Bettina Sharada Bäumer - ein Leben zwischen Indien und Europa (eBook)

Biographische Studie zur interreligiösen Existenz der österreichischen Religionswissenschaftlerin. Band 1: 'Man muss flexibel sein!'. Kindheit und Jugend (1940-1964)
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2024 | 1. Auflage
322 Seiten
Tyrolia (Verlag)
978-3-7022-4166-7 (ISBN)

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Bettina Sharada Bäumer - ein Leben zwischen Indien und Europa -  Christian Hackbarth-Johnson
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Die 1940 in Salzburg geborene Religionswissenschaftlerin und Indologin Bettina Sharada Bäumer ist eine Pionierin des Dialogs zwischen Christentum und Hinduismus und eine Brückenbauerin zwischen den Kulturen Indiens und Europas. Der erste Band dieser biographischen Studie beschreibt den zeitgeschichtlichen Kontext ihrer Herkunft aus einer Künstlerfamilie mit jüdischen Wurzeln, das Überleben der Familie in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur und das Aufwachsen in der Nachkriegszeit. Die Begegnung mit dem hispano-indischen Priester und Theologen Raimon Panikkar im Jahr 1961 bringt die junge Studentin der Evangelischen Theologie in Verbindung mit der Bewegung des spirituellen interreligiösen Dialogs und lenkt ihren Weg zunächst nach Rom. Dort erlebt sie den Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils und konvertiert zur katholischen Kirche. 1963 reist sie zum ersten Mal nach Indien, wo sie sich später dauerhaft niederlassen und 2011 die indische Staatsbürgerschaft annehmen wird.

CHRISTIAN HACKBARTH-JOHNSON, Dr. theol., geb. 1964, Studium der Ev. Theologie in Tübingen, Wien und München (1984-1993), Vikariat in der Ev. Luth. Kirche in Bayern (1994-1996), Promotionsstudium an der LMU München (1998-2002), freiberufliche Ar-beit in der religiösen und spirituellen Erwachsenenbildung als Religionswissenschaftler und Lehrer für Zen und Yoga, interreligiöse Reiseseminare in Indien auf den Spuren von Swami Abhishiktananda (2005-2016), Postdoc im FWF-Forschungsprojekt zur interreligiö-sen Biographie von Bettina Bäumer an der Universität Salzburg (2016-2019).

CHRISTIAN HACKBARTH-JOHNSON, Dr. theol., geb. 1964, Studium der Ev. Theologie in Tübingen, Wien und München (1984–1993), Vikariat in der Ev. Luth. Kirche in Bayern (1994–1996), Promotionsstudium an der LMU München (1998–2002), freiberufliche Ar-beit in der religiösen und spirituellen Erwachsenenbildung als Religionswissenschaftler und Lehrer für Zen und Yoga, interreligiöse Reiseseminare in Indien auf den Spuren von Swami Abhishiktananda (2005–2016), Postdoc im FWF-Forschungsprojekt zur interreligiö-sen Biographie von Bettina Bäumer an der Universität Salzburg (2016–2019).

II. „Man muss flexibel sein“ –die Begegnung mit R. Panikkar


Ich muss jetzt Gāyatrī zuendebringen.

Ich kann mich auf die Hilfe und Hingabe von Sh verlassen,

auch wenn ich weiterhin B als die Person ansehe,

die mich in einem gewissen Sinn (das ist intellektuell)

am besten versteht.

Raimon Panikkar35

1

Indien trat in den Horizont der 21-jährigen Studentin der evangelischen Theologie Bettina Bäumer in Gestalt des katholischen Priesters Raimon Panikkar, halb spanischer, halb indischer Abkunft, dem sie am 28. September 196136 in Salzburg begegnete. Panikkar war im wissenschaftlichen Beirat der Salzburger „Zeitschrift für Religionswissenschaft und Theologie“ KAIROS37, die ab 1959 erschien und von dem Religionswissenschaftler Matthias Vereno (1922–2009) als Schriftleiter betreut wurde. Panikkars Betrachtung über Melchisedek38 war der erste Artikel in der ersten Ausgabe der Zeitschrift; er verfasste zahlreiche weitere Artikel, Berichte, Briefe und Rezensionen.

