Gewaltloser Rebell. Die Lebensgeschichte des Mahatma Gandhi -  Marcel Feige

Gewaltloser Rebell. Die Lebensgeschichte des Mahatma Gandhi (eBook)

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2016 | 1. Auflage
228 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-74666-5 (ISBN)
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Mahatma Gandhi (1869-1948) ist die Ikone des gewaltlosen Widerstandes. Er kämpfte für die Unabhängigkeit Indiens, für Gerechtigkeit und Wahrheit und gegen Gewalt. Furchtlos und mit einem großen Gespür für die Menschen folgte er kompromisslos seinen Visionen. »Tugendhaft, enthaltsam, gewaltlos und der Wahrheit verpflichtet«, so lautete das Satyagraha-Gelübde, dem Gandhi sein ganzes Leben lang folgte. Ohne ihn zu idealisieren, erzählt diese Biografie von einem außergewöhnlichen Leben: Von dem jungen Rechtsanwalt, der zu schüchtern war, um vor Publikum zu sprechen; der im Südafrika der Buren sein Glaubens-Prinzip entwickelte und, zurück in Indien, zu dem charismatischen Politiker wurde, der Hunderttausende dazu brachte, sich dem berühmten »Salzmarsch' anzuschließen. Eine faszinierende Lebensgeschichte, mit kritischem Blick erzählt.

Marcel Feige, geboren 1971, lebt als freier Autor in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter viele Thriller und Krimis. Seine Biografie über die Punk-Diva Nina Hagen That's »Why The Lady Is A Punk« wurde mit der Corine ausgezeichnet. Bei Beltz & Gelberg erschienen seine Biografien über Kurt Cobain Biografie »I don't have a gun« und über Mahatma Gandhi »Gewaltloser Rebell«.

Kapitel 1

Wahrheit, Sex und das erste Gelübde


Kindheit und Jugend in Indien, 1869–1888

Mohandas Karamchand Gandhi wurde am 2. Oktober 1869 in der Küstenstadt Porbandar im Distrikt Gujarat im Nordwesten Indiens geboren.

In dem Haus, das er mit seinen drei älteren Geschwistern, seiner Mutter und seinem Vater, dessen fünf Brüdern sowie deren Familien bewohnte, war immer viel Trubel. Oft waren auch viele Gäste zu Besuch, die sein Vater Karamchand »Kaba« Gandhi regelmäßig empfing, um mit ihnen zu plaudern und Geschäfte zu tätigen. Zudem war seine Kindheit sehr von seiner Mutter Putlibai geprägt, einer strenggläubigen Hinduistin, die die vegetarischen Mahlzeiten, die sie für die Familie herrichtete, nicht ohne ein Gebet einnahm. Täglich besuchte sie den Tempel, tat Buße und übte sich immer wieder in Askese. Besonders wichtig war ihr jedes Jahr das Chaturmas, das zeitweise Fasten während der viermonatigen Regenzeit. Manchmal kam sie zwei oder drei Tage lang ohne Essen aus. Eines Tages jedoch teilte sie ihrer Familie mit, dass sie nur noch essen würde, wenn die Sonne schiene.

Mohandas bekam einen Schreck, denn er wusste: Während der Regenmonate sah man die Sonne nicht nur zwei, drei Tage, sondern häufig viele Wochen nicht. Jeden Morgen eilte er aus dem Haus und betrachtete die dichten Wolkenfelder, die sich nicht auflösten. Seine Sorge wuchs mit jedem neuen Tag, an dem wieder nur Regen auf die Häuserdächer klatschte.

Bis sich eines Mittags der Himmel lichtete.

»Mutter!« Erfreut rannte Mohandas ins Haus. »Mutter, die Sonne, die Sonne …« Seine Stimme überschlug sich vor Aufregung.

Seine Mutter sah ihn fragend an.

»Die Sonne«, wiederholte er außer Atem, »sie scheint. Endlich darfst du essen.«

Seine Mutter ging nach draußen. Inzwischen hatten sich die Wolken wieder vor die Sonne geschoben.

