Mr Griswolds Bücherjagd -  Jennifer Chambliss Bertram

Mr Griswolds Bücherjagd (eBook)

Das Spiel beginnt
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
368 Seiten
mixtvision (Verlag)
978-3-95854-869-5 (ISBN)
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Das Beste am Umzug ihrer Familie nach San Francisco ist fu?r Emily die Tatsache, dass ihr großes Idol dort wohnt: Garrison Griswold, Verleger und Gru?nder der erfolgreichen Internet-Plattform »Mr Griswolds Bu?cherjagd«, ein Spiel, bei dem Bu?cher versteckt und durch Lösen von Rätseln gefunden werden können. Am Tag der Ankunft soll ein sensationelles neues Spiel starten, doch schon bald findet Emily heraus, dass Mr Griswold von Unbekannten angegriffen wurde und nun im Koma liegt. Emily und ihr neuer Freund James entdecken ein seltsames Buch, das Griswold gehört und vermutlich der einzige Schlu?ssel zu seinem neuen Abenteuer ist. Die Kinder wollen das Rätsel unbedingt lösen. Denn irgendjemand hat es nicht nur auf Griswold, sondern auch auf das Buch abgesehen .

Der Hinweis war eine monoalphabetische Substitution – da war sich Emily sicher. Das herauszufinden war der einfache Teil gewesen. Der schwierigere war, den Schlüssel zu knacken. Sie machte einen neuen Versuch und ordnete die Buchstaben noch einmal anders an:

Prahle heut den Balg nicht.

Das konnte nicht stimmen. Was war ein Balg und warum sollte sie heute nicht prahlen? So würde sie nie das Auguste-Dupin-Level bei Griswolds Bücherjagd erreichen. Ärgerlich riss Emily die Seite aus ihrem Notizbuch, zerknüllte sie und warf sie zu den anderen vergeblichen Versuchen, die bereits das Fahrerhäuschen des Umzugswagens vermüllten.

Auf eine neue Seite schrieb sie oben noch einmal sorgfältig den Code ab, den sie sich vor einigen Tagen von der Bücherjagd-Website ausgedruckt hatte.

»Hey, Sherlöckchen«, unterbrach sie ihr Vater. »Mach mal ’ne Pause und genieße die Landschaft. Du weißt doch, wer mal in San Francisco gelebt hat, oder?«

»Hmmm, lass mich raten …« Emily schrieb weiter in ihr Notizbuch, ohne hochzusehen. Ihr Dad hatte ja nur ungefähr sechzig Millionen Mal erwähnt, dass sie in die Heimatstadt seines literarischen Idols ziehen würden.

»›Es gab nirgends, wo wir hinkonnten, als überall‹. Jack Kerouac schrieb das in …«

»Unterwegs, Dad. Ich weiß.«

Emily seufzte, frustriert von dem Code und genervt von ihrem Vater, weil er ihre Konzentration gestört hatte.

Sie steckte den Bleistift in ihren Pferdeschwanz, um ihn nicht zu verlieren. Sie fuhren durch ein Tal, in dem sich die Häuser in Reihen um Berghänge schlängelten. Emily schätzte, dass es in dieser einen Ecke von Kalifornien mehr Häuser gab als im gesamten Staat New Mexico, in dem sie vor Kurzem noch gewohnt hatten.

Im Seitenspiegel konnte sie den schon etwas mitgenommenen Minivan der Familie sehen, der hinter ihnen herfuhr. Sie hatten den Minivan Sal getauft, eine weitere Hommage an den großen Jack Kerouac. Ihre Mutter hatte Sals Lenkrad fest im Griff und lehnte sich nach vorne, wie sie es immer machte – als wäre sie total aufgeregt, dort hinzukommen, wo sie gerade hinfuhr, ob es nun der Supermarkt war oder Kalifornien. Matthew, Emilys älterer Bruder, wippte zur Musik, die er gerade hörte. Wahrscheinlich Flush, seine Lieblingsband. Emily würde eine Bücherkiste darauf verwetten.

»Es gibt doch nichts Aufregenderes als einen Neuanfang, findest du nicht?«, fragte Emilys Vater.

Emily nickte, obwohl sie sich da nicht so sicher war. Ihre Eltern waren so stolz auf dieses Leben, das sie sich geschaffen hatten, aber ihre Begeisterung für Neuanfänge verstand Emily nicht ganz. Es war, als würde man einen Haufen Bücher anfangen, sie aber nie zu Ende lesen.

