Einander neu entdecken (eBook)
221 Seiten
Carl-Auer Verlag
978-3-8497-8498-0 (ISBN)
Roland Kachler, Dipl.-Psych. und Psychologischer Psychotherapeut, Klinischer Transaktionsanalytiker, Supervisor (EZI), Systemischer Paar- und Sexualtherapeut; Fortbildungen u. a. in Hypnotherapie, Ego-State-Therapie, EMDR, Traumatherapie (PITT); leitete von 1990-2013 eine Psychologische Beratungsstelle in Esslingen; Mitarbeit bei der Landesstelle der Psychologischen Beratungsstellen Stuttgart; eigene psychotherapeutische Praxis. Schwerpunkte: Psychotherapie, Paar- und Sexualtherapie, Trauerbegleitung und Trauertherapie; Vorträge und Workshops zu verschiedensten psychologischen Themen, bes. Trauer, Partnerschaft, Familie, Erziehungsthemen.
Roland Kachler, Dipl.-Psych. und Psychologischer Psychotherapeut, Klinischer Transaktionsanalytiker, Supervisor (EZI), Systemischer Paar- und Sexualtherapeut; Fortbildungen u. a. in Hypnotherapie, Ego-State-Therapie, EMDR, Traumatherapie (PITT); leitete von 1990–2013 eine Psychologische Beratungsstelle in Esslingen; Mitarbeit bei der Landesstelle der Psychologischen Beratungsstellen Stuttgart; eigene psychotherapeutische Praxis. Schwerpunkte: Psychotherapie, Paar- und Sexualtherapie, Trauerbegleitung und Trauertherapie; Vorträge und Workshops zu verschiedensten psychologischen Themen, bes. Trauer, Partnerschaft, Familie, Erziehungsthemen.
1 Warum Ego-State-Arbeit in der Paartherapie? Ausgangspunkt und Ziel einer Paartherapie
Fallbeispiel 1
Ehepaar Bertold – Kampf um Autonomie und Verlassenwerden
Das Paar, beide etwa 40 Jahre, zwei Kinder im Alter von fünf und neun Jahren, kommt in die Paartherapie, weil es massive Konflikte gibt. Diese entstehen immer dann, wenn er – in seinem Beruf sehr engagiert – beruflich über mehrere Tage wegfährt. Sie fühlt sich dann immer wieder allein und mit den Kindern im Stich gelassen. Anfangs war sie traurig darüber, inzwischen ist sie ärgerlich und äußert dies in massiven Vorwürfen. Er entzieht sich dem Gespräch und fühlt sich ständig kritisiert. Zudem sieht er sich in seiner beruflichen Karriere von ihr blockiert. Die Streitigkeiten eskalieren immer stärker, und bei beiden gibt es Trennungsimpulse.
1.1 Warum kommen Paare in die Paartherapie?
Paare kommen dann, wenn ihre erlebten Probleme sehr massiv werden und bei einem oder bei beiden Partnern schweres Leid verursachen. Die bisherigen Lösungsversuche des Paares haben das Problem nicht lösen können. Im Gegenteil: Meist wurden dadurch die Probleme des Paares unglücklicherweise, aber theoretisch verständlich, noch schwerwiegender. Meist haben die Partner versucht, ihre Themen rational in Diskussionen zu lösen. Dabei hat sich das Paar verstrickt, die Diskussionen eskalierten und wurden abwertend oder verletzend. Dies verstärkte die destruktive Dynamik des Paares, was wiederum die Partner zu weiteren Strategien der Abwertung und Verletzung greifen ließ.
Paare kommen deshalb in einem hoch emotionalisierten Zustand einer latenten oder offenen Feindseligkeit und Aggressivität. Darunter liegen Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht, die aus den negativ verlaufenden zirkulären Prozessen resultieren. Wir werden sehen, dass genau hier die enttäuschten und verletzten Kind-Ego-States des Paares beteiligt sind und miteinander im Clinch liegen. Schon deshalb sind rationale Lösungen in einer Diskussion nicht mehr möglich, vielmehr ist eine Lösung nur über die Emotionen, über die enttäuschten und verletzten Bedürfnisse und schließlich eben über die relevanten Kind-Ego-States der Partner möglich.