»Vor wenigen Sekunden war sie zu sehen«, sagte Mohandas.

Achselzuckend kehrte seine Mutter zurück ins Haus.

»Ehrlich!«, versicherte er.

Sie lächelte.

»Also wirst du noch immer nichts essen?«, fragte er besorgt.

Seine Mutter schüttelte den Kopf.

Mohandas bekam es mit der Angst zu tun. »Aber …«

»Ach, mein Junge«, unterbrach sie ihn und streichelte ihm durchs Haar, »hab keine Angst, Gott hat entschieden, dass ich heute noch nicht essen darf.«

Diese Begebenheit zeigt die Selbstdisziplin, mit der Mohandas’ Mutter ihren Glauben und ihre Rechtschaffenheit pflegte. Zum anderen spiegelt sie Mohandas’ Sorge um seine Eltern, die er liebte, weil er nur bei ihnen Geborgenheit fand.

Er war ein kleiner, dürrer Junge, ängstlich noch dazu. Nachts ging er nicht vor die Tür, weil er sich vor der Dunkelheit, vor Dieben, Schlangen und Gespenstern fürchtete. Wenn er im Bett lag, musste immer eine Kerze brennen. In der Grundschule und der Vorstadtschule fürchtete er zu versagen und konnte nur mit Mühe die Rechentafel bedienen. Auch in Geometrie blieb er schwach. Seine englischen Sprachkenntnisse waren mäßig und das Lesen fiel ihm schwer. Trotzdem waren die Bücher seine einzigen Freunde, denn unter seinen Mitschülern blieb er ein Außenseiter. Kaum war die Schule aus, rannte er nach Hause, weil er so schüchtern war und sich mit niemandem zu reden traute. Er hatte Angst, dass die anderen Kinder sich über ihn lustig machten.

Es wundert also nicht, dass er Geborgenheit bei seiner Familie suchte und dass Mutter, Vater und ihr hinduistischer Glaube ihn deshalb mehr prägten als Lehrer und Schulkameraden.

1875, als Mohandas sechs Jahre alt war, zählte Indien über 300 Millionen Einwohner. 80 Prozent davon waren Hindus. Der Hinduismus unterteilt seine Gläubigen und damit einen Großteil der indischen Bevölkerung in gesellschaftliche Schichten, in sogenannten Kasten. Obwohl im Ursprung religiöser Natur, bestimmt das Kastenwesen über alle Lebensbereiche der Menschen, so auch über den Beruf und den Ehepartner. Sogar gemeinsame Mahlzeiten sind zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Kasten verpönt.

Es existieren vier Hauptkasten: die der Brahmanen (Priester, Richter), der Kshatriyas (Soldaten, Premierminister, Fürsten), der Vaishyas (Handwerker, Kaufleute, Farmer) und der Shudras (Bedienstete, Diener oder Tagelöhner). Außerdem gibt es die Paria, die kastenlosen Menschen, die sich selbst Dalits, Vertriebene, nennen.

Nach dem hinduistischen Glauben verfügen die Kastenlosen nicht über das Recht, einer der Kasten anzugehören, da sie aufgrund ihres Karmas (das sich aus den guten und schlechten Taten ihres vorherigen Lebens zusammensetzt) in keine der Kasten geboren wurden. Sie verrichten unreine Arbeiten, die ein Angehöriger einer Kaste niemals ausüben würde. Dazu gehören zum Beispiel auch Arbeiten mit Blut, die beispielsweise Hebammen, Schlachter oder Straßenfeger verrichten. Weil Kastenlose deshalb gesellschaftlich gemieden werden, nennt man sie auch Unberührbare. Wer sie berührt, so der Glaube, fängt sich Krankheiten oder anderes Unglück ein.2

Die Gandhis zählten seit Generationen zur Vaishya-Kaste und dort zur Unterkaste Modh Bania, der Kaufleute. Das Kasten-System zwang sie in ein enges gesellschaftliches Korsett, aus dem ein Entkommen unmöglich schien. Doch lehrte es sie zugleich eine Vielzahl wichtiger Tugenden, mit denen auch Mohandas und seine Geschwister aufwuchsen.