Kalifornien würde der neunte Staat für Emily in ihren zwölfdreiviertel Lebensjahren sein. Die häufigen Umzüge waren Teil des Plans ihrer Eltern, einmal in jedem der fünfzig Staaten der USA gewohnt zu haben. Das kam immer gut an, wenn Emily versuchte, Leuten zu erklären, warum sie so oft den Wohnort wechselten.

»Seid ihr beim Militär?«

»Seid ihr in einem Zeugenschutzprogramm?«

»Seid ihr auf der Flucht vor dem FBI?«

»Ihr zieht einfach so aus Spaß um?«

Als Emily fünf war, lebten sie in New York. Nachdem ihr Dad seinen Job bei einem Verlag verloren hatte, begann er als freier Lektor zu arbeiten. Im selben Jahr bekam ihre Mutter die Möglichkeit, ihren Job als Programmiererin von außerhalb der Firma zu machen. So konnte sie überall arbeiten, wo sie Zugang zu einem Computer hatte. Und weil sie durch ihre Arbeit nun nicht mehr an einem Ort festgehalten wurden, entschieden ihre Eltern, ihren Traum zu verwirklichen, einmal in jedem Staat der Vereinigten Staaten zu leben. In einem Blog namens 50 Häuser in 50 Staaten hielten sie ihre Umzugsabenteuer fest. Anfangs war der Blog noch ein Hobby, eine Möglichkeit, Erinnerungen an die verschiedenen Orte, an denen sie lebten, festzuhalten. Aber nach und nach wurde er zu einem Nebengeschäft und zog Unternehmen an, die dafür bezahlten, auf dem Blog Werbung zu schalten. Reise-Websites und Magazine fragten an, ob ihre Eltern Artikel für sie schreiben würden. Seitdem zog die Familie Crane im Durchschnitt einmal im Jahr um.

Eine Zeit lang fand Emily das toll. Es war ein großes ­Familienabenteuer: neue Orte entdecken, die Spannung, wo es als Nächstes hinging. Und ihre Eltern versuchten immer, Spaß in die Sache zu bringen. So etablierten sie zum Beispiel die Tradition, den nächsten Ort durch ein Überraschungsessen bekannt zu geben, das sie für Emily und ihren großen Bruder Matthew vorbereiteten. Das Essen enthielt dabei immer Hinweise, wo es als Nächstes hingehen würde. Vor drei Wochen kam Emily von der Schule nach Hause und dachte gerade darüber nach, welche besondere Sehenswürdigkeit sie in ihr New-Mexico-Diorama-Projekt einbauen sollte, als sie plötzlich sah, dass der Küchentisch mit Schalen aus Sauerteigbrot voller Schoko-Goldmünzen gedeckt war. Sie erstarrte, als ihr bewusst wurde, dass ein Enthüllungs-Essen bevorstand, was bedeutete, dass sie wohl wieder umziehen würden. Man hätte meinen können, sie hätte sich inzwischen an diese Überraschungen gewöhnt, aber weit gefehlt …

Zuerst dachte sie nur, dass sie nun nicht mehr ihre eigenen Kalkstein-Stalagtiten für ihr Modell der Carlsbad Caverns machen konnte. Dann entdeckte sie noch mehr Hinweise auf ihr nächstes Ziel: ein T-Shirt mit dem Aufdruck ALCATRAZ-PSYCHIATRIE-FREIGÄNGER für Matthew und eine Taschenbuchausgabe von Die Spur des Falken für sie selbst. Ihre Mutter trug eine schwarz-orangene Giants-Mütze und ihr Dad war angezogen wie ein Beatnik mit einem schwarzen Rollkragenpullover, einer Baskenmütze und einer Brille mit schwarzem Gestell.

Als sie daraus geschlossen hatte, dass sie nach San Francisco umziehen würden, hätte Emily eigentlich feierlich die Goldmünzen in die Luft werfen müssen. Die Stadt war nicht nur die Heimat des Literatur-Idols ihres Vaters, sondern auch die von Emilys großem Vorbild: Garrison Griswold, Verleger der Bayside Press und das Genie hinter Griswolds Bücherjagd. Griswolds Bücherjagd war das coolste Bücherschatz­suche-Spiel überhaupt – und wohl auch das einzige. Es ­bestand aus einer Online-Community von Leuten, die Bücher, Rätsel und Spiele genauso sehr liebten wie Emily, und die sie mitnehmen konnte, egal wo ihre Familie gerade lebte.

