Brandmeister Gottes -  Franz Meurer

Brandmeister Gottes (eBook)

Für eine Kirche, die nicht lange fackelt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
192 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83978-8 (ISBN)
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Franz Meurer setzt sich für Menschen ein. So kennt man ihn in seiner Arbeit wie in seinen Büchern. Tatkräftig tritt er als Spendenorganisator für Schulranzen oder als Helfer bei der Arbeitssuche in Erscheinung, und als Kirchenmann, für den Glaube, Essen und Trinken zusammengehören. Für ihn ist klar: Eine Kirche, mit der man sich gerne sehen lässt, ist eine Kirche, die für die Menschen da ist, wenn es brennt. Das kann sogar eine nächtliche Pannenhilfe für die Zeitungsausträgerin sein. Authentisch und berührend schildert Meurer in seinem neuen Buch solche Anekdoten. Genauso menschenfreundlich entwickeln sich daraus Fragen nach dem Glück, nach sozialer und politischer Gerechtigkeit, dem Leben und Handeln im Klimawandel, dem Tod und der Hoffnung. Natürlich auch ein Wort zum Kölner Kardinal und zwei zu einer demokratischen Kirche. Im Zentrum stehen die Menschen! Es ist sein bisher persönlichstes Buch, das inspiriert und Freude am Christsein vermittelt.

Franz Meurer, geb. 1951, ist einer der bekanntesten Pfarrer in und um Köln. Mit dem 'HöVi-Land', einer sozialen Einrichtung, erlangte er auch nationale Bekanntheit und erhielt zahlreiche Ehrungen. Meurer ist bekannt für sein Engagement, seine hohe Beliebtheit bei den Menschen und mutiges, authentisches Auftreten.

Einleitung


Seit zehn Jahren mache ich kleine Sendungen im Radio, auf WDR, alle zwei Wochen freitags. Jeweils in der »katholischen Woche«, abwechselnd mit den evangelischen Sendungen. Morgens um 5:55 Uhr auf WDR 2, um 8:55 Uhr auf WDR 4. Kurz vor sechs sitzen die Hörerinnen und Hörer im Auto auf dem Weg zur Arbeit, kochen Kaffee oder rasieren sich gerade. Um kurz vor neun frühstücken dann die Rentnerinnen und Rentner sowie die Hausfrauen und -männer, die die Kinder für die Schule vorbereitet haben.

Oft gibt es Rückmeldungen, Lob wie Kritik. Besonders viel Echo hatte eine Sendung in der Corona-Zeit, am Heiligen Abend 2021. Das sagte ich:

Es kann nur eine geben ist der Titel des Bestsellers von Carolin Kebekus. Kebekus ist ja längst nicht mehr nur hier in Köln eine Größe im Comedy-Fach. Aufgewachsen ist sie übrigens in einem Nachbarveedel von Köln-Vingst, wo ich Pastor bin. Aber zurück zu ihrem Buch. Was sagt sie? Eine Frau ist genug, mehr ist nicht nötig – das gilt im Karneval für das Funkenmariechen oder in Märchen für die eine Prinzessin. Carolin Kebekus kritisiert das in ihrem Buch natürlich.

Zum ersten Mal wurde ihr das schon im Kindergarten vermittelt. Sie schreibt über das Krippenspiel in der Kita: »Ich weiß noch, mit welcher Süffisanz unsere Kindergärtnerin immer gesagt hat: ›Ich weiß schon, wer vielleicht die Maria spielen darf!‹ Wir wussten dann: ›Alles klar, da gibt es nur eine Frauenrolle. Alle anderen Rollen für die Mädchen sind die Schafe.‹« Und Kebekus fährt fort: »Der einzige Ruhm, der mir im Krippenspiel je zuteilwurde, war, dass meine Puppe mal das Jesuskind sein durfte. Da war ich dann stolz wie eine Soccer-Mom. Und so zieht sich das dann durchs ganze Leben.«

Wie lässt sich die Enttäuschung beim Krippenspiel, von der Frau Kebekus berichtet, heute, an Heiligabend, verhindern?

Auf jeden Fall kann die Rolle der Maria unter den Mädchen ausgelost werden, die Maria sein wollen. Im Kindergarten bietet es sich an, das Krippenspiel so oft aufzuführen, bis alle interessierten Mädchen mal dran waren. Vielleicht jeden Tag als Höhepunkt vor dem Mittagessen.

Vor allem können ja weitere interessante Rollen im Krippenspiel mit Mädchen besetzt werden. So kann die Herberge, in der die Heilige Familie kein Obdach findet, doch von einer Frau gemanagt werden. Die Engel haben eh kein Geschlecht und sind gendermäßig offen.

