Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol -  Maren Gottschalk

Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol (eBook)

Mit farbigen Bildern und Fotos
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
264 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-74611-5 (ISBN)
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Andy Warhol ist die Ikone der Pop-Art. Mit seinen Ideen und Experimenten wurde er zum Vordenker von Starkult und Selbstvermarktung. Neugierig und offen nähert sich Maren Gottschalk in ihrer neuen Biografie einem vielschichtigen Künstler. Drei Sehnsüchte trieben Andy Warhol (1928-1987), der vom armen Einwanderersohn zum talentierten Zeichner und exzentrischen Millionär wurde, seit seiner Kindheit an: Er wollte schön, reich und berühmt sein. Für Warhol, zunächst erfolgreicher Werbegrafiker, waren Kunst und Kommerz kein Widerspruch. Er wusste, was Menschen berührt und provoziert. Mit den berühmten Campbell-Suppendosen (1962) schuf er eine neue Definition von Kunst - scheinbar Banales wurde fortan in Serie produziert. Seine Siebdrucke von Marilyn Monroe sind ins kollektive Gedächtnis eingegangen. Seine Factory stand für New Yorker Dauerpartys, für Drogen und Sex, er selbst war Meister der schrillen Selbststilisierung und -inszenierung, der sich selbst zur Marke machte.

Maren Gottschalk studierte Geschichte und Politik in München und promovierte in Mittelalterlicher Geschichte. Sie lebt, zusammen mit ihrer Familie, und arbeitet als Autorin und Journalistin in Leverkusen. Bei Beltz & Gelberg veröffentlichte sie bisher die vielfach gerühmten Biografien 'Der geschärfte Blick. Sieben Journalistinnen und ihre Lebensgeschichte'; 'Die Morgenröte unserer Freiheit. Die Lebensgeschichte des Nelson Mandela' sowie zuletzt 'Es brennt das Leben. Die Lebensgeschichte des Pablo Neruda', 'Die Farben meiner Seele. Die Lebensgeschichte der Frida Kahlo', 'Schluss. Jetzt werde ich etwas tun. Die Lebensgeschichte der Sophie Scholl' und 'Factory Man. Die Lebensgeschichte des Andy Warhol'. Nähere Informationen zu der Autorin unter www.maren-gottschalk.de.

Prolog

Die berühmteste Suppendose der Welt


Am 9. Juli 1962 eröffnet Galerist Irving Blum in Los Angeles eine Ausstellung, die Geschichte schreiben wird, was aber damals noch keiner ahnt. Es gibt auch keine richtige Vernissage, keine Party mit Sekt, Häppchen und schicken Leuten. Der Künstler ist nicht mal anwesend. Denn Andy Warhol, 33 Jahre alt und erfolgreicher Werbegrafiker in New York, hält es nicht für nötig, den weiten Weg bis nach Kalifornien auf sich zu nehmen. Irving Blum hat deshalb nur ein paar Einladungskarten verschickt. Das Motiv auf der Rückseite: eine Suppendose.

Denn genau das zeigt die Ausstellung: 32 Bilder, jedes 50 × 40 Zentimeter groß, lehnen auf schmalen Regalbrettern an den Wänden der Ferus Gallery. Sie alle zeigen auf den ersten Blick dasselbe: eine Suppendose der Marke Campbell’s, mit Acrylfarbe auf Leinwand gemalt und mit dünnen Holzleisten gerahmt. Die Suppendosen sind fast identisch, nur ihre Geschmacksrichtungen unterscheiden sich: Tomatensuppe, Hühnersuppe, Erbsensuppe – es sind genau 32 verschiedene Sorten und jedes Bild kostet 100 Dollar. Das ist alles. Die wenigen Besucher, die an diesem Julitag die Galerie betreten, sind verblüfft. Manche halten die Ausstellung für eine Frechheit, andere lachen und glauben an einen Scherz. Ein paar Häuser weiter hat ein anderer Galerist einen Stapel echte Suppendosen von Campbell’s in sein Schaufenster gestellt und dazu ein Schild gemalt: »Hier kaufen Sie billiger – 60 Cent für drei Büchsen.«

Galerist Irving Blum findet nicht viele Käufer für die Suppendosen von Andy Warhol. Nach ein paar Wochen beschließt er deshalb, die komplette Serie selbst zu behalten, und holt sich die paar verkauften Bilder zurück. Dem Künstler zahlt er insgesamt 1000 Dollar.

