Waena - Der Ruf der Brandung (eBook)

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2020 | 1. Auflage
320 Seiten
Dragonfly (Verlag)
978-3-7488-5018-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Waena - Der Ruf der Brandung - Antje Herden
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Wenn der Ozean ruft

Für Moana gibt es nichts Schöneres als zu surfen. Aber in ihren Träumen findet sie sich neuerdings in einer geheimnisvollen Unterwasserwelt wieder, statt auf den Wellen zu reiten. Und im echten Leben scheint auf einmal etwas zwischen ihr und ihrem besten Freund zu stehen. Auch in der Zweier-WG mit ihrer Mutter kriselt es. Was ist da los?Pubertät? Es gibt ein viel schöneres Wort dafür: Waena - das Dazwischen. Was das wirklich bedeutet, erfährt Moana allerdings erst, als sie den faszinierenden Keanu kennenlernt. Er ist ihr sofort seltsam vertraut - und er träumt auch von der Unterwasserwelt! Die beiden gehören zusammen, wenn auch auf ganz andere Weise, als sie zunächst glauben ...

Eine Geschichte über tiefe Sehnsucht, große Gefühle und die Suche nach dem eigenen Weg



Antje Herden liebt den Ozean. Wenn sie nicht gerade schreibt, geht sie am liebsten surfen. Gerüchten zufolge entstand ein Großteil dieses Buches am Meer. Nach zahlreichen Kinderbüchern hat Antje Herden 2019 ihren ersten Jugendroman veröffentlicht, für den sie mit dem Peter-Härtling-Preis ausgezeichnet wurde. Sie lebt mit ihren beiden Kindern in Darmstadt, möchte aber gern näher ans Meer ziehen.

1.

Ich gleite durch die Dämmerung. Übermächtig greift die Sehnsucht nach mir, wie die langen Algenstängel nach meinen Beinen. Wickelt sich um mich, hüllt mich ein, nimmt mich gefangen. Die Angst ist auch wieder da. Sie pocht darunter. Eine seltsame Mischung. Wegen oder nach derselben Sache.

Aus den Augenwinkeln bemerke ich etwas Schimmerndes. Meine silberblauen Arme. Das wenige Licht hier unten verfängt sich darauf. Freiwillig würde ich niemals ein Shirt ­anziehen, das hauteng ist und silbern glänzt. Auch nicht in Blau, obwohl das meine Lieblingsfarbe ist. Aber dieser Gedanke ist überflüssig, denn das ist kein Shirt, und das weiß ich sehr genau. Es ist meine Haut. Ich bin nackt. Und silberblau.

Die mich umgebende Dämmerung ist schwer. Ich trage ihren Druck auf jedem Zentimeter meines Körpers. Das ist nicht unangenehm, nur anders als gewohnt. Große Sprünge kann man hier unten nicht machen. Aber schwimmen. Dabei entstehen Verwirbelungen, in denen sich die langen gefiederten Stängel des Kelpwaldes wiegen. Dazwischen schwebt ein Schwarm kleiner glitzernder Fische. Ich schaue ihm nach. Atme aus.

Schillernde Blasen verlassen meinen Mund. Ganz sicher brauche ich ziemlich bald neue Luft. Instinktiv schaue ich nach oben. Dort wird es hell. Bleib ganz ruhig. Du weißt, dass du es kannst. Und dann atme ich. Unter Wasser. Die Luftblasen erinnern an flüssiges Metall. Zwischen dem langen Tang sehen sie märchenhaft schön aus. Weit oben verlieren sie sich, und für einen Moment möchte ich ihnen folgen.

Doch das blaue Leuchten taucht unter mir auf. Es ist klein, aber es dringt aus der dunklen Tiefe wie ein übermächtiges Versprechen. Die Sehnsucht nach etwas, das ich nicht begreifen kann, dehnt sich noch weiter aus. Erfüllt mich ganz und gar. Dagegen ist selbst die Angst machtlos.

Ich werfe einen letzten Blick ins Helle. Dann wende ich mich nach unten, ein kräftiger Schwimmstoß. Ich komme!

Da dringt ein schriller Ton an meine Ohren. Das quälende Geräusch droht mich zu zerreißen. Das Einzige, das mich retten kann, ist, die Augen ganz weit zu öffnen.

»Hey, Motte-Karotte, du musst jetzt wirklich aufstehen, sonst kommst du zu spät zur Schule«, sagt Mam.

