Leben ohne Angst (eBook)
272 Seiten
Ludwig Buchverlag
978-3-641-31198-8 (ISBN)
Angst ist allgegenwärtig: Wirtschaftliche Unsicherheit, Kriege, ständiger Stress, Sorgen um unsere Gesundheit und unsere Zukunft - Ängste sind belastend, zermürben und rauben uns zunehmend die Lebensfreude.
Mit seiner langjährigen medizinischen Expertise, sehr persönlichen Erfahrungen und einfühlsamen Herangehensweise zeigt uns Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer einen Weg, wie wir diese Angst nicht nur verstehen, sondern wie jeder von uns sie auch produktiv nutzen kann. Mit individuellen Entlastungsstrategien können wir zurückzugewinnen, was uns trotz allem gut leben lässt: Zuversicht, Selbstwirksamkeit und die pure Freude am Leben.
Prof. Dr. med. Dietrich Grönemeyer ist einer der bekanntesten Ärzte Deutschlands und emeritierter Lehrstuhlinhaber für Radiologie und Mikrotherapie der Universität Witten/Herdecke. Seit Jahrzehnten setzt er sich für Aufklärung und Vorsorge für ein langes und wohlbefindliches Leben ein. Er ist leidenschaftlicher Verfechter der Weltmedizin, einer Integration von Natur- und Schulmedizin inkl. der psychosomatisch-sozialen, der HighTech- und Umwelt-Medizin. 1997 gründete er das Grönemeyer Institut für Mikrotherapie in Bochum, Berlin und weiteren Städten. Grönemeyer ist nicht nur ein herausragender Arzt und Wissenschaftler, sondern auch Autor zahlreicher Bestseller. Seine Bücher wurden in rund 20 Sprachen übersetzt.
»Den Puls des eigenen Herzens fühlen. Ruhe im Innern, Ruhe im Äußern. Wieder Atem holen lernen, das ist es.«
Christian Morgenstern
Ein Wort zuvor
Die Sonne brennt auf unser Familienauto. Links von der Straße ragen schroffe Klippen in den Himmel, rechts fällt die Straße Hunderte Meter steil hinab zum glitzernden Wasser. Mit schweißnassen Händen umklammere ich das Steuer und versuche krampfhaft, mich auf die haarnadelengen Kurven zu konzentrieren. Ich fühle die Panik in mir hochkochen, in den Abgrund zu stürzen. Ich schwitze Blut und Wasser … Anja dagegen erfreut die spektakuläre Aussicht: »Ah, schau mal!«, »Boah, das geht ja krass runter!«
Am Ende steige ich nassgeschwitzt und mit schlotternden Knien aus dem Auto, heilfroh, dass wir diese Fahrt bis hierhin überstanden haben. Erleichtert übergebe ich das Steuerrad in vertraute Hände. Eigentlich irrational, denn ich wusste ja, dass ich mich als routinierter Autofahrer nicht hätte fürchten müssen. Eigentlich! Trotzdem weckte diese wunderbare Panoramastraße entlang des Meeres in meinem Gehirn einen uralten Instinkt: die archaische Angst vor Höhe … und das sicher verstärkt durch meinen dramatischen Absturz aus zehn Metern Höhe in den Bergen, den ich einige Jahre zuvor nur knapp überlebt hatte. Er saß mir noch tief in den Knochen. Mir schwindelte.
Das ist akute Angst. Jeder von uns kennt sie, jeder von uns kann mindestens eine Geschichte aus seinem Leben erzählen, in der uns der Schreck in die Glieder gefahren ist, in der uns das Grauen gepackt hat, in der uns die Angst im Nacken saß.
Dann gibt es noch eine andere Angst. Eine diffuse, eine alltägliche Angst, die uns derzeit verunsichert und auch verbindet. Und das zu Recht, denn eine Krise jagt die nächste: in der Welt und in unserem Land, am Arbeitsplatz, in der Familie und oft auch ganz persönlich. Druck und Unsicherheit wachsen, von innen und von außen. Für viele hat sich das Leben auf einen Kampf ums Leben reduziert und seine eigentliche Qualität verloren: die Tatsache, dass es ein Geschenk, ein Wunder ist.
Überall Krise – und kein Ende in Sicht?
