Rosenresli und andere Geschichten (eBook)

Erzählungen. nexx classics - WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT
eBook Download: EPUB
2021 | 3. Auflage
140 Seiten
Nexx (Verlag)
978-3-95870-231-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rosenresli und andere Geschichten -  Johanna Spyri
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Dieses Buch enthält fünf wunderschöne Geschichten für Kinder zum Vorlesen, die bekannteste davon ist wohl die des »Rosenresli«, das für seine guten Taten am Ende belohnt wird.

nexx classics - WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT



Johanna Spyri (1827-1901) war eine schweizer Jugendschriftstellerin und die Schöpferin der weltberühmten »Heidi«.

Johanna Spyri (1827-1901) war eine Schweizer Jugendschriftstellerin und die Schöpferin der weltberühmten »Heidi«.

Beim Weiden-Joseph


Wo schöne grüne Weidenhügel sich erheben, einer nach dem anderen, und zwischendurch die Taleinschnitte von schimmernden roten und blauen Sommerblumen bedeckt sind, liegt das Dörfchen Altkirch. Das saubere weiße Kirchlein mit dem roten Turm und die hölzernen Häuser ringsherum liegen vor allen Winden geschützt im grünen Grund. Denn hinter dem Dörfchen und von beiden Seiten steigen die Hügel empor, und nur die Vorderseite ist frei und offen. Diese schaut zu der grünen Höhe des Rechbergs hinüber, auf dessen Gipfel, von Wald umgeben, ein anderes Dorf mit seinen weißen, steinernen Häusern weithin schimmert. Wie die Höhe heißt es Rechberg.

Zwischen den Höhen rauscht der wilde Zillerbach dahin und bringt von seiner Fahrt aus den Bergen herunter viel Holz und Steingeröll in den trüben Wellen mit. Von Altkirch zum Rechberg hinüber führt eine Fahrstraße, die einen weiten Weg zu machen hat. Erst führt sie im Zickzack den Berg hinunter bis zum Zillerbach, dann über die alte, gedeckte Brücke und jenseits wieder im Zickzack hinauf bis zum Dorf Rechberg. Im Ganzen wohl zwei Stunden lang.

Kürzer und viel lieblicher ist der schmale Fußpfad, der mitten über die Höhe hin zum Zillerbach hinunterführt, gerade auf den schmalen, hölzernen Steg zu, der hier über den reißenden Bach geht. Der Steg ist so schmal, dass nur eine Person auf einmal darüber gehen kann. Und es ist gut, dass auf beiden Seiten Seile gespannt sind, an denen man sich festhalten kann. Denn der leicht gebaute Steg zittert und schwankt bei jedem Schritt so sehr, dass den Wanderer ein ganz unsicheres Gefühl befällt.

Weit und breit ist kein Haus auf all den grünen Hügeln zu sehen. Nur auf dem letzten, von wo der Fußweg steil zum Bach hinunter-geht, steht eine einsame Kapelle. Sie schaut seit uralter Zeit auf das reißende Wasser und den so oft weggeschwemmten und wieder neu errichteten Steg nieder.

In Altkirch leben viele arme Leute, denn es gibt dort wenig Arbeit. Die meisten Männer gehen als Tagelöhner auf die Bauernhöfe der Nachbarschaft. Einige besitzen selbst ein Fleckchen Erde, das sie bebauen. Nur zwei oder drei Bauern im Dörfchen haben so viel Land, um mehrere Kühe darauf halten zu können.

Eine der ärmsten Familien war die vom Weiden-Joseph in dem abgelegenen alten Häuschen, das am Fußweg zur Kapelle liegt und ganz allein steht. Das Häuschen wird fast ganz von den lang herabhängenden Zweigen eines uralten Weidenbaums zugedeckt. Der hat sich immer mehr ausgebreitet, bis er das Häuschen endlich ganz umschloss. Nach diesem Baum heißt der Besitzer der Weiden-Joseph. Er hatte immer in dem Häuschen gewohnt, denn es war schon seines Vaters Besitz gewesen, der darin uralt geworden war. Jetzt war der Weiden-Joseph selbst ein alter Mann geworden und lebte in dem Häuschen mit seiner alten, seit langer Zeit kranken Frau und seinen zwei Enkelkindern.

