Der Winter des Bären (eBook)

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2020 | 1. Auflage
255 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76728-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Winter des Bären -  Kiran Millwood Hargrave
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Seit Jahren ist der Eldbjørn-Wald im Griff eines eisigen Winters, der Frühling ist nur noch eine ferne Erinnerung. Hier lebt Mila mit ihren drei Geschwistern. Sie halten fest zusammen und würden einander nie im Stich lassen. Doch eines Tages ist Milas Bruder Oskar plötzlich verschwunden - und Mila ist ganz sicher, dass er entführt wurde. Die Schwestern machen sich auf die Suche nach ihm, begleitet von ihren zwei treuen Schlittenhunden. Einen Verbündeten finden sie in dem geheimnisvollen Zauberer Rune. Er weiß, wer Oskar entführt hat: der Bärengeist Bjørn, der hoch im Norden auf einer sagenhaften Insel lebt und doch eigentlich den Eldbjørn-Wald schützen sollte. Mit Runes magischen Kräften, die Schnelligkeit verleihen und es sogar möglich machen, unter Wasser zu atmen, macht sich Mila auf in den Norden.

Auf der gefahrvollen Reise ins Reich des Bären erkennt Mila, dass nicht nur das Leben ihres Bruders in Gefahr ist, sondern ihre Familie viel tiefer in die finsteren Pläne des Bären verstrickt ist, als sie ahnte. Ein atemberaubendes Fantasy-Abenteuer über Mut und Freundschaft, Treue und Vertrauen, über die Bande zwischen Geschwistern - und über die Sehnsucht nach dem Frühling.



<p>Kiran Millwood Hargrave, geboren 1990, studierte in Oxford und Cambridge. Ihr erstes Kinderbuch veröffentlichte sie 2016. <em>Der Winter des Bären </em>ist ihr dritter Roman. Für ihr Schreiben wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderemmit dem Waterstones Children's Book Prize 2017 und dem British Book Award. Sie lebt mit ihrem Mann in Oxford.</p>

Kapitel 1

Das Haus im Wald von Eldbjørn


Es war ein Winter, über den sie noch lange sprechen sollten. Ein Winter, der so plötzlich und heftig hereinbrach, dass er die Vögel an den Zweigen festfror und die Gischt der Flüsse mitten in der Luft gefrieren ließ, sodass sie wie Wolken aus Kristall auf das erstarrte Wasser herabfiel. Ein Winter, der kam und nie wieder ging.

Drei Jahre vergingen, dann fünf. Die Menschen sprachen von einem Fluch und versuchten es mit Gebeten und Versprechungen. Sie gaben bösen Zauberern die Schuld, ihren Nachbarn oder den Jarlen, die über ihre Dörfer und Städte herrschten. Doch all das nützte nichts, und bald konnte sich niemand mehr daran erinnern, wie sich Wärme anfühlte, außer am Feuer, oder wie Grün aussah, außer dem dunklen Ton der Tannen.

Kutschen wurden gegen Schlitten getauscht, prächtige Pferde verloren an Wert und wurden gegen robuste Bergponys oder winselnde junge Huskys oder andere Tiere, die mit dem Schnee vertraut waren, getauscht. Bären fielen in ewigen Winterschlaf, und Wölfe schlichen durch die Schatten des tiefen Waldes. Einige verließen ihr gefrorenes Land, doch die meisten blieben und passten sich, wie Menschen es nun mal tun, an ihre veränderte Umgebung an.

Sie veränderten auch ihre Geschichten. Vorbei war die Zeit der Süße und Fülle, und die Geschichten wurden zu Warnungen, schmerzhaft wie Bienenstiche. Aus den Feuergänsen, die im Sommer die Sonne auf ihrem Rücken trugen, wurden Eisschwäne, die nach unbedeckten Fingern und Zehen schnappten und sie einfach abbissen. Aus den Flussnymphen wurden Eisjungfern, die am Boden gefrorener Seen lauerten und unachtsame Kinder hinunterzogen. Wehmütige Stimmen sprachen von verzauberten Inseln, wo der Frühling wartete, von goldenen Wasserfällen, die in Seen aus Sonnenlicht strömten, doch diese Orte waren stets unerreichbar, jenseits des frostigen Horizonts.

