lässt das Wasser über ihre Finger laufen. Fröhlich plappernde Wasserwichtel hüpfen zusammen mit dem Sturmregen über ihre Hände. Die Tropfen schlagen tiefe Löcher in den Schaum. Jetzt zieht ein Gewitter auf. Kaya klatscht in die Hände. Das Wasser spritzt in alle Richtungen, es patscht bedrohlich. Ja, so ein Unwetter ist ganz schön gefährlich. Vor allem für diese kleine Wolke, die da gerade … »Kaya!« Kaya fährt erschrocken zusammen. Mama steht in der Tür. »Kaya! Was denkst du, was du da machst?« Was für eine blöde Frage. Sie ist dabei, sich die Hände zu waschen. Kann Mama das nicht sehen? Mama sieht vor allem das Wasser auf dem Boden. Kaya findet Wasser auf dem Boden nicht schlimm. Es sind auch nur ein paar Tropfen. Sie nimmt das Handtuch und wischt damit über die Bodenfliesen. Ein wenig Staub und Haare bleiben auch am Handtuch kleben, die Fliesen sind jetzt also viel sauberer als zuvor. Mama kann mit ihr zufrieden sein. Sie tänzelt vom Badezimmer in die Küche. Dabei muss sie aufpassen, dass sie nicht auf die Fugen zwischen den Bodenplatten tritt. Da wohnen nämlich Winkelzwerge. Sie sind so flink, dass niemand sie sehen kann. Aber wehe, wenn ein Fuß auf ihnen landet. Dann beißen sie sich mit ihren Zähnchen fest. Kurz vor der Küche passiert es. Nach einer schnellen Pirouette landet das vorderste Spitzchen des großen Zehs auf einer der schwarzen Linien. Schnell zieht Kaya den Fuß weg und hüpft zurück bis zum Badezimmer. Sie muss es erneut versuchen. Diesmal passt sie höllisch auf, und es klappt. Ein fehlerfreier Tanz bis in die Küche und das gleich beim zweiten Mal! Mama schlägt ihre Zeitung zu. Sie sagt nichts zu Kayas Tanz. »Schau mal auf die Uhr, Kaya.« Kaya schaut widerwillig hoch. Der Minutenzeiger steht bei der Sieben. Das ist drei dicke Striche weiter, als er sein sollte. Blöder Zeiger. Das ist doch nicht ihre Schuld, dass der heute beschlossen hat, schneller zu drehen. Kaya setzt sich an den Frühstückstisch. Mama reicht ihr eine Scheibe Brot und schiebt ihr die Butter hin. »Trink etwas«, mahnt sie, als Kaya den letzten Bissen runterschluckt. Kaya nickt. Sie ist sowieso durstig. Aber dann stutzt sie. »Das ist die falsche Tasse, Mama!« »Die mit den Punkten ist noch im Geschirrspüler«, meint Mama. »Beeil dich.« Wie soll sie sich beeilen, wenn da die falsche Tasse steht? Aber Mama ist heute stur und wird sogar ein bisschen laut. »Du kannst ja wohl einmal aus einer anderen Tasse trinken.« Aber da täuscht sie sich. Lieber holt sich Kaya die gepunktete Tasse aus dem Geschirrspüler und wäscht sie aus. Spülen macht Spaß, aber Mama spricht schon wieder vom Minutenzeiger. Blödes Ding. Kaya trocknet die Tasse ab. Innen und außen. »Du musst sie innen nicht trockenreiben«, meint Mama, »sie wird doch ohnehin gleich wieder nass.« Da täuscht sie sich schon wieder. Eine saubere Tasse ist innen trocken. Wenn sie innen nass ist, dann ist sie nicht sauber. Das ist doch logisch. Manchmal wundert sich Kaya, dass Mama die einfachsten Dinge nicht versteht. Mama findet den Minutenzeiger wichtiger. Dieser doofe Zeiger! »Beeil dich jetzt endlich, Kaya!