Matthias Vereno39, der 1953 beim Tübinger Indologen und Religionswissenschaftler Helmuth von Glasenapp (1891–1963)40 über Die spirituelle Nachfolge in Ost und West promoviert hatte, war nach einem Vortrag im Jahr 1955 bei den Salzburger Hochschulwochen über Mythos und Offenbarung mit seiner Familie nach Salzburg gezogen und erhielt eine Anstellung in dem von Prof. Thomas Michels OSB41 geleiteten und vom Salzburger Universitätsverein getragenen Institut für Religionswissenschaft und christliches Altertum auf der über Altstadt und Festspielhaus gelegenen Edmundsburg. Vom 26.–29. September 1961 organisierte das Institut unter dem neuen Namen Institut für Universalgeschichte, das in das im August 1961 neu gegründete Internationale Forschungszentrum für Grundfragen der Wissenschaften integriert worden war42, ein erstes internationales Symposium mit dem Titel Die universalgeschichtliche Bedeutung des europäischen Geistes, für das unter anderen der katholische Theologe Karl Rahner SJ aus Innsbruck, der Altphilologe und Neuplatonismus-Experte Endre von Ivánka aus Graz und eben Raymond Panikkar aus Rom als Hauptredner eingeladen waren. Panikkars Vortrag behandelte Die Spiritualität Indiens.43

Abb. 1: Symposium im Institut für Universalgeschichte, Salzburg vom 26.–29.9.1961. Raymond Panikkar 3.v.l. im Gespräch mit Endre von Ivánka, rechts daneben Hilde Bresgen; ganz rechts Karl Rahner SJ (Privatarchiv B. Bäumer)

Panikkar war 1958 von einem vierjährigen Aufenthalt in Indien zurückgekehrt, bei dem er sich in Kultur und Religion seines Vaters vertieft hatte, der 1954 verstorben war, ohne dass er sich mit ihm zuvor hatte versöhnen können.44 Ramuni Pániker (1885–1954) war 1904 über ein Stipendium nach England gekommen, wo er seine naturwissenschaftlichen Studien fortsetzte und darauf als Chemiker in Deutschland (als englischer Staatsbürger in einem englischen Unternehmen) in der Lederindustrie arbeitete. 1916, während des 1. Weltkriegs, emigrierte er aus Deutschland ins neutrale Spanien. Er lernte die 20jährige katholische Katalanin Carmen Alemany (1895–1967) kennen, heiratete sie45 und baute in Barcelona ein Industrieunternehmen (Klebstoffherstellung und Lederverarbeitung) auf. In der Nacht vom 2. auf den 3.11.1918 kam mit Ramon ihr erster Sohn zur Welt.46 Nach traumatischen Erfahrungen im Spanischen Bürgerkrieg – die Familie floh nach Frankreich, die Kinder wurden nach Deutschland ins Exil geschickt, wo Panikkar Chemie und Philosophie studierte – war Panikkar, der inzwischen in Madrid Literaturwissenschaften, Philosophie und Theologie studierte47, 1940 dem Opus Dei beigetreten. Gegen die Bitte seines Vaters, für einige Jahre die chemische Fabrik zu leiten, die er in dem 1920er Jahren in Barcelona aufgebaut hatte, ließ er sich auf Drängen des Gründers von Opus Dei, Josemaría Escrivá de Balaguer, am 29.9.1946 zum Priester weihen.48 In Indien lernte Panikkar die Pioniere des hinduistisch-christlichen Dialogs kennen, freundete sich insbesondere mit Henri Le Saux / Swami Abhishiktananda an und wurde in der Folge einer der wichtigsten Vertreter der interreligiösen Bewegung im Christentum. Wieder zurück in Europa, reichte er seine theologische Doktorarbeit ein, die 1961 angenommen und 1964 unter dem Titel „The Unknown Christ of Hinduism“ zunächst in englischer, bald auch in deutscher Sprache veröffentlicht wurde.49 Von 1959 bis Ende 1963 wirkte er in Rom als Seelsorger für internationale Studierende und hielt Vorlesungen und Seminare an der Sapienza Universität. Über ein weitgespanntes Netz akademischer und kirchlicher Beziehungen, die bis in die 1940er Jahre zurückreichen, wird der polyglotte Theologe als Referent und Gesprächspartner international eingeladen, besonders auch in Deutschland. So trug er beim 27. Eucharistischen Weltkongress (31.7.–7.8.1960) in München, der dem Thema Der Kult und der heutige Mensch gewidmet war50– übrigens die erste internationale Großveranstaltung in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg – als indischen Beitrag eine Studie vor, die in erweiterter Form später unter dem Titel Kultmysterium in Hinduismus und Christentum veröffentlicht wurde.51 Bevor Panikkar im September 1961 nach Salzburg kam, hatte Bettina Bäumer über ihn „soviel schon gehört“, wie sie ein Jahr später in einer Tagebuchnotiz schreibt.52