Sie stellt den Wecker aus, der neben meinem Bett herumlärmt, und streicht mir sacht über den Kopf. Ich atme tief den Duft ihres Parfums ein.

»Du meine Güte, wo bist du denn in deinen Träumen gewesen? Du bist ja schweißgebadet«, murmelt sie.

»Das ist kein Schweiß. Das ist Algenwasser aus der tiefsten Tiefe«, krächze ich mit morgenheiserer Stimme.

Mam lacht schallend auf.

Ich zittere. Mein Pyjama ist klatschnass, jetzt ist mir wirklich kalt. Mit steifen Gliedern erhebe ich mich und stakse Richtung Bad. Laufen kann man das nicht wirklich nennen. Meine Beine machen nur ganz mickrige Schritte. Als hätte ich bis eben gar keine Füße gehabt. Sondern Flossen.

»Das ist nicht lustig«, knurre ich.

»Wieder ein Unterwassertraum?«, ruft Mam mir nach.

Ich grunze etwas und knalle die Badezimmertür zu. Fair ist das nicht. Aber ich bin noch nicht wieder ganz bei mir.

Aus dem Spiegel über dem Waschbecken blickt mir ein verknautschtes Wesen mit wirren schwarzen Locken entgegen. Das habe ich schon etliche Male am Morgen gesehen, und darum putze ich ihm auch anstandslos die Zähne. Danach will ich den letzten Hauch des Traums weggurgeln und mir mit Schwung eine Portion Mundwasser direkt aus der Flasche in den Mund tropfen. Leider treffe ich mein rechtes Auge.

»So ein blöder Mist!«, fluche ich los.

Halb blind spüle ich mein Gesicht mit klarem Wasser. Als mir endlich ein weiterer Blick in den Spiegel gelingt, sehe ich dort ein verknautschtes Wesen mit wirren schwarzen Locken und einem feuerroten Auge. Aha, so ein Tag wird das also. Ich seufze resigniert. Dann schneide ich ein paar lustige Grimassen. Alles andere hat sowieso keinen Sinn. Leider muss ich nicht lachen. Der Unterwassertraum hält mich noch in seinen Fängen.

»Oder in seinen Kelpfesseln«, murmle ich und strecke meinem Spiegelbild die Zunge raus.

Den ersten dieser seltsamen Träume hatte ich kurz nach meinem vierzehnten Geburtstag. Das war vor einem Monat. Den zweiten und dritten etwa vierzehn Nächte später. Den vierten und fünften träumte ich in dieser Woche. Wenn das so weitergeht, werde ich sie irgendwann nicht mehr zählen können. Diese Träume sind megaintensiv und fühlen sich super­echt an. Jedes Mal spüre ich das Gleiche: erst Angst und absolute Verwirrung. Dann Sehnsucht. Nach etwas Unbekanntem. Von dem ich weiß, dass es wunderschön wäre. Wenn ich es fände. Was ich aber leider nicht tue. Und nach dem Aufwachen stimmt dann für einen Moment einfach gar nichts mehr.

Mir fällt der Englischtest ein, den wir heute in der sechsten Stunde schreiben. Mit einem Mal bin ich ganz und gar zurück in der Realität. Der Test ist die letzte Chance, meine Zeugnisnote zu verbessern, und ich habe Mam hoch und heilig eine Drei versprochen. Ich habe sie sogar ein bisschen angeraunzt, dass ich selber wüsste, wann und wie viel ich dafür lernen muss. Aber die Drei rückt gerade in unerreichbare Ferne. Eigentlich weilt sie dort schon das ganze Schuljahr. Ich mag Englisch nicht und hatte überhaupt keine Lust zu lernen. Das kann ja mal vorkommen. Doch ich sollte nicht so verschwenderisch mit dem Hochundheilig um mich werfen. Nun muss ich doch grinsen. Wie das wohl aussehen würde, mit einem Hochundheilig zu werfen?

In einem der Frauenmagazine, die immer beim Zahnarzt im Wartezimmer herumliegen, habe ich mal gelesen, dass man sich jeden Morgen im Spiegel selbst anlächeln soll. Dann würde es ein guter Tag werden, egal was auf einen zukommt. Ein etwas besserer Tag würde mir heute schon genügen. Ich ziehe mein Grinsen noch ein bisschen breiter und klemme es mir kurz hinter den Ohren fest. Nur für alle Fälle.

