Adolf Hitler "Mein Kampf": Der Wahn Hitlers als "zweiter Christus" und "Heiland der Natur" die Welt retten zu müssen (eBook)
862 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-1134-2 (ISBN)
Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen an der pädagogischen Hochschule in Bonn, anschließend das Referendariat in Krefeld. Studium der Politikwissenschaft in Bonn bei Prof. Karl Dietrich Bracher, Mutter von drei jetzt erwachsenen Kindern, Arbeit als Lehrerin an der Verbandsschule in Helmstadt/Bayern.
I EINLEITUNG
Auch nach Erscheinen eines sehr umfangreichen Doppelbandes mit dem Titel „‚Hitler, Mein Kampf‘. Eine kritische Edition“ im Frühjahr 2016 (Hartmann, Vordermayer u. a. (Hrsg.), 2016), der Hitlers Ausführungen interpretiert, stellte Roman Töppel1, selbst Mitherausgeber dieser Edition, in einem Zeitungsartikel im November 2016 immer noch „die zentrale Frage der Forschung“: „Wer hat Hitlers Denken in dessen prägenden Jahren [seiner Wiener und auch Münchener Zeit] entscheidend beeinflusst?“ (Töppel, 01.11.2016). Diese Frage konnte die kritische Edition leider nicht beantworten. Auch Peter Longerich2 war noch im Jahr 2017 überzeugt, dass zum Thema Nationalsozialismus längst nicht alles gesagt sei: „Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht ist der Nationalsozialismus heute keineswegs vollständig oder auch nur annähernd vollständig erforscht. Im Gegenteil“… (Longerich, 2017: 10). Hitler selbst schwieg zu diesem Thema ebenfalls: „Hitler empfand es übrigens als persönliche Kränkung, wenn man, durch die Ähnlichkeit mit Gedanken anderer berührt, etwa auf Vorläufer oder gleichgesinnte Denker hinwies. Hitler wollte alles allein und ohne Anregung gedacht haben. Er betrachtete es als Verkleinerung seiner Größe, wenn man auf ähnliche Ideen hinwies“ (Rauschning, 2005: 212/13). Im Gegenteil, er verwischte systematisch Spuren: „Er legte gern ‚falsche Fährten‘, wo er politische Ahnen in Anspruch nahm“3 (Pyta, 2016: 12). Mit meinem Buch versuche ich nun, diese „zentrale Frage der Forschung“ zu beantworten, die bis jetzt, auch nach fast hundert Jahren, nicht beantwortet werden konnte. Ich weise nach: Die Geschichte einer „natürlichen“, „gläubig-ewig-wahren“, „kämpferisch-revolutionär-neuen“, „gewalttätig-grausamen“, „rücksichtslos-brutalen“, nationalsozialistischen Weltanschauung nahm ihren Anfang in der Romantik, genauer gesagt in der Spätphilosophie des ersten Philosophen der Romantik: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Es waren Schelling und – besonders in einem Punkt – höchstwahrscheinlich auch Arthur Schopenhauer, der direkte Nachfolger Schellings, die Hitlers Denken zentral beeinflussten. Sie lieferten das denkerische Grundkonzept für die NS-Weltanschauung. Nun mag sich vorab die Frage aufdrängen, warum sich Hitler gerade Schelling, einem Philosophen der Romantik, als geistigem Ziehvater verschrieben haben soll. Schelling war Mitschöpfer einer neuen, „politisch“ ausgerichteten Metaphysik der Natur: „Die Romantik kehrt zur Metaphysik zurück, die von der Aufklärung angezweifelt wurde“ (Blankenagel, 1940: 329). Ihr Ziel war es, „in und hinter allen Dingen das Absolute zu suchen. Letzter und eigentlicher Erkenntnisgegenstand ist dem Romantiker die Gottheit“ (Honecker: 1936: 309). Der Romantiker wollte in allem nur „das Kleid des Unendlichen“ sehen, beim Einzelnen stehenzubleiben sei „platt“ und „philisterhaft“ (vgl. ebd.: 309). Eine Erklärung, warum Hitler sich der Philosophie Schellings zuwandte, liegt vor allem in dem Umstand begründet, dass schon vor der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert – ungefähr ab 1870, noch deutlicher aber danach – eine Wiederbelebung, ein „Revival“ der Philosophie der Romantik stattfand. Es tauchten viele Bücher auf, die sich mit dem Wesen der Romantik beschäftigten.4 Gemeint ist hier eine deutlich erkennbare Neubelebung einer philosophisch-metaphysisch fundierten romantischen Philosophie der Natur, ausgerüstet mit „politischen“ Ambitionen. Welchen hohen Stellenwert, ja welche Ausmaße diese denkerische, geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Romantik in jener Zeit angenommen hatte, drückte Franz Schulz5 im Jahr 1924 so aus: „Dennoch erscheint es gerade, im gegenwärtigen Zeitpunkt, daß die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Romantik […] eine beängstigende Ausdehnung angenommen hat, ja so ziemlich im Mittelpunkt der geisteswissenschaftlichen Bemühungen in Deutschland steht“ (Schulz, 1924: 93). Auch Oskar Walzel6 bestätigte im Jahr 1929, dass ein großer Teil der Romantik der geisteswissenschaftlichen Beschäftigung mit ihrer Philosophie zukommt und nicht der Kunst: „Überhaupt gehört ein großer