« Na, wegen dem Minutenzeiger bestimmt nicht! Der ist ihr nämlich schnurzpiepegal. Viel wichtiger ist, dass die Schuhe richtig gebunden sind. Nicht zu fest und nicht locker, aber am wichtigsten ist der Knoten. Die Schleifen müssen genau gleich groß sein, sonst lacht der Schuhkobold sie aus und macht sich einen Spaß daraus, ihre Schleifen wieder aufzuziehen. Kaya muss aufpassen, dass sie nicht von ihm übertölpelt wird, und dafür braucht sie eine Menge Konzentration. Darum hört sie nicht hin, als Mama etwas sagt. Auch nicht, als Mamas Stimme lauter wird. Das würde sie nur ablenken, und dann dauert es noch viel länger, bis alles richtig ist. Heute gelingen ihr die schönen Schleifen schon beim dritten Mal am linken Fuß und beim fünften Mal am rechten. Als Kaya auf die Straße hinunterkommt, sind die anderen Kinder schon weg. Das ist gut so, denn nun kann sie sich ganz auf den Weg konzentrieren. Bis zum Zebrastreifen an der Ecke dürfen es nicht mehr als hundert Schritte sein. Eins, zwei, drei, besser sind neunzig Schritte, aber das schafft sie nur, wenn kein Hundehaufen auf dem Gehsteig liegt, vier, fünf, sechs. Hundehaufen muss sie mit mindestens zwei Metern Abstand umgehen. Sieben, acht, neun, jetzt ist sie bei der Straßenlaterne. Zehn … Kayas Schritte stocken. Da vorne liegt ein Hundehaufen! Kaya bleibt stehen, um zu überlegen. Auf die Straße ausweichen darf sie nicht, das hat Mama streng verboten. Es bleibt also nur die andere Seite. Dort ist der Garten von Frau Korn. Elf, zwölf, sie klettert auf den Zaun. Eine Drahtspitze piekst ihr in den Po. Egal, sie muss sich beeilen. Sie rutscht auf der anderen Seite hinunter und dabei ratscht etwas. Doch nicht der Stoff an ihrer Hose? Kaya greift sich an den Po. Da, wo eigentlich Leggins sein sollten, ist jetzt nur Haut in einem großen Loch.
Ein ganz normaler Morgen"Aufwachen." Mama streicht Kaya sanft über die Wange.Das fühlt sich gut an. Kaya seufzt wohlig und kuschelt sich noch ein wenig fester in die Decke.Aber Mama kuschelt sich nicht zu ihr, sondern zieht die Vorhänge zurück und öffnet das Fenster. "Zeit zum Aufstehen." Sie gibt Kaya einen Kuss.Versuchsweise streckt Kaya einen Fuß unter der Decke hervor. Ein kalter Luftzug streicht darüber. Sie zieht ihn zurück, doch da schlägt Mama bereits die Bettdecke weg.Kaya protestiert. "Mama, nicht! Ich bin noch viiiel zu müde.""Die Schule wartet aber nicht, bis du ausgeschlafen hast", meint Mama und geht aus dem Zimmer.Rasch zieht Kaya die Decke wieder hoch bis zum Kinn. Die Luft im Zimmer ist voll mit kleinen Eisgeisterchen, die es besonders auf Zehen und Nasenspitzen abgesehen haben. Schnell schlüpft sie auch noch mit dem Kopf unter die Decke. Die Eisgeisterchen führen draußen einen wilden Tanz auf und versuchen, zwischen Kissen und Matratze hineinzukriechen. Nichts da! Kaya ist schneller und verschließt auch noch die kleinste Ritze mit den Händen. In ihrer Höhle ist es wunderbar warm. Nur wenig Licht dringt durch die Bettdecke. Die Eisgeisterchen springen draußen auf und ab und suchen ein Schlupfloch. Kaya kichert. Es gibt keins. Jetzt beraten sie sich und schnattern aufgeregt. Kaya muss die Ohren spitzen, damit sie ihren Plan mitkriegt. Da fliegt die Decke weg und die Eisgeisterchen stürzen sich auf Kayas Nasenspitze. Zwischen ihren Triumphschreien hört sie eine genervte Stimme."Kaya! Aufstehen jetzt!"Wenn