Korax und das Geheimnis der Kürbisse -  Claudia J. Schulze,  Anke Hartmann

Korax und das Geheimnis der Kürbisse (eBook)

Band 4
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2017 | 11. Auflage
140 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7431-2552-0 (ISBN)
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Der vierte Teil "Korax und das Geheimnis der Kürbisse" erzählt retrospektiv aus dem Leben von Lukas, Mia und Kai, die dem Leser aus den vorausgegangenen Bänden: "Nachtflüge", "Rabenfedern bringen Glück", und "Lukas und die Geschichte der Schatten" bekannt sind. Leser erfahren hier noch einige neue Dinge, doch vor allem endet der Teil mit der Quintessenz dessen, was Lukas schließlich auszeichnete. In den 4 Bänden wird von der Entwicklung des Protagonisten Lukas berichtet. Es geht um die Auseinandersetzung mit Tod und Trauer, um Verluste und andere Lebenskonflikte. Zugleich geht es um Ressourcen, wie z.B. die Freundschaft zu Kai und Mia, welche Lukas zuverlässig durch sein Leben begleitet. Das Buch ist als Kinder- bzw. Jugendbuch konzipiert. Dennoch kann es auch von Erwachsenen gelesen werden. Die Erzählperspektive unterscheidet sich von den vorangegangenen drei Bänden. Illustriert wurde das Buch erneut von Anke Hartmann aus Leipzig.

Dr. Claudia J. Schulze, Studium der Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Literaturwissenschaften und Journalismus in Karlsruhe, Freiburg, Konstanz und Zürich. Weiterbildung in Klinischer Psychologie, Trauerbegleitung, Bibliotherapie und Kunsttherapie. Arbeitet in eigener Praxis und als Schriftstellerin.

Kapitel 2 - Lukas´ Kraft


Lukas, der allein mit seiner Mutter im Wald wohnte, hatte in letzter Zeit wieder mehr Angst als sonst. Das Grab zu besuchen war ihm mittlerweile gelungen. Abschied zu nehmen von Katha und seinem Vater ebenfalls. Er hatte die Angst vor anderen Menschen abgelegt und Freundschaften geschlossen. Doch nun war eine andere Angst unweigerlich in ihm gewachsen und damit begonnen sich übermäßig auszubreiten, von ihm Besitz zu ergreifen. In diesen Momenten zählte er vor sich selber auf, was ihm bereits alles gelungen war. Er war sogar mit seinem Freund Kai allein nach Holland gefahren, um dort dessen Mutter Heidi zu besuchen. Alles in allem sah es also recht gut aus mit ihm und seinen Ängsten. Doch eine Angst war übrig geblieben. Sie hatte mit seiner Mutter zu tun, neben seiner Großmutter die einzige Person, die ihm von seiner Familie geblieben war.

Auch Lukas, der, seitdem seine Mutter einmal viele Stunden zu spät nachhause gekommen war seither von der Angst besessen, sie könnte sterben. So fand seinen Weg zu Agathe, einer alten Frau, mit der man über alles sprechen konnte. „Das war bei mir auch so, als ich so ungefähr in deinem Alter war", sagte Agathe. Meine Mutter hatte ein schwaches Herz, und oft bekam sie wenig Luft. Ihre Lippen sahen blau aus, und sie war weiß wie ein Nachthemd.

„Zu meiner Zeit waren Nachthemden immer weiß", setzte sie hinzu. „Ich hatte deswegen auch keine Geschwister, denn der Arzt hatte meiner Mutter verboten überhaupt Kinder jemals zu bekommen. Er hatte ihr prophezeit, dass sie spätestens bei der Geburt sterben würde. „Ich war auch nicht geplant", Agathe zögerte, dann lachte sie ein wenig und meinte schließlich: „Aber offenbar sollte es so sein, dass ich komme." Lukas dachte vor sich hin, dass er darüber auch ziemlich froh war, denn auf Agathe konnte keines der Kinder im Umkreis verzichten. Zu wem außer Agathe konnte man wirklich gehen. wenn man etwas auf dem Herzen hatte? Gut, Mama war schon für ihn da, keine Frage. Doch bei solchen Themen, wo es ja auch immerhin um sie ging, wollte er lieber mit Agathe sprechen. Niemand konnte so zuhören wie sie, abgesehen von Mia, und ihre Antworten halfen ihm meistens.

