Die Fugger -  Mark Häberlein

Die Fugger (eBook)

Geschichte einer Augsburger Familie (1367-1650)
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2024 | 2. Auflage
341 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-042452-4 (ISBN)
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Wie keine andere Familie verkörpern die Fugger wirtschaftlichen Erfolg und soziale Aufstiegschancen des süddeutschen Bürgertums an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Unter der Leitung Jakob und Anton Fuggers baute die Familienfirma binnen weniger Jahrzehnte das größte europäische Handels- und Bergbauunternehmen seiner Zeit auf. Als Geldgeber des Kaisers und als Bankiers der römischen Kurie spielten die Fugger eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der europäischen Politik. Ihr Erfolg ermöglichte ihnen den Kauf großer Landgüter in Schwaben und den Aufstieg in den Reichsadel. Als überzeugte Anhänger der alten Kirche exponierten sie sich in den konfessionellen Auseinandersetzungen der Reformationszeit. Als Stifter, Sammler und Mäzene prägten sie die Kultur der süddeutschen Renaissance.

Prof. Dr. Mark Häberlein lehrt Neuere Geschichte an der Universität Bamberg.

Einleitung


Der Name Fugger hat einen guten Klang. Zugreisende werden am Augsburger Bahnhof in der »Fuggerstadt« Augsburg willkommen geheißen, und Augsburg-Touristen können in der Fuggerei – der ältesten noch heute bestehenden Sozialsiedlung der Welt –, in der Fuggerkapelle der Kirche St. Anna und vor Albrecht Dürers eindrucksvollem Porträt Jakob Fuggers des Reichen in der Augsburger Staatsgalerie auf den Spuren der berühmtesten Kaufmannsfamilie der Lechstadt wandeln. Die Fugger begegnen als literarische Figuren in viel gelesenen historischen Romanen, in Fernsehdokumentationen und sogar in Video- und Kartenspielen, in denen die Spielenden durch geschickte Spekulation Reichtümer anhäufen können.

Schon seit langem ist die Geschichte dieser Familie auch Gegenstand historischer Forschung. Die Anfänge der Fuggergeschichtsschreibung liegen im 16. Jahrhundert, als das »Geheime Ehrenbuch« und die »Fuggerchronik« zum Zwecke der familiären Traditionsbildung und der Erinnerung an frühere Generationen angelegt wurden. Entscheidend für die weitere wissenschaftliche Erforschung wurde allerdings die Gründung des »Fürstlich und Gräflich Fugger'schen Familien- und Stiftungsarchivs« im Jahre 1877. Mit der Bestellung eines wissenschaftlichen Leiters (1902) und eines hauptamtlichen Archivars (1949) sowie mit einer eigenen Schriftenreihe, den »Studien zur Fuggergeschichte«, trug das Haus Fugger maßgeblich zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte bei. Die 1907 begründeten »Studien zur Fuggergeschichte« sind bis heute auf 45 Bände angewachsen.1

Die seit dem späten 19. Jahrhundert intensiv betriebene Fuggerforschung hat die faktische Kenntnis der wirtschaftlichen Unternehmungen und sozialen Stellung, der mäzenatischen Aktivitäten und des stifterischen Engagements der Familie sukzessive erweitert. Doch Forschung spiegelt stets auch die Interessen, Weltbilder und Vorannahmen der Forschenden wider. Für die Wissenschaftler, die sich zwischen den 1870er und den 1920er Jahren mit der Geschichte der Fugger beschäftigten, stand der phänomenale wirtschaftliche Aufstieg der Familie im Vordergrund. »Wie reizvoll ist es,« schrieb Max Jansen 1907, »die Entwickelung eines Geschlechtes zu verfolgen aus der Werkstatt eines Webers durch das weltumfassende Kontor zweier Kaufleute bis zum Palaste des Fürsten.«2 Richard Ehrenberg und Jakob Strieder charakterisierten das 16. Jahrhundert als eine der großen Epochen der deutschen Wirtschaftsgeschichte und sahen in den Fuggern vor allem Vorläufer der »großen Wirtschaftsführer« und »Industriekapitäne« ihrer eigenen Zeit. Im »Zeitalter des Frühkapitalismus« an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit erblickten sie die Wurzeln des industriellen Kapitalismus. »In schnellem Tempo verbreitete sich im 15. und 16. Jahrhundert der kapitalistische Geist,« schrieb Jakob Strieder 1925, »der Geist eines konsequenten, rastlosen, ungehemmten, mit keinem Erfolg zufriedenen Erwerbsstrebens über eine breitere, wirtschaftlich tätige Oberschicht des deutschen Volkes.«3 Als Exponent dieses »rastlosen, ungehemmten« Gewinnstrebens galt Jakob Fugger, in dem Strieder den Träger einer neuen, zunächst in Italien entwickelten wirtschaftsliberalen kapitalistischen Gesinnung sah. Fuggers Äußerung, er wolle »gewinnen, dieweil er könne,« wurde aus ihrem historischen Entstehungskontext (der Situation des Ungarischen Handels am Beginn der 1520er Jahre) isoliert und zum Lebensmotto eines Kaufmanns stilisiert, für den der Gelderwerb zum Selbstzweck geworden war. Bis heute ist das Bild der Fugger, insbesondere Jakobs des Reichen, stark von dieser Perspektive des Wilhelminischen Zeitalters und der Hochindustrialisierung geprägt.4 Die ebenfalls weit verbreitete Sicht der Fugger als skrupellose Großkapitalisten und politische Strippenzieher, die durch das Buch »Kauf dir einen Kaiser« des Wirtschaftsjournalisten Günter Ogger popularisiert wurde, ist im Grunde nichts anderes als die Negativfolie des Bildes von den großen Wirtschaftsführern.5

