Die Welt in einer Schale Tee (eBook)

Leben auf dem japanischen Teeweg
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2024 | 1. Auflage
307 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-34407-6 (ISBN)

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Die Welt in einer Schale Tee -  Gerhardt Staufenbiel
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Die japanische Teezeremonie oder der Teeweg wird aus einer jahrzehntelangen Erfahrung auf dem Weg aus den alten Dokumenten und eigenen Erfahrungen dargestellt. Nicht nur das Teetrinken als Übungsform zur Entwicklung der Person, sondern auch die kulturellen Hintergründe bis hin zur japanischen Poesie werden behandelt. Im ersten Band werden die Ursprünge aus dem chinesischen Buddhismus, der Tranfer nach Japan und der allmähliche Japanisierungsprozess dargestellt. Der Teeweg wurde auf diesem Weg ein wesentlicher Aspekt der japanischen Kultur, der heute seinen Weg auch in den Westen findet. Der Teeweg ist nicht nur eine Angelegenheit der japanischen Kultur, sondern auch ein Lebensweg, der für westliche Menschen lebbar und erfahrbar wird. Viele Texte aus der Geschichte des Teeweges und der alten japanischen Kultur sind hier erstmalig in einer westlichen Sprache zugänglich.

Der Autor blickt auf eine Jahrzehnte lange Erfahrung als Philosophie Dozent zurück. Aber auch die japanischen Übungswege des Zen, der Teezeremonie haben sein Denken geprägt. Langjähriger Lehrer, Gründer und Leiter des My?shin An, D?j?s für Zenkünste und der Zen Shakuhachi . Er ist Verfasser einer ganzen Reihe von Büchern über die Zenkünste, Hölderlin und Zenmeister D?gen, die immer aus dem Dialog zwischen dem Abendland und dem fernen Osten geprägt sind. Sein Bemühen gilt dem Dialog zwischen dem abendländischen Denken und dem Denken und der Praxis des japanischen Zen und des chinesischen Denkens im Daoismus.

Der Autor blickt auf eine Jahrzehnte lange Erfahrung als Philosophie Dozent zurück. Aber auch die japanischen Übungswege des Zen, der Teezeremonie haben sein Denken geprägt. Langjähriger Lehrer, Gründer und Leiter des Myōshin An, Dōjōs für Zenkünste und der Zen Shakuhachi . Er ist Verfasser einer ganzen Reihe von Büchern über die Zenkünste, Hölderlin und Zenmeister Dōgen, die immer aus dem Dialog zwischen dem Abendland und dem fernen Osten geprägt sind. Sein Bemühen gilt dem Dialog zwischen dem abendländischen Denken und dem Denken und der Praxis des japanischen Zen und des chinesischen Denkens im Daoismus.

Abb. 10 Am Jiashan

In einer Kunsthochschule in Hangzhou erlebten wir den Versuch der Studenten, die alten Teezeremonien aus der Tang-Zeit [39] zu rekonstruieren. Ein Student bereitete mit japanischen Utensilien in einer Teezeremonie, die der heutigen japanischen Zeremonie ähnelte, einen schaumig geschlagenen Matcha zu. Dabei benutzte er den Pulvertee, der aus Japan importiert worden war. Eine junge Frau knetete gleichzeitig in einer anderen Teeschale einen dicken Teebrei, wie er in Japan als Koicha getrunken wird. Dann malte sie mit einem feinen Stift aus Bambus mit dem dicken Teebrei auf die Oberfläche des schaumig geschlagenen Tees ein kleines Bild im Stil der Tuschemalerei. Es zeigt einen Teetrinker, der in einem Buch liest, unter einem blühenden Zweig, wohl einer Pflaumenblüte. Vermutlich liest er ein Gedicht über Pflaumenblüten, die in der Nacht die ihren süßen Duft verbreiten.

 

Abb. 11 Studenten in Hanzhou
Abb. 12 Poetischer Tee

Überall auf unserer Reise war zu sehen, mit welcher Begeisterung die jungen Menschen versuchen, die verschwundene alte Kultur der Tangzeit wiederzubeleben.

Nicht nur die tangzeitliche Kultur war verschwunden. Während der Kulturrevolution Maos wurden die Zen-Tempel total zerstört, die Priester und Mönche verfolgt und getötet.

Alles kam aus China, nicht nur der Zen, sondern auch die Kunst des Teeweges. Aber spätestens mit Maos Kulturrevolution war das alte Wissen untergegangen. Die Tempel wurden zerstört und die Mönche und Priester verfolgt und getötet. Vom einst so bedeutenden riesigen Yaoshan-Tempel war nur noch eine zerbrochene Steinstele erhalten.

