Alea Aquarius 4. Die Macht der Gezeiten (eBook)
336 Seiten
Verlag Friedrich Oetinger
978-3-96052-056-6 (ISBN)
Tanya Stewner, geboren 1974 in Wuppertal, träumte bereits mit zehn Jahren davon, Schriftstellerin zu werden. Der Traum wurde wahr: Die Autorin der Bestseller über 'Liliane Susewind' hat eine riesige Fangemeinde, und ihre Leser warten sehnsüchtig auf jedes neue Buch von ihr. Claudia Carls wurde 1978 geboren und studierte in Hamburg Kinder- und Jugendbuchillustration. Sie arbeitet als freiberufliche Illustratorin und gestaltet Bilderbücher, auch zu eigenen Texten, Kinder- und Jugendbücher, Sachbücher und Plakate.
Tanya Stewner, geboren 1974 in Wuppertal, träumte bereits mit zehn Jahren davon, Schriftstellerin zu werden. Der Traum wurde wahr: Die Autorin der Bestseller über "Liliane Susewind" hat eine riesige Fangemeinde, und ihre Leser warten sehnsüchtig auf jedes neue Buch von ihr. Claudia Carls wurde 1978 geboren und studierte in Hamburg Kinder- und Jugendbuchillustration. Sie arbeitet als freiberufliche Illustratorin und gestaltet Bilderbücher, auch zu eigenen Texten, Kinder- und Jugendbücher, Sachbücher und Plakate.
Alea stand am Bug des alten Segelschiffs und sah auf den sanft wogenden Nordatlantik hinaus. Die leuchtenden, verschlungenen Farben des Meeres strömten ruhig dahin wie Pinselstriche eines Gemäldes, das es gar nicht eilig hatte zu trocknen. In ihnen verbargen sich unendlich viele Geschichten, aber diese wollten heute nicht erzählt werden und flossen gemächlich und unaufgeregt dahin.
Nur die Augen der Walwanderer konnten die schillernden Verläufe im Wasser erkennen. Und Alea war genau das – eine Walwanderin.
Wehmütig strich sie sich eine Strähne ihres langen dunklen Haars hinters Ohr, wo ihre Kiemenknubbel saßen. Sosehr sie es liebte, ein Meermädchen zu sein, so traurig machte es sie auch. Denn die Meermenschen waren fort, ausgestorben, und Alea war nicht viel mehr als ein Überbleibsel einer untergegangenen Welt.
Mit der Hand schirmte sie ihre Augen ab und schaute hinauf zu den gewölbten Segeln der Crucis. Erst am Tag zuvor hatte Alea ein Loch im Vorsegel geflickt, und dieses Loch war bei Weitem nicht das erste gewesen. Doch obwohl seine beiden Segel regelrechte Flickenteppiche waren, hatte das Schiff etwas Erhabenes an sich, das trotz der abblätternden grünen Farbe und der vielen Dellen und Macken wie eine Aura um es herum lag. Die Crucis war etwas Besonderes und ihre Besatzung ebenso.
Die Alpha Cru bestand aus fünf Mitgliedern. Da war Benjamin Libra, der Skipper und einzige Volljährige an Bord. Samuel Draco, sein kleiner Bruder. Tess Taurus, die französische Ausreißerin. Lennox Scorpio, der zur einen Hälfte Landgänger und zur anderen Hälfte Meermensch war. Und schließlich sie selbst, Alea Aquarius, die fast ihr ganzes Leben bei den Landgängern verbracht und jahrelang geglaubt hatte, sie sei gegen kaltes Wasser allergisch. Bis sie schließlich herausgefunden hatte, dass sie in Wahrheit Schwimmhäute und Kiemen bekam, sobald sie vollständig im Meer untertauchte.
»Ahoi!«, hörte Alea eine Stimme neben sich. Es war Sammy, der sich zu ihr gesellte. »Du stehst echt oft hier am Bug, Schneewittchen.« Er nannte sie häufig so, denn sie hatte dunkle Haare, blasse Haut und märchenhaft wirkende grüne Augen.
»Ich schaue gern aufs Meer. Ist so schön bunt«, versuchte sie leichthin zu antworten, aber Sammys Miene war ernst.
Im nächsten Moment nahm er ihren Arm, legte ihn um seine Schultern und schmiegte sich an sie. »Bitte einmal knuddeln!«, sagte er und vergrub sein Gesicht in ihrer Jacke.