Gut, bei Mia taten sie das auch, doch ab und zu, das spürte er, kannte keiner die Antworten auf solche Fragen besser als eben Agathe.

„Wenn es meiner Mutter so schlecht ging“, fuhr Agathe fort, „dann habe ich mir oft überlegt was ich im Falle ihres Todes machen sollte. Lukas wusste genau was sie meinte. „Natürlich wusste ich damals nicht, dass meine Sorgen umsonst waren, denn sie wurde nicht weniger als 73 Jahre alt, was, zur damaligen Zeit und in Anbetracht ihrer Erkrankung, tatsächlich ein hohes Alter war. Doch selbst da, und damit hatte ich als Kind nicht gerechnet, fehlte sie mir sehr. Als Kind denkt man manchmal, dass Erwachsene automatisch klarkommen, und dass es eine Leichtigkeit sei, seine Mutter zu verlieren wenn man selbst schon alt ist. Jedenfalls hatte ich mir das als Mädchen so vorgestellt. Als Kind jedoch konnte ich noch nicht einmal diesen Gedanken zu Ende führen, zu undenkbar war er damals für mich. Dabei hätte ich als Kind viel eher jemanden gehabt, der sich um mich gekümmert hätte: Meinen Vater, meine Tanten und meine Großmutter.“

Sie goss sich Wasser in ein Glas und sprach weiter. „Als ich erwachsen war, war das nicht mehr der Fall. Ich fühlte mich zuerst sehr allein“. Sie dachte kurz nach, so als wäre sie nicht sicher, ob sie weitersprechen sollte oder nicht. „Es hat sich dann etwas geändert“, brachte sie schließlich hervor.

„Wie denn, was denn?“, wollte Lukas wissen. „Na ja, es ist schwer zu erklären“. Sie sprach nun sehr leise, „aber plötzlich merkte ich, dass meine Mutter ständig bei mir war und mich begleitete.“ „Wie ein Engel?“, wollte Lukas wissen. „Schwer zu sagen“, antwortete Agathe. „Vielleicht schon auch wie ein Engel, aber das meine ich nicht.“

Sie stand auf, ging zum Regal und holte ein großes Kochbuch hervor. „Schau es dir mal an“, forderte sie Lukas auf. Das Buch war sehr alt, der Einband etwas fleckig, und in dem Buch standen Rezepte, die von Hand geschrieben waren. Lukas konnte die alte Handschrift nicht richtig entziffern, aber es waren trotzdem eindeutig Rezepte, das sah er an der typischen Anordnung. „Das ist ein Beispiel“, erklärte ihm Agathe. „Ich habe damit begonnen nach ihren Rezepten zu kochen, aber das war längst nicht alles. Immer wieder fiel mir plötzlich auf, dass ich so war wie ich bin, weil es sie gegeben hat. Sie hat mir gezeigt wie man verletzte Vögel und Igel füttert und wieder aufzieht, dass man freundlich zu den Menschen sein soll, weil keiner von ihnen es am Ende leicht haben wird – all dies. Und jedes Mal, wenn wieder einmal ein Vogel auf meiner Veranda meine Hilfe brauchte, oder mir jemand sagte wie freundlich ich sei, da war meine Mutter plötzlich bei mir, und es ging etwas von ihr aus, so etwas wie ein warmes, wunderbares Licht. Ich habe sie nicht wirklich gesehen“, setzte sie erklärend hinzu, „doch ich habe gespürt, dass sie da war. Ich habe es in diesen Augenblicken einfach nur gewusst.“ Sie nahm das Buch, klappte es behutsam zu und stellte es wieder ins Regal. „Im Nachhinein denke ich, dass es auch so gewesen wäre, wenn ich sie schon als Kind an die andere Seite verloren hätte, wobei „verloren“ – nach allem – nicht das richtige Wort ist.“ Lukas nickte. Irgendwie konnte er sich das auch gut vorstellen. „Natürlich wäre es trotzdem schrecklich gewesen“, räumte Agathe ein. Dann schwiegen sie und Lukas gemeinsam für eine Weile bis sie zusammenfasste: „Doch in jedem Schrecken, in jeder Not ist irgendwo eine Rettung, die uns findet. Daran glaube ich ganz fest.“ Lukas musste daran denken, dass Agathes Tochter früh gestorben war, und dass sie sicher wusste wovon sie sprach. „Das weißt du ja schon, Lukas“, ergänzte sie nun: „Das Schöne und das Schreckliche sind oft nicht so weit voneinander entfernt. Also, Lukas: Wenn das Schreckliche dich zu ersticken droht, dann bleibt dir gar nichts anderes übrig als nach dem Schönen zu schauen.“ Nun musste er an Ruby, den kleinen Raben, und an Mia denken.

