Lukas und die Geschichte der Schatten -  Claudia J. Schulze,  Wilhelm Schneider

Lukas und die Geschichte der Schatten (eBook)

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2019 | 8. Auflage
200 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7392-7105-7 (ISBN)
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In dem Buch wird von Lukas erzählt, der, gemeinsam mit seiner Mutter, den plötzlichen Unfalltod seines Vaters und seiner älteren Schwester Katha verarbeiten muss. Hinzu kommen unterschiedliche Probleme in der Schule. Doch Lukas begegnet unerwarteten Verbündeten. Diese unterstützen ihn auf ihre je eigene Art und so gelingt ihm etwas, das er selbst lange nicht für möglich gehalten hätte. Er lernt etwas Wichtiges über die Schatten, und darüber wie er seine Furcht vor ihnen in etwas Anderes verwandeln kann. Die Schatten wurden bildhaft von Wilhelm Schneider umgesetzt. Das Titelbild ist von Anke Hartmann. Es gibt einen Link zu dem Höhlengleichnis von Platon (Gesprochen von Werner Wilkening)

Dr. Claudia J. Schulze, Studium der Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Literaturwissenschaften und Journalismus in Karlsruhe, Freiburg, Konstanz und Zürich. Weiterbildung in Klinischer Psychologie, Trauerbegleitung, Bibliotherapie und Kunsttherapie Arbeitet in eigener Praxis und als Schriftstellerin

Lukas hatte dichte, dunkelbraune, beinahe schon schwarze Haare, ein paar verstreute Sommersprossen, sogar im Winter, und blaue Augen. Eigentlich war er wie fast alle Kinder in seinem Alter. Außer vielleicht, dass er ständig von Tieren umgeben zu sein schien. Das hatte schon begonnen, kaum dass er hatte laufen können.

Schon früh war er immer im Wald gewesen und hatte die Tiere dort beobachtet.

Nicht einmal die scheuen Tiere wie die Hirsche liefen vor ihm davon.

Manchmal blieben sie ganz nah vor ihm stehen, und sahen ihn ruhig an. Sie waren wunderschön und so majestätisch, dass es Lukas fast den Atem raubte, besonders Cernunnos, der größte unter ihnen. Diese Momente waren etwas ganz Besonderes für ihn. Obwohl sie so mächtig waren mit ihren Geweihen und den Hufen, fühlte sich Lukas niemals von ihnen bedroht.

Wenn er in die dunklen Augen der Hirsche sah, fühlte er sich aufgehoben, so, als könnte niemand ihm etwas antun.

Cernunnos erschien ihm manchmal im Traum und forderte ihn auf, ihm in den Wald zu folgen. Lukas folgte ihm jedes Mal, denn einem wie Cernunnos musste man einfach folgen. Sein Geweih trug er sehr geschickt auch zwischen den engsten Stellen des Waldes hindurch. Seine Hufe bewegten sich beinahe lautlos über den bemoosten Waldboden, auf dem nicht nur er sich bewegte. Gerade in den Nächten war der Wald ganz außergewöhnlich bevölkert. Beinahe wirkte es so, als hätten all die Tiere nur darauf gewartet in den Nächten ungestört zu sein um nun ihr wahres Wesen zu zeigen, ihre eigentliche Natur und nicht die, welche sie vorgaben wenn sie befürchten mussten, dass Menschen in der Nähe sein könnten.

In diesem Traum sahen sie Lukas jedoch als ihresgleichen an, nicht als Mensch, sondern einfach als ein Lebewesen, welches ebenso in diesen Wald gehörte wie sie selbst. Wahrscheinlich hatte er dies dem Schutz von Cernunnos zu verdanken.

