Heinrich Seidel: Die schönsten Weihnachtsgeschichten (eBook)

Das Weihnachtsland + Rotkehlchen + Am See und im Schnee + Ein Weihnachtsmärchen + Eine Weihnachtsgeschichte
eBook Download: EPUB
2016 | 2. Auflage
110 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-5397-8 (ISBN)

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Heinrich Seidel: Die schönsten Weihnachtsgeschichten -  Heinrich Seidel
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Dieses eBook: 'Heinrich Seidel: Die schönsten Weihnachtsgeschichten' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Im letzten Hause des Dorfes, gerade dort, wo schon der große Wald anfängt, wohnte eine arme Witwe mit ihren zwei Kindern Werner und Anna. Das wenige, das in ihrem Garten und auf dem kleinen Ackerstück wuchs, die Milch, die ihre einzige Ziege gab, und das geringe Geld, das sie durch ihre Arbeit erwarb, reichte gerade hin, um die kleine Familie zu ernähren, und auch die Kinder durften nicht feiern, sondern mußten solche Arbeit leisten, wie sie in ihren Kräften stand. Sie taten das auch willig und gern und betrachteten diese Tätigkeit als ein Vergnügen, zumal da sie dabei den herrlichen Wald nach allen Richtungen durchstreifen konnten. Im Frühling sammelten sie die goldenen Schlüsselblumen und die blauen Anemonen zum Verkauf in der Stadt und später die Maiglöckchen, die mit süßem Duft aus den mit welkem Laub bedeckten Hügelabhängen des Buchenwaldes emporwuchsen. Dann war auch der Waldmeister da mit seinen niedlichen Bäumchen, die gepflückt werden mußten, ehe sich die zierlichen, weißen Blümchen hervortaten, damit seine Kraft und Würze fein in ihm verbleibe. Sie wanden zierliche Kränze daraus, denen noch, wenn sie schon vertrocknet waren, ein süßer Waldesduft entströmte oder banden ihn in kleine Büschel, die die vornehmen Stadtleute in den Wein taten, auf daß ihm die taufrische Würze des jungen Frühlings zuteil werde...' Heinrich Seidel (1842-1906) war ein deutscher Ingenieur und Schriftsteller. Inhalt: Das Weihnachtsland Eine Weihnachtsgeschichte Rotkehlchen Am See und im Schnee Ein Weihnachtsmärchen

Eine Weihnachtsgeschichte


Es hatte vierzehn Tage lang gefroren wie in Sibirien. Auf dem höchsten Berg im Lande saß der alte Wintergreis mit seinem bläulichen Gewande und seinem lang hinstarrenden Schneebart, und ihm war so recht behaglich zumute, wie einem Menschengreise, wenn er hinter dem Ofen sitzt und das Essen ihm geschmeckt hat und alles gutgeht. Zuweilen rieb der alte Winter sich vor Vergnügen die Hände – dann stäubte der feine, schimmernde Schnee wie Zuckerpulver über die Erde; bald lachte er wieder still vor sich hin und es gab Sonnenschein mit klingendem Frost. Der schneidende Hauch seines Mundes ging von ihm aus, und wo er über die Seen strich, zerspaltete das Eis mit langhindonnerndem Getöse, und wo er durch die Wälder wehte, zerkrachten uralte Bäume von oben bis unten.

»Habe Erbarmen, alter Wintergreis!« flehte ich, »und laß ab, denn es ist Weihnachten und ich muß pelzlos nach Hause reisen.« Der Alte fühlte ein menschliches Rühren, lehnte sich mit dem Rücken gegen die uralte Eiche, die auf dem hohen Berge steht, schloß die Augen und drusselte ein wenig. So gelangte ich denn ohne Gefährde in meine Vaterstadt zu meiner Mutter. – Wohl dem, der noch eine sichere Stätte hat in der weiten Welt, wo er sich geliebt weiß, wo die treuen Augen der Mutter auf ihn sehen, die schon voll Liebe auf ihm ruhten, als er noch klein und hilflos auf ihrem Schoße spielte. – Da bin ich wieder in den kleinen, wohlbekannten Zimmern, und die freundlichen Augen werden nicht müde, mich zu betrachten; ich muß erzählen, wie es mir ergangen ist, und auch das Kleinste ist dabei nicht zu unwichtig. Dann stürmt mein Bruder Hermann ins Zimmer, der Primaner und Naturforscher, und kaum hat er mich begrüßt, so erzählt er schon: »Du, Eduard, die Eislöcher auf dem großen See wimmeln von nordischen Enten, die hier überwintern, und am Schloßgartenbach habe ich wieder Eisvögel beobachtet.« – Polly, der braungefleckte Wachtelhund, ein außerordentlich gebildetes Tier und Zögling meines Bruders, springt in ausgelassener Wiedererkennungsfreude an mir empor und muß sofort seine neuerlernten Künste zeigen. Dann kommt auch Murr, der weiße, gelbgestreifte Kater, reserviert wie Katzen sind, leise gegangen und reibt sich schnurrend an meinem Knie, auch er hatte mich nicht vergessen. Er hat Menschenverstand, wie meine Mutter sagt, und wenn er zuweilen des Abends würdevoll mit dem um die Vorderfüße geringelten Schwanz auf der Sofalehne sitzt und einen der Sprechenden nach dem andern aufmerksam anblickt, so ruft meine Mutter oft plötzlich, wenn von Geheimnissen die Rede ist: »Sprecht doch leise, der Kater versteht ja alles!« – Und von Geheimnissen wimmelt das Haus jetzt förmlich; da erscheint Paul, der Jüngste, der Obertertianer, der noch gar nicht weiß, daß ich gekommen bin, plötzlich in der Tür, etwas leicht in Papier Geschlagenes in der Hand tragend. Aber kaum hat er mich erblickt, als er, statt mich zu begrüßen, voll Entsetzen wieder hinausspringt und erst nach einiger Zeit ohne das Paket mit vergnügtem Lächeln wieder zurückkehrt. »Feine Schlittschuhbahn«, lautet sein Bericht, »wir sind gestern schon nach Nußwerder gelaufen, der große See ist ganz zu.«

