Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt) (eBook)

(Autor)

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2021
320 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
978-3-446-27028-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt) - Leslie Connor
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Die Welt wäre mit Mason Buttles Augen betrachtet sehr viel menschlicher. Leslie Connors liebenswerte Geschichte über Freundschaft, Familie und Zugehörigkeit
Mason Buttle ist grundehrlich und liebenswert, er hat ein Herz aus Gold. Dafür würde er niemals einen Buchstabierwettbewerb gewinnen, denn er kann kaum lesen und schreiben. Die anderen Kinder lachen ihn aus und hänseln ihn. Aber Mason hat Calvin. Calvin ist ungewöhnlich klein und dünn, dafür aber besonders schlau. Gemeinsam bauen die beiden Jungs ein Geheimversteck, eine Art unterirdische Höhle. So können sie sich vor den Angriffen der anderen verstecken. Als Calvin vermisst wird, gerät Mason in Schwierigkeiten. Es ist nicht lange her, dass Masons bester Freund Benny im Obstgarten der Buttles verunglückt ist. Noch immer sind viele Fragen offen. Und der verwirrte Mason muss endlich Antworten finden.

Leslie Connor, geboren 1959, in Cleveland, Ohio, hat bereits einige, mit vielen Preisen ausgezeichnete Bücher für Kinder geschrieben. Bei Hanser erschien 2021 das von der Kritik hoch gelobte Kinderbuch Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt), das mit dem ALA Schneider Family Book Award ausgezeichnet wurde und außerdem Finalist des National Book Award 2018 war. Connor lebt mit ihrer Familie und drei Hunden in den Wäldern von Connecticut.

DIE BUSHALTESTELLE


Die Strecke durch die Stadt ist geschafft. Ein paar Punkte hab ich verpasst. Passiert, wenn ich mit den Gedanken beim Lieutenant bin. Beim Baumhaus. Und bei Benny. Es gibt Tage, da komm ich nicht davon los. Ich denke mal: Ich werde versuchen, all das dem Drachen zu erzählen. Es mit seiner Hilfe aufzuschreiben. Irgendwann.

Der Bus biegt auf die Swaggertown Road. Meine Straße. Lang ist sie und führt weit hinaus aus dem Stadtzentrum.

Meine Mom ist an dieser Straße gestorben. Wurde in einer sternenklaren Nacht von einem Auto überfahren. Das war der Bang. Onkel Drum hat es so gesagt. Ich war noch ziemlich klein. Ich dachte, Bang wäre das Geräusch gewesen. Als der Wagen sie erwischt hat. Aber irgendwann im Laufe der nächsten Jahre habe ich es kapiert. Es hat Bang gemacht, weil wir sie verloren haben. Mit einem Bang hat es uns getroffen.

Meine Haltestelle ist ziemlich neu. Sie haben sie eingerichtet, nachdem die Bauunternehmer die ersten Häuser hochgezogen hatten. Oben auf dem Hügel und unten. Unser Haus steht in der Mitte, zusammen mit dem, was von der Obstplantage übrig geblieben ist. Das bedeutet, dass man hier eine ganze Menge Schüler gleichzeitig ein- und aussteigen lassen kann. Merrimack braucht so was jetzt. Merrimack ist gewachsen, weil es seit Neuestem eine große neue Fabrik in der Stadt gibt. Flugzeugteile werden da hergestellt. Deshalb sind viele Arbeiter hergezogen. Mit jeder Menge Kinder.

Also, ich mache das immer so: Ich halte mich schon rechtzeitig bereit für die Haltestelle. Wenn ich aus dem Bus steige, will ich sofort loslaufen. Und weg. Von Matt Drinker, Lance Pierson und — nicht ganz so dringend — von einem Jungen namens Corey McSpirit. Er ist der Neueste. Ist erst diesen Sommer hergezogen und hält sich eher abseits. Er will immer den Hügel runter und mit Matt im Hinterhof der Drinkers Lacrosse spielen. Das ist nämlich ihr Sport. Sie fangen und schießen ziemlich harte Bälle mit Schlägern durch die Gegend, an denen Netze hängen. Schon komisch, denn Matt Drinker ist wirklich kein Junge, dem ich persönlich jemals einen Schläger in die Hand drücken würde. Aber ich habe einen Blick in die Garage seiner Eltern geworfen. Er hat jede Menge von diesen Dingern.

