Café Togo (eBook)

Von Sklavenburgen, Voodoo und Amazonen

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
hansanord Verlag
978-3-940873-80-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Café Togo - Uta Depner
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Während der Zeit auf dem größten Hospitalschiff der Welt, der Africa Mercy, lernte die Autorin eine der spannendsten Gegenden Afrikas kennen: Die sogenannte Sklavenküste, wie der Küstenstreifen zwischen dem Osten Ghanas und dem Westen Nigerias zur Zeit des transatlantischen Sklavenhandels genannt wurde.
Alleine und mit Freunden vom Schiff erkundete sie das Land, nahm an einer aufregenden Voodoozeremonie teil und besuchte die Sklavenburgen an der Küste Ghanas. Sie machte Bekanntschaft mit einem togolesischen Fußballnationalspieler und Kinderarbeitern auf dem Grand Marché in Lomé, der Hauptstadt Togos. Während der Zeit auf dem Schiff arbeitete die Autorin im Café sowie im Ship Shop und nahm die Gelegenheit wahr, Operationen beizuwohnen. So lernte sie auch Regina kennen, eine jungen Patientin auf der Africa Mercy.
Auf der Reise in den Norden Togos und durch Benin im Anschluss des Schiffsaufenthaltes erlebte sie abenteuerliche Unterkünfte in einem togolesischen Nationalpark und lernte das Volk der Tamberma kennen, das Jahrhunderte lang abgeschnitten von der Zivilisation lebte und bis heute seine traditionelle Lebensweise beibehalten hat. Die Region, in der die Tamberma leben, heißt Koutammakou und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.
In Benin erkundete sie die Tierwelt des Pendjari Nationalparks und fuhr nach Abomey, um in die Welt des Voodoo einzutauchen. Dabei traf die Autorin auf einen Voodoo-Priester, der ihr einige Rituale dieser Religion näher brachte. Ebenso erforschte sie die Paläste der legendären Könige von Dahomey - deren Macht beruhte auf dem Sklavenhandel, den sie mit den Europäern betrieben sowie auf dem weiblichen Arm ihrer Streitmacht den furchtlosen Amazonen, Kriegerinnen, denen auch die Europäer hohen Respekt zollten.

Togoville




Voodoo-Gebiet


In diesem Sinne stoße ich dann aber doch auf starke Vorbehalte, was meinen Besuch in Togoville betrifft. "Mach das nicht, das ist gefährlich!", werde ich gewarnt. Susan Parker, die Frau des Arztes Dr. Gary Parker, die am Vortag eine Rede über Voodoo gehalten hatte, kann mir vor Ärger kaum in die Augen schauen. "Das habe ich mit meinem Vortrag über Voodoo nicht bezweckt, dass jetzt Leute auf den Fetischmarkt wollen. Oder nach Togoville. Du bist sehr angreifbar, wenn du dahin gehst!" Ich wollte ohnehin auf den Markt, und jetzt erst recht. Aber zunächst will ich eben nach Togoville. Das ist die ehemalige Hauptstadt des ehemaligen deutschen Schutzgebietes Togoland. Bevor ich mich dorthin aufmache, erzählt mir eine amerikanische Mitarbeiterin, wie sie sich vor Ort gegen die dort drohenden Gefahren wappnete: "Als ich durchgelaufen bin, habe ich gebetet, um die Geister abzuwehren."

Ich kann nicht anders, ich bin neugierig darauf, hier in Togo den Voodoo-Glauben kennenzulernen. Immerhin gehört Voodoo zur hiesigen Kultur. In Togoville stößt man ständig auf Symbole dieser Religion: Da steht ein Altar, auf dem Hühner geopfert werden, an Bäumen hängen blutgetränkte Stofffetzen, und Götterstatuen schützen Haus und Eigentum. Meine neuen Mercy-Ships-Freunde Sophia, Debora, Ellen und ich verbringen ein Wochenende in der "Auberge du Lac", einer idyllischen Herberge mit Bungalows und Sandstrand, wo wir uns leckere Shrimps schmecken lassen. Von hier aus kann man sich mit einer hauseigenen Piroge nach Togoville fahren lassen.

Erst einmal aber erholen wir uns unter Palmen am Ufer. Es ist wie Urlaub. Der Wind rauscht durch die Blätter, auf dem Wasser holen Fischer ihre Netze ein. Wir liegen unter einem Dach aus Bananenblättern und beobachten Einheimische und eine Touristin beim Baden. Der See ist ruhig und ich schlafe direkt auf dem Sandstrand ein. Nachdem wir etwas gefaulenzt haben, gehen wir zurück zum Bungalow, den Sophia und ich bezogen haben, und entdecken eine Karawane ziemlich großer Ameisen, die geschäftig über eine tote Kakerlake herfallen. Die Ameisenstraße führt von der Futterquelle neben dem Bett direkt ins Bad. Ich mag Tiere sehr gern und weiß, dass auch Ameisen und Kakerlaken Tiere sind, aber für Insekten habe ich wirklich kein Faible, Sophia ebenso wenig. Ich reiße mich jedoch zusammen, schubse mit dem Schuh die Kakerlake durch die Eingangstür auf die Wiese und hoffe, dass sich damit das Problem erledigt hat.