Auch hatten wir in der Gemeinde schon Krippenspiele, in denen Maria nicht die Top-Rolle war. So etwa von dem kleinen krummen Tannenbaum, den niemand haben wollte. Aus ihm wurde die Krippe, in der das Jesuskind lag. Der scheinbar Geringste wurde zum Star. Eine wunderbare Rolle, auch für Mädchen. Oder ein Krippenspiel, in dem die Tiere sich um die Heilige Familie kümmern. Nicht nur Ochs und Esel, sondern viele Waldbewohner. Hier kann dann jedes Kind das Tier spielen, das ihm gefällt. Die Anzahl der Rollen ist nach oben offen.

Einmal wollten zwei Zwillingsmädchen bei uns unbedingt beide die Maria spielen. Was tun? Es gab zwei Spielorte rechts und links vom Altar, jeweils abwechselnd vom Scheinwerfer beleuchtet. Auf der einen Seite der Stall in Bethlehem, auf der anderen ein Flüchtlingscontainer in Ägypten, in dem die Heilige Familie nach ihrer Flucht untergebracht ist. Die Weihnachtsgeschichte entwickelte sich dann teilweise in der Rückschau, eine Maria rechts und eine links vom Altar.

Von Herzen wünsche ich Ihnen frohe und gesegnete Weihnachtstage, vielleicht beginnend mit einem spannenden Krippenspiel heute Abend!

Eine Zuschrift zu dieser Sendung an Heiligabend hat mich besonders bewegt. Die Dame, die darin ihre Geschichte erzählt, hat mir erlaubt, sie gleich in der übernächsten Sendung mit den Hörerinnen und Hörern zu teilen:

Nicht traurig sein

Seit längerem denke ich darüber nach, was man denn tun kann, um jetzt in Corona-Zeiten nicht traurig zu werden. Viele Menschen sind ja mutlos und fragen: Wann ist das denn zu Ende mit all den Einschränkungen?

Da kam mir eine Hörerin dieser kleinen Sendung zu Hilfe. Ich habe sie gefragt, ob ich ihre Geschichte erzählen darf. Na klar, war die Antwort. Sie fängt Heiligabend an, schon mal kein schlechter Start.

Die Dame, die mir schrieb, ist jetzt 86 Jahre alt. Seit 17 Jahren ist sie Witwe. Da sie drei Kinder und sieben Enkel hat, ist sie froh und munter und auch in Corona-Zeiten zufrieden.

Das war in ihrer Kindheit anders. Sie schreibt: »Ich war nicht nur ziemlich mickrig und klein, sondern auch noch zwei Jahre jünger als meine Mitschülerinnen.« Das lag an den Ausfallzeiten im Krieg. Das Kind bestand zwar die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium der Ordensschwestern, blieb dann aber sogleich sitzen. Das ganze Elend wurde der Dame noch einmal bewusst, als sie vor 15 Jahren einen kleinen Zettel beim Aufräumen in einem alten Buch fand. Den Zettel, gerade fünf Mal fünf Zentimeter groß, schickt sie mir zu. Darauf steht: »Du sollst an der Krippe des Weltenheilandes das Stroh sein.« Die Ordensschwester wollte gerecht sein und die Rollen beim Krippenspiel am Heiligen Abend nach dem Zufallsprinzip vergeben. Also schrieb sie die Rollen auf kleine Loszettel, warf sie in einen Topf, alle Mädchen zogen ihr Los. Die Dame zog das Stroh.

Ihr Los im wahrsten Sinne des Wortes. Sie schreibt: »Das war für mich mental der totale K.-o.-Schlag. Damit wurde vor allen dokumentiert, dass ich war, was ich spielen sollte. Stroh steht nun einmal für grenzenlose Dummheit.«

Zum Glück hat die Dame die Traurigkeit der Kindheit überwunden. Als sie mit 72 Jahren den Zettel wiederfindet, fällt ein anderes Licht auf das Stückchen Papier. Sie schreibt: »Mir wurden auf einmal auf wunderbare Weise die Augen geöffnet. Ich hatte die schönste Rolle von allen, auch schöner als die von Maria. Ich war Tag und Nacht wie niemand anders – auch nicht seine Mutter – ganz nahe beim Jesuskind in der Krippe. Ich konnte es sogar wärmen und ihm die Härte des Krippenholzes ein wenig mildern. Gibt es etwas Schöneres? Und diese innige Verbindung hat mich mein Leben lang getragen. Ich habe es nur nicht erkannt.«

Genau das wünsche ich Ihnen und mir: Im scheinbar Schlechten das Gute zu sehen, ja manchmal sogar das Wunderbare, wie die Dame, die Stroh war … Vielleicht noch: Vorgestern, am Fest Maria Lichtmess am 2. Februar, endete die Weihnachtszeit. Denken Sie dennoch ruhig ab und zu an die Dame aus Stroh.