Unser Haus ist am nächsten dran an der Haltestelle. Aber wegen der abfallenden Straße rollt der Bus immer daran vorbei, und ich muss ein Stück zurückgehen. Oder besser gesagt: zurückrennen. Mit etwas Glück schaffe ich es ziemlich schnell bis zu unserer Tür. Und das ist auch besser so. Matt und Lance schießen nämlich meistens mit Lacrosse-Bällen auf mich. Und man kann es sich ja denken: Die Dinger sind hart. Aus Gummi oder so. Die brennen so richtig, wenn sie dich erwischen. Weniger schlimm ist es, wenn sie Äpfel als Munition benutzen. Und das können sie ja jetzt wieder. Es ist Apfelsaison.

Wir sind die Swaggertown Road bis zur Hälfte raufgefahren, als im hinteren Teil des Busses laut aufgestöhnt wird. Dann kommen Flüche. Ich schaue mich um. Matt Drinkers Handy ist mitten in einem Video der Saft ausgegangen. Das machen die nämlich da hinten. Sie stecken die Köpfe zusammen, schauen Sport. Highlights und Pannen.

Matt sagt: »Wir müssen das Spiel sehen! Wir müssen!«

Lance versucht es mit seinem Handy. Tippt auf dem Bildschirm herum.

Matt Drinker sieht, dass ich mich in meinem Sitz zu ihnen gedreht habe. Er sagt: »Was glotzt du so, Arschgesicht?« Sagt mir, dass ich mich umdrehen soll. Das mache ich. Aber dann höre ich, wie er zu Lance sagt: »Dein Handy ist viel zu klein. Wir brauchen einen größeren Bildschirm. Wo ist der Typ mit den weißen Haaren? Der immer sein Tablet dabeihat? Dieser Pygmäen-Winzling?«

Als ich das höre, bekomme ich große Augen. Sehr große.

Ich schaue mich noch mal um. Matt ist aufgestanden. Er lässt den Blick über alle Sitzplätze schweifen. Wie ein Habicht, der eine Feldmaus jagt. Dann sehe ich es. Calvin Chumsky sitzt doch im Bus. Zwei Reihen hinter mir. Muss ihn übersehen haben vorhin, als ich auf meine Füße gestarrt habe. Er versucht sich jetzt zu ducken. Aber er schaut auf. Direkt zu mir. Und drückt das Tablet in seinen Schoß.

Ich denke, Calvin Chumsky hätte lieber ganz vorn sitzen sollen.

Matt steht im Gang direkt vor Calvin. Er zeigt auf das Tablet. Er sagt: »Ich brauche das.«

»Na ja, es gehört mir«, sagt Calvin. »Ich verleihe es nicht.«

Matt sagt: »Nur für ein paar Minuten! Gib her!« Er schnappt sich das Tablet. Jetzt bekommt Calvin Chumsky große Augen. Er starrt seine leeren Hände an.

Hinten im Bus versucht Lance Pierson, Matt das Tablet abzunehmen. Matt hält es hoch. Er macht Calvin nach. Sagt mit weinerlicher Stimme: »Ich verleihe es nicht!« Sie lachen. Rutschen dicht zusammen und tatschen gemeinsam auf dem Bildschirm herum.

Calvin Chumsky sitzt auf seinem Platz und drückt seine Zunge in die Wange. Als hätte er da eine Kirschtomate drin. Er verdreht einige Male die Augen und schaut in meine Richtung. Ich bleibe in der Beobachterposition.

Der Bus fährt über die Swaggertown Road und auf unsere Haltestelle zu. Corey McSpirit schaut auf. Er sagt: »Hey, wir sind fast da, Leute. Gib ihm mal lieber das Tablet zurück.«

»Warte mal, warte mal«, sagt Matt. Er greift sich das Tablet. Dreht es hin und her. »Hat das Ding eigentlich ’ne Kamera?«

Ich lasse Calvin Chumsky nicht aus den Augen. Er atmet tief ein.

Matt findet die Linse. Er sagt: »Oh, gut!« Dann fügt er lauter hinzu: »Wir brauchen nämlich noch ein Foto von Arschgesichts neuem DEEHMLICH-Shirt. Hahaha!« Er tritt in den Gang, hält das Tablet in meine Richtung und sagt: »Brust raus, Schweißkopp. Zeig mal, was du hast!«

Ich tue es. Weil sie dann vielleicht das Tablet zurückgeben.

Matt sieht mein Shirt. Das Klebeband und was Miss Blinny geschrieben hat. Die Schublade, die sie gezeichnet hat. Er sagt: »Hey, was ist das denn? Du hast es geändert!« Er verzieht verächtlich den Mund.

