Als die 17-jährige Audrey aus den USA neu auf das traditionsreiche britische Internat Illumen Hall kommt, ahnt sie nicht, was auf der Abschlussparty im letzten Sommer passiert ist: Die Leiche einer Schülerin wurde ans Ufer gespült. Ivy, mit der sie das Zimmer teilt, lässt Audrey deutlich spüren, dass sie es lieber für sich alleine hätte. Und damit nicht genug: Es war vorher das Zimmer des toten Mädchens, Lola. Doch als ein mysteriöser Podcast behauptet, Lolas Tod sei kein Unfall gewesen, beginnen die beiden gegensätzlichen Mädchen gemeinsam Nachforschungen anzustellen. Denn offenbar ist ein Mörder auf freiem Fuß ...
Zoe Sugg begann ihre Karriere 2009 in den Social Media und eroberte die Onlinewelt im Sturm. Auf ihren Kanälen bei Instagram und YouTube hat sie es auf 25 Millionen Follower gebracht und nutzt ihre Plattform regelmäßig, um wichtige Themen wie psychische Gesundheit und Cybermobbing zu diskutieren. Inzwischen hat sie einen Buchclub gegründet. Zoes erster Roman »Girl Online« schaffte es auf Anhieb auf die New-York-Times-Bestseller-Liste, die »Girl Online«-Bücher sind weltweit ein großer Erfolg.
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AUDREY
Gibt es etwas Schlimmeres, als an eine neue Schule zu kommen?
Anscheinend ja. Nämlich bei peitschendem Regen und Wind in Hurrikanstärke an eine neue Schule zu kommen. Innerhalb weniger Monate habe ich es geschafft, von einer warmen, einladenden Highschool aus rotem Backstein im sonnigen Georgia in etwas zu landen, das aussieht wie eine lahmarschige Version von Hogwarts und sich auf einer abgelegenen Halbinsel irgendwo in Südengland befindet. Im schlimmsten Wetter, das ich je erlebt habe. Die Scheibenwischer am Benz meines Vaters bewegen sich blitzschnell und der Motor läuft noch. Das Geräusch entspricht dem Zustand meiner angespannten Nerven.
»Sei brav, Audrey«, sagt er, ohne sich nach hinten umzudrehen.
Sei brav. Waren Worte schon jemals dermaßen belastet? In Wirklichkeit meint er damit: Verbock das nicht – mach es nicht noch schlimmer – es sind ja nur zwei weitere Jahre, bis wir nicht mehr verantwortlich für dich sind und unsere Hände endgültig in Unschuld waschen können. Aber natürlich wird nichts davon laut ausgesprochen. Ich lese die Worte an Dads verkrampften Schultern ab und an der Tatsache, dass Mom überhaupt nicht hier ist, sondern mit meinem jüngeren Bruder, Jason, in Südfrankreich. Mein großer Bruder, Edison, studiert an einem College in New Haven und ist mir daher auch überhaupt keine Hilfe.
Ich antworte Dad nicht. Stattdessen hole ich tief Luft und starre aus dem Fenster. Als ich es mir auf der Webseite ansah, kam es mir schon alt vor, aber in natura gibt Illumen Hall mir das Gefühl, in ein anderes Jahrhundert zurückversetzt zu werden. Es sieht echt mittelalterlich aus. Deshalb würde es mich auch nicht wundern, wenn im Stil von Game of Thrones abgeschlagene Köpfe von schlechten Schülern zwischen den Türmchen aufgespießt wären. Trotzdem ziehe ich lieber den Zorn der Lannisters auf mich, als noch eine Sekunde länger mit meinem Dad im Wagen zu bleiben. Also öffne ich die Tür, presse meine Chanel-Tasche an die Brust und stürze mich mutig in den Regen.
Dad ruft mir noch irgendetwas nach, als ich auf den Eingang der Schule zulaufe, aber der Wind trägt seine Worte weg.
Ich lege einen spektakulären Auftritt hin, als ich so durch die Türen stolpere, die sich mühelos öffnen. Und schon tropfe ich einen polierten Holzboden nass.
Der Lärm des Unwetters draußen wird fast komplett geschluckt, als die Türen sich geräuschlos hinter mir schließen. Ich hebe langsam den Blick und versuche, alles in mich aufzunehmen. Meine Augen bleiben an dem riesigen Porträt einer imposanten Dame hängen, die eine kunstvolle Robe aus grüner Seide trägt. Sie starrt auf den Eingang herab, als würde sie ein Urteil über jeden Menschen fällen, der hier eintritt. Ich fühle mich ungefähr zehn Zentimeter groß. – Das ist erstaunlich, weil ich tatsächlich gut ein Meter achtzig groß bin und normalerweise alle anderen überrage.