Alea zog den Jungen an sich und drückte ihn ganz fest. »Mach dir keine Sorgen.« Vorsichtig streichelte sie ihm über den wilden roten Haarschopf. »Es wird alles gut werden.«
Sammy machte sich von ihr los. »Woher weißt du das?« Mit dem Ärmel fuhr er sich über die Nase und wirkte verletzlicher als sonst. »Doktor Orion ist hinter uns her! Wie soll da alles gut werden?«
Alea senkte den Blick. Sammy hatte natürlich recht. Die Gefahr, in der sie alle schwebten, seit sie aus Island geflohen waren, konnte nicht kleingeredet werden. Sie wussten nun: Doktor Orion selbst war für den tödlichen Virus verantwortlich, durch den die Meermenschen ausgerottet worden waren. Er hatte sein eigenes Volk aus dem Weg geräumt, um ihm einen aussichtslosen Kampf gegen die Landgänger zu ersparen. Das hatte er zumindest behauptet. Alea glaubte allerdings, dass es ihm wohl eher darum gegangen war, seine finsteren Geschäfte voranzutreiben und mit seinem weitverzweigten Verbrechernetz ungestört Müll im Meer abladen zu können. Und jetzt war Doktor Orion hinter ihnen her. Sie wussten zu viel über ihn. Mit seinen dunkelsten Geheimnissen im Gepäck war die Alpha Cru ihm entwischt und aus der Villa Konungur geflohen. Ohne Hilfe hätten sie das wahrscheinlich nicht geschafft. Nixen und Kobolde hatten ihnen im Meer den Weg zur Crucis freigekämpft, doch ohne Aleas Vater Keblarr und seinen Freund Ramin wären sie noch nicht einmal bis zum Strand gekommen.
Seit vier Tagen segelten sie nun unbehelligt gen Osten, nur unterbrochen von einem kurzen Zwischenstopp auf den Färöer-Inseln. Doktor Orion würde sie aber nicht einfach so davonkommen lassen, dessen war sich Alea sicher. Sie kannte nicht nur seine geheimsten Gedanken, sondern war für ihn auch aus einem anderen Grund äußerst gefährlich: Sie war die Elvarion, die die Zeitenwende einläuten könnte. Orion kannte diese Prophezeiung, die besagte, dass Alea eine ganz besondere Rolle im Lauf der Dinge spielen sollte. Sie würde für die Ozeane kämpfen, und der Legende nach hatte sie die Chance, die Weltmeere zu retten. Als Elvarion – eine geborene Anführerin, von der es in jeder Meergeneration nur vier oder fünf gab – war sie dafür geradezu perfekt geeignet.
Alea musste schlucken. Die Größe ihres Schicksals schüchterte sie immer noch ein. Gerade diese Größe war es jedoch, die sich für Orion als fatal herausstellen konnte. Denn wenn die Prophezeiung sich bewahrheitete, würde Alea dem Doktor einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen.
Sammy drängte sich noch näher an Alea heran. »Ich bin zwar ein Abenteurer, aber das ist alles ganz schön heftig«, murmelte er. Dabei sah er aus wie ein Kind, das festgestellt hatte, dass in seinem Schrank tatsächlich ein Monster hauste.
»Es tut mir leid.« Alea war klar, dass die Ereignisse einen Neunjährigen extrem überfordern mussten. »Aber ich brauche dich, Sammy. Du hältst uns alle davon ab, uns wegen Orion total verrückt zu machen.«
»Ich? Wie meinst du das?«
»Du hast zwar selbst Angst, aber trotzdem singst du fröhliche Lieder und erzählst uns bei jeder Gelegenheit Witze.«
Sammy kratzte sich am Kopf. »Ich dachte, damit gehe ich allen nur auf die Nerven. Tess hat das jedenfalls gesagt.«
»Ach, das darfst du nicht so ernst nehmen. Tess motzt zwar ständig an dir rum, aber das heißt nicht, dass sie dich nicht furchtbar gernhätte.«
»Ja, bestimmt ist sie genauso verliebt in mich wie ich in sie!« Sammy grinste und präsentierte dabei seine riesige Zahnlücke. »Ich bin in alle verliebt! In dich, Schneewittchen, in den coolen Scorpio und in Ben schon mein ganzes Leben lang.«
Alea lachte. »Siehst du, genau das meine ich! Wenn ich mit dir rede, fühle ich mich … leichter. Und das ist im Moment für uns alle gut. Sonst frisst die Angst vor Orion uns noch auf.«
Sammys Grinsen wurde schmaler. »Wir sitzen ganz schön in der Tinte, oder?«
»Das dürfen wir uns aber nicht die ganze Zeit sagen!« Kopfschüttelnd blickte Alea ihn an. »Ich zähle auf dich, Samuel Draco. Ich brauche deine ganz besonderen Sammy-Schwingungen, um das alles schaffen zu können. Wir alle tun das! Ohne dich wären wir nichts als ein Haufen düsterer Grübelköpfe auf der Flucht. Aber du schaffst es immer wieder, uns alles kurz vergessen zu lassen.« Sammy war kein bisschen weniger wichtig als die anderen Mitglieder, obwohl er der Jüngste der Cru war.
