Goldener Käfig (Die Farben des Blutes 3) (eBook)
640 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-92726-9 (ISBN)
Victoria Aveyard studierte Drehbuchschreiben an der University of Southern California. Inzwischen arbeitet sie als freie Autorin und lebt abwechselnd in ihrem Heimatort in Massachusetts und in Los Angeles. Ihre spannende und vielschichtige Fantasy-Serie »Die Farben des Blutes« ist ein internationaler Erfolg. Alle Bände des Vierteilers - »Die rote Königin«, »Gläsernes Schwert«, »Goldener Käfig« und »Wütender Sturm« - sind New-York-Times- und Spiegel-Bestseller. Und auch der Zusatzband »Zerschlagene Krone - Geschichten und mehr aus der Welt der roten Königin« ist ein absolutes Must-Have für alle Fans der Ausnahme-Serie.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 29/2017) — Platz 9
- Spiegel Bestseller: Jugendbuch (Oktober/2017) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Jugendbuch (September/2017) — Platz 3
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 31/2017) — Platz 19
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 30/2017) — Platz 15
- Spiegel Bestseller: Jugendbuch (August/2017) — Platz 4
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Hardcover (Nr. 28/2017) — Platz 2
Victoria Aveyard studierte Drehbuchschreiben an der University of Southern California. Inzwischen arbeitet sie als freie Autorin und lebt abwechselnd in ihrem Heimatort in Massachusetts und in Los Angeles. Ihre spannende und vielschichtige Fantasy-Serie »Die Farben des Blutes« ist ein internationaler Erfolg. Alle Bände des Vierteilers – »Die rote Königin«, »Gläsernes Schwert«, »Goldener Käfig« und »Wütender Sturm« – sind New-York-Times- und Spiegel-Bestseller. Und auch der Zusatzband »Zerschlagene Krone - Geschichten und mehr aus der Welt der roten Königin« ist ein absolutes Must-Have für alle Fans der Ausnahme-Serie. Birgit Schmitz hat Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft studiert und arbeitete einige Jahre als Dramaturgin. Heute lebt sie als Literaturübersetzerin und Lektorin in Frankfurt am Main.
1
MARE
Ich versuche aufzustehen, als er mich lässt.
Er reißt die Kette ruckartig hoch und zieht an meinem Stachelhalsband. Die Spitzen bohren sich in meine Haut; nicht so fest, dass Blut kommt – noch nicht. Aber meine Handgelenke sind bereits blutig. Während langer Tage in bewusstloser Gefangenschaft haben die rauen, scheuernden Fesseln die Haut darunter langsam aufgeschürft. Meine weißen Ärmel sind voller dunkler und hellroter Blutflecken; zu den alten, verblassenden gesellen sich immer wieder frische hinzu und legen Zeugnis ab von meinem Martyrium. Zeigen Mavens Hof, wie sehr ich bereits gelitten habe.
Er steht mit undurchdringlicher Miene über mir. Mit der väterlichen Krone auf dem Kopf wirkt er größer; es sieht aus, als würden ihm die eisernen Zacken direkt aus dem Schädel wachsen. Die Krone funkelt, jede Spitze ist eine gewundene Flamme aus schwarzem Metall, in das sich Bronze und Silber mischen. Ich konzentriere mich ganz auf dieses mir so schmerzlich vertraute Ding, damit ich Maven nicht in die Augen schauen muss. Aber er kriegt mich trotzdem, indem er an einer anderen Kette zieht, die ich nicht sehen kann. Nur spüren.
Weiße Finger legen sich seltsam sanft um mein verletztes Handgelenk. Mein Blick schnellt unwillkürlich zu seinem Gesicht; ich kann es nicht verhindern. Sein Lächeln ist alles andere als freundlich. Dünn und scharf wie eine Rasierklinge ist es; jeder Zahn bohrt sich förmlich in mich hinein. Aber das Schlimmste sind seine Augen. Ihre Augen. Elaras Augen. Früher dachte ich, sie wären kalt, lebendiges Eis. Jetzt weiß ich es besser. Blaue Flammen sind die heißesten; seine Augen bilden da keine Ausnahme.
Der Schatten der Flamme. In ihm brennt das Feuer lichterloh, doch an seinen Rändern nagt Dunkelheit. Wie Blutergüsse umgeben schwarzblaue Flecken seine Augen, die von silbernen Adern durchzogen sind. Er hat nicht geschlafen. Er ist dünner, als ich ihn in Erinnerung habe, hagerer, grausamer. Seine Haare, die so schwarz sind wie das Nichts, reichen ihm nun bis zu den Ohren und kräuseln sich an den Spitzen; seine Wangen sind noch immer glatt. Manchmal vergesse ich, wie jung er ist. Wie jung wir beide sind. Das Brandmal auf meinem Schlüsselbein – ein »M«, das vom Kleid verdeckt wird – schmerzt.