»Einschüchternd, nicht wahr?«
Als ich herumwirbele, sehe ich eine Frau in einem eleganten hellrosa Hosenanzug mit farblich passenden flachen Pumps.
»Yeaaaah.« Mein Südstaatenakzent hallt in der Eingangshalle wider. Bisher ist es mir noch nie gelungen, derart fehl am Platz zu klingen, wie ich mich gerade fühle.
»Sie müssen Miss Wagner sein.«
»Oh, äh, Audrey genügt«, sage ich.
Die Frau verzieht den Mund zu einem knappen Lächeln. Sieht nicht so aus, als könnte sie lässigen Begrüßungen etwas abgewinnen. »Ich bin Mrs Abbott, die Direktorin von Illumen Hall.« Sie streckt mir ihre Hand hin und ich schüttele sie zaghaft. »Ich habe dich und deinen Vater im Hof halten gesehen. – Entschuldige, dass ich nicht hinausgekommen bin, um dich zu begrüßen, aber …« Sie zuckt mit den Achseln und zeigt auf die Pfütze, die ich auf dem Boden hinterlasse. »Deine Sachen sind bereits gebracht worden, also zeige ich dir jetzt dein Zimmer oben.«
Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe. Auch wenn ich weiß, dass das Unternehmen von meinem Dad groß und wichtig ist, frage ich mich, ob es normal ist, von der Direktorin – der Headmistress – überall herumgeführt zu werden. »Wo sind denn die anderen alle?«
»Die meisten Schülerinnen und Schüler werden erst heute Abend eintreffen, doch einige – so wie du auch – haben die besondere Erlaubnis, schon früher zu erscheinen.«
Sie marschiert los, bevor sie den Satz auch nur beendet hat. Ich beeile mich, mit ihr Schritt zu halten, wobei meine Flipflops auf dem Holzboden peinlich quietschen. Als ich mir auch noch die Hüfte am Treppengeländer stoße, schaffe ich es mit Mühe, nicht laut zu fluchen. Trampelige, laute Amerikanerin mit vulgärer Ausdrucksweise, das ist nicht der erste Eindruck, den ich bei Mrs Abbott hinterlassen möchte. Zu Hause bin ich nie so verlegen, aber hier kann ich nicht anders, als mir den Hals zu verrenken, um an die hohe Decke mit ihren kunstvoll gemeißelten Verzierungen zu starren oder um die riesigen Gemälde zu bewundern, die die Wände fast komplett bedecken. Noch nie habe ich einen vergleichbaren Ort besucht, der kein Museum war.
»Wir haben dich im Helios House untergebracht«, sagt Mrs Abbot, während sie die Stufen hinaufsteigt. »Du wirst dir das Zimmer mit einer unserer Spitzenschülerinnen teilen, mit Ivy Moore-Zhang. Sämtliche Fragen, die du hast, kannst du ihr stellen. Sie wird dir auch alles zeigen, sobald du dich eingerichtet hast.«
Ich hole tief Luft. Hoffentlich, hoffentlich werden meine Mitbewohnerin und ich gute Freundinnen. Ich will hier ganz von vorne anfangen – in einem neuen Land, an einer neuen Schule und mit lauter neuen Leuten. Mein Freund Brendan lachte, als er hörte, dass ich mir ein Zimmer teilen würde. Du? Prinzessin Audrey? Eine gute Erinnerung daran, warum er inzwischen ein Ex-Freund ist.
Im zweiten Stock müssen wir an einem ziemlich großen Haufen Bauschutt vorbei. Mrs Abbott schnalzt wegen eines klaffenden Lochs in der Decke missbilligend mit der Zunge.
Dann bemerkt sie meine fragende Miene. »Wir haben während des Sommers einige Bauarbeiten erledigen lassen, von denen man mir versprochen hat, dass sie morgen abgeschlossen sein werden.« Den letzten Teil des Satzes sagt sie besonders laut. Ich meine, als Reaktion ein Grunzen von oben, irgendwo über der löchrigen Decke, zu hören. Ob Mrs Abbott denkt, dass ich das meinem Dad petzen werde? Als ob.
