Pheromon 2: Sie sehen dich (eBook)
384 Seiten
Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-65389-3 (ISBN)
Rainer Wekwerth hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und dafür Preise gewonnen. Zuletzt die Jugendbuchpreise Segeberger Feder, Goldene Leslie und Ulmer Unke. Mit seiner 'Labyrinth'-Trilogie landete er zudem auf der Spiegelbestsellerliste. Die Kinoverfilmung ist in Vorbereitung. Seine 'Pheromon'-Buchreihe, erschienen bei Planet!, wurde für vier weitere Buchpreise nominiert, darunter für den renommierten Buxtehuder Bullen und den Deutschen Phantastik Preis. Mehr Infos unter: www.wekwerth.com Thariot hat eine Schwäche für spannende Geschichten. Bereits als Fünfzehnjähriger begann er mit dem Schreiben, vor allem Kurzgeschichten, bis er dann in 2009 die Arbeit an seinem ersten Buch startete. Thariot, in seinem letzten Leben von Beruf IT-Manager, ist ein Bildermensch. Er hat die Fähigkeit, Bilder schnell in Wörter zu übersetzen, und kann es einfach nicht lassen, diese auf Papier zu bringen. Mehr Infos unter: www.thariot.de
Jake betrachtete die beiden Personen, die wie aus dem Nichts aufgetaucht waren. Eine Frau, Mitte dreißig, mit kurz geschnittenen blonden Haaren, und ein Junge in seinem Alter. Um die Mundwinkel der Frau hatten sich tiefe Linien eingegraben, die sich zu einem Lächeln verzogen, als sie auf ihn und Amy zukam. Der Junge trottete ihr hinterher. Er hielt den Kopf gesenkt und trug einen dunkelblauen Hoodie, aus dem lange schwarze Haare fielen.
Jake starrte die Frau an. Irgendetwas an ihr kam ihm vage vertraut vor, ohne dass er sagen konnte, was es war. Neben ihm fasste Amy nach seiner Hand und drückte sie ängstlich.
Der leichte Geruch der Frau wehte an seine Nase. Fremdartig und dennoch bekannt, ohne dass er wusste, warum das so war. Darin lagen Vertrauen, Sorge, aber auch Angst und Schmerz. Der Junge hingegen strömte einen Duft von Kraft und großem Zorn aus. Von Wut, die ihn zu verschlingen drohte. Es war, als umgebe ihn eine dunkle Wolke, lodernder Nebel aus Feuer geboren.
Und dennoch, Jake spürte, dass die beiden ihm und Amy nicht feindlich gesinnt waren, aber ihre Fremdartigkeit beunruhigte ihn.
Wer ist das? Warum tauchen sie hier wie aus dem Nichts auf? Warum ausgerechnet jetzt? Stellen sie eine Gefahr für uns dar?
Nein. Er wusste, dass es nicht so war. In dem, was er von der Frau riechen konnte, schwang Neugierde mit. Und Hoffnung.
Hoffnung worauf?
Amys leiser Atem drang an sein Ohr. Er fühlte ihre Angst, um sie zu beruhigen, drückte er ihre Hand. Ihn selbst hatte jede Unruhe verlassen. Hier geschah etwas. Etwas, das für ihn wichtig war. Etwas, das Bedeutung hatte.
Vor ihm standen zwei Fremde und wirkten vertraut, dennoch hatte er sie niemals zuvor in seinem Leben gesehen. Nein, er wusste nicht, wer sie waren, aber der Geruch, der seine Nase umströmte, flüsterte von einer Verbindung über Raum und Zeit hinaus.
»Ich bin Lee«, sagte die Frau. Ihre Hand deutete auf den Jungen, der mit ihr gekommen war. »Und das ist Skagen.«
Der Junge hatte schlanke Hände mit schmalen Fingern, die nun die Kapuze seines Hoodies zurückschlugen.
Die schwarzen Haare glänzten im Licht der Straßenlampe wie die Flügel eines Raben. Die Gesichtszüge waren hager, wirkten fast ausgemergelt, und die bleiche Haut spannte sich über den hohen Wangenknochen.
Jake sah Skagen an, und dann veränderte sich etwas. Goldene Augen schimmerten in der Dunkelheit.
»Wir haben dich gesucht«, sagte der Junge mit leiser Stimme. »Lange schon.«
»Wer bist du?«, fragte Jake.
