Warum so wütend? (eBook)
240 Seiten
Knesebeck Verlag
978-3-95728-932-2 (ISBN)
Dr. Ryan Martin ist Professor für Psychologie und Dekan des College of Arts, Humanities, and Social Sciences an der University of Wisconsin-Green Bay. Bei seiner Arbeit über das Thema Wut greift er auf über 20 Jahre Forschung, Lehre und klinische Erfahrung zurück. Seine Arbeiten wurden in der New York Times, in Psychology Today, im Invisibilia-Podcast von NPR und in The Digital Human von BBC Radio vorgestellt. Sein TED-Talk 'Why We Get Mad' wurde seit Juni 2019 3,3 Millionen Mal angesehen.
Dr. Ryan Martin ist Professor für Psychologie und Dekan des College of Arts, Humanities, and Social Sciences an der University of Wisconsin-Green Bay. Bei seiner Arbeit über das Thema Wut greift er auf über 20 Jahre Forschung, Lehre und klinische Erfahrung zurück. Seine Arbeiten wurden in der New York Times, in Psychology Today, im Invisibilia-Podcast von NPR und in The Digital Human von BBC Radio vorgestellt. Sein TED-Talk "Why We Get Mad" wurde seit Juni 2019 3,3 Millionen Mal angesehen.
EINLEITUNG
Der Umgang mit wütenden Menschen
Der Moment, in dem mir klar wurde, dass es ein Problem gibt
Ende des Jahres 2021 erhielt ich an einem Nachmittag einen unerwarteten Anruf, der mir zeigte, wie schwierig wütende Menschen im Alltag sein können. Die Anruferin stellte sich als Bibliothekarin vor und meinte, dass eine Freundin ihr von meiner Arbeit berichtet hätte. Und sie fragte mich, ob ich ihre Mitarbeiter im Umgang mit ungehaltenen Besuchern schulen könne.
»Können Sie mir etwas mehr über die Probleme erzählen?«, fragte ich.
»Manche unserer Besucher sind ausgesprochen schwierig«, erwiderte sie. »Unser Personal ist immer wieder mit wütenden, aggressiven Besuchern konfrontiert, und deshalb suchen wir nach Möglichkeiten, besser damit umzugehen.« Sie beschrieb mir einige Fälle, in denen ihr Team der Feindseligkeit der Büchereibesucher ausgesetzt gewesen war. Ihr Bestreben war es nun, Strategien für ihre Mitarbeiter an die Hand zu bekommen, die ihnen helfen könnten, die Anfeindungen nicht persönlich zu nehmen und in solchen Situationen deeskalierend einzuwirken.
In dem Moment wurde mir klar, dass es ein Problem gibt. Ich hatte schon zahlreiche Anfragen für Vorträge zu Themen wie aggressives Verhalten im Straßenverkehr, in Flugzeugen oder Streitereien in der Schule erhalten. Damals steckten wir noch mitten in der Corona-Krise, waren angewiesen, in öffentlichen Räumen Masken zu tragen und Abstand zu halten. All diese Regeln erregten viel Wut bei den Menschen, die gegen Masken waren und die Pandemie als überstanden erachteten. Es gab immer wieder Meldungen über Flugpassagiere, die angeschrien oder gar geschlagen* worden waren. Dies ereignete sich sogar so oft, dass Fluggesellschaften Maßnahmen ergriffen und schärfere Strafen androhten, um Wut- und Aggressionsausbrüche weitgehend zu unterbinden.
Doch irgendwie hatte ich den Eindruck, dass die Situation in der Bibliothek etwas anders gelagert war. Ich selbst habe mich noch nie über eine Bibliothekarin aufgeregt. Im Gegenteil, ich habe eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht. An der Uni arbeite ich mit etlichen zusammen und einige gehören zu meinen besten Kollegen. Als meine Kinder noch klein waren, verbrachten wir manchmal ganze Wochenenden in der Bücherei, aber Probleme gab es dort nie. Ehrlich gesagt, sind die Bibliothekare, mit denen ich gearbeitet habe, auffallend nette und hilfsbereite Menschen, auch wenn das nach einer Verallgemeinerung klingen mag.