Paare kommen aus ihrer Not heraus mit dem Wunsch nach einer Lösung, dabei haben sie verständlicherweise meist folgende problematische, oft teils unbewusste Lösungsvorstellungen, die auf die magischen Erlösungswünsche der beteiligten Kind-Ego-States zurückgehen:
1.1.1 Der Wunsch nach magischen Lösungen
Die Partner erhoffen sich für ihre partnerschaftlichen Probleme eine Lösung. Diese soll:
- rasch und »auf Knopfdruck« eintreten
- das konkrete Problem des Paares beseitigen
- durch das Befolgen einfacher Rezepte und Verhaltensanweisungen möglich werden
- durch den Paartherapeuten und weniger durch eigene Veränderung bewirkt werden
- durch die Parteinahme des Paartherapeuten ermöglicht werden
- dadurch geschehen, dass der Paartherapeut den anderen Partner zur Einsicht bewegt oder verändert
- das Problem ganz und gar und ein für alle Mal »wegmachen«.
Auch wenn die Partner rational wissen, dass diese Vorstellung unrealistisch ist, sind diese Wünsche doch aus ihrem großen Leidensdruck und aus ihrem jeweiligen relevanten Kind-Ego-State in jeder Paartherapie präsent und wirksam.
Beachte!
Paare kommen in die Paartherapie mit Gefühlen der Feindseligkeit, Ohnmacht, Verzweiflung oder Resignation. Deshalb haben sie magische Lösungsvorstellungen aus ihrem relevanten Kind-Ego-State, die an den Paartherapeuten gerichtet werden.
Methode2: Konfrontation mit magischen Lösungswünschen und Vertragsangebot
Als Paartherapeuten sprechen wir diese Erwartungshaltung im Erstgespräch an, würdigen sie als verständlich und benennen einfühlsam, aber klar die Unerfüllbarkeit dieser Vorstellungen. Dann bieten wir in einem Vertragsangebot eine andere, nämlich konstruktive und langfristig wirksame Transformation der Paardynamik und -struktur an. Wir erläutern dies näher und bitten beide Partner um Zustimmung für einen längeren, intensiven Arbeitsprozess, der vor allem auch die Arbeit an der eigenen Person und damit den jeweiligen relevanten Kind-Ego-State umfasst.
1.1.2 Der Wunsch, die Paarbeziehung zu retten
Nicht selten kommen die Partner trotz ihrer sehr verfahrenen Situation oder massiv verletzenden gegenseitigen Entwürdigungen mit dem Wunsch, dass die Paartherapie das Fortbestehen der Paarbeziehung ermöglicht oder sichert. Auch dieses Anliegen greifen wir würdigend auf, stellen aber klar, dass es dafür auch durch die Paartherapie keine Garantie gibt. Vielmehr besteht das Risiko, dass gerade die Paartherapie in eine Trennung führen kann. Schließlich kann die Lösung einer Paarproblematik auch in der Trennung des Paares liegen.
1.1.3 Der Wunsch, die Trennungsabsicht bestätigt zu bekommen
Doch auch das Gegenteil ist nicht selten der Fall: Ein Partner hat die bewusste oder unbewusste Absicht, sich zu trennen. Er will dies – meist nicht offen – vom Paartherapeuten bestätigt bekommen und arbeitet häufig selbst, bzw. durch seinen relevanten Kind-Ego-State oder Eltern-Ego-State, am Scheitern der Paartherapie. Die Paartherapie besteht für ihn also in einer Bestätigung der eigenen bewussten oder unbewussten Trennungsabsichten.
1.2 Welche Paare kommen in die Paartherapie?
In einer allerersten diagnostischen Einschätzung, die sich meist schon über den Anmeldegrund und über erste Hinweise bei der Anmeldung ergibt, können wir die Paare, die zur Paartherapie kommen, grob in sechs Gruppen einteilen. Dies hilft uns als Paartherapeuten zunächst zu entscheiden, ob wir mit diesem Paar überhaupt arbeiten wollen und können. Zudem wird klar, ob zuerst eine Krisenintervention, eine Entscheidungs- oder eine Trennungsberatung für das angemeldete Paar ansteht.