»Jep.« Ich werfe Calvin Chumsky einen kurzen Seitenblick zu.

Matt flucht. Gibt die Sache mit dem Foto auf. Sagt aber mit lauter Stimme: »Buttle, dein ganzer Kopf ist bloß ’ne Schublade! Ohne was drin.« Der gesamte Bus brüllt vor Lachen, und ich lasse meine Brust wieder einsinken.

Der Fahrer ruft von vorn: »Ruhe! Setzt euch gefälligst wieder hin!«

Dann kommt der Bus mit einigem Geholper an der Ecke Swaggertown Road und Orchard Drive zum Stehen. Die Bremsen zischen. Matt gibt Calvin das Tablet zurück. Na, immerhin.

Wie sich rausstellt, steigt Calvin Chumsky auch an unserer Haltestelle aus. Überrascht mich. Aber ich sag mal so: Wenn ich damit beschäftigt bin, meinen Schweiß bei mir zu behalten, kriege ich gewisse Sachen einfach nicht mit. Ich stehe im Gang und mache mich größer, als ich sowieso schon bin. Ich versperre den Weg, damit Calvin vor mir aussteigen kann. Besser, er kommt aus diesem Bus raus, bevor die Typen von hinten an der Reihe sind.

Draußen sagt Calvin kein Wort. Er geht los, wendet sich ab, als würde er die Swaggertown Road überqueren wollen. Und dann den Hügel rauf. Die Straße heißt Jonagold-Pfad, nach der Apfelsorte. Dabei ergibt das gar keinen Sinn. Da oben wachsen hauptsächlich Cortlands und Galas. Die Bauunternehmer haben keine Ahnung von Äpfeln. Wie’s aussieht, wohnt Calvin ganz oben auf dem Hügel.

Ich nehme unser Haus in den Blick. Wie immer. Es ist etwa so weit weg, wie man einen Lacrosse-Ball werfen kann. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Matt und Lance hinter Calvin herrennen. Sie packen ihn an seinem Rucksack. Werfen ihn zu Boden. Er liegt mit dem Hintern unten. Sandfarbene Schuhe in der Luft.

Einige der Schüler, die auch ausgestiegen sind, bleiben stehen. Sie schauen über ihre Schultern und tuscheln. Matt und Lance lachen. Sie stellen sich vor Calvin auf. Er kriecht auf den Bürgersteig. Sieht aus wie eine Schildkröte, die man auf den Rücken gelegt hat. »Nicht gerade besonders fair«, sagt er zu ihnen, »jemanden umzuschmeißen, der so viel wiegt wie eine Motte.« Lance baut sich vor Calvin auf.

»Genau!« Das Wort kommt einfach so aus meinem Mund. Ich trete vor. Hebe das Kinn. Rufe: »Versuch das doch mal mit mir! Versuch’s einfach!« Ich grinse und zeige alle Zähne. Tippe mit dem Daumen auf meine Brust, um sie zu mir rüber zu locken. Dann stehe ich da wie eine Säule. Größer als alle anderen. Einige Schüler schauen zu. Jemand sagt: »Jetzt gehen sie auf Buttle los. Schon wieder.«

Matt und Lance versuchen nicht, mich zu Boden zu reißen. Aber sie knallen ihre Lacrosse-Schläger gegen meine Knie. Ich hüpfe aus...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2021
Übersetzer André Mumot
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Truth as Told by Mason Buttle
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte ab 10 • Ausgezeichnet • Außenseiter • bestes Kinderbuch • Bestseller • Charmant • charmanter Einfaltspinsel • Dorfdepp • Dorfgemeinschaft • Empathie • Familie • Forrest Gump • Freundschaft • für den anderen einstehen • für Jungen • Geheimnis • geht zu Herzen • getrübtes Idyll • grundehrlich • herausragend • Herz • Herz aus Gold • Herz und Verstand • Intelligent • Kinderbuch • klug • Kommissar • Kriminalgeschichte • Landleben • Langsam • Liebe • liebenswert • Mitgefühl • mitreißend • Mobbing • Pageturner • Straftat • Unterhaltsam • Verstand • Versteck • viele Preise • Vorurteile • Vorverurteilung • Wunder • Zusammenhalt
ISBN-10 3-446-27028-0 / 3446270280
ISBN-13 978-3-446-27028-2 / 9783446270282
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