Echo Mountain (eBook)

Ellie geht ihren eigenen Weg

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
384 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
978-3-446-27032-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Echo Mountain - Lauren Wolk
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Inmitten der wilden Schönheit der Natur lernt Ellie, gegen alle Widerstände auf sich selbst zu vertrauen. Lauren Wolk über ein mutiges Mädchen
Ellie liebt das Leben am Echo Mountain. Zwischen Balsamtannen, Wildbienen und Bergbächen finden sie und ihre Familie ein Zuhause, müssen dafür aber auch hart arbeiten. Als ein schrecklicher Unfall geschieht und der Vater ins Koma fällt, begibt sich Ellie auf die Suche nach einer Heilmethode. Eine Suche, die die Geschichten des Berges und seiner Bewohner zum Vorschein bringt und die sie bis zur alten Cate führt. Diese ist bekannt für ihr Heilwissen, benötigt aber selbst dringend Hilfe. Mit Mut und Beharrlichkeit versucht Ellie, die Menschen zu retten, die ihr am meisten bedeuten, und lernt, gegen alle Widerstände auf sich selbst und ihre Intuition zu vertrauen.

Lauren Wolk ist Schriftstellerin, Dichterin und bildende Künstlerin. Sie studierte an der Brown University Literatur, arbeitete u. a. als Redakteurin, Feuilletonistin und Lehrerin und ist derzeit stellvertretende Leiterin des Cultural Center of Cape Cod. Dort lebt sie auch mit ihrer Familie. Ihr Jugendbuch-Debüt hatte sie mit Das Jahr, in dem ich lügen lernte, für das sie 2018 den Katholischen Kinder- und Jugendliteraturpreis erhielt. Im selben Jahr folgte Eine Insel zwischen Himmel und Meer (Reihe Hanser bei dtv). Ihr neues Kinderbuch Echo Mountain erscheint 2021.

8


»Das kannst du nicht vergleichen«, sagte meine Mutter, als mein Vater wieder trocken und sein Zimmer wieder eine Welt für sich war. »Der Welpe … und das gerade … Das ist nicht vergleichbar.«

»Aber warum nicht? Ich habe doch gesehen, wie seine Hand gezuckt hat. Ein bisschen hat das Wasser ihn aufgeweckt!«

Ich wusste, wie müde meine Mutter war. Ich wusste, wie sehr sie sich meinen Vater zurückwünschte. Und ich wusste, wie sehr es sie quälte, wenn irgendjemand versuchte, die Ruhe, die sie so mühsam in unser Leben gebracht hatte, zu stören. Aber ich war diese Ruhe leid. »Er hat sich bewegt, Mutter. Zum ersten Mal seit dem Unfall.«

Ich wollte so sehr, dass sie Hoffnung schöpfte. Dass sie wenigstens so etwas sagte wie: »Vielleicht. Möglich.« Doch stattdessen legte sie mir die Hände auf die Schultern und sagte: »Ein Körper hat seinen eigenen Willen, ganz egal, was wir sagen oder nicht sagen, Ellie. Die Hand deines Vaters hat gezuckt, weil du kaltes Wasser darübergekippt hast. Das ist alles.«

Doch mich überzeugte das nicht.

»Was, wenn er in seinem Körper gefangen ist und wir ihm einen Weg ins Freie verschaffen könnten?«

Sie sah mich halb traurig, halb ungeduldig an. »Genau das tun wir ja«, sagte sie. »Jeden einzelnen Tag.«

Indem wir leise mit ihm sprachen und ihm vorlasen, meinte sie. Indem sein kleiner Sohn sich dicht an ihn kuschelte. Indem ich seine Hand hielt.

»Alles, was er von uns bekommt, sind Wiegenlieder«, sagte ich, obwohl ich sie nicht traurig machen wollte. »Warum sollte er davon aufwachen?«

Sie nahm die Hände von meinen Schultern und trat einen Schritt zurück. »Geh und entschuldige dich bei ihm«, sagte sie.

Welchen Sinn sollte das haben? Wenn er zu tief schlief, um von eiskaltem Wasser wach zu werden, wie sollte er dann hören, wenn ich mich bei ihm entschuldigte?