Angst und Bammel, Grausen und Furcht schwächen uns Menschen durch und durch: Angst essen Seele auf.[1] Dann folgen die körperlichen Symptome: Das Immunsystem macht schlapp, der Rücken, das Herz, der Magen ebenso. Seit mehr als 30 Jahren erlebe ich in meiner medizinischen Praxis tagtäglich Menschen in Stress und Angst. Sie haben Ängste vor Ansteckung und Krankheit, Ängste vor dem Alter, weil es mit Gebrechlichkeit, Vereinsamung, Verlust von Würde oder Wohlstand und sozialem Abstieg verbunden sein könnte, Ängste, das Ersparte zu verlieren. Rationale und irrationale Ängste vor Einbrüchen und Energiekrisen, vor Kriegen und Terroranschlägen, vor randalierenden Jugendlichen und Smartphone-süchtigen Kindern, vor Anderslebenden und Andersdenkenden.
Lang andauernde Angst macht uns Menschen krank. Denn wir ändern, wenn wir ängstlich sind, sofort unsere Haltung. Wollen weglaufen, uns verstecken oder verteidigen. Bekommen Hals- und Rückenschmerzen, fühlen uns bedrückt: Die Angst sitzt uns buchstäblich im Nacken. Chronische Angst kann zu Muskelverspannungen führen, die sich wie ein Bandscheibenvorfall anfühlen. Angst verändert die Durchblutung, Stress verkrampft die Muskeln, erhöht den Blutzuckerspiegel und den Spiegel des Stresshormons Cortisol. Das Immunsystem wird geschwächt. Viren und Bakterien haben freie Bahn, Infektionen breiten sich aus.
Angst ist eine Reaktion des Körpers auf Gefahr, die die Seele regelrecht »auffressen« kann. Angst ist auch eine Haltung der Seele, die auf den Körper einwirkt. Deshalb meine ich, dass sich die Kunst des Heilens nicht nur auf dem Operationstisch bewähren muss, sondern auch im Dialog. Mindestens genauso wie der akuten Erkrankungen hat sich die Medizin der seelischen Seite der Menschen anzunehmen: ihrer Ängste. Ich versuche in jedem Gespräch mit meinen Patientinnen und Patienten, Angst nicht kleinzureden. Nicht zu beschwichtigen. Ich will die Angst vielmehr verstehen, um ihr überhaupt begegnen und sie dann, hoffentlich, auflösen zu können.
»Die Welt nötigt uns zur Angst. Angst ist nicht eine Schwäche des Urteils, sondern sie ist eine zutreffende Erkenntnis«, hat es Carl Friedrich von Weizsäcker auf den Punkt gebracht.[2] Kriege, Terrorismus, Klimawandel, Armut und Ungleichheit sind Herausforderungen, die nicht mehr nur »irgendwo« stattfinden, sondern hier. Mitten in Europa und nebenan. Sie bedrohen das eigene Glück, die eigene Gesundheit, sie bedrohen Frieden und Fortschritt. Menschen sterben, vor allem junge Menschen als Soldaten, Menschen werden vertrieben, ihr Eigentum wird zerstört, Kulturen gehen unter. Wir stehen vor einem Trümmerhaufen, der Extremismus und anderen gefährlichen Ideologien einen Nährboden bietet. Denn, dass hatte schon Bertrand Russell gesehen: »Angst ist die Hauptquelle des Aberglaubens und eine der Hauptquellen der Grausamkeit.«[3] Dass psychische Krankheiten rapide auf dem Vormarsch sind – auch bei nicht unmittelbar von den Krisen und Herausforderungen betroffenen Menschen, ist wenig erstaunlich.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 hat messbar größere Spuren auf die psychische Gesundheit der Menschen in Europa hinterlassen als die Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 und der Corona-Lockdown 2020. Das zeigt eine Studie eines internationalen Forscherteams um die Psychologen Julian Scharbert und Mitja Back von der Universität Münster, die gerade im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht wurde.[4] Mein Leben und das der meisten Menschen in Europa wurde schon viel früher auf den Kopf gestellt: durch die Angst vor dem Atomtod nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Hiroshima und Nagasaki und die unzähligen Atombombentests auf den Bikini-Atollen, in Wüsten usw. hatten mich in meiner Jugend bereits sensibilisiert. Im Jahr 1986 habe ich als Reaktion auf den GAU in der Ukraine damit begonnen, die Strahlung zu messen und die Bevölkerung über die Gefahren aufzuklären. Meine jüngste Tochter war gerade geboren. Die Angst, dass sie, dass wir alle durch die radioaktive Strahlung – auch durch die kontinuierliche Niedrigstrahlung danach – sterben könnten, hat sich bis heute in meinem Kopf eingenistet und ist immer wieder Thema. Zumal als Radiologe, Strahlentherapeut und Onkologe, der ich geworden bin. Fukushima und das Auskippen des radioaktiven Kühlwassers in die Weltmeere hat diese Sorge weiter verstärkt.