Dann machen wir uns auf nach Togoville, ich bin schon sehr gespannt. Die Fahrt auf dem See ist ruhig. Unterwegs beobachten wir Fischer, die sich um ihre Fangnetze kümmern. Mitten auf dem See ist ein Quadrat mit vier baumhohen Stöcken abgesteckt: Es handelt sich um Voodoo-Gebiet. "Man darf da auf keinen Fall durchfahren, denn an dieser Stelle werden Kühe und Ziegen geopfert," erklärt unser Bootsfahrer, der, um vorwärtszukommen, die Piroge mit einem Stock vom Boden abstößt, denn der See ist nicht tief. "Vor gar nicht allzu langer Zeit, da ist es passiert. Ein Fischer hatte den Bereich mit seinem Boot überquert, und dann ist er gestorben." Also besser nicht nachmachen, denn wir wollen weiterleben. Und Sophia stellt fest, dass sie nun, da sie wisse, dass hier Tierleichen auf dem Grund liegen, bestimmt nicht in diesem See schwimmen gehen werde; das hatten wir uns nämlich zuvor überlegt.

Von weitem schon sehen wir den Kirchturm aus dem Grün ragen, das den See säumt. Am Ufer spielen Kinder und winken uns zu. Angeblich kann die Piroge nicht direkt an den Steg fahren, deswegen werde ich praktisch ungefragt aus dem Boot gehievt und an Land getragen. Eine gute Möglichkeit für die Togoviller, für diese - wenngleich nicht erwünschte - Dienstleistung Geld zu verlangen. Ich mache mit, die anderen drei, mit denen ich hierher gereist bin, regen sich so darüber auf, dass der Fahrer das Boot doch noch an den Steg schubst.


Auf den Spuren deutscher Geschichte


Einer der Männer, die sich als Guides ausgeben, setzt sich durch und wir folgen ihm. Als erstes führt er uns zum Haus des Dorfchefs mit dem Namen Mlapa V Moyennant. Dort empfängt uns dessen Sohn Mlapa Rigobert, da sein Vater nicht da ist. Die Hühner, die vor dem Haus herumrennen, sind mit farbigen Bändern bestückt, damit sie den Eigentümern zugeordnet werden können. Auf dem Platz vor dem Eingang steht ein Voodoo-Objekt. Eine Art Brunnen, in dem Behälter stehen, die Wasser auffangen. Zu dem Brunnen kommen Kranke, die geheilt werden wollen, erklärt uns unser Guide mit dem Namen Mpala K. Richard, der angeblich ebenfalls mit dem Dorfchef verwandt ist. Die ganze Nachbarschaft wird von Legba beschützt, dem Gott des Kreuzwegs, dessen Statue neben dem Haus des Dorfchefs steht. Hier, im Maison Royale, dürfen wir unsere Namen in ein Gästebuch eintragen und Geld für die Waisenkinder des Dorfes spenden. Wir wissen, dass das Haus geschichtsträchtig ist, und Sohn Rigobert, ein freundlicher Mann, weiß einiges darüber zu berichten.

Hier wurde im Jahre 1884 der Protektoratsvertrag zwischen Gustav Nachtigal, dem deutschen Generalkonsul für Westafrika, und einem Vertreter des Königs Mlapa III geschlossen. So kam es, dass Togo deutsche Kolonie wurde und dies auch bis zum Ersten Weltkrieg blieb, obgleich Reichskanzler Bismarck ursprünglich kein Anhänger der Idee deutscher Kolonien war. Allerdings weniger aufgrund seiner humanitären Einstellung, als vielmehr aus finanziellen Motiven. Kolonien waren ihm einfach zu teuer. Und so nannte er die vereinnahmten Gebiete auch nicht "Kolonien", sondern "Schutzgebiete", um den Begriff "Kolonie" zu umgehen[1].

Jeder von uns darf sich einmal auf den Thron von Mlapa III setzen, der noch immer im Maison Royale steht, und sich abfotografieren lassen. Rigobert erzählt von den Sklaven, die hier auf dem Markt gehandelt wurden, bevor man sie nach Amerika verschiffte. Er zeigt uns die schweren Ketten, mit denen sie am Weglaufen gehindert wurden.


