Woodwalkers (1). Carags Verwandlung (eBook)
280 Seiten
Arena Verlag
978-3-401-80628-0 (ISBN)
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. www.katja-brandis.de
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. www.katja-brandis.de
Kevin war einer der stärksten Jungs an der Schule und er hatte jede Menge Spaß daran, andere zu quälen. Seine Freundin Beverly wäre furchtbar gerne Cheerleaderin für das Football-Team geworden, aber sie hatte ein Gesicht wie eine Kartoffel. Keine Chance. Vielleicht war es deshalb ihre Lieblingsbeschäftigung, andere niederzumachen. Und Sean machte mit, weil er nichts Besseres zu tun hatte.
Alle drei schauten mich an, als wäre ich Beute. Ich fühlte mich auch ein bisschen wie Beute und das gefiel mir nicht besonders. In meinen ersten zwei Wochen in der Junior High hatten mich die drei in Ruhe gelassen, weil mich zu viele Leute beobachteten. Aber inzwischen war die Schonzeit vorbei. Schon ein paarmal hatten sie mich geschubst, versucht, mir ein Bein zu stellen, oder meine Jacke mit Farbe beschmiert. Mir blöde Bemerkungen hinterherzurufen, fanden sie unglaublich lustig, obwohl ich jedes Mal so tat, als hätte ich Ohren aus Stein. Nie half mir jemand, wenn sie auf mich losgingen, und jedes Mal machte mich das ein bisschen trauriger.
Während ich mich nach einem Ausweg umschaute, machten die drei sich daran, mich in die Zange zu nehmen. Von den anderen Schülern achtete keiner auf uns, die gestylten Mädels und lässigen Typen waren schon alle auf dem Weg zu ihren Autos und Schulbussen.
»Na, Jay?«, fragte Kevin und näherte sich mir von vorne, während Sean von hinten herankam.
»Lasst mich einfach in Ruhe«, empfahl ich ihnen.
»Ach, komm schon, Mystery Boy«, meinte Kevin und hob die Faust, als Sean meine Arme packte. »Wir wollen doch nur spielen.«
»Ich kenn kein Spiel, bei dem man sich die Faust in den Magen rammt.« Und bis Kevins Faust ankam, war ich auch schon ganz woanders. Sean glotzte blöd, als der Schlag in seinem Bauch landete, und gab ein schwaches »Uff« von sich.
Kevin ließ sich davon nicht irritieren, mit zwei Schritten war er bei mir und versuchte, mich in den Schwitzkasten zu nehmen. Lustig war das nicht.
»Lass das, so bekomme ich keine Luft mehr«, beschwerte ich mich.
»Das ist der Sinn der Sache«, sagte Kevin und Sean kicherte wie irre.
Okay, das reichte jetzt. Blitzschnell glitt ich nach unten weg, packte Kevin von hinten und beförderte ihn mit Schwung zu Boden. Einen Atemzug später riss ich Sean von den Füßen. Damit er nicht allzu hart fiel, legte ich ihn quer über Kevin ab.
Dann konnte ich endlich weitergehen. Dachte ich zumindest. Doch dann machte es Platsch! Ein Eimer voll eiskaltem Wasser landete auf meinem Kopf, lief an mir herunter und überschwemmte meine Schuhe.
Ich hatte Beverly vergessen.
Ausgerechnet Wasser! Sie konnten es nicht wissen, aber ich hasste das Zeug. Gedemütigt, völlig durchnässt und eine nasse Spur hinter mir herziehend, ging ich davon, während das Gelächter der anderen mir hinterherschallte. In meinen Augen brannte es und mein Herz hatte sich zusammengekrampft. Am liebsten hätte ich mich irgendwo versteckt, um in Ruhe traurig sein zu können. Wieso konnten diese Leute mich nicht einfach akzeptieren, wie ich war? Warum machte es ihnen so viel Spaß, mich zu quälen?