- Stabil-eskalierende Konfliktpaare
Diese Paare, oft als Streitpaare bezeichnet, kommen mit massiv eskalierenden Streitigkeiten, die sich an kleinsten Missverständnissen entzünden. Meist gibt es kein benanntes Streitthema, vielmehr kann jedes Paarthema zur Eskalation führen. Hier ist also der destruktive Streit selbst das Paarproblem. Manchen Streitpaaren gelingt es, immer wieder Wege aus den Streitigkeiten zu finden (zum Beispiel über Versöhnungssex), die meisten Paare aber befinden sich in einer Abwärtsspirale mit immer massiveren Streitigkeiten bis hin zur körperlichen Gewalt oder Angriffen auf die Person des anderen in Form von Demütigungen und Entwürdigungen. Hier agieren die Kind-Ego-States aus ihren Verletzungen und Bedürftigkeiten heraus mit ihren früheren, erlernten destruktiven Verhaltensstrategien.
- Stabil-verstrickte Problempaare
Stabil verstrickte Problempaare sind über ein beiden Beteiligten bekanntes und benanntes Problem miteinander verstrickt. Zum Beispiel ist ein sexuelles Problem oder der Umgang mit den Kindern Ausgangspunkt und emotionaler Kern der immer wieder gleich ablaufenden Diskussionen und Streitigkeiten. Häufig ist eine dritte Größe (häufig die Kinder, in anderen Fällen die Eltern oder Schwiegereltern eines Partners) im Spiel, um die sich die Konflikte und damit das Paar in einem ausweglosen Kreisen drehen. Hier findet eine Triangulierung eines Partners statt, dessen relevanter Kind-Ego-State sich an ein Drittes, zum Beispiel an ein Suchtmittel wie den Alkohol, bindet und den anderen Partner damit ausschließt.
- Stabil-distanzierte und entfremdete Paare
Hier haben sich die Partner über längere Zeit distanziert und entfremdet, sodass wenig emotionaler Austausch stattfindet. Dies kann zum Beispiel besonders nach der Erziehungsphase schmerzlich deutlich werden. Häufig wird die Distanzierung von einem Partner eingebracht, und der andere fühlt sich zu Unrecht angeklagt. In manchen Fällen gab es von Beginn der Beziehung an keine intensive Verliebtheit bei einem oder beiden Partnern, sodass dieses Paar eine intensive emotionale Nähe gar nicht kennt. In den meisten Fällen ist die Entfremdung das Ergebnis eines Rückzuges aus langen ungelösten Konflikten oder Verletzungen. Auch hier sind in aller Regel wieder die Kind-Ego-States der Partner beteiligt, die frühe Strategien des Rückzugs und des »Schmollens« ausagieren. Verhaltensorientierte Maßnahmen wie der Impuls, mehr Zeit miteinander zu verbringen, führen deshalb meist nur zu einer kurzfristigen Veränderung.
- Instabile Paare in einer akuten Beziehungskrise
Diese Paare suchen die Paartherapie in einer akuten Paarkrise auf, in der die Paarbeziehung selbst gefährdet ist oder von einem der Partner in Frage gestellt wird. Solche akuten Krisen eines Paares entstehen...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2024 |
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Reihe/Serie | Systemische Therapie |
Verlagsort | Heidelberg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Ego-States • Ego-State-Therapie • hypnosystemisch • Innere-Kind-Arbeit • Methoden der Paarberatung • Paarberatung • Paarkonflikte • Paarprobleme • Paartherapie • Partnerschaftsprobleme • Systemische Beratung • Systemische Therapie • Unbewusster Paarvertrag |
ISBN-10 | 3-8497-8498-3 / 3849784983 |
ISBN-13 | 978-3-8497-8498-0 / 9783849784980 |
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