Mia, die einmal gesagt hatte, dass man von allem Schlimmen das Gegenteil denken müsse, wenn man Angst habe, und Mia, die ihm versichert hatte, dass er in seinem Leben niemals wirklich allein sein würde, Kein Wunder, dass die beiden, Mia und Agathe, sich so gut verstanden. „Ich habe eine Idee, Lukas!“ Agathe holte ein großes Stück Papier und Stifte, die sie auf den Tisch legte. „Warum zeichnest du nicht ein Bild für Deine Mutter? Das kannst du doch so gut.“ Sie war nicht die Einzige, die so dachte. Erst vor wenigen Wochen hatte Lukas erneut einen Zeichenwettbewerb gewonnen, und im Rathaus waren sogar einige seiner Zeichnungen ausgestellt.

Während er zeichnete, stellte er fest, dass Agathe wieder einmal Recht hatte. Irgendwie half das Zeichnen in diesem Augenblick am besten gegen die Angst seine Mutter zu verlieren. Denn während er ein Bild von Kieran malte, stellte er sich ihr Gesicht vor und in ihm wuchs eine Kraft auf die er bauen konnte. Wie sie sich freuen würde. Dieses Gefühl breitete sich in ihm aus wie die Flügel, die Kieran auf dem Bild in den Himmel spreizte. Und in diesem Augenblick war keine Angst mehr in ihm, sondern nur noch Freude. „Wie gut du Kieran hier getroffen hast!“, bemerkte Agathe. Lukas wiederum dachte, dass Agathe ziemlich auf Zack sein musste, weil sie Kieran sofort erkannt hatte. Immerhin war er bei weitem nicht gerade der einzige Rabe auf ihrer Veranda. Als könnte sie seine Gedanken lesen, stellte sie energisch fest: „Aber hör mal, Lukas, ich werde doch wohl Kieran noch erkennen!“ Das verstand er sofort.

Denn, zugegeben, gab es weit und breit einfach niemanden, der so genau hinsah wie Agathe.

Lukas war nicht der einzige Junge, der so dachte. Viele schütteten ihr das Herz aus. So auch Anton.

Anton, der gar nicht so weit von Lukas entfernt wohnte, der auch zu Agathe ging, und aus dem einmal einer der größten Musiker der Welt werden würde. Im Gegensatz zu Lukas´ Mutter lebte Antons Mutter tatsächlich nicht mehr. Sie war in Russland bei dem Versuch, jemandem zu helfen gestorben. Und dennoch zeigte auch ihm Agathe einen Weg, wie er eine andere Heimat finden konnte als die, die ihn bis zum Tod seiner Mutter so selbstverständlich umgeben hatte.

Auch Lukas hätte vermutlich daraus lernen können, doch fand er, wie immer, seinen eigenen Weg um all seinen Ängsten zu entwachsen. Und wie immer war es der Wald, der ihm dabei half. Der Wald, und das Geheimnis der Kürbisse.

Anton und Lukas verfehlten sich jeweils immer nur knapp. Trotzdem wusste Anton viel über Lukas, über Kai, Mia und den Wald. Agathe hatte ihm davon erzählt. Agathe tratschte nicht. Sie erzählte nur gerne von den Menschen, die sie mochte.

Meist jedoch brachte sie Anton das Klavierspielen bei. Das war etwas, was man weder ihr noch Anton zugetraut hätte. Doch konnten ihre kleinen, zarten Finger auf dem Klavier...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-7431-2552-8 / 3743125528
ISBN-13 978-3-7431-2552-0 / 9783743125520
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