»Ein Hunter.« Der Junge lächelte. »Wie du.«
Jake starrte Skagen an. »Was meinst du damit?« In seinem Kopf tobten die Gedanken wild herum. Hunter? Was zur Hölle wollte er ihm damit sagen?
»Du stammst nicht aus dieser Welt, sondern aus meiner. Dein ganzes Leben ist eine Lüge. Und jetzt bist du hier, um die Wahrheit zu erfahren.«
Ärger stieg in Jake auf. Was sollte der Quatsch, dieses orakelhafte Gerede, das keinerlei Sinn ergab? Wenn der Typ ihm etwas sagen wollte, okay, aber für Geschwafel hatte er keine Zeit. Schon gar nicht nach allem, was sie gerade und in den letzten Tagen durchgemacht hatten. Amy schien seinen Zorn zu spüren, denn sie strich mit ihrem Daumen sanft über seinen Handrücken, aber sprach kein Wort.
Die Frau trat einen Schritt nach vorn, legte ihre Hand auf die Schulter des Jungen und sagte leise: »Du verwirrst ihn.«
Dann sah sie Jake an. Ihr Blick hatte eine Eindringlichkeit, die ihn verunsicherte.
»Was Skagen dir zu sagen versucht, ist, dass du etwas ganz Besonderes bist, mit Fähigkeiten, über die ein normaler Mensch nicht verfügt.« Sie machte eine kurze Pause. »Was ist es?«
Jake verzog den Mund, überlegte, ob er es ihr sagen sollte. Erneut wehte der Geruch der Frau zu ihm, und er spürte, dass er es ihr sagen musste.
»Ich kann die Gefühle der Menschen riechen«, antwortete er leise.
Sie nickte. Skagen betrachtete ihn neugierig.
»Diese Fähigkeit hast du nicht auf natürliche Art und Weise bekommen, sie wurde dir eingepflanzt«, erklärte Lee.
Jake legte den Kopf schief. In seinem Inneren begann ein Orkan zu toben, alles wirbelte durcheinander. Was hatte die Frau da gesagt? Er verstand nicht, was sie ihm mitteilen wollte, aber er begriff die Wahrheit hinter den Worten.
Unbeirrt sprach sie weiter. »Du stammst aus der Zukunft. Aus dem Jahr 2118. In diesem Jahr wurdest du geboren. Niemand kennt deine Eltern. Wahrscheinlich war deine Mutter ein verwirrtes junges Mädchen wie ich, das schwanger wurde und in die Fänge von HFP geraten ist. Du weißt ja inzwischen selbst, dass die vom Human Future Project die Erde nicht retten wollen und auch nicht vorhaben, den Kindern eine bessere Zukunft zu bieten, im Gegenteil … schon im Mutterleib wurdest du von den Fremden genetisch verändert, mit Fähigkeiten versehen, die ihnen nützlich sind.«
»Nützlich wofür?«, stöhnte Jake. Er hörte, was ihm die Frau sagte, aber er verstand es einfach nicht.
»Menschen zu jagen, die noch nicht infiziert sind. Hinter HFP stecken Aliens, die versuchen, unsere Welt zu übernehmen. Du weißt es, deswegen bist du heute hier. Deswegen haben wir dich gefunden. In der Zukunft ist bekannt, dass es im Jahr 2018 einen Anschlag auf die HFP-Zentrale gab. Dieser Anschlag konnte nur von einem der Hunter, die ich in die Vergangenheit gebracht habe, ausgeübt worden sein, denn normale Menschen wussten zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der Invasion.« Sie sah ihn eindringlich an. »Wir haben hier auf dich gewartet.«
»Ich … ich …«, stammelte Jake. Das alles war zu viel für ihn. Williams Tod. Robertsons Verschwinden. Die Fremden, ihre Worte. Die Erschöpfung ließ ihn zittern. Er krallte sich in Amys Hand, aber der Boden unter seinen Füßen begann zu schwanken. Die Frau machte einen Schritt nach vorn, fasste nach seinem Arm. Hielt ihn.
»Das ist alles sehr viel auf einmal, aber wir mussten es dir sagen. Hier und jetzt, denn du musst mit uns kommen. Der Kampf gegen die Fremden hat gerade erst begonnen.«
Es war Amy, die antwortete. »Das klingt alles so unglaublich.«
Lees Kopf wandte sich in ihre Richtung. Ein paar Sekunden lang sagte sie kein Wort, dann schaute sie zu Skagen, der den Kopf schüttelte.
