Die beste Bahn meines Lebens -  Anne Becker

Die beste Bahn meines Lebens (eBook)

Roman

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
176 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-74973-4 (ISBN)
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Jan ist ein stinknormaler Typ, der super schwimmt und gut durchs Leben kommt. Doch in seiner neuen Klasse taucht ein altes Problem auf: Er hat Schwierigkeiten mit dem Lesen. Flo wohnt im Haus nebenan, kleidet sich wie ein Hippie und hält Hühner. Ereignisse und Begegnungen, die sie bewegen, hält sie in Infografiken fest. Auch Jan kommt darin vor. Doch bis sie gute Freunde werden, muss Jan der Klasse die Sache mit dem Lesen verraten, den fiesen Linus von Flo weghalten und ganz nebenbei: schwimmen, denn sein Trainer hält ihn für ein Riesentalent.

Anne Becker studierte Sonderpädagogik in Heidelberg. Sie arbeitet als Förderschullehrerin und lebt mit ihrer Familie im Ruhrgebiet. Mit ihrem ersten Roman ('Die beste Bahn meines Lebens') war sie für den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis und den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Zuletzt erschien von bei Beltz & Gelberg ihr Roman 'Luftmaschentage'.

Jan


Ich hasste mein neues Zimmer. Aus der Decke ragten Kabel wie die Arme eines dürren Kraken. Es roch nach Farbe. Und Schweiß. Und eine Wand war blau.

Als ich das Zimmer mit meinem Vater gestrichen hatte, dachte ich, das kommt gut. Aber jetzt fand ich es nur noch bescheuert.

Ich stieg über die Müllsäcke mit meinem Bettzeug und riss das Fenster auf. Im Vergleich zu unserem alten Garten war der neue winzig. Ein schmaler, langer Streifen, rechts eine Hecke, links eine Hecke, ein Törchen zum Trampelpfad, der hinter den Gärten entlang zur Straße führte.

Tobi saß draußen im Sandkasten und spielte mit Matschepampe. Seine Klamotten hatte er ausgezogen und neben den Sandkasten geschmissen. Wenigstens hatte er seine Unterhose angelassen.

»Was ist los, Jan?« Meine Mutter stand plötzlich im Zimmer. Joschi hat mal gesagt, dass sie ein bisschen aussieht wie Professor Trelawny ohne Brille. Ich hab eine Woche nicht mehr mit ihm geredet. Aber ehrlich gesagt: Er hatte recht. Und obwohl sie heute das Trelawny-Zeugs (langer Rock, Klimperkette, Haarband) gegen abgeschnittene Jeans, Shirt und Zopfgummi getauscht hatte, war ich mir mal wieder nicht sicher, ob sie nicht doch apparieren konnte. Manchmal ploppte sie einfach neben mir auf. Natürlich immer zum ungünstigsten Zeitpunkt. So wie jetzt. Eigentlich sollte ich auspacken. Aber ich stand am Fenster und sah Tobi beim Matschen zu.

»Weißt du«, meine Mutter seufzte genervt, »ich wäre jetzt auch lieber im Urlaub. Oder im Freibad.«

Ich musste an Joschi denken. Und Lena. Bestimmt waren sie heute wieder im Freibad.

»Jan?«

»Hm?« Ich streckte mich und hievte den obersten Karton vom Stapel.

»Hörst du mir überhaupt zu?«

Der Karton war schwerer, als ich gedacht hatte. Eine Seite rutschte aus meiner Hand und der ganze Karton donnerte auf den Boden. Innendrin schepperte es. Hörte sich ungesund an.

»Du bist so …« Meine Mutter warf beide Hände in die Luft und ließ sie klatschend auf ihre Beine fallen. Sie sah ziemlich sauer aus. »Weißt du was? Geh einfach runter und pass auf Tobi auf.«

»Aber ich fang jetzt hier an, echt. Brauchte nur mal ’ne Pause.«

»Dann mach die draußen, bei deinem Bruder.« Meine Mutter drehte sich um und rauschte aus dem Zimmer.

»Mama? Maaamaaaa!« Unten stand Tobi mit seinem Eimer neben dem Wasserhahn. Seine Unterhose war hinten schon ganz feucht und schlammig. »Der Hahn ist so fest zu. Der geht gar nicht auf! Mama, komm mal!«

Na super.

Ich stampfte die Treppe runter. In der Küche stand Nele mitten in einem Berg Zeitungspapier. Sie hielt in der einen Hand einen halb ausgepackten Teller, in der anderen ihr Handy.

»Na, aufgeflogen?« Mit dem Daumen wischte sie über das Display.

»Nerv nicht.« Ich kickte gegen das Zeitungspapier und verteilte es schön in der Küche und im Wohnzimmer.

Meine Schwester kriegte davon nichts mit. Sie klebte weiter an ihrem Handy.

Ich schob die Terrassentür auf. Tobi hatte seinen Eimer über den Hahn gehängt und versuchte immer noch mit beiden Händen, das Wasser aufzudrehen.

»Lass mich mal.« Ich schob Tobi zur Seite und öffnete den Hahn. Wasser spritzte nach allen Seiten, in Tobis Eimer, auf Tobis nackten Bauch und auf meine Shorts.

»Scheiße.« Schnell drehte ich den Hahn zu.

»Sagt man nicht.« Tobi zog den Eimer vom Hahn und rannte zum Sandkasten zurück. Meine Shorts klebten an meinen Beinen. Sah aus, als hätte ich in die Hose gepinkelt. Wirklich ganz große Klasse.