Aber anstatt sich zu freuen, gelang Emily nur ein gezwungenes Lächeln. Jetzt wo die Cranes jahrelang von Staat zu Staat gezogen waren, fühlten sich die ­Familienabenteuer langsam etwas … Emily war sich nicht sicher, welches Wort es am besten beschrieb. Vor ein paar Wochen hatte sie sich mit einem Buch und ihrem Mittagessen, das sie von zu Hause mitgebracht hatte, an ihren üblichen Platz bei der alten Eiche vor ihrer Mittelschule in Albuquerque gesetzt. In ihrer Nähe hatte es sich eine Gruppe von Mädchen, die sie kaum kannte, im Gras bequem gemacht. Sie hörte ihnen zu, wie sie über das kommende Wochenende sprachen und wie langweilig es sei, dass sie schon wieder ins Freibad gehen würden. Danach redeten sie über einen Tanzkurs, den sie alle zusammen machten. Zwei Mädchen sprangen auf und tanzten die Schritte einer Choreografie, die sie vor Jahren einmal aufgeführt hatten, an Ort und Stelle, auf dem Rasen. Emily, die so tat, als würde sie ihr Buch lesen und sie gar nicht beachten, fühlte Sehnsucht und auch ein klein bisschen Neid. Nicht weil sie Tanzstunden nehmen, mit ins Freibad gehen, bis es langweilig war, oder Teil der Gruppe sein wollte. Während sie heimlich diese Mädchen beobachtete, wurde ihr klar, dass sie nie so einen Freundeskreis haben würde, und das beschäftigte sie. Dank des nomadischen Lebensstils ihrer Familie würde sie immer die Außenseiterin sein. Klar könnte sie Tanzstunden nehmen und ins Freibad gehen, aber sie war nie lange genug irgendwo, um richtige Freundschaften zu schließen, geschweige denn Jahre später mit ihren Freunden Erinnerungen auszutauschen.

Während der Umzugswagen die Autobahn verließ und am Baseball-Stadion vorbeiknatterte, versuchte Emily, sich auf das Positive zu konzentrieren: Mr Griswolds Bücherjagd! San Francisco!

Sonnenstrahlen tauchten eine silberne Brücke, die sich vor ihnen wölbte, in einen funkelnden Glanz. Es war nicht die Golden Gate Bridge – Emily wusste, dass sie rot war, nicht silbern. Auf der einen Seite konnte sie seichtes Wasser und den Hafen sehen, auf der anderen eine Gruppe von Hochhäusern. Es erinnerte sie ein wenig an den Lake Michigan, als sie noch in Chicago wohnten. Auch dort hatten sie in der einen Richtung den Blick auf die Stadt und in der anderen Richtung lag das ruhige Wasser. Obwohl die San Francisco Bay im Vergleich zum Lake Michigan natürlich wie ein Swimmingpool wirkte, mit Hügeln auf der anderen Seite des Wassers, die so nah wirkten, als könne man hinüberschwimmen.

Sie fuhren vom Wasser weg und eine geschäftige Straße entlang. Bald ragten an den Seiten Bürohäuser auf, die so hoch waren, dass Emily von ihrem Sitz aus nicht einmal erkennen konnte, wo sie aufhörten. Sie prüfte noch einmal, ob sie den Radiosender eingestellt hatte – 104,5 –, den sie sich in ihrem Notizbuch aufgeschrieben hatte. Im Bücherjagd-Forum hatte sie gelesen, dass der Sender nun jede Minute Mr Griswolds Ankündigung zu seinem neuen Spiel übertragen würde.

Garrison Griswold organisierte neben seiner Tätigkeit als Verleger noch ausgefallene Veranstaltungen, so wie das jährliche Quidditch-Turnier im Golden Gate Park und ein Literatur-Bingo, an dem so viele Menschen teilnahmen, dass sie ein ganzes Baseball-Stadion füllten, was ihm einen...

Erscheint lt. Verlag 10.2.2018
Übersetzer Elisa Martins
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-95854-869-5 / 3958548695
ISBN-13 978-3-95854-869-5 / 9783958548695
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