Ich heiße Billy Plimpton -  Helen Rutter

Ich heiße Billy Plimpton (eBook)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Atrium Verlag AG Zürich
978-3-03792-165-4 (ISBN)
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Billy Plimpton liebt es, Witze zu erzählen - für jede Situation hat er den passenden Witz auf Lager. Doch Billy hat ein großes Problem: Er stottert. Damit er an der neuen Schule nicht selbst zur Witzfigur wird, versucht er, einfach gar nichts zu sagen. Aber eigentlich will Billy alles andere als unsichtbar sein. Sein großer Traum ist es, als Komiker auf der Bühne zu stehen und die Menschen zum Lachen zu bringen. Doch wie soll er das schaffen, wenn er nicht bis zum Ende des Satzes kommt und damit ständig seine Pointen versaut? Deshalb fasst Billy einen Entschluss: Er wird sein Stottern loswerden und am Ende des Jahres als Komiker beim Talentwettbewerb der Schule auftreten. Er hat auch schon einen Plan. Aber dann läuft nichts so, wie er sich das vorgestellt hat ...

Helen Rutter lebt in der Nähe von Sheffield, arbeitete lange Jahre als Schauspielerin und ist mit einem Komiker verheiratet. Die Idee zu ?Ich heiße Billy Plimpton? kam ihr durch ihren Sohn Lenny, der ebenfalls stottert. Mit diesem Debüt möchte sie Kindern, die anders sind, eine Stimme geben und zeigen, dass jeder über sich hinauswachsen kann.

Helen Rutter lebt in der Nähe von Sheffield, arbeitete lange Jahre als Schauspielerin und ist mit einem Komiker verheiratet. Die Idee zu ›Ich heiße Billy Plimpton‹ kam ihr durch ihren Sohn Lenny, der ebenfalls stottert. Mit diesem Debüt möchte sie Kindern, die anders sind, eine Stimme geben und zeigen, dass jeder über sich hinauswachsen kann.

Eins


Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft gingen in eine Bar.

Sie hatten eine richtig irre Zeit.

Alles, was ich sage, ist wichtig. Jedenfalls meint das meine Mum. Manchmal verlangt sie von mir, dass ich das laut wiederhole. Dann möchte ich am liebsten im Boden versinken. Für jemanden wie mich kann es echt superpeinlich sein, etwas laut zu sagen.

Trotzdem tue ich das jetzt. Ich übe. Immer wieder, vor dem Spiegel. Ihr findet mich hier oft, wie ich so vor mich hin quatsche, beobachte, wie ich die Augen zusammenkneife und wie sich mein Unterkiefer verkrampft.

»I-i-ich heiße B-B-B-Billy Pliiimpton, u-u-u-und ich stottere. Ich heiße Billy Plimpton, und ich stottere. Ich h-h-heiße Biiiilllly, und ich st-t-t-t-tottere.«

Wenn ich das sage, ohne zu stottern, laufe ich knallrot an. Als würde ich mein Spiegelbild betrügen. Und wenn ich ins Stocken komme, laufe ich auch rot an, weil ich es idiotisch finde, mich selbst anzustottern. Aber meine Logopädin sagt, ich soll regelmäßig üben. Also tue ich es. Bis zum ERBRECHEN.

Ich sage diesen Satz nie zu anderen Leuten, sondern immer nur in meinem Zimmer zu mir selbst. Ich wünschte, ich müsste gar nicht erst erklären, dass ich eine Sprechstörung habe. Es hilft aber, wenn neue Bekannte im Vorfeld Bescheid wissen. Dann müssen sie sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, was los ist. Es gibt Leute, die eine extrem lange Leitung haben. Ich finde es schrecklich, sie anschauen zu müssen, während sie versuchen, ihre Mimik in den Griff zu bekommen. Sich fragen, ob ich bloß einen Witz mache. Tja, schön wär’s.

Das übe ich übrigens auch. Witze zu erzählen. Ich LIEBE Witze. Ich finde es super, mit Wörtern zu spielen. Die Leute mit einer Pointe zu überraschen. Mein Spiegelbild anzulachen.

»W-w-w-w-was liegt a-a-a-am Strand und spricht u-u-undeutlich? – Eine N-N-Nuschel!«

Aber wie soll ich witzig sein, wenn ich nicht mal richtig sprechen kann? Es ist nicht gerade leicht, einen Witz zu erzählen, wenn man die Wörter nicht rausbekommt. Ich ruiniere meine Pointen. Das ist mega-ärgerlich. Stundenlang schaue ich mir Komiker auf YouTube an. Wie flüssig sie reden, wie rasant. Das amüsierte Publikum. Ich versuche verzweifelt, sie nachzuahmen.