Dann wird alles revidiert im ganzen Hause, das Alte, ob es noch das Alte ist, und dann das Neue. Alle die bekannten Ecken und Eckchen, aus denen die Erinnerung lächelt, die alten Bücher, aus denen dem Kindersinn der Zauber der Dichtung emporblühte. Selbst der Garten wird aufgesucht, und dann geht es den Gang zwischen bereiften Hecken hinunter zum See, der weit in seiner glänzenden Eisdecke schimmernd daliegt, denn hier hat es gar nicht geschneit, und es ist eine Schlittschuhbahn wie selten. Ich probiere einmal vorläufig das Eis, und dann geht es wieder zurück zu den Stübchen meiner Brüder. Dort sind Hermanns selbst erzogene afrikanische Finken zu bewundern, ausländische Schildkröten und Molche und andere naturhistorische Errungenschaften. Paul hatte aus Holz gesägte Sachen vorzuzeigen, und eine heimliche Zigarrenspitze, deren vorzügliche Angerauchtheit, und eine unerlaubte Pfeife, deren echten Weichselholzgeruch ich bewundern muß.

Dann kommt nun der Weihnachtsabend selber, und mit ihm die gute Tante Amalie, die mich schon so oft auf die Strümpfe gebracht hat, denn sie strickt mir immer so schöne, warme, und ihr Dienstmädchen trägt einen höchst verdächtigen Korb, und mit Tante Amalie kommt Cousine Helene, meine kleine Feindin. Sie ist nun eigentlich kaum meine Cousine, denn die Verwandtschaft ist so künstlich, daß Tante Amalie fünf Minuten braucht, um sie auseinanderzusetzen, und ich sie noch nie begriffen habe. Aber wir nennen uns Cousine und Vetter und du, denn wir kennen uns schon von der Zeit an, als Tante Amalie die kleine zehnjährige Waise zu sich nahm, und das ist nun gerade acht Jahre her. »Kinder, vertragt euch!« ist das erste, was Tante Amalie zu uns sagt; sie weiß aus Erfahrung, daß es dieser Warnung bedarf, denn wir stehen im allgemeinen auf dem Kriegsfuß. »O, ich werde schon mit ihm fertig!« sagt Helene mit einem kleinen Trotzblick, der wenig Gutes verspricht.

Die Mutter und Tante Amalie verschwinden zu heimlichen Vorbereitungen in den Festgemächern, und ich petitioniere ebenfalls um Zulassung, da ich – mit einem Blick auf Helene – doch nicht mehr zu den Kindern zu rechnen sei. »Nehmt den alten Meergreis nur mit«, meint sie, aber es wird mir nicht gestattet. »Schenkst du mir denn auch etwas, Helenechen, mein Schwänechen?« frage ich mit einem alten Kinderreim. Sie ist immer schlagfertig: »Ich schenke dir kein Tränechen, doch Tante Malchen schenkt dir was für deine langen Benechen«, sagt sie schnippisch. – »Ich weiß auch gar nicht«, läßt sich der biedere Paul vernehmen, »ihr hackt euch doch immer, wo ihr euch seht.«

»Du ahnungsvoller Engel, du«, meint Helene und streichelt sein würdiges Haupt. – »Hast du schon mal einen Engel gesehen«, fragt Hermann nun ironisch, »der karierte Hosen anhat und heimlich Zigarren raucht?« – »Ihr seid schrecklich, alle miteinander«, sagt Helene, »ist das eine Weihnachtsstimmung und sind das Weihnachtsgespräche?« »Das ist nur äußerlich«, meine ich, »innerlich, da sind Lichter in unseren Herzen angezündet, und das Gemüt ist voll Weihnachtsduft.«

»Um Gottes willen!« seufzt Helene.