Dort erfuhr Lukas nun Dinge, die ein Mensch sonst nicht wissen konnte. Beim Aufwachen jedoch hatte er das meiste wieder vergessen, bis auf den Namen und die Herkunft der Eule und auf die Lichtung, die Cernunnos in fast jedem dieser Träume zeigte. Der Traum wiederholte sich in einer Weise, in der er von dem Hirsch aus der Dunkelheit auf eine Lichtung geführt wurde die so hell war, dass er alles um sich herum, auch das Geweih des Hirschen nur noch schattenhaft wahrnehmen konnte. Nun hörte er Geräusche, das Trappeln von Hufen, das Flattern von Flügeln, ein Schnattern und Quietschen, ein Brummen, ein Krächzen, ein Zischen, Schnaufen und Knurren. Diese Geräusche ängstigten ihn nicht. Im Gegenteil. Vielmehr erschienen sie ihm vertraut zu sein

Im Wald fühlte sich Lukas also mit Abstand am sichersten.

Er genoss alles, was er dort so sehen und erleben konnte. Doch nicht nur sehen, den Wald konnte man mit allen Sinnen aufnehmen. Man konnte ihn riechen, fühlen, hören und sogar schmecken.

Der Wald veränderte sich im Lauf der Jahreszeiten und wurde immer wieder vollkommen neu und anders. Auch das war etwas, das Lukas begeisterte. Im Wald gab es einfach nichts, das ihn nicht hätte faszinieren können. Weder die Tage, die er in diesem Wald verbachte, wurden ihm jemals langweilig, noch die Nächte, die er dort überwiegend im Traum, an Cernunnos´ Seite verbrachte. Aber wer diesen Wald kennt, und sei es nur tagsüber, den wird das natürlich nicht verwundern.

Der gesamte Wald mit all seinen Tieren erschien ihm wie ein großes Mysterium, das sich aus vielen kleinen zusammensetzte. Ob es nun Bhaskar, der zahme Hase mit den gefleckten Ohren, oder einer der wilden Eber war.

Überall war Leben und, besonders im Sommer, flimmerte und glitzerte, raschelte und rauschte es nur so durch die Bäume. Wenn die Keiler durch das Unterholz rasten, dann polterte es nur so, doch die Rehe hörte man kaum. Es gelang ihnen, sich beinahe lautlos zu bewegen. Sie waren sogar noch vorsichtiger als Cernunnos, was vielleicht damit zusammenhing, dass sie kein so großes Geweih trugen, oder aber, dass sie einen Wettbewerb daraus machten wer sich am vornehmsten durch den Wald bewegen konnte.

Etwas anders hätte Lukas von einem Reh aber ohnehin nicht erwartet, da hatte er sich schon sein eigenes Bild gemacht.

Diese Vielfalt und all die kaum zählbaren Abstufungen und Unterschiede, die er da auf so engem Raum vorfand, zog ihn in den Bann des Waldes, ebenso die Frischlinge, die so frech und wild durch ihr Gehege streunten ohne sich dabei um irgendetwas zu kümmern. Das fand er ziemlich beneidenswert.

Am liebsten hätte er im Wald gewohnt, wenn da nicht seine Mutter gewesen wäre. Früher hatte er auch noch eine ältere Schwester und einen Vater gehabt. Doch sie waren beide nicht mehr da. Dies zu wissen erschien ihm oft wie ein Alptraum, der nicht wieder aufzuhören schien. Es gab kein wirkliches Erwachen aus dem Schrecken, der ihm seit dem Tag des Unfalls unausweichlich in den Gliedern saß und sich dort zaudernd und doch aufdringlich wie eine grauenhafte Unwirklichkeit in ihm festgesetzt hatte.

Darüber sprach Lukas kaum, aber Mama hatte nun einmal nur noch ihn, soviel stand fest. Und daher war Lukas von dem Plan abgerückt, so dass er nun doch lieber zuhause wohnte.

Im Grunde, wenn er es sich so recht überlegte, war es doch auch wesentlich angenehmer in einem Haus zu leben, besonders nachts und natürlich besonders im Winter, der gerade in dieser Gegend sehr kalt war.

Und ganz ohne seine Mutter konnte er sich das Leben sowieso gar nicht vorstellen, Waldtiere hin oder her.