»Guck mal, Janni, hier.« Tobi zeigte mit seinem dreckigen Finger auf einen Sandhügel. »Mit Tunnel.«

»Hm, toll.« Ich ging zu ihm rüber und setzte mich auf den Sandkastenrand. Im Nachbarhaus fing jemand an, Geige oder so was zu üben. Klang ziemlich schräg.

Tobi steckte seine Hand in das Tunnelloch. Der Sandhaufen bekam Risse. »Geht einmal ganz durch.«

»Super.«

»Willst du auch mal?«

»Was?«

»Die Hand durchstecken.«

»Nee, lass mal. Meine ist viel zu groß.« Ich schaufelte Sand auf meine nackten Füße und klopfte ihn fest. Das Gefiedel nebenan hörte wieder auf. Zum Glück.

»Da ist ein Huhn«, sagte Tobi.

»Hm, klar. Ein Huhn.« Ich wackelte mit den Zehen. Mein Fuß-Sandberg bekam Risse.

»Wirklich. Guck doch mal.«

Tobi zog an meinem Ärmel. Ich sah kurz auf. »Ich seh kein Huhn.«

»Doch. Da.« Tobi zeigte zur Hecke.

Da sah ich es auch. In dem schmalen Schatten der Hecke hockte tatsächlich ein Huhn.

»Gehört das jetzt auch uns?« Tobi stieg aus dem Sandkasten und ging langsam auf das Huhn zu.

»Natürlich nicht.«

Das Huhn gackerte und rannte mit den Flügeln flatternd quer durch den Garten.

Und dann sah ich Flo zum ersten Mal. Also, eigentlich sah ich von Flo ziemlich lang nur einen Fuß mit bunt lackierten Nägeln, ein Bein mit mindestens tausend Sommersprossen und … na ja, ihren Po. Der Rest von ihr steckte irgendwie in der Hecke fest.

»Pass auf, dass Vicki nicht in den nächsten Garten abhaut«, sagte sie und hopste auf dem einen Bein.

»Vicki?«

»Das Huhn, Mann!« Mit einem Ruck zog sie ihr anderes Bein aus der Hecke. »Du kannst sie auch einfach fangen.«

Sie hatte rote Haare und davon jede Menge und jede einzelne Strähne schien an einem anderen Zweig festzuhängen.

»Verdammter Mist!« Vorsichtig fing sie an, ihre Haare aus dem Gestrüpp zu ziehen. »Versuch, sie an den Füßen zu erwischen.«

Das Huhn war jetzt gefährlich nah an der gegenüberliegenden Hecke. Es pickte nach irgendwas im Boden.

»Beißt das?« Jetzt mal echt: Hatte ich das wirklich gefragt? Meine Ohren waren auf einmal total heiß.

Flo hörte auf, ihre Haare aus der Hecke zu fummeln. »Hast du etwa Schiss? Vor einem Huhn?«

»Ganz bestimmt nicht.« Mittlerweile glühte mein ganzes Gesicht. Gut, dass Flo noch mit ihrem Kopf in der Hecke steckte.

»Na, dann«, sagte sie und machte mit ihren Haaren weiter.

Tobi hatte sich wieder an das Huhn herangeschlichen, in der Hand ein Löwenzahnblatt. »Lecker, lecker.« Er hielt dem Huhn das Blatt hin.

Ich wusste gar nicht, wie schnell so ein Huhn sein konnte. Es gackerte und rannte nicht zu Tobi und seinem Blatt, sondern wackelte wie der Blitz auf den nächsten Garten zu.

Und ich hechtete einfach nach den Hühnerbeinen. Mein Ellbogen schrappte über die Wiese, dann mein Bauch und dann mein Gesicht. In meinem Mund waren Gras und ein bisschen Erde, und der erste Atemzug nach der brutalen Landung stach im Rücken.

Aber alles egal: Zwischen meinen Fingern fühlte ich den Hühnerfuß, dünn, ledrig und warm. Das Huhn war auf die Brust geplumpst und lag ganz still da.

»Voll cool, Janni.« Tobis sandige Füße tauchten neben mir auf. Das Huhn bewegte sich immer noch nicht. »Darf ich das streicheln?«

»Klar.« Flo hatte sich endlich aus der Hecke befreit. Als ich den Kopf zur Seite drehte, konnte ich ihre bunten Zehennägel zwischen den Grashalmen sehen.

Tobi streichelte mit seiner dreckigen Hand dem Huhn vorsichtig über die Federn. Das Huhn ruckte mit dem Kopf und pickte nach ihm. Schnell zog er seine Hand weg.

Flo nahm das Huhn mit beiden Händen hoch. »Du kannst jetzt loslassen.«

Langsam stand ich auf.

Flo war ziemlich klein. Sie ging mir nur bis zur Schulter. In ihren Haaren hingen Blätter. Das Huhn saß still auf ihrem Arm.

»Geht’s dem gut?«

»Klar.« Sie schaute an mir herunter. »Und dir?«

Am Bauch hatte ich eine grün-braune Schleifspur. Mein Ellbogen tat weh. Und meine Hose war immer noch nass von der Sache mit dem Wasserhahn.

»Klar«, sagte ich, drehte mich schnell weg und ging rüber zum Sandkasten.

»Wie heißt du eigentlich?«, fragte Tobi und wischte sich mit dem Handrücken den Rotz von der Nase.

»Flo.«

»Das ist ja wohl kein Name.« Tobi schaute zu mir. Auf seiner Wange glänzte eine Schleimspur. »Oder, Janni? Da könnte die ja wohl auch Wanze...

Erscheint lt. Verlag 17.7.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-407-74973-2 / 3407749732
ISBN-13 978-3-407-74973-4 / 9783407749734
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