Der Papst und der Thron


Besonders bemerkenswert finde ich aber die Fotos von Papst Johannes Paul II, der im Jahre 1985 diesem kleinen Ort einen Besuch abstattete, weil im Jahre 1973 angeblich die Heilige Jungfrau Maria aus eben diesem See gestiegen sei. Stolz zeigt uns Rigobert Zeitungsausschnitte und Bilder, auf denen tatsächlich der Papst auf dem Thron in einer Piroge sitzt.

Ja, die Katholiken. Vielleicht, überlege ich, war es aber auch die Wassergöttin Mami Wata, die da aus dem See emporkam. Neben der Kathedrale in der Nähe des Ufers steht die nachgebaute Piroge, auf der angeblich die Jungfrau Maria - oder eben Mami Wata - erschien. Mami Wata ist übrigens auch der Grund, weshalb auf der "Africa Mercy" das Design von Starbucks geändert werden musste. Auf diesem Emblem ist eine Meerjungfrau zu sehen, welche die Togolesen an den Wassergeist erinnert, was bei einigen einheimischen Besuchern auf dem Schiff wohl nicht gerne gesehen wurde. Ganz ähnlich wie in Saudi-Arabien, wo die abgebildete Sirene auf dem Starbucks-Emblem 2008 in eine Krone abgewandelt wurde, dort allerdings, um den moralischen Ansprüchen der Saudis zu genügen.

Jedenfalls kann ich ab jetzt immer damit angeben, auf demselben Stuhl wie Papst Johannes Paul II gesessen zu haben, denke ich glücklich.

Dann führt Richard uns durchs Dorf und wir sehen das blutgetränkte Tuch und den Altar mit dem toten Huhn. Heute ist der Markt leider geschlossen, aber Richard erzählt, dass man dort nicht für Geld ein- oder verkauft, sondern dass hier Ware gegen Ware getauscht wird. Die Straße, die von der Anlegestelle zur 1910 von Deutschen errichteten Eglise de Notre-Dame du Lac Togo führt, wurde damals extra für den Papstbesuch gebaut. Der Brunnen, der ganz in der Nähe der Kathedrale steht und im gleichen Jahr entstand, war der Erste hier in Togoville. Leider werden die Frauen, die sich daraus bedienen, fuchsteufelswild, als wir sie um Fotografieerlaubnis fragen. Auch später ernten wir verärgerte Blicke und – ich nehme mal an – Verwünschungen ob unserer Versuche, Alltagssituationen von Einheimischen fotografisch festzuhalten. Unser Guide erweist sich auch nicht gerade als fremdenfreundlich. Wir fragen zu viel. Und wir sind ihm zu langsam. Die Bezahlung, die wir mit ihm zu Beginn ausgehandelt haben, ist ihm am Ende zu wenig. Das Trinkgeld auch. Das Rückgeld, das er mir aushändigt, besteht aus Scheinen und ist so zerknüllt, dass ich erst später merke, dass ein Schein fehlt; es hätten zwei sein sollen.

Zum Schluss genehmigen wir uns ein Youki, eine togolesische Getränkemarke in der Bar "Bar Be Cool", einer Art Kiosk mit Tischen. Die Besitzerin, eine junge Frau mit Kind, ist gut gelaunt und freut sich sehr über die Luftballons, die Ellen, unsere Schweizer Mitreisende, für den Fall der Fälle mitgenommen hat, falls sie irgendwo in Kontakt mit Kindern kommt. Meine Geschmacksnerven springen auf das Getränk "Sport actif" an.

Das Kleingeld, das Richard mir für die Getränke zurückzahlen muss, knallt er mir ungezählt aus seiner Hosentasche auf den Tisch. Kann er wirklich in Sekundenschnelle mit seinen Fingern die Münzen in seiner Hosentasche abzählen? Solche Fähigkeiten sind mir nur aus dem Film "Rainman" aus dem Jahre 1988 bekannt oder von Zauberern. Soweit ich das einschätzen kann, ist er aber keiner. Ich will den Rest auch haben. Wenig begeistert gibt er mir noch mehr. Ich zähle nach. Es stimmt noch immer nicht. Missmutig händigt er mir das Restgeld aus, schaut mich von der Seite an und sagt: "You’re good". Na, wenigstens ein Lob zum...

Erscheint lt. Verlag 8.1.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseführer Afrika
Kinder- / Jugendbuch
Schlagworte Africamercy • Afrika • Amazonen • Benin • Cafe • Ghana • Hospitalschiff • Nigeria • Sklaven • Sklavenküste • Togo • Unsesco • Voodoo
ISBN-10 3-940873-80-2 / 3940873802
ISBN-13 978-3-940873-80-4 / 9783940873804
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