35 Jahre später gehen die Campbell’s Soup Cans für 15 Millionen Dollar an das Museum of Modern Art in New York.

Campbell’s Soup Can (Tomato), 1964  • Synthetic polymer paint and silkscreen ink on canvas • 36 × 24 inches

© 2015 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc./ Artists Rights Society (ARS), New York

Andy Warhol hat Fragen aufgeworfen, die noch heute, fast 30 Jahre nach seinem Tod, für Diskussionen sorgen. War er ein Genie? Ein Mann, der als Künstler und Filmemacher Grenzen überschritten hat? Oder war er nur ein gewiefter Blender, besessen von der Sucht nach Erfolg und gesegnet mit einem guten Instinkt für Vermarktung? Anders gefragt: War der Superstar Andy Warhol auch ein bedeutender Künstler? Und wenn ja, was hat er der Welt gegeben? Was steckt hinter seinen Bildern von Suppendosen, elektrischen Stühlen oder fröhlichen Blumen und was wollen seine über 100 Filme uns erzählen? Warhol selbst hat immer wieder behauptet, es gäbe nichts in seinem Werk zu entdecken, er habe keine Aussage und keine Botschaft. Doch wer sich auf Andy Warhols Arbeiten einlässt, merkt sehr schnell, dass das nicht stimmt. Denn die Aussage einer künstlerischen Arbeit ist losgelöst davon, ob und was der Künstler aussagen möchte.

Andy Warhol hat die Pop-Art nicht erfunden, aber er gilt heute als einer ihrer wichtigsten Vertreter. Warum gerade er? Was hatte Warhol einem Roy Lichtenstein oder einem Claes Oldenburg voraus? War es sein Geschäftssinn, bestand sein Geheimnis in der kalkulierten Provokation und der cleveren Vermarktung? Und worin genau bestand seine kreative Leistung? Pop – das war in den 60er-Jahren auch ein Lebensgefühl, ein bestimmter Blick auf die Welt, eine Haltung, die kaum jemand so gut verinnerlicht hatte wie Andy Warhol.

Seit 1964 nannte Warhol sein Atelier Factory. Denn es war tatsächlich eine Art Fabrik, in der seine unterbezahlten Assistenten die heute weltberühmten Siebdrucke nach seinen Anweisungen fertigten, Kunstwerke, die Warhols Namen trugen. Sind diese Bilder »echte« Warhols? Wie weit entfernt von der Hand seines Schöpfers darf ein Kunstwerk entstehen, um noch als seine Arbeit gelten zu können? Anders als Rembrandt oder Michelangelo beschäftigte Warhol in seiner Factory keine Lehrlinge oder Schüler, sondern Künstlerpersönlichkeiten mit eigenem Potenzial. Häufig sprach er davon, eine Maschine sein zu wollen und dass seine Kunst genauso gut von jedem anderen hergestellt werden könnte, was doch überhaupt nicht der Fall war: Auch wenn viele Handgriffe von seinen Assistenten selbstständig ausgeführt wurden, war es Warhol, der die Idee hatte, der Motiv und Farbwahl bestimmte und bei vielen Bildern noch mit dem Pinsel Hand anlegte.

Warhols Factory war außerdem mehr als nur der Produktionsort von Kunst, die sich als mechanisch-seelenlose Serienproduktion tarnte. Die Factory steht für Dauerparty, Drogen, Sex und die Freude an frecher Selbstdarstellung. Sie war Warhols Ideenpool, seine emotionale Ladestation, seine Großfamilie im Dauerclinch und ein Experimentierfeld für Projekte, die sich heute wie Vorläufer zu TV-Formaten wie Big Brother oder Next Topmodel lesen. Für die Filmbranche hat Warhol wie ein Trendscout gewirkt, der jedoch 30 Jahre zu früh unterwegs war. Deshalb interessieren sich heute nur noch eingefleischte Underground-Kinofans oder Medienwissenschaftler für seine Filme.