In dem Moment, genau da, verstand ich zum ersten Mal, was für ein kompliziertes Ding die Hoffnung sein konnte.

Aber ich sagte nur: »Tut mir leid.« Denn das tat es wirklich. Dass sie so viel verloren hatte. Dass sie vielleicht noch mehr verlieren könnte.

»Zu ihm sollst du das sagen«, sagte sie und wandte sich ab.

In der Tür zu Vaters Zimmer stieß ich mit Esther zusammen, die gerade herauskam, die Arme voll mit nassen Laken.

»Was hast du dir nur dabei gedacht, so etwas Schreckliches zu tun?«, sagte sie. »Willst du, dass er krank wird?«

Darauf antwortete ich nicht. Keiner von uns hatte gewollt, dass er krank wurde.

Und trotzdem war er es.

Und nach all diesen Monaten, in denen ich zugesehen hatte, wie er da lag, war ich plötzlich überzeugt, daran etwas ändern zu können.

Meine Mutter hätte das Hochmut genannt.

Meine Schwester: Dummheit.

Mein Bruder: Quatsch.

Aber worauf es ankam, das war die Meinung meines Vaters.

»Papa«, flüsterte ich ihm ins Ohr, ganz nah, obwohl jetzt ein säuerlicher Geruch von ihm ausging statt seines gewohnten guten Geruchs nach sauberem Schweiß, nach Holzfeuer und staubigem Hund. »Mutter sagt, ich soll mich bei dir entschuldigen, und deswegen tu ich das jetzt.« Ich zögerte und holte tief Luft. »Es tut mir leid, wenn das Wasser zu kalt war.«

Aber, wie Esther zuvor gesagt hatte: Wenn war ein großes Wort.

»Es tut mir leid«, verbesserte ich mich, »dass das Wasser so kalt war. Aber ich wollte, dass du’s fühlst.«

Dann erzählte ich ihm von dem Welpen. Von Quiet, der in dem kalten Wasser aufgewacht war.

»Du hast das auch gespürt, nicht wahr?«, fragte ich, doch dieses Mal bewegte er sich nicht. Nicht das kleinste bisschen.

Ich lehnte mich zurück, schaute zur leeren Tür, beugte mich wieder vor. »Es geht uns schlecht, Papa. Mutter ist die ganze Zeit müde und lacht nie. Niemals. Sie hat auch nicht mehr gesungen oder Mandoline gespielt seit deinem Unfall. Samuel benimmt sich wie ein Kind, aber im Grunde ist er todtraurig, das merke ich. Und Esther glaubt, sie müsste von jetzt auf gleich erwachsen werden.« Ich zögerte wieder und nahm meinen ganzen Mut zusammen.

»Und ich, ich würde am liebsten jeden Baum am Berg abbrennen.« Das stimmte. Und stimmte auch wieder nicht. Ich liebte Bäume. Selbst die abgestorbenen. Selbst den, der meinen Vater schwer verletzt hatte, als er umstürzte. »Es ist schrecklich ohne dich, Papa. Wir brauchen dich zurück.«

Das war kein Schlaflied.

Von mir würde er keine Schlaflieder mehr bekommen.

»Du bist der Einzige, der weiß, dass es nicht meine Schuld war«, sagte ich, und fast versagte mir die Stimme.

Aber auch das stimmte nicht ganz.

Ich selbst wusste es auch.

Und vielleicht noch jemand, jemand, der vom Wald aus zugesehen hatte.

Aber nichts von alldem wäre noch wichtig, falls Vater wieder aufwachte.

Wenn er aufwachte.

Bevor ich aus dem Zimmer ging, küsste ich meinen Vater auf den Kopf. Auf die Narbe.

Wie eine Landkarte fühlte sie sich unter meinen Lippen an.

Und ich folgte ihr.

Zum Mittagessen aßen meine Mutter und Esther und Samuel Maispfannkuchen und in Butter gebratene Eier.

Für mich gab es Haferbrei.

»Es wird Zeit, dass du ein paar Dinge lernst«, sagte meine Mutter eher müde als streng. »Bevor du das nächste Mal eine deiner wilden Ideen in die Tat umsetzt, denk lieber ein zweites Mal darüber nach.«

»Oder ein drittes«, sagte Esther. Jedes Haar auf ihrem Kopf lag, wie es sollte, ihre Bluse war an den Manschetten ordentlich zugeknöpft. Sie war nur drei Jahre älter als ich, aber sie benahm sich, als lebte sie in einer älteren Welt. Einer vernünftigeren Welt. Einer, in der alles festen Regeln gehorchte. Aber ich wusste, so einen Ort gab es nicht.