Im fünften Jahr des Winters, der die Flussstädte im Süden und die Bergstädte im Norden fest in seinem eisigen Griff hatte, wob sich eine ganz neue Art von Kälte eng wie ein Käfig um die Familien, die in den entlegensten Gebieten des Landes lebten. Und in einem kleinen Haus, das sich tief verschneit an den Waldrand duckte, stritten sich drei Schwestern und ihr Bruder um einen Kohlkopf.

»Bitte nicht wieder kochen, Sanna«, flehte Pípa, die Jüngste. Sie saß zitternd da, die Hände auf ihre kalten Ohren gedrückt, und betrachtete mit unglücklicher Miene das schrumpelige, zähe Gemüse. »Wir haben schon die ganze Woche nichts als gekochten Kohl gegessen.«

»Ich lasse mir doch nicht von einem Kind, das noch nicht mal alt genug für seinen richtigen Namen ist, vorschreiben, was ich zu tun habe«, erwiderte die siebzehnjährige Sanna schroff, als wäre sie ein abergläubisches altes Weib, denn Pípa war sieben, und erst in einem Jahr, wenn sie sicher sein konnten, dass der böse Blick sie nicht mehr traf, würde sie ihren richtigen Namen bekommen. »Außerdem ist er so am nahrhaftesten.«

Sie stand mit dem Messer in der Hand da und suchte nach der besten Stelle, um den besonders harten und kümmerlichen Kohlkopf aufzuschneiden.

»Wir haben noch Schmalz«, sagte Mila hoffnungsvoll, um nicht so quengelig zu klingen wie ihre kleine Schwester. »Wir könnten ihn doch braten.«

»Und das kostbare Schmalz dafür verschwenden?«, warf Oskar ein, der am weitesten vom Feuer entfernt saß. »Der Kohl wird gekocht. Reiß dich zusammen, Pípa. Ich habe genug von deinem Gemaule.«

»Lass sie, Oskar.« Mila legte den Arm um Pípa und musterte ihren großen Bruder mit gerunzelter Stirn. Er hatte sich sehr verändert, seit Papa fortgegangen war. Er wurde ihnen immer fremder und sprach nur noch, um Sanna, der ältesten Schwester, für das Essen zu danken, das sie ihm jeden Morgen hinstellte, bevor er in den tiefen Schnee hinausging, um seine Fallen zu überprüfen. Oder um eine seiner jüngeren Schwestern zurechtzuweisen.

Mila nahm Pípas steife Finger und wärmte sie mit ihrem warmen Atem. »Komm, Píp, lassen wir Sanna in Ruhe – sie kennt sich am besten mit dem Kohl aus.«

»Allerdings!«, sagte Sanna, die den schwächsten Punkt des Kohlkopfes gefunden hatte und das Messer mit einem befriedigenden Tschack hineinstieß. »Der hier wird gekocht.«

Draußen begann einer der Hunde zu bellen. Mila hörte, dass es Dusha war – ihre Stimme war höher als die ihres Bruders und ein bisschen quengelig, wie die von Pípa. Kurz darauf fiel Danya mit einem schrillen Jaulen ein.

»Diese Hunde!«, stöhnte Sanna. »Oskar – «

Doch Mila war bereits aufgestanden und griff nach ihren pelzbesetzten Stiefeln, die am Feuer standen. »Ich gehe schon.«

Sie schlüpfte in ihren rostfarbenen Umhang und setzte sich die Mütze aus Fuchspelz auf das braune Haar, doch bevor sie die Tür öffnen konnte, klopfte jemand zweimal und dann noch zweimal, in einem munteren Rhythmus, der ihnen im Lauf der vergangenen Monate vertraut geworden war.

»Warte!«, rief Sanna, doch Mila schob mit boshaftem Grinsen den Riegel zurück. Sie hörte, wie ihre Schwester fluchte und hektisch mit den Töpfen klapperte, auf der Suche nach dem aus Kupfer, den sie manchmal als Spiegel benutzten.

