Sei deiner Zeit voraus (eBook)

Spiegel-Bestseller
13 Denkprinzipien für die Welt von morgen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01968-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sei deiner Zeit voraus -  Timon Krause
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Überfordert, orientierungslos, verunsichert? Der Mentalist und Philosoph Timon Krause bietet Navigationshilfe durch turbulente Zeiten: Mit einer erfrischenden, praxisnahen Mischung aus Psychologie, Soziologie und Philosophie stellt er dreizehn Denkweisen vor, die uns helfen, gewappnet den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft entgegenzutreten. Wie fördern wir die Kraft des Dialogs, lernen, Paradoxe zu akzeptieren und mit Ambivalenz umzugehen? Wie können wir trotz aller Tragödien optimistisch bleiben? Timons aufschlussreicher, inspirierender und visionärer Text ermutigt, neues Denken auszuprobieren.

Timon Christiaan Krause, geb. 1994, ist ein deutscher Mentalist und Autor. 2016 wurde er als bester europäischer Mentalist ausgezeichnet. Er studierte in Amsterdam Philosophie und lebt in Berlin.

Timon Christiaan Krause, geb. 1994, ist ein deutscher Mentalist und Autor. 2016 wurde er als bester europäischer Mentalist ausgezeichnet. Er studierte in Amsterdam Philosophie und lebt in Berlin.

Kapitel 2 Einen Frosch (na gut, eine Denkkultur) sezieren: Wie wir denken


Na, hast du dich ein bisschen erholt? Hoffentlich – wir machen jetzt nämlich noch einen kleinen Ausflug in die Geschichte des Bewusstseins und der menschlichen Entwicklung. Denn um das metamoderne Denken überhaupt anwenden zu können, müssen wir zunächst ein paar Dinge über unser Denken selbst verstehen: Um denken zu können, brauchen wir erst einmal ein Bewusstsein. Um anders denken zu können, müssen wir verstehen, wie dieses Bewusstsein entstanden ist, wie es funktioniert und was es geprägt hat – in einer Sekunde explodiert das Universum, in der nächsten hast du eine Sinnkrise, weil du auf Netflix nichts Interessantes findest. Was ist in den paar Milliarden Jahren dazwischen passiert?

Vom Big Bang zu Netflix: Eine Geschichte der Menschheit in fünf Sätzen


Erster Satz: Vor grob fünf oder sechs Millionen Jahren (wer zählt das schon?) entwickeln erste Affen aufgrund wechselnder Umstände kleinere Mägen, was ihnen dabei hilft, aufrecht zu laufen, was wiederum Energie spart, welche stattdessen dem Hirn zugeführt werden kann.

Zweiter Satz: Erste Menschen passen sich nicht nur biologisch, sondern auch sozial an, formen Gruppen und schaffen Werkzeuge, welche dank ihrer Effizienz wieder mehr Energie für größere und komplexe Hirne sparen.

Dritter Satz: Vor plus/minus zweieinhalb Millionen Jahren wird’s richtig kalt, und nur die kognitiv am besten ausgestatteten Individuen überleben, was wiederum zu – du hast es erraten – größeren Hirnen führt (spezifisch geht’s um den präfrontalen Kortex, welcher sich während der menschlichen Entwicklung am weitesten entwickelt hat).

Vierter Satz: Siebenhunderttausend Jahre später, also vor 1,8 Millionen Jahren, entwickeln wir vermutlich die Fähigkeit zur Empathie (also die Fähigkeit, uns in andere Individuen und sogar in andere Spezies hineinzuversetzen – etwas, das heute vielerorts weitgehend verloren zu sein scheint) und später die Fähigkeit zur Selbstreflexion, was uns ermöglicht, komplexere soziale Konstrukte zu bauen.

Fünfter Satz: Vor rund zweihunderttausend Jahren taucht der Homo sapiens in Afrika auf – und zwar mit einem Gehirn, das sich bis heute biologisch kaum mehr verändert (die kulturelle Entwicklung hängt die biologische Entwicklung an dieser Stelle in puncto Geschwindigkeit um Längen ab).