Nun kamen Menschen aus Deutschland und erzählten in China von der alten Kultur. Aber als ich meinen Vortrag über Zen und Tee am Yoashan-Tempel hielt, begann eine junge Frau ganz spontan mit einem Tanz einer Taichi-Form. Sie hatte diese Kunst von einem alten Mann gelernt, der sich während der Kulturreform weitgehend versteckt gehalten hatte und der die uralte Kunst im verborgenen weiter gepflegt und unterrichtet hatte. Das ist die Stärke der alten Daoisten. Sie verschwanden in Krisenzeiten in den Bergen und übten im Verborgenen weiter ihre Kunst. Die Zenmönche waren in Tempel und Gemeinschaften organisiert. Sie wurden in Gefängnisse geworfen oder getötet. So muss der Chan in China wieder langsam nach seiner alten Tradition suchen.

 

 

6. Schneeflocken am Yaoshan Tempel


Wir fuhren von Jiashan weiter zum Yaoshan Tempel, der für chinesische Verhältnisse ganz in der Nähe liegt – etwa eine Stunde Autofahrt. Der Yaoshan shi 藥山, der Medizinkraut-Berg-Tempel, ist ein sehr alter und bedeutender Tempel. Der berühmteste Meister dieses Tempels wurde nach dem Berg genannt, an dem dieser Tempel liegt Yaoshan. [40] Yaoshan Weiyan ist der Medizin- oder Heilkräuterberg, Weiyan 惟儼 kann gelesen werden als ‚denken würdevoll‘. Yaoshan Weiyan ist der Begründer des Sōto-Zen, den der japanische Meister Dōgen nach Japan brachte.

Er ist immer wieder bei dem japanischen Zenmeister Dogen erwähnt. In meinem Buch über Dogen und Hölderlin (Im Garten der Stille) wird das Gedicht eines `alten Buddha` zitiert:

Ein alter Buddha sagt:

Zu einer Zeit (Ū-JI 有時) auf dem hohen, hohen Berggipfel stehen, zu einer Zeit auf dem tiefen, tiefen Meeresgrund gehen. Zu einer Zeit der dreiköpfige, achtarmige Wächtergott, zu einer Zeit der bald sechzehn Fuß und bald acht Fuß große Buddha. Zu einer Zeit Stab und Wedel, zu einer Zeit Pfeiler und Gartenlaterne, zu einer Zeit Hinz und Kunz, zu einer Zeit große Erde und leerer Himmel.

Dieser `alte Buddha` ist niemand anderes als Yakusan Igen wie er auf japanisch heißt oder mit seinem chinesischen Namen Meister Yaoshan Weiyan.

Yaoshan war ein bedeutender Zenmeister der alten Zeit. Er hatte einen großen Einfluss auf den japanischen Begründer des Sōtō-Zen Dōgen Zenji, der ihn in seinem Werk Shōbōgenzō immer wieder erwähnt.

In seiner Schrift über das Zazen, dem Zazenshin, der ‚Bambusnadel des Zazen‘ schildert er eine Begebenheit aus dem Leben des Yaoshan, den die Japaner Yakusan nennen.

Einst saß der große Meister Yakusan unbeweglich wie ein Berg als ein Mönch ihn fragte: „Was denkt ihr, wenn ihr so unbeweglich seid?“
Yakusan antwortete: „Ich denke aus dem Grund des Nicht-Denkens!“ [41]
Der Mönch fragte: „Wie denkst du aus dem Grund des Nicht-Denkens?“ Yakusan antwortete: „Nicht-Denken!“ [42]

Das Nicht-Denken (非思量 Hi-shiryō), ist etwas anderes, als das Loslassen oder das Abschneiden von Gedanken (不思量 Fu-shiryō), die gerade eben versuchen, ins Bewusstsein zu steigen. Das eigentliche Nicht-Denken unterdrückt keine Gedanken. Es ist einfach ein völlig wacher Zustand jenseits jeden Denkens. Dieser Zustand ist für Zenmeister Dōgen der Inbegriff der Meditation im Sitzen, dem Za-Zen.

Aber Yaoshan denkt nicht nur das Nicht-Denken, er tut auch das Nicht-Tun.

Eines Tages saß Yaoshan in Meditation, als ihn Shitou [43] fragte: „Was tust du da?“ Yaoshan antwortete: Ich tue nicht ein Ding!“ Shitou meinte: „Das sieht seht nach faul herumsitzen aus!“ Yaoshan antwortete: „Wenn ich faul herumsitzen würde, dann täte ich ja etwas!“ [44]

Scherzhaft sagen wir oft: Besser meditieren, als einfach nur herumsitzen! Das, was von außen gesehen wie ein müßiges Herumsitzen aussieht, ist in Wahrheit ein waches Sitzen im Nicht-Tun und im Nicht-Denken. Auch der Versuch, die Gedanken, die im Geist erscheinen anzuhalten, ist bereits ein Tun. Das Nicht-Denken und das nicht tun kann in der Zen-Meditation geübt werden, einfacher aber ist es im Teeweg. Solange man noch an der Form hängt und ängstlich denkt, was denn als Nächstes zu tun ist, solange verwirklichen sich das Nicht-Tun und das Nicht-Denken noch nicht. Erst wenn man hellwach ohne jeden Gedanken und ‚ohne die Hand zu benutzen‘ Tee bereitet, geschieht das Nicht-Tun und das Nicht-Denken.