Maven dreht sich rasch um und die Kette in seiner Faust zwingt mich, ihm zu folgen. Ein Mond, der um einen Planeten kreist.
»Seht euch diese Gefangene an, diesen Sieg!«, ruft er mit gestrafften Schultern der Menschenmenge vor uns zu. Mindestens dreihundert Silberne, Adelige und Zivilisten, Wachen und Offiziere stehen dort. Ich bin mir der Königswächter am Rand meines Blickfeldes schmerzlich bewusst, ihre feuerroten Roben erinnern mich permanent an meinen schnell schrumpfenden Käfig. Auch meine Arven-Wächter sind nie außer Sichtweite, ihre weißen Uniformen blenden, ihre Stiller-Fähigkeiten lähmen mich. Der Druck ihrer Anwesenheit raubt mir den Atem.
Die Stimme des Königs hallt über den imposanten Cäsarplatz und wird von der Menschenmenge mit Zustimmung und Jubel aufgenommen. Irgendwo muss es Mikrofone und Lautsprecher geben, die die bitteren Worte des Königs in die Stadt tragen und zweifellos auch in den Rest des Königreichs.
»Das hier ist Mare Barrow, die Anführerin der Scharlachroten Garde.« Trotz meiner misslichen Lage schnaube ich beinahe. Anführerin. Dass seine Mutter nicht mehr lebt, tut seinen Lügen keinen Abbruch. »Eine Mörderin, eine Terroristin, eine Feindin unseres Königreichs. Und jetzt kniet sie vor uns, entblößt bis aufs Blut.«
Er reißt wieder an der Kette und ich stolpere nach vorn, die Arme ausgestreckt, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Meine Reaktionen sind träge, meine Augen niedergeschlagen. Was für ein Schauspiel. Wut und Scham durchströmen mich, als mir bewusst wird, was dieser simple Akt für die Scharlachrote Garde bedeutet, wie sehr er ihr schaden wird. Rote in ganz Norta werden sehen, wie ich an Mavens Fäden zappele. Sie werden glauben, dass wir schwach sind und besiegt, weder ihrer Aufmerksamkeit noch ihrer Mühe oder Hoffnung wert. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Aber ich kann nichts tun, nicht jetzt, nicht hier, während mein Leben auf Messers Schneide steht und ich voll und ganz von Mavens Gnade abhänge. Ich frage mich, was mit Corvium ist, der Militärstadt, die wir auf unserem Weg zum Todesstreifen brennen sahen. Nach der Ausstrahlung meiner Videobotschaft ist es zu Aufständen gekommen. War es das erste Aufflammen der Revolution – oder ein letztes Aufbäumen? Ich habe keine Ahnung. Und ich bezweifle, dass sich jemand die Mühe machen wird, mir eine Zeitung zu bringen.
Cal hat mich vor der Gefahr eines Bürgerkriegs gewarnt, schon vor langer Zeit, bevor sein Vater starb und er plötzlich mit nichts als der hitzigen Blitzwerferin dastand. Rebellion auf beiden Seiten, hatte er gesagt. Doch während ich hier stehe, angeleint vor Mavens Hof und seinem Silber-Königreich, sehe ich keinerlei Anzeichen für irgendwelche Abspaltungsbewegungen. Obwohl ich den Silbernen von Mavens Gefängnis erzählt habe, obwohl ich ihnen gesagt habe, dass er ihre Liebsten geraubt hat, dass der König und seine Mutter sie alle verraten haben, betrachten sie weiterhin mich als ihren Feind. Ich möchte schreien, besinne mich aber eines Besseren. Mavens Stimme wird immer lauter sein als meine.
Sehen Ma und Pa gerade zu? Der Gedanke erfüllt mich mit neuem Kummer und ich beiße mir fest auf die Lippe, damit nicht noch mehr Tränen fließen. Ich weiß, dass Videokameras in der Nähe und auf mein Gesicht gerichtet sind. Auch wenn ich sie nicht mehr spüren kann, ist mir das sonnenklar. Maven würde sich niemals die Gelegenheit entgehen lassen, meinen Sturz zu verewigen.
Werden sie mich gleich sterben sehen?
Das Halsband sagt mir, dass dem nicht so ist. Warum sollte er dieses Spektakel inszenieren, wenn er mich einfach nur töten wollte? Andere fänden diesen Gedanken erleichternd, aber mir wird kalt vor Angst. Er wird mich nicht töten. Maven nicht. Das sagt mir seine Berührung. Seine langen, bleichen Finger liegen noch immer um mein Handgelenk, während die andere Hand die Leine hält. Selbst jetzt, wo ich auf schmerzhafte Weise ihm gehöre, lässt er mich nicht los. Ich würde den Tod diesem Käfig, dieser perversen Obsession eines verrückten jungen Königs vorziehen.