Ihre Mutter Putlibai beispielsweise praktizierte den Vishnuismus, eine besondere Richtung des Hinduismus, der ihr eine strenge Frömmigkeit abverlangte. Doch so diszipliniert sie ihren Glauben pflegte, so tolerant stand sie Anhängern anderer Glaubensrichtungen gegenüber. Immer wieder waren im Haus der Gandhis sowohl Muslime, Parsen, Bengalen als auch Jainas gern gesehene Gäste für anregende Gespräche über Gott und die Welt.

Mohandas’ Vater Kaba hatte keine Schulbildung. Er zeigte auch kein Interesse, daran etwas zu ändern. Wichtiger als ein Wissen über Geschichte oder Geografie waren ihm, als Premierminister des kleinen Fürstenstaates Porbandar, Anstand und Fleiß. Dank seiner Unbestechlichkeit und Unparteilichkeit stieg er schließlich sogar zum Richter am Fürstengericht in Rajkot, einer Stadt auf der Halbinsel Kathiawar im Nordwesten Indiens, auf. Die Stadt wurde ihr neues Zuhause.

Als eines Tages ein Mann, der einen höheren Rang als Mohandas’ Vater bekleidete, den Fürsten von Rajkot beleidigte, widersprach Kaba ihm mit aller Deutlichkeit. Allen angedrohten Repressalien zum Trotz wollte er sich nicht für seine Worte entschuldigen, waren sie doch seiner Meinung nach nichts anderes als die reine Wahrheit. Sein unerschrockenes Gerechtigkeitsempfinden brachte ihn ins Gefängnis, aus dem er jedoch nach einigen Stunden entlassen wurde.

Mohandas war ein ängstlicher Eigenbrötler. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – eiferte er schon als kleiner Junge dem guten Beispiel seiner Eltern nach. Als eines Tages der Erziehungsinspektor die Oberschule in Rajkot besuchte, wollte er mit einer Buchstabierprüfung das Wissen der 50 Jungen in Mohandas’ Klasse testen. »Kessel« war eines der Wörter, das er diktierte. Einige der Schüler schauten verstohlen auf das Geschriebene ihrer Sitznachbarn. Hastig verwischten sie die Kreide auf ihrer eigenen Schiefertafel, dann schrieben sie das Wort noch einmal neu, diesmal richtig. Nur Mohandas schrieb es falsch.

Mit einer knappen Geste wies ihn der um seinen guten Ruf besorgte Lehrer auf die Schiefertafel seines Sitznachbarn hin. Als Mohandas nicht reagierte, trat der Lehrer ihn mit der Stiefelspitze. Aber Mohandas ignorierte seinen Lehrer, mit dem Ergebnis, dass alle Kinder die Buchstabierprüfung bestanden – nur er nicht.

Als der Erziehungsinspektor die Klasse verlassen hatte, schimpfte der Lehrer: »Mohandas, das war dumm von dir!«

Mohandas ließ den Kopf hängen.

»Warum hast du das Wort falsch geschrieben?«

»Ich …«, Mohandas’ Stimme war nur ein Flüstern, »… ich wusste doch nicht, wie es geschrieben wird.«

»Du hättest es nur abschreiben müssen.«

»Das darf ich nicht.«

»Ich habe es dir erlaubt.«

»Aber Sie haben gesagt, Abschreiben ist …«, Mohandas’ Stimme wurde noch leiser, »… wie eine Lüge.«

»Heute war das anders.«

»Es wäre eine Lüge geblieben.«

»Nein, nein, das wäre es nicht, verstehst du das denn nicht?«

Mohandas zögerte. Eigentlich war ihm nur eines klar: Er wollte auf keinen Fall lügen.

Dies hielt ihn an anderen Tagen jedoch nicht von bösen Streichen ab, die er mit seinen Mitschülern anderen Kindern oder den Lehrern...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-407-74666-0 / 3407746660
ISBN-13 978-3-407-74666-5 / 9783407746665
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