Da hast du’s – eine sehr vereinfachte Geschichte der Menschheit in fünf Sätzen (ich gebe zu, dass hier und da vielleicht ein Schachtelsatz dabei war). Schau noch mal auf den letzten Schritt. Möglicherweise denkst du jetzt: «Wenn sich biologisch nicht mehr so viel geändert hat, heißt das dann nicht, dass wir diesen frühen Menschen ziemlich ähnlich sind?» – und in der Tat: Genetisch gesehen sind wir mit dem frühen Homo sapiens mehr oder weniger identisch. Hier und da gibt es ein paar Unterschiede, etwa Hautfarbe, Laktoseintoleranz und die Tatsache, dass wir weniger dagegen haben, wenn Kinder in Filmen mit extremer Gewalt konfrontiert werden, als dass sie Nacktheit oder Homosexualität sehen (auch wenn letzterer trauriger Umstand wohl eher gesellschaftlich als genetisch bedingt ist), aber die größten Entwicklungen sind tatsächlich kultureller und sozialer Natur. Die Hardware unseres Hirns ist fertig, die Software wird stetig upgedatet.

Warum du du bist: Zeit zur Selbstreflexion


Ein ganz großes Update innerhalb unserer menschlichen Entwicklung war die Entstehung von Selbstbewusstsein im Sinne von Selbstreflexion, also eines Sich-seiner-selbst-bewusst-Seins. Irgendwo auf dem Pfad unserer Evolution erlangten wir die Fähigkeit dazu. Es ist schwierig festzustellen, wann genau das passiert ist.

Bewusstsein an sich ist ein emergentes Phänomen. Emergenz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich ein Phänomen nicht vollständig erklären lässt, indem man seine Einzelteile erklärt – platt gesagt: Bewusstsein ist mehr als die Summe seiner Teile, also mehr als die Summe der Neuronen, aus denen es entsteht. Eine genaue Erklärung für Aufbau und Funktion des Bewusstseins haben wir noch nicht. Nach heutigem Kenntnisstand ist es ein vielschichtiges, hierarchisches, neurologisches Gebilde: Es setzt sich beispielsweise zusammen aus der Verarbeitung von Reizen (etwa dass du die Temperatur auf deiner Haut wahrnehmen kannst); den Reaktionen auf Reize (wenn du eine Brennnessel berührst, ziehst du die Hand weg); Impulsen (wenn du Hunger hast, suchst du nach Essen) und Verlangen (du suchst zum Beispiel die Nähe anderer Menschen). Dazwischen gibt es zahlreiche weitere Zwischenschritte auf neurologischer Ebene, die noch nicht hinreichend erforscht sind.

Die Krux ist nun, dass man sich diese Vorgänge nicht als plumpe Abfolge vorstellen muss, sondern dass sie parallel ablaufen können – und in unterschiedliche Richtungen. Daraus entsteht eine Art Feedbackschlaufe, die letztlich dazu führt, dass du dich selber wahrnimmst. Klingt kompliziert? Ist es auch. Und wie gesagt ist das nur die beste Theorie nach heutigem Kenntnisstand – im Vergleich zu anderen Forschungsbereichen haben wir bisher bemitleidenswert wenig Fortschritte gemacht, wenn es darum geht, die Entstehung von selbstreflexivem Bewusstsein (also Bewusstsein, das sich selber wahrnimmt) zu erklären. Möglicherweise wird uns die aktuell so rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz weitere Erkenntnisse dahingehend liefern.

Ich hatte dir ja ein paar Funfacts für deine nächste Cocktailparty versprochen – also: Der Grund, warum Bewusstsein so ein schwieriges Thema für Philosophen, Neurologen und viele weitere Forschungsrichtungen ist, ist das sogenannte Hard Problem of Consciousness. Die Frage beim Bewusstseinsproblem ist nämlich: Wie kann etwas Immaterielles (Selbstwahrnehmung) aus etwas Materiellem (den physischen Bausteinen des Hirns) entstehen? Und wo ist faktisch die Brücke, die es Geist und Körper erlaubt, einander zu beeinflussen?

Wirf die Frage einfach mal auf besagter Cocktailparty in die Runde, wenn du keine Kraft mehr für Small Talk (oder überhaupt zum Reden) hast – einfach zurücklehnen und den anderen beim Diskutieren zuhören …

Ich persönlich finde übrigens bisher die Erklärung des Panpsychismus zum Thema Bewusstsein am überzeugendsten: eine Theorie, die annimmt, dass ein rudimentäres Bewusstsein – wenn auch ohne Selbstreflexion – Teil jedes physischen Bausteins ist, bis hin zu den kleinsten Teilchen unserer Welt: Elektronen, Quarks, sogar das beste Stück meines besten Freundes (ganz, ganz liebe Grüße an Henning).