Man merkt nicht immer gleich, dass ich stottere. Manchmal lege ich zwischen zwei Wörtern eine Pause ein, und manchmal singe ich ein Wort endlos lang, was absolut bescheuert klingt. Als würde ich mit mir selbst wetteifern, wie lange ich einen Ton halten kann. Heute Nachmittag bin ich eine gefühlte Ewigkeit an dem Wort »Zitronenkuchen« hängen geblieben. Als ich es schließlich herausgebracht hatte, war mir die Lust auf Zitronenkuchen fast ein bisschen vergangen. Wenn ich stocke, bin ich nicht nur auf mich, sondern manchmal auch auf die Wörter sauer, als wären sie mit Absicht so bockig.

Aisha, die Freundin meiner kleinen Schwester Chloe, war heute zum Abendessen bei uns. Beide galoppierten mit Klipp-Klopp-Geräuschen durch die Küche. Chloe steht total auf Ponys. In ihrem Zimmer wird mir immer fast übel, weil dort so viele Plüschponys herumliegen und Unmengen von Pferde-Postern an den Wänden hängen. Ich finde Pferde ein bisschen unheimlich, aber das würde ich nie zugeben. Stattdessen gehe ich einfach nicht so oft in ihr Zimmer.

Aisha war zum ersten Mal bei uns. Während des Abendessens sang ich mich durch meinen neuesten Witz: »M-m-m-mit welcher Hand kann man besser schreiiiiben?«

Aisha wollte wissen: »Warum sprichst du so komisch?« Sie fragte das einfach so geradeheraus und sah mich dabei über ihre Gabel voller Spaghetti an.

Chloe erklärte es für mich: »Er bleibt an Wörtern hängen. Er weiß, was er sagen will, aber sein Gehirn macht nicht mit. Du musst einfach warten, bis er fertig ist.«

Aisha dachte eine Weile nach, schlürfte dann ihre Spaghetti und meinte: »Das gefällt mir!« Das war nett von ihr. Sie lachte sogar über meine Pointe: »Mit keiner, d-d-d-denn m-mit einem Stift schreibt man am besten!« Und das war noch netter.

Aisha war wenigstens ehrlich. Kinder verhalten sich bei einer ersten Begegnung besser als Erwachsene. Sie fragen wie Aisha entweder sofort, ob ich stottere, oder sie ignorieren mein Stottern. Wenn jemand so tut, als würde er nichts bemerken, und einfach wartet, bis ich fertig bin, ist das optimal – diese Menschen vertrauen darauf, dass ich den Satz irgendwann beende. Mum meint, viele Probleme auf der Welt liegen daran, dass die Leute immer so in Eile sind, und sie sagt, ich würde ihnen einen Gefallen tun, indem ich sie zwinge, etwas mehr Geduld aufzubringen.

Ich bekomme erst Probleme, wenn Kinder kapieren, was mit mir los ist. Wenn ihnen dämmert, dass sie mich mit dem Stottern aufziehen oder mich auslachen können. Meist bemerke ich nur, wie Kinder alberne Grimassen ziehen oder hinter vorgehaltener Hand kichern, wenn ich etwas sagen will. Wenn jemand danach fragt, wie Aisha, ist das prima. Das ist mir lieber als die halb lächelnden und halb stirnrunzelnden Gesichter, die Erwachsene ziehen, wenn ich zum ersten Mal mit ihnen rede. Die Mundwinkel hochgezogen, die Stirn in Falten gelegt. Ich hasse es, wenn man mich so ansieht. Die Leute sollen richtig lächeln, nicht mit gerunzelter Stirn. Ich kann ihnen ansehen, wenn der Groschen fällt. Wenn sie schnallen, dass das, was sie hören, an einer Sprechstörung liegt. Und dass ich nichts dafür kann. Dann wirken sie erleichtert, ja selbstzufrieden. Weil sie nun damit angeben können, wie super sie mit meinem Stottern umgehen. Meiner Erfahrung nach gibt es vier Hauptkategorien von Erwachsenen:

 

Die Ermutiger

 

Sie setzen eine lächelnde, gelassene Miene auf und sagen ständig Sachen wie: »Nur weiter«, »Interessant« oder »Verstehe«. Ermutiger sind okay. Sie können aber auch nerven, wenn sie es übertreiben und Bemerkungen machen wie: »Hol erst mal tief Luft« oder »Bleib ganz locker«. Wenn man jemandem, der mit etwas kämpft, den Rat gibt, locker zu bleiben, dann ist das so, als würde man jemandem, der vor einem Tiger wegrennt, zurufen: »Lauf schneller!« Was man ja auch tun würde, wenn man es nur könnte.

