Vom Hügel zum Himmel (eBook)
324 Seiten
Ancient Mail Verlag
978-3-95652-349-6 (ISBN)
Justus Pfannebecker wurde 1952 in Worms geboren, studierte Germanistik, Geschichte und das Bibliothekswesen in Gießen, Mannheim und Stuttgart. Schwerpunkte seiner Tätigkeit waren Archivarbeit in Ludwigshafen und Lehrtätigkeit im schulbegleitenden Unterricht in Mosbach. er lebt als Autor und Kunstmalerin Laudenbach an der Bergstraße. Seine bisherigen Veröffentlichungen waren drei Gedichtbände, ein Band von Erzählungen und Gedichten sowie ein Comic.
II.
Walnuss-Steine im Odenwald – natürlichen Ursprungs oder bzw. und Zeugen einer kulturellen Vergangenheit?
(Erstveröffentlichung in Ancient Mail 57 (2013), S. 5-17)
Seltsame Felsformationen sind im Odenwald nicht selten. Unser menschlicher Geist neigt dazu, in ihnen Gegenständliches, Fantastisches oder auch Anthropomorphes zu sehen. Eines der bekanntesten Beispiele für solches Deuten ist das Marsgesicht. Oft nahmen Sagen von markanten Felsen oder anderen ungewöhnlichen Naturphänomenen ihren Ausgang.
Zur Namengebung
„Walnuss-Steine“ war nicht meine erste Benennung der Steine, um die es in dem Artikel gehen soll. Ich dachte zunächst an „Muschel-Steine“, wobei mir die sogenannten Porzellanschnecken „mit ihren schlitzförmigen Schalenöffnungen“ (1) im Sinn lagen. Dann gingen mir Begriffe wie „Graniteier“ oder „Steinpflaumen“ im Kopf herum. Pflaumen hatten ja schon die Kelten aus dem Süden importiert – wahrscheinlich in getrockneter Form. (2) Bei den Eiern fehlte die schlitzförmige Öffnung, die Pflaumen schienen mir zu flach und die Muscheln kannten die Geologen ja schon in der Zusammensetzung Muschelkalk. Im Bauland, das im Osten an den Odenwald grenzt, sehen sie eine Muschelkalklandschaft. (3) Die abgerundeten Felsblöcke, die ich erörtern will, nennen sie Wollsäcke. (4) Freilich ginge die Wolle bei den Schlitzen, die die Steine aufweisen, verloren. Sie gleichen dann doch eher Walnüssen, deren Schalen leicht aufgeplatzt sind. In den so entstandenen Öffnungen geben sich Erde, Laub, Gras und andere Pflanzen ein Stelldichein.
Geographisches, Geologisches und Archäologisches
Der Odenwald gliedert sich in eine Reihe von Teillandschaften: Bergstraße, Vorderer, Hinterer und Kleiner Odenwald. Der westliche Teil wird auch Granitodenwald und der östliche Buntsandsteinodenwald genannt. (5) Die Bergstraßenlandschaft mit ihren fruchtbaren Lössböden war wohl in alter Zeit siedlungsfreundlicher als die übrigen Teile des Odenwaldes; deshalb verwundert es, dass hier wie dort nur Einzelfunde aus dem Neolithikum bekannt sind. Es handelt sich um sogenannte Lesefunde, Zufallsfunde im Gegensatz zu Funden aus gezielten archäologischen