Ein Rabe hüpfte auf einem Gitterzaun neben mir herum, krächzte und breitete die Flügel aus. Ich schaute nur kurz zu ihm hinüber und lief dann weiter. Dabei wäre ich fast über einen zweiten Raben gestolpert, der vor mir herumstolzierte, den Kopf schief legte und mich mit blanken schwarzen Augen ansah.
Ich machte einen Bogen um ihn und versank wieder in düsteren Gedanken. Auf einer Schule zu sein, hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Irgendwie lustiger. Mit den Fächern kam ich ganz gut klar, den meisten Lehrern gefiel, dass ich so neugierig war und mich wirklich anstrengte, den Stoff aufzuholen. Aber manchmal fragte ich mich, wieso genau ich Algebra lernen sollte oder Musiktheorie. Und Freunde hatte ich bisher keine gefunden. Lag es daran, dass Pumas Einzelgänger waren? Oder hatte ich mich zu oft blöd angestellt? Während ich nachdachte, wurde ich immer trauriger. Und diese beiden Raben nervten. Was wollten die nur von mir? Einer von ihnen versuchte, sich auf meiner Schulter niederzulassen.
»Hau ab, ich bin kein Sitzplatz«, brummte ich und schlurfte zu dem alten Mountainbike, das meine Pflegefamilie mir geschenkt hatte. Na also, die Raben flogen endlich davon.
Vielleicht sollte ich versuchen, ins Football-Team reinzukommen. Alle Leute mochten gute Football-Spieler. Und Filmstars. Sie mochten auch Filmstars. Aber ich war nur zwei- oder dreimal im Fernsehen gewesen, das reichte nicht.
So richtig berühmt und beliebt waren andere Leute: Am Schulzaun hing ein Veranstaltungsplakat mit dem lächelnden Gesicht eines furchtbar wichtigen Mannes darauf. Andrew Milling, dem Namen begegnete man ständig, auch in den Nachrichten hatte ich ihn schon mal gehört. Wahrscheinlich wollten mit dem alle befreundet sein.
Tropfend kletterte ich auf mein Rad und fuhr »nach Hause« – zum Haus der Ralstons, meiner Pflegefamilie. Im Vorgarten tummelte sich gerade ihr schwarzer Labrador Bingo. Als ich das Rad abstellte, bellte er mich mit gesträubtem Fell an, so wie jedes Mal. Vermutlich mochte er keine Raubkatzen.
Wie üblich ignorierte ich ihn, durchquerte die Küche und wollte die Treppe hoch in mein Zimmer im zweiten Stock. Aber ich war leider nicht schnell genug.
Donald, mein Pflegevater, hatte seine psychologische Praxis im gleichen Haus, durch eine Zwischentür konnte er sich schnell mal einen Kaffee holen. Das machte er gerade, als ich hereinkam.
»Hi«, sagte ich niedergeschlagen.
»Na, wie läuft’s, mein Junge?«, fragte Donald mit einem väterlichen Lächeln und legte mir den Arm um die Schultern. Aber nur einen Moment lang, dann riss er ihn weg. »Verdammt, Jay! Wieso bist du so nass? Mein Pullover! Jetzt muss ich mich umziehen und meine nächste Patientin kommt in fünf Minuten … Los, du ziehst dich jetzt auch um, aber dalli! Und duschen!« Weg war er.
Meine kleine Pflegeschwester Melody spielte auf der mit beigefarbenem Teppich bezogenen Treppe mit ihren Spielzeugpferden. »Pass auf, dass du nicht auf die drauftrittst!«, sagte sie, als sie mich sah.
Aus dem Zimmer meines Pflegebruders dröhnte ausnahmsweise kein Heavy Metal. Glück gehabt! Ich ging an Marlons Zimmer vorbei … und genau in diesem Moment wurde die Tür aufgerissen. Eine brutale Schallwelle krachte mir entgegen. Ich sprang vor Schreck bis zur Decke und Marlon – mit einer Fernbedienung in der Hand – krümmte sich vor Lachen.