Als ich also den Anruf bekam, war mein erster Gedanke: Wie kann es sein, dass wir jetzt so weit sind, dass sogar Bibliothekarinnen angeschrien werden?** Da ich mich nie nur auf meine persönlichen Erfahrungen verlasse, beschloss ich nachzuforschen, ob ich mit meiner Meinung über die Mitarbeiter in einer Bibliothek alleine dastand. Schnell zeigte sich, dass das nicht der Fall war. Zumindest im Jahre 20131 ging eine überwältigende Mehrheit der US-Amerikaner offenbar gern in Büchereien: In einer Umfrage gaben 94 Prozent an, Büchereien als freundliche und angenehme Orte zu empfinden, während 91 Prozent meinten, »selbst noch nie schlechte Erfahrungen mit einer öffentlichen Bücherei gemacht zu haben«. Offen gesagt ist diese allgemeine Wertschätzung von Büchereien womöglich eines der wenigen Dinge, worüber sich die Amerikaner einig sind.
Aber wie passt das mit dem Anruf zusammen? Es lassen sich drei mögliche Erklärungen dafür finden:
1. Das Blatt hat sich seit 2013 gewendet und Büchereien sind zu einem Ort von Wut und Aggression geworden, weshalb auch Anfeindungen gegenüber Mitarbeitern deutlich zugenommen haben. Ich bezweifle, dass dies der Fall ist.
2. Die sechs Prozent der US-Amerikaner, die Büchereien nicht als freundlich und angenehm betrachten, verhalten sich dort wütend und aggressiv. Auch das stimmt meines Erachtens nicht.
3. Es gibt viele Menschen, die Büchereien zwar als freundliche und angenehme Orte empfinden, jedoch schnell die Fassung verlieren, wenn etwas nicht so läuft, wie sie sich das vorstellen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das zutrifft.
Seit diesem Anruf sind die Anfragen nach Schulungen zum Thema Umgang mit wütenden Menschen häufiger geworden. Nicht nur Dienstleister, sondern auch Menschen aus anderen Berufsgruppen berichten mir, dass sie von der Feindseligkeit ihrer Mitmenschen überfordert sind. Und es scheint tatsächlich so, als befänden wir uns derzeit in einer sehr aggressiven Zeit. Auch wenn es keinen internationalen Gradmesser für Wut gibt, deuten die vorliegenden Daten darauf hin, dass die Menschen zurzeit besonders wütend sind, zumindest in den USA. Die Zahl der Meldungen von Wutausbrüchen im Straßenverkehr, einschließlich Schießereien2, ist sehr hoch und viele Lehrer klagen über zunehmende Gewalt an Schulen3. Auch Dienstleister aus unterschiedlichsten Branchen erzählen von wütenden Kunden und Klientinnen. Alles in allem kochen die Emotionen derzeit ziemlich hoch, und Anzeichen dafür, dass sich die Gemüter bald beruhigen werden, gibt es keine.
Zwei Typen von wütenden Menschen
In unserem Alltag gibt es, pauschal gesagt, zwei unterschiedliche Szenarien, wie und wann wir wütenden Menschen begegnen: Entweder handelt es sich, wie oben beschrieben, um eine einmalige Interaktion mit einem fremden Menschen, der sich wegen unserer Arbeit, unseres Fahrstils oder etwas anderem über uns aufregt, weil wir ihm beim Erreichen seiner Ziele im Weg sind oder er sich ungerecht oder schlecht behandelt fühlt. Dabei kann es sich um einen Kunden, eine Besucherin einer öffentlichen Veranstaltung oder die Person im Fahrzeug hinter uns handeln. Wir wissen nichts über diese Person, auch nicht, was sie an diesem Tag schon erlebt hat. Wir haben keine Ahnung, ob sie ständig wütend und feindselig ist oder heute nur zufällig einen schlechten Tag hat. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass wir in diesem Moment ihre Wut abbekommen und sie nach dieser Begegnung vermutlich nie wieder sehen werden.
Der zweite Fall der Interaktion mit einem wütenden Menschen ist in der Regel deutlich komplizierter. Denn hierbei handelt es sich nicht um eine einmalige Begegnung, sondern um eine wütende Persönlichkeit, die wir regelmäßig sehen, vielleicht sogar täglich, wie etwa einen Vorgesetzten, eine Freundin, die Lebenspartnerin, ein Geschwister oder Elternteil oder sogar eines der eigenen Kinder. Das sind keine einmaligen Begegnungen, sondern regelmäßige Auseinandersetzungen. Und die Fähigkeit, mit diesen wütenden Menschen umzugehen, zu arbeiten und zu leben, ist entscheidend für unseren Erfolg und unser Glück.