 

Die Gedankenleser

 

Das ist die häufigste und nervigste Kategorie. Es gibt viele Erwachsene, die sich Kindern gegenüber immer so verhalten, selbst gegenüber denen, die nicht stottern. Aber in meinem Fall tun sie das so RICHTIG. Die Leute in dieser Kategorie bilden sich ein, genau zu wissen, was ich sagen will, und beenden den Satz »netterweise« für mich. Was sie dann sagen, ist meistens voll daneben. Ich spiele oft mit, weil ich keine Lust habe, wieder von vorn anzufangen. Einmal bin ich sogar auf Toilette gegangen, obwohl ich gar nicht musste. Die Dame am Kinoschalter glaubte offenbar, ich wollte fragen: »Wo sind die Toiletten?«, aber eigentlich hatte ich »Wo gibt es hier Popcorn?« fragen wollen. Sie brachte mich direkt zu den Toiletten, obwohl da ein riesiges Schild mit einem Pfeil hing, was ich sowieso gesehen hätte. Trotzdem bin ich reingegangen. Am Ende kaufte ich nicht mal Popcorn.

Als ich mich wieder setzte, erklärte ich Mum, ich hätte es mir anders überlegt, und sie nannte mich einen »komischen Vogel«. Das ist auch etwas, das passiert, wenn man stottert. Die Leute halten dich entweder für blöd oder für komisch.

 

Die Scherzbolde

 

Die ärgerlichste Kategorie. Das sind Erwachsene, die nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, und mich dann »zum Scherz« nachäffen. Und glaubt mir: Das passiert öfter, als man meint. Neulich war ich im Supermarkt und musste einen alten Mann mit brauner Mütze bitten, den Schoko-Milchshake oben aus dem Regal zu nehmen. Er sah mich an und reagierte mit den Worten: »J-j-j-j-j-ja, mache ich doch glatt!«, und dann lachte er, weil er sich unglaublich witzig vorkam. Schwer zu sagen, was Erwachsene dazu treibt, sich so zu verhalten. Eigentlich ist es zu verwirrend, um nervig zu sein. Ich fand es aber trotzdem ätzend.

 

Die Abwartenden

 

Die beste Kategorie und jene, in die ihr euch auch einreihen solltet, falls ihr mal einem Stotterer begegnet. Das sind die seltenen Menschen, denen es nichts ausmacht, abzuwarten, und die so lange zuhören, bis ich ausgespuckt habe, was ich erzählen will. Meist ein neuer Witz. Ihr könntet ziemlich lange warten, bis ich zum letzten Wort eines Einzeilers komme. Denn so funktioniert das. Je mehr ich etwas sagen will, desto stärker sträubt sich etwas in mir dagegen, es auszusprechen. Das ist an sich schon ein schlechter Witz.

Natürlich gibt es nicht ganz so gute Abwartende. Ihr glaubt ja nicht, wie offensichtlich es ist, wenn jemand abwartet, obwohl er oder sie eigentlich überhaupt keine Lust dazu hat. Das ist ätzend. Zu diesen Leuten würde ich am liebsten sagen: »Lass es einfach. Du hast doch sicher etwas Besseres zu tun. Das ist für uns beide kein Spaß.« Aber ich sage es nicht, denn das würde noch länger dauern.

 

Als ich mich zum Spiegel umdrehe, um noch einmal »Ich heiße B-B-B-B…« zu üben, steckt meine Mutter den Kopf zur Tür herein.

»Mit wem sprichst du, Billy?«, fragt sie.

»Mit n-n-niemandem«, antworte ich, indem ich auf mein Spiegelbild zeige.

»Mensch, wenn der Spiegel doch nur sprechen könnte. Er hat sicher allerhand von dir erfahren.«

»W-w-was man dem Sp-p-piegel sagt, das b-b-behält d-der Spiegel für sich, k-kapiert?« Das sage ich mit meiner besten Gangster-Stimme. Mum ist eine ziemlich gute...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2021
Übersetzer Henning Ahrens
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Band • Familie • Freundschaft • Humor • Komiker • Mobbing • Musik • Schule • Stottern • Witze
ISBN-10 3-03792-165-X / 303792165X
ISBN-13 978-3-03792-165-4 / 9783037921654
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