Der Weiden-Joseph hatte einen einzigen Sohn, den Sepp, der immer ein gutmütiger, aber ein wenig leichtsinniger und unsteter Mensch gewesen war. Wo er sich jetzt aufhielt, wussten die alten Eltern selbst nicht, schon seit sechs Jahren war er fort von daheim und hatte während der Zeit wenig von sich hören lassen.

Der Sepp hatte sehr früh geheiratet, und die Eltern freuten sich darüber, denn die Frau war die fleißige, brave Konstanze, die von allen Leuten gern gesehen wurde. Sie sah auch gut aus und hielt alles schön in Ordnung im Häuschen ihres Mannes. Der Weiden-Joseph und seine Frau verlebten friedliche Tage, solange die Tochter Konstanze im Haus war. Sie arbeitete von früh bis spät und ließ es den Eltern an nichts fehlen. Sie sagte, Vater und Mutter müssen nun ausruhen, sie haben genug getan. Sie und ihr Sepp seien nun da, um den Alten noch ein paar geruhsame Tage zu machen.

Der Sepp ging täglich auf die Arbeit zu dem großen Hof jenseits der Ziller hinüber und brachte am Samstag ein schönes Stück Geld heim. Es war alles so zur Zufriedenheit geregelt, dass auch der Sepp ein ausgeglichener Mensch wurde und nichts wünschte, als so weiterzuleben.

Drei Jahre gingen in ungetrübtem Frieden so dahin, und der alte Pater Klemens, der in dem langen, alten Haus hinter Altkirch wohnte und oft ins Häuschen des Weiden-Joseph eintrat, sagte oftmals: »Joseph, bei Euch ist gut wohnen, da hört man kein böses Wort. Haltet Eure Konstanze in Ehren!« Und seine gutmütigen Augen leuchteten vor Freude, wenn die Konstanze, so sauber und ordentlich wie sie immer war, hereintrat und ihn mit ihrer fröhlichen Stimme willkommen hieß. Auch das kleine Stanzeli auf ihrem Arm streckte schon von Weitem dem Pater Klemens das Händchen entgegen. Dann sagte er noch einmal: »Ja gewiss, bei Euch ist gut wohnen, Joseph.«

Als das Stanzeli fast zwei Jahre alt war, kam der kleine Seppli auf die Welt. Das war eine große Freude für alle. Aber bald danach geschah das Traurigste, das dem Haus des Weiden-Joseph widerfahren konnte. Die Konstanze starb ganz plötzlich und hinterließ eine Lücke, die nicht mehr auszufüllen war. Von der Zeit an lief der Sepp herum wie einer, der keinen Sinn mehr im Leben sieht. Sein unruhiges Wesen kehrte wieder zurück. Er konnte am Sonntag nicht mehr daheim bleiben, wie er es früher so gern getan hatte. Es trieb ihn immer weiter fort, und zuletzt meinte er, wenn er woanders Arbeit suchen könnte, werde es wieder besser mit ihm werden.

Er versprach, den Eltern von Zeit zu Zeit etwas Geld zu schicken für ihren und der Kinder Unterhalt. Dann ging er fort. Eine Zeit lang hielt er sein Versprechen und schickte seine Beiträge. Dann kam kein Geld mehr, und seit sechs Jahren wussten sie weder, wo er sich aufhielt, noch ob er überhaupt noch lebte. Unterdessen waren die beiden Alten immer gebrechlicher und ärmer geworden.

Der einzige, geringe Erwerb, der ihnen geblieben war, bestand darin, dass der Großvater aus den Weidenzweigen Körbchen flocht. Jeden Freitag gab er sie dem Käsehändler mit, der seine Käse auf den Markt in die Stadt trug. Viel nahm der Großvater nicht ein für seine Arbeiten, und die Großmutter musste jedes Stückchen Brot genau einteilen, dass man von einem Tag zum anderen leben konnte.

So war das Stanzeli bald neun, der Seppli sieben Jahre alt geworden, und Stanzeli musste jetzt dem Großvater schon viel bei der Arbeit helfen, denn seit mehr als vier Monaten lag die Großmutter krank darnieder und konnte gar nichts mehr tun. So mussten der Großvater und das Stanzeli zusammen täglich das Kochen besorgen, das zwar nicht sehr viel Zeit beanspruchte, denn es wurde nichts anderes gekocht, als Maisbrei und Kartoffeln. Und dann und wann ein wenig Kaffee. Aber sie mussten gemeinsam das Essen bereiten, denn das Stanzeli war noch zu klein, um die Pfanne hin und her zu heben. Und der Großvater kannte sich nie bei den Zutaten aus, das wusste dann das Stanzeli genau.