Also aß ich stumm meinen Haferbrei und wusch anschließend klaglos das Geschirr ab. Wenn das der Preis war, den ich dafür zahlen musste, dass ich der Flamme in meiner Brust folgte, dann war es ein kleiner Preis.

Anschließend nahm ich die Essensreste — die wir alle, hungrig wie wir waren, mit Absicht auf unseren Tellern gelassen hatten — und brachte sie zu Maisie hinaus. Sie lag im Stroh, die Welpen tranken wieder, und ich fütterte Maisie Stück für Stück. Sie war genauso durstig und hungrig wie ihre Kleinen und leckte mir immer wieder über die Hand, bis auch das letzte bisschen von unserem Essen fort war. Dann trank sie die Milch, die ich ihr gebracht hatte, so wie die Welpen die Milch ihrer Mutter tranken.

Langsam, ganz langsam streckte ich eine Hand nach den Kleinen aus, und Maisie protestierte nicht, als ich ihre winzigen Köpfe berührte, am längsten den von Quiet, der sich kurz in meine Hand schmiegte, so als wollte er sagen: Gerade habe ich zu tun, aber warte. Bald bin ich da.

Ich verließ den Schuppen, ging erst ein Stück den Weg hoch und dann in den Wald, wo Schierlingstannen so dichte Schatten warfen, dass zwischen den Stämmen der alten Bäume fast nichts wuchs. Hier konnte ich leicht gehen, die dicke Schicht abgestorbener Nadeln unter meinen Füßen war wie das weiche Fell eines großen, ausgestreckten Tieres, dem mein Gewicht und der Druck meiner Stiefel auf seinem braunen Rücken nichts ausmachten.

Nicht lange, und ich hatte die Stelle erreicht, an der ich immer am besten nachdenken konnte.

Es war ein alter Ort, hinterlassen von Menschen, die lange vor uns hierhergekommen waren, sich ein Holzhaus gebaut und es irgendwann so wieder verlassen hatten, dass nichts davon übrig geblieben war als eine große Senke, gesäumt von Granit und Felsblöcken, einem Brunnen und verrottetem Holz, durchlöchert von Käfern und Vögeln und dem Wetter.

Als ich meine Hand auf die Steine legte, spürte ich, wie sehr sie das gleichbleibende Gewicht eines Hauses vermissten. Die Vorstellung, nützlich gewesen zu sein.

Und als ich das glatte Holz berührte, das einmal Schneestürmen und Hagel getrotzt hatte, da spürte ich, wie es von einer Zeit träumte, als es stärker gewesen war als jeder Sturm.

Es war ein Ort, an dem ich mich traurig und einsam fühlte, doch als ich hinunterstieg, um mich mitten in die Ruinen eines Zuhauses zu setzen, geborgen in dieser Hand aus Granit, geschützt von hohen Bäumen, die mittendrin gewachsen waren, fühlte ich mich stark und fähig. Ein Bergmädchen. Schlau. Schnell. Und dabei, klug zu werden.

Manchmal fand ich dort alte Flaschen. Verrostete Metallsplitter. Einmal sogar den Kopf einer Puppe, deren immer noch blaue Augen sich nie mehr schlossen. Zeichen längst ...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Übersetzer Birgitt Kollmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Echo Mountain
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Berge • Bergwelt • Börsencrash • Börsenkrach • calpurnia • Familie • Geheimnis • Great Depression • Große Depression • Heilung • Heilwissen • Hoffnung • Hund • Krise • Mädchen • Natur • Naturliebe • Naturverbundenheit • Neuanfang • Resilienz • Schuld • Selbstvertrauen • sich selbst finden • Stärke • Tierliebe • Überleben • Unfall • Welpe • Widerstandsfähigkeit • Widerstandskraft • Wildnis
ISBN-10 3-446-27032-9 / 3446270329
ISBN-13 978-3-446-27032-9 / 9783446270329
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