Das Klavier steht geöffnet. »Laßt uns singen«, bitte ich. – Helene sieht mich fast dankbar an: »Aber was denn?« – »Unser Weihnachtslied: ›Morgen, Kinder, wird's was geben, morgen werden wir uns freun‹.« Und nun wird es gesungen, das alte harmlose Lied, das eigentlich gar nicht mehr paßt, da dies »Morgen« schon heute ist. Dann singt Helene mit ihrer klaren Stimme: »O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit . . .« und dann: »Es ist ein Ros' entsprungen . . .« und dann mit einmal tönt die Glocke, und der Moment, der so manches Mal mein Herz mit süßem Schauer erfüllt hat, ist da.

Der Weihnachtsbaum, mit Silber- und Goldketten, Fähnchen, Netzen und Sternen und mancher verlockenden Frucht behangen, strahlt mir entgegen, ach, nimmer so herrlich wie einst, da sein Glanz durch das ganze Jahr einen wärmenden Schein breitete und schon lange vorher beim Ausblasen einer Wachskerze das Herz in süßem, ahnungsvollem Schauer erbebte: »Es riecht nach Weihnachten.«

Wir suchen nun jeder den Ort, wo ihm die Liebe etwas aufgebaut hat. Selbst Polly und Murr sind nicht vergessen. Jenem ist unter dem Tisch auf einem Schemelchen die delikate Knackwurst in einem Kranz von Pfeffernüssen zugedacht und ein eigenes Lichtlein dabei angezündet. Der würdige Kater dagegen findet seine Bescherung auf seinem Lieblingsplatz, dem Fensterbrett. Sie besteht in einem Schälchen Milch und einem Halsband mit seinem Familiennamen, von Helenens kunstfertiger Hand gestickt. »Es ist eigentlich unchristlich für so unvernünftige Tiere«, sagt Tante Amalie, aber sie lächelt doch im stillen darüber. Das heimliche Paket, das Paul vorhin so schnell verbarg, gibt sich als ein aus Holz künstlich gesägter Gegenstand zu erkennen, der in Gestalt eines luftigen Schweizerhäuschens meiner Taschenuhr zum nächtlichen Wohnplatz dienen soll. Er hat überhaupt diesen Industriezweig auf alle Anwesenden ausgedehnt. Tante Amalie meint: »Du hast uns wohl alle besägt.«

Plötzlich wird die Tür aufgerissen, und die zu einer unnatürlichen Tiefe verstellte Stimme des Dienstmädchens läßt sich vernehmen: »Julklapp!« und ein in Papier gewickelter Gegenstand fällt ins Zimmer. »An Eduard« ist's adressiert. Viel Papier fliegt hastig abgerissen zu Boden, und Helene macht sich durch eine schlecht verhehlte Spannung verdächtig. Endlich kommt ein zierlich in Perlen gesticktes Hausschlüsselfutteral zum Vorschein. »Von dir, Helene?«

»Nur aus Bosheit«, ist die Antwort, »weil ich weiß, daß du gestickte Sachen verabscheust.«

»Das mußt du anerkennen«, sagte Tante Amalie, »es ist eine sehr mühsame Arbeit, sie hat drei Wochen daran gearbeitet.« – »Ach, nicht doch«, meint abwehrend Helene. – »Ich will es dir zu Ehren alle Abende benutzen«, sage ich. – Dagegen protestiert nun aber die Mutter: »Was, ihr wollt meinen Ältesten auf Abwege bringen?!« – Wieder geht die Türe auf, wieder eine andere Nuance von Dorotheas wandelfähigem Organ: »Julklapp!« und eine große Kiste wird hereingeschoben mit der Adresse: »An Helene.« Diese sieht mich voller Verdacht von der Seite an. »Darin ist gewiß eine große Schändlichkeit von dir«, meint sie, »ich mache es gar nicht auf«, aber sie hat schon den Deckel der Kiste abgeschoben. Ein mächtiges Paket, in Papier gesiegelt, kommt zum Vorschein. Aus dem...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2016
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Kinder- / Jugendbuch Sachbücher Religion / Philosophie / Psychologie
Schlagworte Charles Dickens • Der Weihnachtsabend • E.T.A. Hoffmann • Federleicht • Grimm • Hans Christian Andersen • Kinderbuch • Märchen • Oscar Wilde • Peter Pan
ISBN-10 80-268-5397-0 / 8026853970
ISBN-13 978-80-268-5397-8 / 9788026853978
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