Grabungen. (6) Die beiden zu besprechenden Fundorte von Walnuss-Steinen liegen bei Hemsbach an der Bergstraße und Birkenau-Löhrbach im Vorderen Odenwald. Sie sind ca. 12 km voneinander entfernt. Die Hemsbacher Steine bestehen wohl aus, populär gesprochen, Hornblendegranit, auch grauer Odenwaldgranit genannt. Sein gehäuftestes Auftreten findet man im Odenwald in dem weithin bekannten Felsenmeer bei Reichenbach. Er wurde früher zu Pflastersteinen, Grenzsteinen und Grabdenkmälern verarbeitet. Während der Hornblendegranit wissenschaftlich als Melaquarzdiorit bezeichnet wird, heißt der ebenfalls granitähnliche Stein der zweiten Fundstelle, am Götzenstein bei Birkenau-Löhrbach, Granodiorit. (7)
Die Steine in ihrer Umgebung
Die beiden hier auf den Fotos zu sehenden Granitblöcke befinden sich auf Hemsbacher Gemarkung in der Nähe des Naturdenkmals, das einem liegenden Pferd mit Fohlen gleicht und deshalb Steinerner Gaul genannt wird. Der Fels soll als karolingischer Grenzstein am Rande der Mark Heppenheim, selbst ein Grenzgebiet des Frankenreichs, gestanden haben. Eine steinerne Urkunde von 805, die nicht handschriftlich erhalten ist, befindet sich im Untergeschoss des Nordturms von St. Peter in Heppenheim. Der Grenzstein wird darin als Stennenros (Steinrössel) bezeichnet. Die Ausführung der Urkunde stammt in etwa aus dem dritten Viertel des 12. Jahrhunderts. (8) Eine auf dem Rücken des Pferdes verlaufende Quarzader wurde als Visur astronomisch gedeutet. Wahrscheinlich menschliche Bearbeitungsspuren weist ein in der Nähe des Steinernen Gauls befindlicher großer Fels mit runder Aussparung, vermutlich ein Schalenstein, auf. Werner Uebelherr entdeckte dort an der bewaldeten Erhebung des Kreuzbergs zwischen Hemsbach und Laudenbach zahlreiche Gesteinsformationen, die eine megalithische Herkunft nahelegen: vor allem Steinkreise und Menhire. Einen wissenschaftlichen Beleg für die Annahme gibt es bis heute nicht. (9) In der Nähe des Steinernen Gauls wurde 1975 ein spitznackiges Steinbeil und auf der Laudenbacher Höhe eine sogenannte Bootsaxt aus der Zeit der Schnurkeramik gefunden. 1986 kam dann noch im Laudenbacher Gewerbegebiet das Bruchstück einer Steinaxt zum Vorschein. (10)
Die Aufnahmen der beiden Walnuss-Steine stammen vom Februar 2011
Die mit Moos bewachsenen Felsen sind bezüglich ihrer schlitzartigen Öffnungen vertikal ausgerichtet, der auf Abb. 1 nach unten, der auf Abb. 2 nach oben. Letztere scheint oben rechts beschädigt zu sein, so dass er eine schalenförmige Vertiefung aufweist, in der sich das Laub vom letzten Herbst gesammelt hat. Sie stehen nicht in einer Formation, sondern einzeln. Ihre Größe bewegt sich im 1-Meter-Bereich.