In komplexen Organismen baut sich dieses grundlegende Bewusstsein dann ebenfalls komplex zusammen, und daraus entstehen Phänomene wie etwa Selbstreflexion. Nach dieser Theorie gibt es also die angenommene Grenze zwischen Körper und Geist gar nicht erst. Als ich mit Peter, einem alten Freund, einmal über meine mittlerweile bewältigte Angst vor dem Tod sprach, sagte er: «Ich glaube, wir sind wie das Parfum in einer Flasche. Und wenn wir sterben, drückt jemand auf den Zerstäuber.» – Der Vergleich ist mir beruhigend im Kopf geblieben, und Panpsychismus passt ganz gut zu dem Bild.

Wie dem auch sei: Komplexe soziale Strukturen setzen ein gewisses Maß an Selbstreflexion voraus. Selbstreflexion versetzt uns nämlich in die Lage, unseren Willen wahrzunehmen und dagegen zu handeln. Ein Wurm hat Hunger und wühlt sich deshalb auf der Suche nach Nahrung durch den Dreck. Wäre er selbstreflexiv, könnte er denken: «Ich hab Hunger und richtig Bock, mich durch den Dreck zu wühlen, aber meine wunderschöne Wurm-Frau möchte lieber den Abend vorm Wurm-TV verbringen. Obwohl ich Hunger und Bock auf Dreck habe, lasse ich das sein und lege mich mit ihr auf unsere Wurm-Couch. Essen kann ich ja noch später.» Da er aber nach allem, was wir wissen, kein Selbstbewusstsein hat, bildet unser Wurm auch keine komplexen Gesellschaften mit anderen Würmern und suhlt sich stattdessen weiter in der Erde. Um eine komplexe Gesellschaft aufzubauen, ist es unter anderem notwendig, bewusst Entscheidungen gegen den eigenen Willen und zum Wohle der Gemeinschaft zu treffen. Das gilt auch heute noch: Vielleicht willst du diese teure Flasche Wein aus dem Supermarkt mitgehen lassen oder deinem Chef am liebsten eine reinhauen oder mit 100 km/h durch die Innenstadt brettern. Du tust es aber hoffentlich nicht.

Am obigen Beispiel kannst du übrigens ganz gut erkennen, dass Komplexität und Freiheit ein Stück weit im Gegensatz zueinander stehen: In einem komplexen Gebilde werden hierarchisch höher angeordnete Strukturen immer die Freiheit ihrer untergeordneten Teile begrenzen. Simpel gesagt: Komplexe Gebilde grenzen die Freiheit ihrer Einzelteile ein. Ein einzelnes Legoteil hat mehr «Freiheit», eingesetzt zu werden, als wenn es bereits in einem Legohaus verbaut ist. Das muss so sein und geht gar nicht anders: Dein Körper begrenzt die «Freiheit» der darin befindlichen Zellen, die Zellen begrenzen die «Freiheit» der darin verbauten Moleküle. Im Gegenzug gewinnen komplexere Strukturen (wie zum Beispiel ein Organismus) ein höheres Maß an Autonomie und werden befähigt, größeren Einfluss auf ihre Umwelt zu nehmen. Eine einzelne Zelle kann beispielsweise kein Auto bedienen.

Das Abtreten von ein bisschen...

Erscheint lt. Verlag 13.8.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Alltagsphilosophie • Ambivalenz • bücher über psychologie • Denkmodelle • denkschulen • Digitalisierung • Emotionale Intelligenz • Entscheidungsfindung • Erfolg • Fortschritt • Freiheit • Gedanken • Gesellschaft Bücher • Gesellschaftlicher Wandel • gesellschaftliche Veränderungen • Globalisierung • Inspiration • inspirierende bücher • Krise • Krisenbewältigung • Kritik • Lebensfreude • Lebenshilfe • Mentalist • Metamoderne • Optimismus • Orientierung • Orientierungslosigkeit • Persönlichkeitsentwicklung • Perspektiven • Positive Psychologie • Postmoderne • Resilienz • Selbsterkenntnis • Selbstvertrauen • Transformation • Überforderung • Umgang mit Unsicherheit • Unterbewusstsein • Wachstum • Zukunft • Zukunftsangst • Zukunftsangst bewältigen
ISBN-10 3-644-01968-1 / 3644019681
ISBN-13 978-3-644-01968-3 / 9783644019683
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