Dieses Nicht-Tun ist verwandt mit dem Wu-wei des Daodejing. Im Kapitel 37 heißt es:

道常 無為, 而無 不為
dào cháng wú wéi, ér wú bù wéi

Dao stets ohne Tun dennoch nicht Nicht-Tun.
Dao ist stets ohne Tun, dennoch bleibt nichts ungetan.

Der Fluss tut nichts und nichts wird mit ihm getan. Er wird nicht gezogen und auch nicht geschoben. Er fließt ganz einfach, weil es seine Natur ist. Das Wasser fließt einfach dorthin, wo es seiner Natur nach hingehört. Erst wenn der Mensch gewaltsam eingreift, kann er das Fließen des Flusses verändern. Mit allen zunächst positiven und negativen Folgen.

Abb. 13 Der Yaoshan heute

Die guten Teelehrer ermahnen ihre Schüler häufig, bei den Übungen der Teezubereitung niemals die Hand zu benutzen, niemals zu ‚handeln‘. Alles geschieht wie von allein. Voraussetzung ist aber das Nicht-Denken. Man kann sofort sehen, wenn der Schüler auch nur den kleinsten Gedanken denkt. Sofort erkennt man, dass er die Hand benutzt oder dass er, vielleicht auch nur einen winzigen Augenblick zögert, weil er nachdenkt.

Der Yaoshan-Tempel bestand einst aus einer ganzen Reihe von prächtigen Gebäuden, die sich über zwei Berge hinzogen. In der Kulturrevolution unter Mao wurde der Tempel vollkommen zerstört. Heute existiert nur noch eine einzige Steinstele mit einer alten Inschrift. In den achtziger Jahren hat die Gemeinde recht hilflos versucht, den Tempel wieder aufzubauen. Davon zeugt nur noch ein brüchiger Betonbau, der mühselig versucht, wie ein Tempel auszusehen. Nichteinmal ein Dach war auf der Bauruine. Hinter einem notdürftig aus alten Holzbalken und Bambus zusammengenagelten Tor liegen ein paar primitive Betonbauten.

In unserem Schlafsaal waren immerhin Heizdecken auf den Matratzen. Wenn wir im Teeraum beim Tee saßen und mit Meister Ming Ying diskutierten, sagte er oft: „Lass uns nach draussen gehen, es ist zu kalt!“ Draußen schien immerhin die Wintersonne.

 

7. Laienbruder Pang


An einem Tag führte uns Meister Mingying vor den Tempel auf die Reisfelder. Dort bauen er und die Mönche den eigenen Reis und das eigene Gemüse an. Alles ohne Chemie und ganz natürlich. Das Essen im Tempel war einfach, aber immer köstlich. Weit hinter dem Reisfeld ganz hinten am Horizont lagen die ersten Häuser der kleinen Stadt. Mingying erklärte uns: „Dort wo die Ortschaft beginnt, war früher das Tempeltor. Dort freute sich der ehrwürdige Laienbruder Pang an den fallenden Schneeflocken! In naher Zukunft werden wir dort wieder das neue Tempeltor bauen.“

Der Laienbruder Pang 龐居士, Pang Jūshí, war ein häufiger Gast am Yaoshan. Sein berühmtes Gedicht wird im japanischen Teeweg immer wieder zitiert, aber meistens weiß man kaum noch, woher der Spruch stammt.

神通並妙用 shéntōng bìng miàoyòng
運水及搬柴 yùn shuǐ jí bān chái
Göttliche Kräfte und wunderbares Tun:
Wasser holen und Brennholz sammeln.

Als ich diesen Vers das erste Mal gelesen habe, war ich verwirrt. Niemand benutzt im Chanoyu Brennholz zum Erhitzen von Wasser, sondern Holzkohle. Ich dachte immer, dass es sich da um einen Übersetzungsfehler handelt. Aber der Text ist ein Zitat aus einem berühmten Gedicht von Pang Jūshi.

Die Begegnung von Meister Yaoshan mit dem Laienbruder...

Erscheint lt. Verlag 4.9.2024
Reihe/Serie Die Welt in einer Schale Tee
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Buddhismus
Schlagworte Chado • Japanische Kultur und Poesie • Japanische Teezeremonie • Teeweg • Übungsweg der Teezeremonie
ISBN-10 3-384-34407-3 / 3384344073
ISBN-13 978-3-384-34407-6 / 9783384344076
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