Warum hat mich dies so bewegt?

Weil es auf den Punkt bringt, wie ich mich fühle: Nicht wie einer der drei Heiligen Könige, auch nicht wie Ochs oder Esel, schon gar nicht wie König Herodes. Sondern: wie das Stroh Gottes.

Deshalb war »Der Strohmann Gottes« mein Titelvorschlag für dieses Buch. Der Verlag jedoch fand diesen Titel zu ambivalent. Mit Recht: Einerseits deutet er zwar auf diesen Sinn des Strohs und eines Stroh entsprechenden Menschen hin: unbedeutend, dabei ganz in Funktion von einem oder etwas anderem für etwas anderes, insofern sicher oft nützlich. Andererseits ist der Strohmann eine vorgeschobene Figur, er zeigt nicht offen, wer er ist und für wen er eintritt, er täuscht also, er wird hinterhältig eingesetzt für dubiose Zwecke. Klar, so ein zweifelhafter Strohmann möchte ich nicht sein.

Der Verlag schlug stattdessen vor: »Brandmeister Gottes«. Vielleicht finden Sie das ein wenig anmaßend. Ich würde mir selbst auch nicht so einen Titel verleihen. Aber ich war aus zwei Gründen einverstanden: Erstens muss ich gar nicht selten »im Namen Gottes« Brände löschen helfen – in Konflikten, in seelischen und sozialen Notlagen, wenn Menschen vom Leben hart getroffen werden. Zweitens und unverzichtbar kommt rheinischer Humor dazu: In der Karnevalssession 2019/20 hat mich der »Kölsche Funkentöter von 1932 e. V.«, ein einst von Feuerwehrmännern am Stammtisch gegründeter Karnevalsverein, zu seinem »Ehrenbrandmeister« ernannt. Die Vereinsmitglieder setzten mir nach einer Sonntagsmesse in Köln-Höhenberg einen Helm auf den Kopf, gaben mir eine Spritze in die Hand und stellten mich, noch im Messgewand, oben auf eine alte Feuerwehrleiter. Insofern bin ich tatsächlich ein »Brandmeister Gottes«. Ernst gemeint und ironisch zugleich. Es widerspricht keineswegs dem »Stroh-Mann«, der ich im oben beschriebenen, nicht als Täuschung gemeinten Sinn wohl auch bin, manchmal beides zugleich:

Wie das Stroh Gottes und auch wie sein Feuerwehrmann fühlte ich mich, als einmal um drei Uhr nachts das Telefon klingelte. Ist es das Krankenhaus, das zur Krankensalbung ruft? Nein, es ist die Zeitungsausträgerin, die jeden frühen Morgen in der Dunkelheit den aktuellen Lesestoff an viele Türen im Veedel (Stadtviertel) bringt. Am Anhänger hinter ihrem Fahrrad ist ein Rad abgebrochen. Sie bittet um Hilfe.

Fast fünf Stunden bin ich nun mit ihr per Auto unterwegs. Mit dem Fahrrad geht es schneller, mit dem Auto langsamer. Oft muss ich mit der eingeschalteten Warnblinkanlage mitten auf der Straße stehenbleiben, wie es ja auch die machen müssen, die die Pakete tagsüber ausliefern.

Es wird ein interessantes Praktikum bei einer Leistungsträgerin unserer Gesellschaft. Zuerst einmal bin ich stolz, dass sie mich anruft. Denn dafür bin ich doch als Mensch der Kirche da: in der Not zu helfen. Manche junge Menschen sagen ja: »Mit Kirche sehe ich scheiße aus« – Zitate darf man nicht verändern!

Die Zeitungsfrau sieht mit Kirche gut aus. Das macht mich froh.

Interessant ist, wer in unserem leider armen Veedel die Zeitung per Botin bekommt. Es sind die Menschen in den bürgerlichen Ecken des Stadtviertels, vor allem in den zwei kleinen Bereichen mit Eigenheimen....

Erscheint lt. Verlag 8.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
ISBN-10 3-451-83978-4 / 3451839784
ISBN-13 978-3-451-83978-8 / 9783451839788
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