Der Kontakt kam zustande über Matthias Vereno und seine Assistentin Hilde Bresgen, die mit der religiös interessierten Familie Bäumer befreundet und regelmäßige Gäste in dem von Bettina Bäumers Mutter Valerie Bäumer unterhaltenen religiösen Gesprächskreis in ihrem 1959 gebauten Haus in der Thumeggerstraße waren. Wie bereits bei anderen illustren Gästen zuvor53, wurde die Familie Bäumer im Vorfeld der Salzburger Tagung über den Besuch des indisch-spanischen katholischen Priesters und Theologen von Vereno und Bresgen in Kenntnis gesetzt, und dieser in den Kreis eingeladen. Panikkar sagte seinen Besuch zu, wie ein Brief Eduard Bäumers, des Vaters von Bettina Bäumer, an die Tochter belegt, den er aus Italien am 14.9.1961 schrieb und in welchem er bat, sie möge Panikkar54 von ihm grüßen, vielleicht sehe er ihn ja später in Rom. Hilde Bresgen machte zudem aufmerksam auf die Messe, die Panikkar am 28.9. in der Franziskanerkirche halten würde. Diese Messfeier war Bäumers erste Begegnung mit ihrem künftigen Lehrer, worüber Bettina Bäumer in einem Tagebucheintrag ein Jahr später reflektiert:

Am 28. September 1961 lernte ich Panikkar kennen – welch ein Geheimnis, da ich so innig mit dem Tag (der Nacht!) des heiligen Michael verbunden bin! (ich bekam es heraus auf Grund des Meßtextes Matth. 10,34f.) die Messe mit diesem Text war das erste, was ich mit ihm erlebte – welch ein Zeichen! (ich weiß es jetzt, daß ich ihn da, in der Franziskanerkirche, zum erstenmal sah, da ich immer versuchte, die Augenblicke des Dominus vobiscum zu erwischen, um ihn zu sehen, von dem ich soviel schon gehört habe). Außerdem war er am nächsten Tag – Michael – bei uns und erwähnte, daß es der Tag seiner Priesterweihe wäre (erzählte, wie er daher allein sein wollte u. am Mönchsberg herumkletterte, über die Mauer sprang …).55

Im Interview vom 24.5.2017, wo auch die Formulierung fiel, die ich für diesen Band als Titel gewählt habe, erinnert sie sich an den Besuch in der elterlichen Wohnung als vermeintlich erste Begegnung56:

Er kam also zu uns nachhause, und diese Szene kann ich niemals vergessen, denn er sprang unmittelbar auf das Sofa und saß mit gekreuzten Beinen, was in unserer Gesellschaft überhaupt nicht üblich war. Und er sagte diesen einen Satz, den ich nie vergessen werde: „Man muss flexibel sein.57 Dann wurde geredet, er hielt einen Vortrag, ich habe keine Ahnung mehr, was das Thema war und was gesprochen wurde. Und als er dann gehen wollte, sah er mich, in dem Sinn, er sah meinen Zustand, dass ich auf der Suche war. Als er also nach dem Treffen, der Diskussion, dem Teetrinken usw. gehen wollte, sah er mich an und sagte: Beten Sie für mich! Ich dachte, wie kann ich für ihn beten? Er ist ein spiritueller Mensch und ich weiß nicht mal wie man betet. Das hat mich getroffen.

Und dann wusste ich von derselben Freundin meiner Mutter, dass er eine Messe in einer der Kirchen halten würde, in einer Seitenkapelle der Franziskanerkirche. Ich war zwar nicht katholisch, aber war von seiner Persönlichkeit angezogen. Ich ging also, um an dieser Messe teilzunehmen, und es war sehr tief. Er war so identifiziert mit dem, was er zelebrierte, nicht das übliche Ablesen eines Textes.58

Als sie am nächsten Tag, es muss der 30. September gewesen sein, dem Tag nach seinem Besuch in der...

Erscheint lt. Verlag 22.8.2024
Reihe/Serie Salzburger Theologische Studien
Verlagsort Innsbruck
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Erkenntnistheorie / Wissenschaftstheorie
Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte Hinduismus • Indien • Interkulturell • interreligiöser Dialog • Raimon Panikkar • Religionswissenschaft • Salzburger Theologische Studien • Shivaismus • spiritueller interreligiöser Dialog
ISBN-10 3-7022-4166-3 / 3702241663
ISBN-13 978-3-7022-4166-7 / 9783702241667
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