sie jetzt nicht hört, wird Mama die Decke mitnehmen.Seufzend krabbelt Kaya aus dem Bett und geht zum Kleiderschrank. Als erstes zieht sie die Schublade mit den Socken auf. Die gestreiften sind ihre Lieblingssocken. Die Rosafarbenen kneifen an den Fersen. Die Blauen sind zu dunkel, da werden ihre Füße traurig. Die Roten sind zu heiß und die Weißen machen Flusen zwischen den Zehen. Allein die Vorstellung daran macht sie ganz wuschig. Kaya wühlt in der Schublade, findet zwei Paar weiße, drei Paar rote und - igitt - ein Paar gelbe Socken. Aber keine gestreiften! Ihre Füße krümmen sich vor Schreck zusammen. Der große Zeh tuschelt beunruhigt mit seinem Nachbarn: Wird sich Kaya für die weißen Socken entscheiden? - Dann müssen wir den ganzen Tag mit den Flusen streiten?Nein, nein, beruhigt Kaya ihre Zehen. Auf keinen Fall die Weißen.Sie ist sicher, dass da noch irgendwo ein paar gestreifte Socken sind. Die Schublade ist nur einfach zu voll, da findet ja niemand was. Sie nimmt alle einfarbigen Socken und wirft sie auf den Boden. So ist es schon besser. Tatsächlich: ganz hinten in der Ecke! Triumphierend holt sie ein Paar violett-blau-weiße Socken ans Licht. Der misstrauische große Zeh entspannt sich. Kaya zieht die Socken an und ihre Füße strecken sich wohlig.Jetzt sind Unterhosen und Leggins dran. Das ist leicht. Seit Kaya einmal heimlich alle Hosen und Jeans in den Beutel mit den Altkleidern gesteckt hat, hat Mama ihr keine neuen mehr gekauft. Jetzt gibt es in ihrem Schrank nur noch Leggins, da geht das Anziehen viel schneller. Bereits greift sie zum Stapel mit den Pullis. Der oberste ist blau mit einer großen gelben Blume vorne drauf. Die Blume gefällt Kaya. Sie sieht nach Sommer aus, auch wenn draußen Schnee liegt. Aber kaum, dass sie den Blumenpulli übergestreift hat, protestiert ihr Hals.Viel zu eng, schreit er. Ich ersticke!Wie der Blitz schlüpft Kaya aus dem Blumenpulli. Das war knapp! Zum Glück kann sie sich so schnell ausziehen. Sie knüllt den Pulli zur Strafe zusammen und pfeffert ihn in die Ecke. Jetzt muss sie vorsichtig sein. Den grünen Pulli legt sie lieber gleich zur Seite. Der hat eine kratzige Borte. Den mit dem Hund drauf mag sie ebenfalls. Vorsichtig probiert sie ihn an.Aua!, schreit der Hals entsetzt. Geht's noch? Die Borte ist viel zu schmal!Auch dieser Pulli landet in der Ecke.Was jetzt? Auf dem Stapel ist noch das graue Strickkleid (schon, als sie es ansieht, protestiert der
Erscheinungsdatum | 24.09.2021 |
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Reihe/Serie | insBesondere Kinder ; 1 |
Illustrationen | Tanja Stephani |
Zusatzinfo | ganzseitige Illustrationen, durchgehend vierfarbig illustriert |
Verlagsort | Bern |
Sprache | deutsch |
Maße | 148 x 210 mm |
Gewicht | 270 g |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Erstlesealter / Vorschulalter |
Schlagworte | Besonders • Dämon • Drache • Erziehung • Familie • Geister • Händewaschen • Hase • Kind • Kuscheltier • Monster • Mutter • Neurodivers • neurotypisch • Schulweg • Störung • Tick • Wichtel • Zwangsstörung • Zwerge |
ISBN-10 | 3-906183-31-9 / 3906183319 |
ISBN-13 | 978-3-906183-31-2 / 9783906183312 |
Zustand | Neuware |
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