Der zweite Fundort befindet sich am Götzenstein in der Nähe von Abtsteinach in der Gemarkung Löhrbach, die zu Birkenau gehört. Die Entstehung der Felsformation Götzenstein wird auf eine Laune der Natur zurückgeführt. Sie befindet sich auf dem 521,9 m hohen Berg gleichen Namens. (11)
Auf Abbildung 3, einem Ausschnitt aus der Felsformation, erwecken die scharfen, fast regelmäßig auftretenden Kanten den Eindruck künstlicher Entstehung. Der Walnuss-Stein (Abb. 4) steht wiederum in keinem Ensemble und weist eine waagrechte Lage auf. Der mit Moos bewachsene Stein dürfte eine Länge von ca. 1,50 m aufweisen. Da der Götzenstein aus Granodiorit besteht, nehme ich für den Felsen dieselbe Gesteinsart an. Auf dem Berg wird seiner abgeflachten Kuppel wegen ähnlich wie auf dem Kahlberg bei Weschnitz und dem Steinberg bei Oberflockenbach (Ortsteil v. Weinheim, Baden-Württemberg) eine Ringwallanlage, die in vor- bzw. frühgeschichtlicher Zeit als Versammlungsstätte diente, vermutet. (12) Die bekannteste Ringwallanlage der Region befindet sich auf dem Heiligenberg bei Heidelberg. Während man für die Grenzregionen des Odenwaldes eine Besiedlung durch die Kelten für wahrscheinlich hält – bereits im Jahre 1893 wurde eine obere Kopfhälfte mit Blattkrone aus rotem Sandstein, vermutlich von der Statue eines Keltenfürsten, in Heidelberg-Bergheim gefunden – wird diese für den Odenwald selbst bestritten.(13)) Auch die Ableitung vieler regionaler Namen aus dem Keltischen wie Weschnitz von Visgos oder Eiterbach von euteraha wird in Frage gestellt.(14) Der Lorscher Codex erwähnt ca. 773-795 in seinen Ausführungen über die Heppenheimer Waldmark einen Pendens Rocha , einen überhängenden Felsen. Es ist möglich, dass es sich bei ihm um die erste schriftliche Erwähnung des Götzensteins handelt. (15) Eine Sage berichtet, wie Dietbert, ein fränkischer Stammesfürst, noch als einziger nach der Christianisierung der Franken (Chlodwigs Taufe 498 oder 506/08) am Götzenstein den alten heidnischen Göttern opfert. Durch einen mutigen Christen, der ein Kind aus des Stammesfürsten brennendem Haus rettet, wird er dann doch noch bekehrt. Man sah als Vorlage für Dietbert den Frankenkönig Theudebert den Ersten (534-548). Dass in der Region zu dieser Zeit Franken beheimatet waren, belegt das im Dezember 1909 ausgegrabene fränkische Gräberfeld im Gewann „Kapellenäcker“ in Weinheim. (16)) Die Funde aus dem Neolithikum der Odenwälder Umgebung des Götzensteins sind spärlich: ein Steinbeil aus Oberabtsteinach und ein Beil aus grünem Granatamphibolit aus Siedelsbrunn. (17) Den beiden Fundorten der Walnuss-Steine ist gemeinsam, dass sie sich an Orten befinden, an denen man menschliche Spuren der Frühzeit vermutet. Beim Steinernen Gaul ist es der Schalenstein, beim Götzenstein die Ringwallanlage, die vermutlich von der Anwesenheit von Menschen im Neolithikum, der Bronze- oder Eisenzeit künden. Gemeinsam ist den Felsen auch, dass sie nicht innerhalb einer Formation stehen.
Bevor ich mit der Erörterung der Walnuss-Steine fortfahre, möchte ich den Blick des Lesers auf andere, noch rundere Steine lenken: die Steinkugeln von Costa Rica.
Exkurs: Die Steinkugeln von Costa Rica
Ein großes megalithisches Rätsel sind bis heute die in Costa Rica entdeckten Steinkugeln. Sie bestehen ebenfalls aus granitähnlichem Gestein und weisen eine Größe von einem Apfel bis zu einem Durchmesser von 2,50 m auf. Die bis zu 16 Tonnen schweren Kugeln, deren Entstehung zwischen 600 u. 1000 n. Chr. angenommen wird, werden der Chiriqui-Kultur zugerechnet. Wo die Steinmetze den Stein für die Kugeln gebrochen haben, ist unbekannt. In der Diquis-Region im Süden Costa Ricas, wo die Kugeln sehr gehäuft vorkommen, gibt es ihn nicht. Dies widerspricht der Ansicht vieler...
Erscheint lt. Verlag | 25.10.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
Sozialwissenschaften ► Kommunikation / Medien | |
Schlagworte | Gral • Heidenmauer • Sagen • Tarnkappe • Walnuss-Steine |
ISBN-10 | 3-95652-349-0 / 3956523490 |
ISBN-13 | 978-3-95652-349-6 / 9783956523496 |
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