An Katha dachte er oft. Die Geschichte mit Jakob war eine der ersten Geschichten seines Lebens, an die Er sich als erstes überhaupt erinnern konnte.

Jakob, der Mann einer bekannten Dame, war gestorben und Mama sagte bei Tisch, dass seine Seele jetzt im Himmel sei. Darauf sagte Katha: „Nein, noch nicht, sie schwebt noch.“

Ein anderes Mal hatte Katha hat über ihr Leben nachgedacht und sagte: „ich glaube, das ganze Leben ist nur ein Traum und im Himmel wachen wir erst richtig auf.“

Und dann gab es noch die Geschichte mit der Blume. Katha und Lukas waren damals im Garten hinter dem Haus. Katha sah eine Frühlingsblume und sagt zu Lukas: „Hier wurde eine Blume geboren.“ Daran musste Lukas manchmal denken. Die Vorstellung, dass auch Blumen geboren wurden, gefiel ihm noch heute. „Die schönsten Blumen holt sich der Gott für seinen eigenen Garten.“ Dieser Satz von ihr erschreckte ihn noch heute, denn tatsächlich hatte jemand Blumen aus seinem Wald gestohlen, eine dieser Blumen, so stellte er es sich vor, war Katha. Warum musste er denn die schönsten Blumen von hier fort nehmen? War denn sein eigener Garten nicht schön genug? Auch was sie über ihren Filzstift gesagt hatte, konnte Lukas nicht vergessen, denn auch das erinnerte ihn daran, dass Katha nicht mehr da war. Sie malte gern mit bunten Filzstiften, die sie aber häufig nicht wieder verschloss, so dass sie austrocknen.

Einen solchen Stift brachte sie eines Tages mit zum Abendessen und sagte: „Der Stift malt nicht mehr, er ist verstummt.“

Und so, genauso wie der Stift, war auch Katha verstummt. Für immer. Niemand hatte Schuld. Sie war kein Filzstift den irgendjemand zu verschließen vergessen hatte. Sie war ganz einfach verstummt und er konnte sich kaum noch an ihre Stimme erinnern, obwohl er noch wusste, dass es immer kleine Lieder waren, die sie vor sich hingesungen hatte. An Papas Stimme konnte sich Lukas etwas besser erinnern. Sie war ganz dunkel und tief gewesen, nicht laut, eher beruhigend wie eine warme, braune Decke in die man sich einkuscheln konnte. In Papas Stimme hatte man sich ebenfalls einkuscheln können. Ob sie nun, dort, wo Katha es vermutet hatte, tatsächlich wach waren?

Lukas dachte oft darüber nach. Einmal hatte er mit seiner Mutter darüber gesprochen, doch nur einmal.

Manchmal kam es ihm nämlich so vor, als hätte Katha schon gewusst, dass sie nicht lange auf dieser Welt sein würde, wegen all der Dinge, die sie gesagt hatte. Aber Mama wollte davon nichts hören. Daher hatte Lukas dieses Thema nicht wieder angesprochen.

Mama vermisste Katha und Papa mindestens genauso heftig wie er selbst. Vielleicht sogar noch mehr, denn sie konnte ja noch nicht einmal mit ihm über die beiden sprechen. So, als würde sie das unmöglich aushalten auch nur ihre Namen zu hören. Da hätte er nun wirklich nicht auch noch von ihr weggehen können.

Zudem hatte er eine eigensinnige Katze, die ausschließlich im Haus wohnte, und an der er sehr hing. Sie hatte keinen anderen Namen als „Katze“, denn nichts passte besser zu ihr als einfach nur dieser Name.

Er hatte lange hin und her überlegt, doch schließlich war es einfach nur bei „Katze“ geblieben.

Auch auf sie hätte er verzichten müssen, wenn er sich ganz und gar für den Wald entschieden hätte.

Und so war er eben zuhause geblieben.

Bei Katze, bei Mama, und immer in der Nähe seines gemütlichen...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-7392-7105-1 / 3739271051
ISBN-13 978-3-7392-7105-7 / 9783739271057
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