Manche Gräben, die Warhol mit seiner Kunst aufgerissen hat, sind heute längst zugeschüttet: Seine handwerkliche Professionalität als bildender Künstler steht außer Frage und eigentlich regt sich niemand mehr über seine Bilder auf. Im Gegenteil zählen sie heute zu den Klassikern der Pop-Art und erzielen bei Auktionen oft Höchstpreise im Millionenbereich. Trotzdem schwanken die Urteile über seine Arbeit bis heute zwischen großer Begeisterung und totalem Verriss. Als die Aachener Spielbank im Herbst 2014 zwei Warhol-Siebdrucke für 135 Millionen Dollar versteigern ließ, reichten die Kommentare vom entsetzten Aufschrei über den »Kulturverlust« bis zum gleichgültigen Achselzucken.

Andy Warhol ist in der modernen Welt präsent wie kaum ein anderer Künstler. Er hat Ikonen der US-amerikanischen Geschichte und ihres Alltags geschaffen, die ins kollektive Gedächtnis der Menschen eingegangen sind. Auch wer niemals einen Film mit Marilyn Monroe gesehen hat, kennt ihr Gesicht als Pop-Version von Andy Warhol, sei es auf Postern, Tassen oder T-Shirts. Smartphones verfügen heute über Apps, mit denen man Fotos auf »Warhol-Manier« verfremden kann. Außerdem ist sein spezieller Serienstil – dasselbe Motiv wird in verschiedenen Farbvarianten nebeneinandermontiert – auf der ganzen Welt im Kunstunterricht beliebt, von der Grund- bis zur Hochschule.

Der Mensch Andy Warhol hingegen tritt hinter seinen Ikonen immer weiter zurück, was schade ist, denn die Urteile über ihn werden auf diese Weise nicht mehr hinterfragt, sondern lediglich durch ermüdende Wiederholung zementiert. Die einen sehen in ihm einen mutigen Vorkämpfer der Schwulenbewegung, eine Symbolfigur für eine selbstbewusste homosexuelle Identität. Die anderen halten ihn für einen krankhaften Egomanen, der seine engsten Freunde und Mitarbeiter gedemütigt und manche von ihnen seelisch zerstört habe. In beidem steckt Wahrheit, aber Andy Warhols Persönlichkeit hatte noch viel mehr Facetten.

Drei Sehnsüchte trieben ihn von Kindheit an: Er wollte schön, reich und berühmt sein. Nur dann, das schien er zu glauben, würde er auch geliebt werden.

Um sich seinen eigenen Wünschen und Ängsten nicht stellen zu müssen, suchte er Menschen, die dasselbe wollten wie er, und beobachtete sie – vor allem beim Scheitern. Wie ein Insektenforscher filmte er seine »Superstars« und hat damit, viele Jahre bevor die ersten Casting-Shows auf Sendung gingen, den Abgrund ausgelotet, der Menschen verschlingt, wenn sie um jeden Preis schön, reich und berühmt sein wollen.

Bin ich schön?, fragte sich Andy Warhol jeden Tag. Bin ich attraktiv, erotisch, ansprechend? Gefalle ich den Menschen – gefalle ich mir selbst? Kaum ein Künstler hat so unter seinem Aussehen gelitten wie Andy Warhol – und sich doch selbst immer wieder porträtiert. Schließlich hat er entdeckt, wie er den Mechanismus »Nur wer schön ist, kann ein Star sein« austricksen konnte, indem er ihn einfach umdrehte: Wer ein Star ist, ist auch schön. Andy Warhols Siebdruckporträts machten jeden zum Star. Jeden, der es sich leisten konnte, dafür 25.000 Dollar zu zahlen.

In Zukunft wird jeder Mensch 15 Minuten lang berühmt sein, sagte Warhol 1968 – und längst hat das Internet diesen Satz wahr gemacht. Hätte Warhol online gehen können, wäre er Social-Media-süchtig gewesen, hätte permanent gebloggt und getwittert. Und ...

Erscheint lt. Verlag 11.7.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-407-74611-3 / 3407746113
ISBN-13 978-3-407-74611-5 / 9783407746115
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