»Du bist kein Hunter«, stellte Lee fest. »Skagen würde es in deiner Stimme hören, wenn es anders wäre. Er nimmt feinste Schwingungen wahr, die ihn erkennen lassen, ob jemand die Wahrheit sagt. Wer bist du?«
»Eine … Jakes Freundin.«
»Du kämpfst an seiner Seite gegen die Fremden?«
Jake spürte, dass Amy nicht wusste, was sie darauf antworten sollte. »Wir waren vier. Einer von uns ist tot, der andere …« Er zuckte mit den Schultern. »Der Anschlag ist misslungen, wir haben versagt.«
Lees Blick fiel auf ihn. »Nein, das habt ihr nicht, aber der Kampf ist größer und dauert länger, als ihr es euch vorstellen könnt. Auch in einhundert Jahren, in der Zeit, aus der wir eigentlich stammen, ist er noch nicht entschieden.«
»Was ist mit dem Signal?«
Er deutete in die Dunkelheit. Das HFP-Gebäude war nur als dunkler Schemen vor einem tiefgrauen Himmel sichtbar. Die Antenne, mit der die Aliens eine Nachricht an ihr Volk geschickt hatten, ragte spitz in die Wolken.
»Es ist ins All hinausgegangen. Das Raumschiff der Fremden ist unterwegs.«
Lee sah ihn ruhig an. Sie ließ seinen Arm wieder los und trat einen Schritt zurück. Dann sagte sie: »Lass mich dir meine Geschichte erzählen.«
Als die letzten Worte der Frau verklangen, musste sich Jake schwer auf Amy stützen. Hatte er zuvor geglaubt, sein Leben wäre komplett durcheinandergeraten, so war es nun zu einem schwarzen Loch geworden, das ihn zu verschlingen drohte.
Seine Eltern waren nicht seine Eltern, ob er überhaupt welche hatte, war unklar. Im Jahr 2118 geboren, gehörte er nicht einmal in diese Zeit. Allein von diesem Gedanken wurde ihm schwindlig, aber auch der Rest, den ihm die Frau namens Lee erzählt hatte, konnte einem den Boden unter den Füßen wegreißen. Sie hatte in der Zukunft wie eine Löwin gekämpft, für ihr eigenes Kind, für die ganze Menschheit. Auch dabei waren Menschen gestorben. Und es gab Wurmlöcher, durch die man durch die Zeit reisen konnte!
Was zur Hölle war nur mit seinem Leben passiert? Noch vor Kurzem war er ein ganz normaler Teenager mit ganz normalen Problemen gewesen, und jetzt sollte er die Welt retten. Scheiße, wenn es irgendwie möglich wäre, würde er eine Tablette schlucken und alles vergessen oder sich in ein Loch verkriechen, wo ihn niemand finden konnte.
Wahrscheinlich wäre er sogar weggelaufen, aber Amy stand neben ihm, und er roch ihre stumme Verzweiflung. Sah, wie sie versuchte, tapfer zu sein, um seinetwillen und um der Menschheit willen, die vor dem Untergang stand.
»Ist dir klar, was ich dir da erzählt habe?«, fragte die Frau.
Bevor Jake antworten konnte, sagte der hagere Junge an ihrer Seite: »Er hat’s kapiert.«
»Skagen, bitte … wir haben darüber gesprochen.«
Jake verstand nicht, was zwischen den beiden passierte. Auf einmal war da Zorn zwischen Lee und dem jungen Mann, den sie wie einen Sohn aufgezogen hatte. Sie hatte Jake erzählt, dass sie ihr eigenes Kind nicht gefunden hatte, auch die anderen Hunter nicht. Nur ihn. Skagen. Den Jungen, der so unglaublich gut hören konnte, aber nie auf das, was man ihm sagte. So hatte sie es ausgedrückt. Offensichtlich gab es Probleme zwischen den beiden, aber dafür war jetzt keine Zeit.
»Was … was tun wir jetzt?«, fragte Jake mit schwerer Stimme.
»Wir müssen hier weg«, antwortete Lee. »In der...
Erscheint lt. Verlag | 17.7.2018 |
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Reihe/Serie | Pheromon | Pheromon |
Mitarbeit |
Designer: Frauke Schneider |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Aliens • Das Labyrinth erwacht • Fantasy • Genesis • Jugendbücher • Rainer Wekwerth • Science Fiction • Solaris • Thariot • Ursula Poznanski |
ISBN-10 | 3-522-65389-0 / 3522653890 |
ISBN-13 | 978-3-522-65389-3 / 9783522653893 |
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Größe: 3,7 MB
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