Leider funktioniert es nicht. Als wir nach einem ewig währenden Vormittag endlich aus der Schule in die Freiheit des Nachmittags hinaustreten, weiß ich, dass Englisch unwiederbringlich verloren ist. In dem Moment fährt Mam mit dem Fahrrad vorüber. Ich habe keine Lust, ihr das Fiasko sofort zu beichten. Glücklicherweise sieht sie uns nicht.

»Hey, das ist doch deine Mam«, sagt Katha.

Ich nicke.

»Anna! Anna!«, ruft meine Freundin laut hinter Mam her.

Katha gibt sich alle Mühe und wedelt auch noch mit den Armen.

»Lass nur, sie hört dich nicht«, sage ich.

Mam hat Stöpsel in den Ohren. Wenn sie Musik hört, ist sie ganz woanders. Wahrscheinlich sollte sie dann gar nicht Fahrrad fahren.

Ich schaue ihr nach. Über ihrer Schulter hängt wie immer die unverwüstliche und daher etwas schmuddelige Kurier­tasche mit dem Autogurt. Die trägt sie auch schon auf fünfzehn Jahre alten Bildern.

Letztes Weihnachten habe ich ihr eine Handtasche geschenkt. Sie hat gar nicht so superviel gekostet und sah doch ein bisschen aus wie eine von Kathas Mutter. Mam hat mir einen dicken Kuss gegeben und gesagt, ich solle ihr nicht so teure Geschenke machen. Nun verstaubt die Tasche auf der Hutablage der Garderobe, die wir auf dem Sperrmüll gefunden haben. Inzwischen verstehe ich gar nicht mehr, warum ich die Tasche mal hübsch fand.

Lange Zeit war es mir ziemlich peinlich, wie Mam sich kleidet und dass sie nicht aussieht wie die meisten anderen Mütter. Heute finde ich es völlig in Ordnung. Viele Frauen in ihrem Alter ziehen sich wie Marie oder Claire an. So jedenfalls nennt es mein bester Freund Herr Meier und meint damit, dass sie Kleider wie die Models in den Frauenmagazinen tragen. Aber meine Mutter ist Mode gegenüber völlig resistent. Sie fühlt sich noch immer in diesen Hosen am wohlsten, die viel zu weit sind und riesige Taschen haben. Außer ihr tragen die nur noch Handwerker, die eine Menge Werkzeug mit sich herumschleppen müssen, und der Obdachlose, der jeden Morgen mit einer Plastiktüte in der Hand durch unsere Straße der aufgehenden Sonne entgegenläuft. Am Abend schlurft der alte Mann wieder zurück, in den Sonnenuntergang hinein. Die Tüte trägt er noch immer und zum Glück auch die Hose. Sie schleift unten durch den Dreck und hängt am Hintern viel zu tief runter. Ich befürchte ja, sie könnte eines Tages ganz nach unten rutschen. Die Unterhose des Obdachlosen möchte ich nämlich nicht sehen. Wenn er überhaupt eine anhat. Mam und ich geben ihm jedes Mal einen Euro, wenn wir an ihm vorbeilaufen. Er sagt nicht Danke. Eigentlich sagt er überhaupt niemals etwas. Ab und zu kauft er sich am Kiosk eine Flasche Wodka. Manchmal steht er dann auf der Kreuzung und regelt den Verkehr auf seine ganz eigene Art. Der Obdachlose gehört in unsere Straße wie der riesige Magnolienbaum im Vorgarten von Nummer 20, wie die kleine Bäckerei mit den leckeren Zimtbrötchen und wie das ohrenbetäubende Glockengeläut, das alle fünfzehn Minuten von der Kirche um die Ecke herüberdröhnt.

»Erde an Mo. Erde an Mo. Bitte sofort aus dem Gedankenkarussell aussteigen«, dringt Kathas Stimme zu mir durch.

Ich schaue sie an, und Katha lächelt.

»Na endlich. Da bist du ja wieder«, sagt sie. »Lass uns gehen. Ich habe später noch Ballettunterricht.«

Eigentlich hat Mam mich Moana genannt. Früher fand ich den Namen schrecklich. Ich wollte lieber so heißen wie alle anderen Kinder, wie Katharina zum Beispiel oder wie Luisa. Aus dem Hawaiianischen übersetzt bedeutet Moana die Anbetung der unendlichen Weite der See. Im Rest der Welt einfach Ozean. Er ist der schönste Name, den ich mir heute vorstellen kann. Als ich vor fünf Jahren aufs Gymi...

Erscheint lt. Verlag 31.1.2020
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
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ISBN-10 3-7488-5018-2 / 3748850182
ISBN-13 978-3-7488-5018-2 / 9783748850182
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