Ich achte darauf, dass meine Handtasche keinen Staub abbekommt, während ich Mrs Abbott den Flur hinunter folge. »Hast du deinen Schulausweis zur Hand?«, fragt sie mich, als wir vor einer Doppeltür stehen bleiben.
»Oh, äh …« Ich wühle in meiner Handtasche, weil ich weiß, dass ich den dämlichen Ausweis irgendwo da drinhaben muss. Er ist nur so groß wie eine Kreditkarte und anscheinend mein Schlüssel für alle Bereiche auf dem Schulgelände – mein Zimmer eingeschlossen.
Mrs Abbott wartet einige Sekunden und gibt dann, während ich zunehmend hektisch weitersuche, ein winziges ungehaltenes Schnauben von sich. Schließlich holt sie ihren eigenen Ausweis hervor und zieht ihn über den Türöffner. »Sie müssen Ihre Karte sicher aufbewahren – ohne sie werden Sie Probleme haben, sich im Haus zu bewegen.«
»Hier ist sie!«, sage ich, als ich sie endlich zwischen einer Puderdose und meinem AirPods-Case hervorziehe. Dann stecke ich die Karte demonstrativ in das Reißverschlussfach vorne auf meiner Handtasche. Wir gehen an etwas vorbei, das aussieht wie Postfächer, aber mit kleinem Fenster davor. Ich entdecke meinen Namen unter einem der Fächer.
»Da wären wir.« Wir stehen vor dem Zimmer mit der Nummer 7. »Dein Zuhause für den Rest des Jahres. Leider muss ich jetzt rasch weiter – du hast ja gesehen, dass noch eine Menge ansteht, was erledigt sein muss, bevor morgen das Chaos ausbricht. Ich bin mir sicher, dass Ivy bald hier sein wird. In der Zwischenzeit, pack schon einmal aus und richte dich häuslich ein. Und, Audrey – willkommen in Illumen Hall.«
»Danke«, sage ich nur. Dabei kommen mir eine Milliarde Fragen in den Sinn, aber Mrs Abbott bleibt nicht lange genug, um sie sich anzuhören. Also hole ich tief Luft, wappne mich und öffne die Zimmertür.
Das Erste, was mir auffällt, ist ein hohes Erkerfenster, direkt gegenüber der Tür und umrahmt von üppigem weißen Voilestoff und darüber schweren braunen Samtvorhängen. Davor steht eine kleine, mit dunkelgrünem Damast bezogene Bank. Das sieht aus wie ein ideales Leseplätzchen. Sogar ich könnte da in Versuchung geraten, es mir hin und wieder mit einem Buch gemütlich zu machen. Trotz des Unwetters draußen ist schon zu sehen, dass dieses Fenster bei schönem Wetter viel Licht ins Zimmer lassen wird. Die Wände sind mit Holz in einem warmen Rotton vertäfelt. Zu beiden Seiten des Zimmers finden sich je ein Bett sowie dazu passend ein Kleiderschrank, ein Schreibtisch und eine Kommode. Es wirkt, als würde ein Spiegel in der Mitte des Raums stehen.
Im Dielenboden gibt es ein paar lose Bretter, die knarzen, als ich auf sie trete, aber das ist nichts, was ein guter Teppich nicht dämpfen könnte. Ein paar Bilder zur Auflockerung, ein bisschen Deko hier und da … dann wird es gar nicht so schlecht aussehen. Lächelnd hole ich mein Handy hervor, um ein Foto an Lydia zu schicken. Sie ist meine beste Freundin zu Hause und fasziniert von Interior Design. Bestimmt wird sie reichlich Ideen haben, wie man das hier etwas aufhübschen kann.
Meine Kartons und Koffer...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2021 |
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Reihe/Serie | Die The-Magpie-Society-Reihe | Die The-Magpie-Society-Reihe |
Übersetzer | Sylvia Bieker, Henriette Zeltner-Shane |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Magpie Society 01 - One for Sorrow |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | ab 14 • eBooks • Geheimbund • Girl Online • Gossip Girl • Highschoolthriller • Jugendbuch • Jugendbücher • Kinderkrimi • Liebe • Mädchen • One of us is lying • Pretty Little Liars • riverdale • secret society • Tote Mädchen lügen nicht • Young Adult |
ISBN-10 | 3-641-27052-9 / 3641270529 |
ISBN-13 | 978-3-641-27052-0 / 9783641270520 |
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