Dieses Buch soll beim Umgang mit beiden Typen helfen. Diejenigen, die mit vielen wütenden Menschen zu tun haben – sei es aufgrund ihres Jobs (wie etwa Flugbegleiterin, Kellner, Bibliothekarin) oder aus einem anderen Grund –, werden wertvolle Hilfsmittel an die Hand bekommen, um diese einmaligen Interaktionen erfolgreich zu bewältigen. Und diejenigen, in deren Leben eine wütende Person existiert, wird dieses Buch dabei unterstützen, diese besser zu verstehen, mit ihr zu arbeiten und so mit ihr umzugehen, dass sie nicht selbst unter ihrem toxischen Charakter leiden.
GUT ZU WISSEN
Etwa ein Drittel aller Menschen gibt an, gute Freunde oder Familienmitglieder zu kennen, die Probleme mit Wut haben.4
Für wen ist dieses Buch?
Dieses Buch ist für alle Menschen, die Hilfe suchen, um die Herausforderungen, die das Leben mit einer wütenden Person oder mehreren wütenden Personen mit sich bringt, zu bewältigen. Hierzu zählt auch das Arbeitsleben, in dem man es regelmäßig mit wütenden Menschen zu tun haben kann. Hilfreich ist dieses Buch ebenso für Menschen, die ständig mit einer bestimmten Person konfrontiert sind, die ein Wutproblem hat, dazu zählen:
• der Liebespartner oder die Liebespartnerin, der oder die oft wütend wird und sich dann so verhält, dass Sie sich unwohl dabei fühlen,
• das eigene Kind, das ständig wütend wird,
• ein Elternteil oder gar beide Eltern, die oft ausrasten, verletzende Dinge sagen oder Sie zwingen, permanent auf der Hut zu sein,
• der Vorgesetzte oder eine Kollegin, die Sie schnell angreifen und bei der Arbeit verunsichern oder ängstigen,
• eine befreundete Person, deren Wut Ihr gutes Verhältnis zueinander erschwert.
Für wen ist dieses Buch nicht?
Dieses Buch ist nicht für Menschen, die in einer toxischen Beziehung leben. Ebenso wenig für Personen, die regelmäßig von einer wütenden Person aus ihrem Umfeld physisch oder psychisch verletzt werden. Wer in einer toxischen Beziehung lebt – damit sind Verhaltensmuster gemeint, die von einem Partner benutzt werden, um Macht und Kontrolle über den jeweiligen Partner zu erhalten5 –, dem rate ich, dieses Buch wegzulegen und sich Hilfe zu holen, um sich aus dieser Beziehung zu lösen....
Erscheint lt. Verlag | 17.10.2024 |
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Übersetzer | Gerrit ten Bloemendal |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | Aggression • Alltagspsychologie • Angewandte Psychologie • Arbeitsalltag • Ärger • Beziehungen • Coaching • Familie • Familienalltag • Gewaltfreie Kommunikation • Kommunikation • Kommunikations-Ratgeber • Konflikte • Konflikte lösen • Konfliktkompetenz • Körpersprache • Lebenshilfe • Lebenshilfe Coaching • Mindset • Narzisten • negative Gefühle • Persönlichkeitsentwicklung • Psychologie • Psychologie-Buch • psychologie bücher • Ratgeber • Ratgeber Emotionen • Ratgeber gewaltfreie Kommunikation • ratgeber kommunikation • Ratgeber Psychologie • ratgeber wut • Sachbuch Coaching • Sachbuch Kommunikation • Sachbuch Lebenshilfe • Sachbuch Psychologie • Sachbuch softskills • Soft Skills • toxische Beziehung • toxische freundschaft • toxische menschen • Umgang mit schwierigen Kollegen • Umgang mit schwierigen Menschen • Umgang mit Wut • Wertschätzende Kommunikation • wütend • wütende Menschen |
ISBN-10 | 3-95728-932-7 / 3957289327 |
ISBN-13 | 978-3-95728-932-2 / 9783957289322 |
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Größe: 1,3 MB
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