Die Abenteuer des Apollo 5: Der Turm des Nero (eBook)
448 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-92971-3 (ISBN)
Rick Riordan war viele Jahre lang Lehrer für Englisch und Geschichte. Er lebt mit seiner Familie in Boston und widmet sich inzwischen ausschließlich dem Schreiben. Seine Percy-Jackson-Serie hat den Buchmarkt im Sturm erobert und wurde zweimal verfilmt. Auch seine nachfolgenden Serien, »Die Kane-Chroniken«, »Helden des Olymp«, »Percy Jackson erzählt«, »Magnus Chase« und »Die Abenteuer des Apollo«, schafften auf Anhieb den Sprung auf die internationalen Bestsellerlisten.
Rick Riordan war viele Jahre lang Lehrer für Englisch und Geschichte. Er lebt mit seiner Familie in Boston und widmet sich inzwischen ausschließlich dem Schreiben. Seine Percy-Jackson-Serie hat den Buchmarkt im Sturm erobert und wurde zweimal verfilmt. Auch seine nachfolgenden Serien, »Die Kane-Chroniken«, »Helden des Olymp«, »Percy Jackson erzählt«, »Magnus Chase« und »Die Abenteuer des Apollo«, schafften auf Anhieb den Sprung auf die internationalen Bestsellerlisten. Gabriele Haefs wurde in Wachtendonk am Niederrhein geboren. Sie studierte Skandinavistik, promovierte im Fach Volkskunde und übersetzt unter anderem aus dem Englischen, dem Norwegischen, dem Dänischen und Schwedischen. Für ihre Übersetzungen hat sie zahlreiche Preise erhalten, darunter den Deutschen Jugendliteraturpreis, den Willy-Brandt-Preis und den Hamburger Literaturförderpreis. 2008 erhielt sie den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für das Gesamtwerk. Gabriele Haefs lebt in Hamburg.
1
Doppelkopfschlange
Versaut mir die schöne Fahrt.
Und Megs Schuh’ stinken.
Auf einer Fahrt durch Washington, D. C., rechnet man ja damit, ein paar Schlangen in menschlicher Bekleidung zu sehen. Aber als an der Union Station eine zweiköpfige Boa constrictor in unseren Zug einstieg, wurde ich doch nervös.
Diese Kreatur hatte sich in einen eleganten blauen Anzug gewunden und ihren Körper durch Ärmel und Hosenbeine geschlängelt, sodass er menschlichen Gliedern ähnelte. Zwei Köpfe ragten aus dem Kragen ihres Oberhemdes wie ein Doppelperiskop. Angesichts der Tatsache, dass das Wesen im Grunde doch nur ein überdimensionales Luftballontier war, bewegte es sich mit überraschender Eleganz. Es suchte sich einen Platz am anderen Ende des Wagens und schaute in unsere Richtung.
Die anderen Fahrgäste achteten nicht darauf. Zweifellos verzerrte der Nebel ihre Wahrnehmung und ließ sie einfach einen weiteren Pendler sehen. Die Schlange tat nichts Bedrohliches. Sie sah uns nicht einmal an. Es konnte sich also durchaus um ein feierabendmüdes Monster auf dem Weg nach Hause handeln.
Und doch durfte ich nicht davon ausgehen …
Ich flüsterte Meg zu: »Ich will dich ja nicht beunruhigen …«
»Pssst«, sagte sie.
Meg nahm die Vorschriften, die im Ruhebereich galten, sehr ernst. Seit wir eingestiegen waren, war fast aller Lärm im Wagen dadurch entstanden, dass Meg mich zischend zum Schweigen brachte, wann immer ich etwas sagte, nieste oder mich räusperte.
»Aber da ist ein Monster.« Ich ließ nicht locker.
Sie schaute von dem im Wagen ausliegenden Zugmagazin auf und hob eine Augenbraue über ihre mit Strass besetzte Schmetterlingsbrille. Wo?
Ich bewegte mein Kinn in Richtung des Schlangenwesens. Als unser Zug aus dem Bahnhof fuhr, starrte sein linker Kopf gedankenverloren aus dem Fenster. Der rechte ließ seine gespaltene Zunge in eine Wasserflasche schnellen, die statt von einer Hand von einer Schlinge gehalten wurde.
»Das ist eine Amphisbaena«, flüsterte ich und fügte dann hilfsbereit hinzu: »Eine Schlange mit einem Kopf an jedem Ende.«
Meg runzelte die Stirn und zuckte mit den Schultern, was ich als Für mich sieht die aber friedlich aus interpretierte. Danach vertiefte sie sich wieder in ihre Zeitschrift.
Ich unterdrückte meinen Drang, ihr zu widersprechen. Vor allem, weil ich nicht schon wieder zum Schweigen gebracht werden wollte.