Er starrte ins Leere. Dann straffte er die Schultern. »Ich bin Samuel Draco, Bestdrache und Angstbezwinger. Ich werde euch alle retten!«
Erleichtert lächelte Alea. »Ich bin so froh, dass ich dich habe«, sagte sie und zog ihn noch einmal an sich. »Bestsammy.«
Sammy machte eine Handbewegung, als wollte er Ballast abwerfen. »Besinnen wir uns also auf die guten Dinge«, schlug er vor. »Wenn man immer nur daran denkt, was schiefgehen könnte, hat der Kopf schon Schiffbruch, bevor überhaupt Sturm aufkommt.«
Alea musste abermals lachen.
»Das Wetter ist ausgesprochen gut für Ende Juli in diesen nördlichen Breitengraden«, stellte Sammy fest und setzte sein fachkundigstes Seemannsgesicht auf. »Neunzehn Grad, Windstärke drei, leichte Brise. Wir machen vier Knoten in der Stunde und kommen Norwegen ganz gemütlich näher.«
Norwegen. Alea rieselte ein kleiner Schauer über den Rücken. Wenn weiterhin alles reibungslos verlief, würden sie in drei Tagen die norwegische Westküste erreichen. Sie hatten Kurs darauf gesetzt, weil Alea vor Kurzem eine Wandererbotschaft erhalten hatte – eine Art Videonachricht, die übers Wasser gekommen war. Walwanderer waren nämlich nicht nur in der Lage, die Farben des Meeres zu sehen, sondern sie konnten mithilfe dieser Botschaften auch über viele Hundert Kilometer miteinander kommunizieren. Die Wanderernachricht stammte von einer Frau, deren Gesicht Alea tief berührt hatte. Bei ihrem Anblick war sofort ein Gefühl von Zuhause in ihr aufgekommen. Deswegen wollte sie diese Frau, die in Norwegen lebte, unbedingt finden. Leider hatte Alea tagelang nichts mehr von ihr gehört. Dennoch segelten sie weiter. Alea hatte zwar keine Ahnung, wie sie die Frau finden sollte – Norwegen war, wenn man keinen konkreten Anhaltspunkt hatte, ziemlich groß –, aber sie mussten es einfach versuchen.
»Meinst du, wir gehen in die Geschichte ein?«, fragte Sammy sie nun. »Wird vielleicht alles, was uns passiert, eines Tages in Büchern stehen?«
»Keine Ahnung.« Alea zuckte die Achseln. »Woher sollten die Menschen erfahren, was hier los ist? Wir haben ja keinen Berichterstatter an Bord«, scherzte sie.
Sammys Augen leuchteten auf. »Den Job kann ich doch übernehmen! Warte, ich hole Bens Handy!«
»Wieso?«
Sammy war schon losgelaufen und schnappte sich das Handy seines großen Bruders, das wie so oft in dessen Jacke steckte, die auf einer Kiste an Deck lag. Sammy kam zu ihr zurück, und Alea sah, dass er eine Sprachmemo-Aufnahme startete. »Die Alpha Cru segelt auf der legendären Crucis …«, sagte er und klang wie ein Hörbuchsprecher. »Das Schiff ist nach dem Sternbild Kreuz des Südens benannt, und der hellste Stern im Kreuz...
Erscheint lt. Verlag | 14.6.2018 |
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Reihe/Serie | Alea Aquarius | Alea Aquarius |
Illustrationen | Claudia Carls |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer • Bohrinsel • Freundschaft • Liliane Susewind • Magie • Meer • Meerjungfrau • Meermensch • Ozean • Umweltkatastrophe • Unterwasser • Virus • Wasser |
ISBN-10 | 3-96052-056-5 / 3960520565 |
ISBN-13 | 978-3-96052-056-6 / 9783960520566 |
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