Ich erinnere mich an seine Briefe, die alle mit demselben seltsamen Lamento endeten.
Bis zum nächsten Wiedersehen.
Er redet weiter, aber seine Stimme dringt nur gedämpft zu mir durch, wird zum Sirren einer Hornisse, die mich umschwirrt und alle meine Nerven vibrieren lässt. Ich schaue über die Schulter. Mein Blick schweift über die Menge der Höflinge hinter uns. Stolz und voller Niedertracht stehen sie da in ihrer schwarzen Trauerkleidung. Lord Volo aus dem Haus Samos und sein Sohn Ptolemus sind prächtig herausgeputzt in ihrer tiefschwarz glänzenden Rüstung mit den silbernen Schärpen von der Hüfte bis zur Schulter. Beim Anblick von Ptolemus sehe ich Rot, scharlachrotes, zorniges Rot. Ich unterdrücke den Impuls, nach vorn zu stürzen und Ptolemus die Haut vom Gesicht abzuziehen, ihm das Herz zu durchbohren, so wie er es bei meinem Bruder Shade gemacht hat. Mein Wunsch steht mir offenbar deutlich im Gesicht geschrieben, denn Ptolemus besitzt die Frechheit, mich selbstgefällig anzugrinsen. Würden das Halsband und die Stiller-Wachen mich nicht all dessen berauben, was ich bin, würde ich seine Knochen in rauchendes Glas verwandeln.
Seltsamerweise schaut mich seine Schwester, die so viele Monate meine Feindin war, gar nicht an. In ihrem mit schwarzen Kristallen gespickten Kleid ist Evangelina der glitzernde Stern dieser grausamen Konstellation. Da sie die Verlobung mit Maven schon so lange ausgehalten hat, wird sie vermutlich bald Königin. Ihr Blick ruht auf dem Rücken des Königs, ihre dunklen Augen fixieren seinen Nacken. Eine aufkommende Brise bringt den glänzenden Vorhang ihrer silbernen Haare in Bewegung, hebt ihn von ihren Schultern, doch sie zuckt mit keiner Wimper. Erst nach einem langen Moment scheint sie zu bemerken, dass ich sie anstarre. Doch selbst dann schwenkt ihr Blick nur kurz zu mir hin. Bar jeden Gefühls. Ich bin ihrer Aufmerksamkeit nicht mehr würdig.
»Mare Barrow ist eine Gefangene der Krone. Auf sie wartet das Urteil der Krone und der Ratsversammlung. Ihre zahlreichen Verbrechen müssen geahndet werden.«
Aber wie?, frage ich mich.
Die Menge grölt und bejubelt seine Ankündigung. Das sind Silberne, aber »gewöhnliche« Silberne, ohne adelige Herkunft. Während sie Mavens Worte feiern, zeigt sein Hof keinerlei Reaktion. Tatsächlich werden einige der Hofangehörigen grau im Gesicht, ihre Mienen versteinern, wirken wütend. Besonders die Mitglieder des Hauses Merandus, deren Trauerkleidung von Dunkelblau, der vermaledeiten Farbe der toten Königin, durchzogen ist. Während Evangelina mich nicht wahrgenommen hat, starren sie mir mit beunruhigender Intensität ins Gesicht. Flammend blaue Blicke treffen mich aus allen Richtungen. Ich warte darauf, ihr Flüstern in meinem Kopf zu hören, rechne damit, dass sich ein Dutzend Stimmen durch ihn hindurchwühlen wie Würmer durch einen faulen Apfel. Aber stattdessen – Stille. Vielleicht sind die Arven-Offiziere rechts und links von mir ja nicht nur meine Gefängniswärter, sondern auch Beschützer, vielleicht unterdrücken sie nicht nur meine Fähigkeiten, sondern auch die jedes anderen, der seine Fähigkeiten gegen mich einsetzen will. Auf Mavens Befehl hin, vermute ich. Hier wird mir niemand anders...
Erscheint lt. Verlag | 30.6.2017 |
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Reihe/Serie | Die Farben des Blutes | Die Farben des Blutes |
Übersetzer | Birgit Schmitz |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer • All Age Fantasy • Bittersweet • Blut • Broken Throne • Cal und Mare • Der Gesang der Königin • Die Auswahl • Freundschaft • Gefängnis • Gläsernes Schwert • Glass Sword • Kampf • King's Cage • Königreich • Liebe • Liebesgeschichte • Maven und Mare • Neublüter • Norta • Prinz • Rebellin • Rebellion • Red Queen • Romantasy • Rote Königin 3 • Rotes Netz • SPIEGEL-Bestseller • War Storm • X-Men • Zerschlagene Krone |
ISBN-10 | 3-646-92726-7 / 3646927267 |
ISBN-13 | 978-3-646-92726-9 / 9783646927269 |
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