Draußen im Hof war ein Bergpony an den Pfosten gebunden, und vor der Tür stand ein Junge. Er war so alt wie Sanna und so groß wie Oskar, mit einem runden, einnehmenden Gesicht und blondem Haar – im Gegensatz zu den Oreksons, die alle dunkelhaarig waren. Er wurde rot, als er Milas spöttisches Lächeln sah.

»Schon wieder hier, Geir?«, sagte sie. »Ich wusste gar nicht, dass wir diese Woche Messer zum Schleifen geschickt haben.«

»Nur eins«, erwiderte Geir, während Sanna von hinten herbeigeeilt kam. Mila blickte unter der Pelzmütze zu ihrer großen Schwester auf und zog die Augenbrauen hoch. Sanna hatte ihr Haar gelöst und sich in die Wangen gekniffen, damit sie rosig strahlten. Sie hatte sich sogar auf die Lippen gebissen, um sie röter wirken zu lassen, und jetzt leuchtete ein Blutstropfen auf ihrer Unterlippe.

»Hallo, Geir.« Sannas Stimme klang merkwürdig heiser, als wäre sie erkältet.

»Hallo, Sanna«, kiekste Geir.

Mila schnaubte nur, ging wieder hinein und schloss die Tür, damit die Wärme nicht entwich. Das peinliche Gestotter, das ihre Schwester und der Messerschleifer aus Stavgar von sich gaben, wenn sie voreinander standen, war kaum mit anzuhören.

In der Küche war Oskar dabei, Sannas Kohl mit seinem Jagdmesser zu zerteilen. Der Griff war kunstvoll geschnitzt, sodass es aussah, als schlängelten sich Wurzeln darüber, und es hatte eine kräftige Klinge, die eher für Seil und Holz gedacht war als zum Gemüseschneiden. »Geir schon wieder?«

»Ja.« Mila nahm die Mütze ab und verdrehte die Augen.

»Haben sie sich geküsst?«, fragte Pípa kichernd.

»Pípa!«, sagte Oskar barsch. »Sei nicht albern.« Dann warf er Mila einen scharfen Blick zu. »Sie haben sich doch nicht geküsst, oder?« Seine Hand fasste den Messergriff fester.

Mila überlegte, ob sie ihn aufziehen sollte, doch ihr Magen knurrte. Sie hatte nicht die Energie dafür. »Natürlich nicht. Er bringt uns nur ein Messer zurück.«

»Noch eins?«

»Hmm.« Sie ließ sich auf die Bank am Feuer fallen und sah zu, wie der Dampf vom Topf aufstieg, in dem bald dieselbe dünne, fade Kohlsuppe köcheln würde, die sie nun schon seit Wochen aßen.

Mila hörte, wie das Messer durch den Kohl schnitt, und versuchte, Sannas und Geirs Gemurmel zu verstehen. Sannas glockenhelles Lachen erklang, dann fiel die Haustür mit einem Knall ins Schloss, sodass die Küchentür aufgeweht wurde und der Wind mit kalten Fingern über Milas Wangen strich. Sanna kam mit einem entrückten Lächeln hereingeschwebt, den Blick auf etwas in ihrer Hand gerichtet.

»Was hast du da?«, fragte...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2020
Übersetzer Claudia Feldmann
Sprache deutsch
Original-Titel The Way Past Winter
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte 50plus • Abenteuer • Best Ager • Blackwell’s Children’s Book of the Year 2018 • British Book Awards: Bestes Kinderbuch 2017 • Familie • Fantasy • Fantasyliteratur • Freundschaft • Generation Gold • Geschenke für Kinder • Geschenk für Jungen • Geschenk für Kinder • Geschenk für Mädchen • Golden Ager • Kinderbuch • Kinderbücher • Rentner • Rentnerdasein • Ruhestand • Schlittenhund • Selbstbewusstsein • Selbstbewußtsein • Senioren • The Way Past Winter deutsch • Tiere • Tiergeschichten • Wald • Waterstones Children’s Book Prize 2017 • Zauberwelten
ISBN-10 3-458-76728-2 / 3458767282
ISBN-13 978-3-458-76728-2 / 9783458767282
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