Ich konnte Meg keinen Vorwurf machen, dass sie eine ruhige Fahrt wollte. In der vergangenen Woche hatten wir uns durch eine Meute von wilden Zentauren in Kansas hindurchgeschlagen, hatten in Springfield, Missouri, einem wütenden Hungergeist gegenübergestanden (ich konnte in der Eile kein Selfie machen) und waren einem Paar blauer Kentucky-Drachen entronnen, die uns mehrere Male um die Pferderennbahn in Louisville gejagt hatten. Nach diesen Erlebnissen war eine zweiköpfige Schlange in Schlips und Kragen vielleicht kein Grund zur Beunruhigung. Und im Moment belästigte der Amphisbaen uns ja auch nicht weiter.
Ich versuchte, mich zu entspannen.
Meg vergrub ihr Gesicht in ihrer Zeitschrift, total absorbiert von einem Artikel über Urban Gardening. Meine junge Begleiterin war in den Monaten, in denen ich sie nun kannte, gewachsen, aber sie war noch immer klein genug, um bequem ihre roten Schaftturnschuhe gegen den Rücken des Sitzes vor ihr zu stemmen. Bequem für sie, aber nicht für mich oder die anderen Fahrgäste. Meg hatte seit unserem Lauf um die Rennbahn in Kentucky ihre Schuhe nicht gewechselt, und sie rochen und sahen aus wie das Hinterteil eines Pferdes.
Wenigstens hatte sie ihr zerfetztes grünes Kleid gegen Jeans aus einem Billigladen und ein grünes T-Shirt mit der Aufschrift UNICORNES IMPERANT eingetauscht, das sie im Andenkenladen von Camp Jupiter gekauft hatte. Mit ihrem Pagenschnitt, der langsam zu lang wurde, und einem wütenden roten Pickel, der auf ihrer Wange zu bersten drohte, sah sie nicht mehr aus wie eine Vorschülerin. Sie sah fast so alt aus, wie sie war: eine Sechstklässlerin kurz vor dem Eintritt in den Kreis der Hölle, der Pubertät genannt wird.
Ich hatte diese Beobachtungen Meg gegenüber für mich behalten. Erstens konnte ich mir über meine eigene Akne genug den Kopf zerbrechen, und zweitens könnte Meg mir als meine Herrin befehlen, mich aus dem Zugfenster zu stürzen, und ich würde ihr gehorchen müssen.
Der Zug fuhr durch die Vororte von Washington. Die späte Nachmittagssonne flackerte zwischen den Gebäuden auf wie die Lampe eines alten Filmprojektors. Es war eine wunderbare Tageszeit, zu der ein Sonnengott eigentlich Feierabend machen, sich zu den Stallungen begeben, seinen Wagen abstellen und es sich dann in seinem Palast gemütlich machen sollte – mit einem Kelch Nektar, ein paar Dutzend ihn anbetenden Nymphen und einer neuen Staffel von Die wahren Göttinnen des Olymp.
Aber mir war das alles verwehrt. Für mich gab es nur einen knirschenden Sitz in einem Amtrak-Zug, von dem aus ich stundenlang Megs stinkende Schuhe anstarren konnte.
Am anderen Ende des Wagens machte der Amphisbaen noch immer nichts Bedrohliches … sofern man das Trinken von Wasser aus einer Einwegflasche nicht für einen Akt der Aggression hält.
Warum also sträubten sich mir die Haare im Nacken?
Ich hatte meinen Atem nicht mehr unter Kontrolle. Ich fühlte mich auf meinem Fenstersitz gefangen.
Vielleicht war ich einfach nervös, weil uns in New York so einiges erwartete. Nach sechs Monaten in diesem elenden sterblichen Leib näherte ich mich jetzt meinem Endspiel.
Meg und ich waren einmal quer durch die Vereinigten Staaten und zurück gestolpert. Wir hatten uralte Orakel befreit, Legionen von Monstern besiegt und die unbeschreiblichen Schrecken des amerikanischen öffentlichen Verkehrssystems erlitten. Endlich, nach vielen Tragödien, hatten wir in Camp Jupiter zwei der abgrundtief bösen Kaiser des Triumvirats bezwungen: Commodus und Caligula.
Aber das Schlimmste stand uns noch bevor.
Wir kehrten dorthin zurück, wo unsere Probleme ihren Anfang genommen hatten – nach Manhattan, zum Hauptquartier des Nero Claudius Caesar, Megs grausamer Stiefvater und der Geiger, den ich am allerwenigsten leiden konnte. Selbst, wenn es uns auf irgendeine Weise gelänge, ihn zu besiegen, lauerte im Hintergrund eine noch mächtigere Bedrohung; meine Nemesis, mein Erzfeind Python, der sich im mir geweihten Orakel von Delphi niedergelassen hatte wie in einer Airbnb-Unterkunft zum Sonderpreis.
In den nächsten Tagen würde ich entweder diese beiden Feinde besiegen und wieder zum Gott Apollo werden (falls mein Vater Zeus das gestattete) oder ich würde bei dem Versuch mein Leben verlieren. So oder so ging meine Zeit als Lester Papadopoulos ihrem Ende entgegen.