Was derzeit in der Welt geschieht, macht Angst. Ich schreibe diese Zeilen im Frühjahr 2024, und das schreibe ich dazu, weil sich die zahllosen »Was-wenn!?« unserer Zeit schon nächste Woche, nächsten Monat, in einem halben Jahr in eine noch beängstigendere Realität verwandelt haben könnten: »Was«, so fragen sich viele Menschen in diesem Land, »was, wenn die Heizung noch teurer wird? Wenn KI meinen Job ruiniert? Wenn ein Bankencrash mein Vermögen zermalmt? Wenn Radikale Demokratien zerstören? Wenn machtmissbrauchende Politiker stabile demokratische Systeme kippen? Wenn die EU an der Migrationsfrage zerbricht und damit dann auch die gemeinsame Euro-Währung? Wenn der Krieg in der Ukraine weiter und weiter getrieben wird, ohne Perspektive auf eine stabile Friedenslösung? Wenn der Krieg im Nahen Osten ausufert? Wenn der Terrorismus unseren Alltag bedroht? Wenn der Golfstrom abreißt und alles ganz kalt wird? Oder viel zu heiß? Oder wie war das noch? Wenn die Atombombe fällt? Was, ja was, wenn? Und was dann?«
Je nach Gemüt reichen zwei, drei Minuten Do-it-yourself-Panikmache im eigenen Hirn völlig aus, um Herz und Lunge, Muskeln und Magen in eine Stressreaktion zu manövrieren, die durchaus vergleichbar ist mit einem steinzeitlichen Säbelzahntigerangriff. Dabei ist (»Ja, noch!«) gar nichts Konkretes passiert (»Ja, aber könnte!«).
Besonnen bleiben, mit Menschen sprechen, Zuversicht verbreiten – das ist mein tägliches Anti-Angst-Mittel. Und doch ist Angst auch für mich (und wohl auch für viele andere Menschen meiner Generation) eine alte Bekannte. Als Kind allein in der kalten Röntgenkammer, klein auf dem riesigen Zahnarztstuhl, dem Zorn und den Strafen der Lehrer, der Fußballtrainer, auch der eigenen Väter schutzlos ausgeliefert – das war Alltag in den 50er und 60er Jahren. Vor allem, wenn es zum Doktor ging, fühlte ich mich bedroht. Trotz der beschwichtigenden, liebevollen und fast mantraartig, meist flüsternd vorgetragenen Worte meiner Mutter: »Didilein, alles wird gut.« Nein, nix wurde gut. Ich wusste, dass »alles wird gut« höchstens halb stimmte, eher gar nicht, und meine Mutter wusste das sicherlich auch. Aber was blieb uns übrig, uns trotz besseren Wissens vorzumachen, die Beschwichtigungen seien wahr, zumindest ein bisschen. Es war das, was meine Mutter der Angst entgegenhalten konnte.[5] Mir schlotterten trotzdem die Knie – ich hatte schlichtweg »Schiss«. Hatte ich nicht gute Gründe, mich zu fürchten? War es nicht so, dass die Angst mir etwas Wichtiges zu sagen hatte?
Und doch war ich lange überzeugt, als Kind ein »Schisser« gewesen zu sein. Ich stelle dieses Bekenntnis voran, weil diese frühen Erfahrungen mich und mein Leben und Handeln als Arzt bis heute prägen. Ich stelle es auch voran, um zu verdeutlichen, dass wir uns nicht immer aussuchen können, wie wir uns fühlen und wie wir auf das Leben reagieren. Die Gene, die Familie, das Umfeld, die Umwelt, die Erfahrungen – es gibt so viel, auf...
Erscheint lt. Verlag | 11.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | 2024 • Angst • Angst bewältigen • Ängste (Bücher) • Angst innere Unruhe • Angststörung • Angst und Panik • Angst- und Stressbewältigung • anti stress buch • eBooks • Gesundheit • Klaus Bernhardt • Medizin • Neuerscheinung • Positive Psychologie • Psychologie • Psychosomatik • stress (bücher) • zuversicht & ermunterung |
ISBN-10 | 3-641-31198-5 / 3641311985 |
ISBN-13 | 978-3-641-31198-8 / 9783641311988 |
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