Teil der gesamten Romantik weit mehr der nichtkünstlerischen Geistesgeschichte als der Geschichte deutscher Dichtung an. Wer sich mit deutscher Romantik beschäftigt, hat in weitem Ausmaße Philosophisches zu erwägen“ (Walzel, 1929: 182). Dementsprechend hatte diese intensive philosophische Zuwendung zur Philosophie der Romantik um die Jahrhundertwende und auch noch danach nur eines zum Inhalt: jetzt, auf breiterer Ebene, die Ratio und die atheistische Grundhaltung der argumentativen Logik der Aufklärung als gedankliche Vorbereitung der Französischen Revolution durch einen umfassenden „Glauben“ zu ersetzen. Kurt Sontheimer7 bestätigte diesen „romantisch-gläubigen“ Standpunkt, ohne ihn jedoch als solchen erkannt und bis zu seinen Wurzeln zurückverfolgt zu haben. Resümierend konstatierte er, in welchem Ausmaß „antidemokratisches Denken“ – im Ursprung aber tatsächlich „romantisches“ Denken – in Form eines Glaubens in das allgemeine und speziell in das politische Denken der Menschen in der Weimarer Republik eingedrungen war bzw. es bestimmte: „Der Kampf gegen die Ratio, den das Jahrhundert8 führte, hatte zu der gefährlichen Halbwahrheit geführt, Glauben sei wichtiger als Denken. Er hatte den Kräften des Gemüts und den Instinkten freien Lauf gegeben und unter Ausschaltung der Vernunft, Glauben und Handeln9 in einen festen Zusammenhang gebracht“ (Sontheimer 1978: 259), (vgl. auch Die Fast-Übereinstimmung der Denkkategorien Hitlers und Schellings mit denen der antidemokratischen Gruppierungen der Weimarer Republik, VII, 4.1). Zeitlich etwas eingegrenzter betonte Manfred Gailus10 in seinem 2021 erschienenen Buch den Stellenwert einer allgemein vorhandenen gläubigen Grundhaltung, einer „vagierenden Religiosität“, besonders deutlich erkennbar während des Jahres 1933: „Als Hitler an die Macht gelangte, hatten Glaube und religiöses Bekenntnis Hochkonjunktur. Denn viele Zeitgenossen erfuhren das Umbruchjahr 1933 nicht allein als eine politische Zäsur, sondern zugleich als Auftakt eines religious revival, als wundersame Erfüllung langersehnter Erwartungen. Als pars pro toto für die gehobene Stimmungslage dieses religiösen Aufbruchs kann der reichsweit gefeierte ´Tag von Potsdam‘ am 21. März 1933 gelten. An diesem zugleich konservativ-national wie religiös geprägten Jubeltag verabschiedete eine knappe Majorität der Deutschen die ungeliebte Weimarer Republik mit Dankesgottesdiensten, Glockengeläut, Militärparaden und nächtlichen Freudenfeuern. Das geschah nicht allein in Potsdam, sondern in landesweit zelebrierten Feiern und Zeremonien“ (Gailus, 2021: 15). So war z. B. ein thüringischer Kirchenrat der Überzeugung: „´Christus ist zu uns gekommen durch Adolf Hitler´. Person und Schicksal des großen einsamen, erwählten Mannes, der die Not wendete oder auf sich nahm wurde der Gegenstand zahlreicher Führergedichte, Führerfilme, Führerbilder oder Führerdramen. In Richard Euringers Thingspiel „Deutsche Passion´, das im Sommer 1933 mit großem Erfolg aufgeführt und als Modell nationalsozialistischer Dramatik gefeiert wurde, trat er als wiederauferstandener Unbekannter Soldat, eine Dornenkrone aus Stacheldraht auf dem Haupt in eine Welt von Schiebern, Aktionären, Intellektuellen und Proleten, den Repräsentanten des „Novemberstaats´, weil ihn, wie es im permanenten Durchblick auf christliche Motive heißt, ´des Volkes erbarmte´. Als die wütende Menge ihn geißelt und ans Kreuz schlagen will, weist er sie durch eine Wundertat zurück und führt die Nation ´zu Gewehr und Gewerk´, versöhnt die Lebenden mit den Toten des Krieges in der Volksgemeinschaft des Dritten Reiches, ehe aus seinen Wunden ´ein Glanz bricht´ und er mit den Worten in den Himmel auffährt: ´Es ist vollbracht´. Die Regieanweisung der Schlußszene lautet: Orgelton aus den Himmeln. Fernweh. Sakral. Rhythmisch und harmonisch vermählt dem irdischen Marschlied“ (Fest, 1995: 610/11). „Viele der freudig-religiös gestimmten Zeitgenossen von 1933 fühlten sich inmitten einer großen geistig-moralischen Umkehr, einer geschichtlichen Kehrtwende. Sie interpretierten das Geschehen als Umkehr des europäischen Säkularisierungstrends seit 1789, als Absage an die europäischen Revolutionen von 1848/49 und die russische Revolution von 1917, als Liquidierung des angeblich undeutschen Geistes der verhassten demokratischen Revolution von 1918/19, als Wiederanknüpfen an den...
Erscheint lt. Verlag | 21.10.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► 1918 bis 1945 |
Schlagworte | Adolf Hitler • Holocaust • Mein Kampf • Nationalsozialismus • Romantik |
ISBN-10 | 3-7597-1134-0 / 3759711340 |
ISBN-13 | 978-3-7597-1134-2 / 9783759711342 |
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