So arbeiteten sie immer miteinander in der Küche, und gewöhnlich stand der Seppli dann auch in dem kleinen Raum, wo die zwei sich kaum bewegen konnten. Er war einmal dem einen und einmal dem anderen im Wege und sperrte ganz weit seine Augen auf in Erwartung der herrlichen Dinge, die da zubereitet wurden. Und weder der Großvater noch das Stanzeli versuchten, den Seppli aus der kleinen Küche zu schicken. Sie wussten genau, dass er zwei Minuten später wieder da war, denn der Seppli hatte in manchen Sachen eine unbeschreibliche Beharrlichkeit.

Eine schöne, warme Septembersonne schimmerte draußen über den grünen Hügeln um Altkirch. Eben fielen einige Strahlen davon durch die trüben Fensterscheiben auf das Bett der Großmutter.

»Ach Gott!« seufzte sie, »scheint auch die Sonne noch? Wenn ich doch auch einmal wieder hinaus könnte. Aber ich wollte ja noch stillhalten, wäre das Bett nur nicht so hart wie Holz, und im Kissen sind fast keine Federn mehr. Und wenn ich erst an den Winter denke, wenn ich so daliegen muss auf dem harten Sack und unter dem dünnen Decklein und ohne ein rechtes Kissen. Ich muss ja erfrieren, es ist mir ja jetzt schon kalt.«

»Du musst dich nicht schon jetzt um den Winter sorgen«, sagte der Großvater beschwichtigend. »Unser Herrgott wird ja dann auch noch am Leben sein. Er hat uns schon manchmal in der Not geholfen, das darfst du nicht vergessen. Was meinst du, wenn wir dir ein wenig Kaffee machten, damit es dir warm würde?«

Die Großmutter wollte gern ein Tässchen Kaffee trinken, und der Großvater machte die Küchentür auf. Sie lag unmittelbar neben der Stube, in der das Bett der Großmutter stand. Ein kleines Treppchen hinter dem Ofen führte in die Schlafkammer hinauf, wo der Großvater mit den Kindern schlief. Er winkte jetzt Stanzeli, dass es mit-komme, und gleich lief ihr auch der Seppli nach, denn er musste zusehen, wenn etwas Essbares bereitet wurde. Draußen nahm der Großvater einen Kessel vom Gestell herunter und goss Wasser hinein. Dann sagte er: »Stanzeli, was kommt jetzt zuerst?«

»Zuerst muss ich jetzt Kaffeebohnen mahlen«, berichtete das Kind und setzte sich gleich mit der alten Kaffeemühle auf den Schemel und drehte mit aller Kraft. Aber irgendetwas stimmte mit der Mühle nicht, es untersuchte sie und zog endlich unten das Schublädchen sorgfältig hervor. Da lagen, anstatt des schönen Pulvers, große Brocken, fast halbe Kaffeebohnen darin. Das Stanzeli hob mit Schrecken das Lädchen zum Großvater empor und zeigte ihm das Unheil. Er besah sich den Schaden und sagte beruhigend: »Musst nur keinen Lärm machen, dass es die Großmutter nicht hört, sonst jammert sie und meint, nun könne sie keinen Kaffee mehr trinken. Aber wart nur ein wenig.«

Damit ging der Großvater hinaus und kam bald wieder zurück mit einem großen Stein in der Hand. Damit zerschlug und zerrieb er die Kaffeebohnen auf einem Papier und dann schüttete...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2021
Reihe/Serie nexx classics – WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT
nexx – WELTLITERATUR NEU INSPIRIERT
Verlagsort Villingen-Schwenningen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Märchen / Sagen
Literatur Romane / Erzählungen
Kinder- / Jugendbuch Vorlesebücher / Märchen
Schlagworte Alpen • Eltern • Erzählungen • Geschichten • Heidi • Heimat • Johanna Spyri • Kinder • Rosenresli • Rosen-Resli • Schweiz • Sorgemutter • Sorgen • Vertrauen • Vorlesen • Zürich
ISBN-10 3-95870-231-7 / 3958702317
ISBN-13 978-3-95870-231-8 / 9783958702318
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