»Yeah, das war gut, mach das noch mal«, grunzte er.
Ich warf ihm einen Killerblick zu, ging in mein Zimmer, knallte die Tür zu, zog mir trockene Sachen an und warf mich aufs Bett. Wahrscheinlich war es keine gute Idee gewesen, ein Mensch sein zu wollen. Es war eine miese Scheißidee gewesen! In den Bergen gab es keine Lehrer, die versuchten, mir überflüssiges Menschenwissen in den Kopf zu stopfen. Und keine Idioten, die dich fertigmachen wollten. Als Puma war es mir gut gegangen, wieso hatte ich das alles aufgegeben?
Jedes Mal, wenn ich an meine Familie dachte, fühlte es sich an, als würde irgendein kleines Tier mein Herz annagen. Schon vor eineinhalb Jahren hatte ich versucht, sie alle wiederzusehen. Aber sie waren nicht mehr da. Hatten einfach ihr Revier verlassen. Wegen mir? Oder war irgendetwas passiert? Sie konnten sonst wo sein, irgendwo in den Bergen, Hunderte von Kilometern von hier! Ich hatte keine Ahnung, wie ich sie wiederfinden sollte und ob sie mir verzeihen würden.
Außerdem war jetzt schon Herbst, bald würde es Winter sein, er kam früh hier in den Rocky Mountains. Klar, ein ausgewachsener Puma kann auch alleine einen Winter in den Bergen überleben. Nur war ich eben noch nicht ausgewachsen. Und darüber hinaus gab es da ein klitzekleines Problem …
Bevor ich weiter überlegen konnte, hörte ich die leichten Schritte im Flur und das Klopfen an meiner Zimmertür.
Ich wusste längst, wer das war, und musste lächeln, ob ich wollte oder nicht.
Meine Pflegemutter Anna kam herein und setzte sich neben mich auf die Kante meines Betts. Sie lächelte mich an, auf diese Art, durch die mir immer ganz warm ums Herz wurde.
»Hey«, sagte sie und strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn. »Blöden Tag gehabt, was?«
Ich nickte. Eigentlich wollte ich auch was sagen, aber es ging nicht.
»Probleme mit den Lehrern? Hast du was nicht verstanden?«
Ich schüttelte den Kopf und Anna sah aus, als wäre sie stolz auf mich. Sie arbeitete im Jugendamt und hatte ihrer Familie schon vorgeschlagen, mich aufzunehmen, als ich noch zerlumpt und eingeschüchtert auf der Polizeistation hockte. Mit unglaublich viel Geduld hatte sie mir alles beigebracht, was Menschen in meinem Alter wissen sollten – wessen Kopf das auf den Vierteldollarmünzen ist (George Washington), was das Internet ist (das, wo man sich ganz viele Katzenvideos anschauen kann), wie man einen Aufsatz schreibt (mit einem Stift und saumäßig vielen Worten) und wofür man Handys braucht (zum Zusammenhalten der Herde).
Zu Anfang war Melody neugierig auf mich gewesen, doch dann fand sie es blöd, dass ihre Mutter so viel Zeit mit mir verbrachte. Seither behandelte...
Erscheint lt. Verlag | 2.6.2016 |
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Reihe/Serie | Woodwalkers |
Illustrationen | Claudia Carls |
Verlagsort | Würzburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur |
Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre | |
Schlagworte | Abenteuer • Bestseller-Autorin • Bison • Carag • Fantasy • Freundschaft • Gestaltwandler • https://c.wgr.de/f/shopbilder/1600/978-3-401-80628-0.jpg • Internat • Jungen • Katja Brandis • Khyona • Lesefutter • Mädchen • Natur & Tiere • Puma • Tierfantasy • Wildnis • witzig |
ISBN-10 | 3-401-80628-9 / 3401806289 |
ISBN-13 | 978-3-401-80628-0 / 9783401806280 |
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