Vielleicht war es ja doch kein Mysterium, dass ich so nervös war …
Ich versuchte, mich auf den prachtvollen Sonnenuntergang zu konzentrieren und nicht ständig an meine unmögliche Aufgabenliste oder die zweiköpfige Schlange in Reihe sechzehn zu denken.
Ich schaffte es bis Philadelphia, ohne einen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Aber als wir aus dem Bahnhof fuhren, gingen mir zwei Dinge auf: 1.) der Amphisbaen saß noch immer im Zug, was bedeutete, dass er wohl doch kein täglicher Bahnpendler war, und 2.) mein Gefahrenradar piepte heftiger denn je.
Ich kam mir gestalkt vor. Ich hatte dieses Gefühl von Ameisen auf der Haut, wie früher, wenn ich mit Artemis und ihren Jägerinnen im Wald Verstecken gespielt hatte, eine Sekunde ehe sie aus dem Unterholz hervorsprangen und mich mit Pfeilen durchsiebten.
Ich wagte einen Blick auf den Amphisbaen und wäre fast aus meinen Jeans gesprungen. Das Monster starrte mich jetzt an, seine vier gelben Augen blinzelten nicht und … fingen die jetzt etwa an zu glühen? Oh nein, nein, nein. Glühende Augen sind nie ein gutes Zeichen.
»Ich muss hier raus«, sagte ich zu Meg.
»Psssst.«
»Aber diese Kreatur. Ich muss mir den Typen mal genauer ansehen. Seine Augen glühen.«
Meg musterte Mr Schlange aus zusammengekniffenen Augen. »Nein, tun sie nicht. Sie leuchten. Und er sitzt doch einfach nur da.«
»Er sitzt verdächtig da!«
Die Fahrgäste hinter uns flüsterten: »Psst!«
Meg hob die Augenbrauen und sah mich an. Meine Rede!
Ich wies auf den Mittelgang und machte ein Schmollgesicht.
Meg verdrehte die Augen, befreite sich aus ihrer Hängemattenposition und ließ mich durch. »Fang ja keinen Streit an«, befahl sie.
Super. Jetzt würde ich warten müssen, bis das Monster mich angriff, ehe ich mich verteidigen konnte.
Ich blieb im Mittelgang stehen und wartete darauf, dass das Blut in meine gefühllosen Beine zurückkehrte. Wer auch immer den menschlichen Blutkreislauf erfunden hatte, hatte lausige Arbeit geleistet.
Der Amphisbaen hatte sich nicht bewegt. Seine Augen waren noch immer auf mich gerichtet. Er schien sich in irgendeiner Art von Trance zu befinden. Vielleicht sammelte er seine Energie für einen gewaltigen Angriff. Machten Amphisbaenen so was?
Ich durchwühlte meine Erinnerung nach Kenntnissen über diese Wesen, aber die Ausbeute war mager. Der römische Autor Plinius behauptete, es sorge für eine komplikationslose Schwangerschaft, sich ein lebendiges Amphisbaenenbaby um den Hals zu wickeln (das half mir nicht weiter). Sich in eine Amphisbaenenhaut zu wickeln, mache attraktiv für mögliche Partnerinnen und Partner. (Hm. Nein, das half mir auch...
Erscheint lt. Verlag | 29.7.2021 |
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Reihe/Serie | Die Abenteuer des Apollo | Die Abenteuer des Apollo |
Übersetzer | Gabriele Haefs |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Kinder- / Jugendbuch ► Spielen / Lernen ► Abenteuer / Spielgeschichten | |
Schlagworte | Abenteuer • Abenteuer für Jungs • Abenteuer für Kinder • Abenteuergeschichten • action • Action & Abenteuer für Jugendliche • Action Bücher • Antike • Apollo • Apollo Buch • Bestseller • Bestseller-Autor • Bücher für Jungs • Bücher für Jungs ab 12 • Delphi • fantasy ab 12 • Fantasy Bücher Jugendliche • Fantasy Buchreihe • Fantasy für Jugendliche • Fantasy für Kinder • für alle Rick Riordan Leser • Geschenk für Jungs ab 12 • Götter • griechische Götter • griechische Mythologie • griechische mythologie romane • Halbgott • Halbgötter • Helden • Helden des Olymp • Jugendbücher ab 12 Jungen • Junge Helden • Legenden • Magnus Chase • Monster • Mythologie • Olymp • Orakel • Percy Jackson • Percy Jackson Bücher • Rick Riordan • Romane für Jugendliche • Sagen • Sagen-und-Legenden • Spiegel-Bestseller-Autor • Spiegel bestseller jugendbuch • young adult bücher fantasy • Zeus |
ISBN-10 | 3-646-92971-5 / 3646929715 |
ISBN-13 | 978-3-646-92971-3 / 9783646929713 |
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