Von den 1930er bis in die 1960er Jahre hat vor allem ein Mann die Fuggerforschung geprägt: Götz Freiherr von Pölnitz, langjähriger wissenschaftlicher Leiter des Fuggerarchivs und späterer Ordinarius für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg. Pölnitz' Verdienste um die Fuggerforschung sind kaum zu überschätzen: Er machte neben Jakob Fugger, dem bis dahin hauptsächlich das Augenmerk der Geschichtsschreibung galt, auch dessen Neffen und Nachfolger Anton Fugger zum Thema und arbeitete sein Leben umfassend auf. In seinen voluminösen Biographien Jakob und Anton Fuggers verwertete Pölnitz nicht nur die gesamte ältere Literatur, sondern auch archivalische Quellen aus ganz Europa, die in dieser Vollständigkeit von keinem anderen Historiker berücksichtigt wurden. Und er überwand die bis dahin dominante wirtschaftsgeschichtliche Perspektive zugunsten einer integralen Sicht auf Politik, Gesellschaft und Kultur des 16. Jahrhunderts.

Doch Pölnitz hat der Fuggerforschung nicht nur ein reiches, sondern auch ein problematisches Erbe hinterlassen. Als Wissenschaftler war er von der historistischen Tradition des 19. und frühen 20. Jahrhunderts geprägt. Ihm ging es darum, durch die Biographien großer Männer die gestaltenden Kräfte und Ideen seiner Epoche, im Falle Jakob Fuggers besonders das »zwiespältige Ringen einer zerrissenen Generation« sichtbar zu machen. Diese Zerrissenheit kam für ihn im Gegensatz zwischen Kaiser Maximilian, den er als »Träumer auf dem Kaiserthron« charakterisierte,6 und Jakob Fugger zum Ausdruck, den er als Inbegriff kaufmännischer Rationalität und Nüchternheit sah. Pölnitz porträtierte Jakob Fugger als »Kaufmann mit jeder Fiber seines Wesens«, der »erfüllt mit durchsichtig kühler Klarheit« gewesen sei und »seine Zahlen mit der gleichen Inbrunst« geliebt habe »wie andere ihre Klassiker«. Dieser Mann »wußte seine ökonomisch-politische Welt so genial zu berechnen und mit ihnen [den Zahlen] zu bauen wie irgendein echter Könner unter den großen Architekten.« »Auf rationaler Durchdringung der Welt und Meisterung ihrer Probleme aus nüchternen Einsichten beruhte« für Pölnitz »ein Gutteil dieser kaufmännischen Genialität«. Da Jakob Fugger indessen nur wenige Selbstzeugnisse hinterlassen hat, blieb Pölnitz darauf angewiesen, seinen Charakter aus verstreuten Äußerungen, bildlichen Repräsentationen und in den Quellen belegten Handlungen herauszulesen. Die moderne historische Forschung steht einer derartigen Gleichsetzung von Handlungen und Repräsentationen mit individuellen Charakterzügen und Persönlichkeitsmerkmalen sehr skeptisch gegenüber.

Aber nicht nur in methodischer Hinsicht erscheint Pölnitz' Verfahrensweise problematisch, sondern auch wegen der »nationalen« Kategorien, die ihr zugrunde liegen. Pölnitz sah in Jakob Fugger den »kühlen Geist romanischer Rationalisten« verkörpert, der »sonder [ohne] Ehrfurcht vor Tradition und Glauben in italienischen Kontoren herrschte«. In die »zarte Welt« der altdeutschen Gotik habe Fugger eine neue Geisteshaltung importiert, die sich gegen Ende seines Lebens zu einem »Geist rastlosen Wirkens und Kämpfens« radikalisiert habe. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, den Pölnitz selbst als traumatische Lebenserfahrung schildert, hatte diese Argumentation offensichtlich eine psychologische Entlastungsfunktion.7 Dass sie letztlich mehr über den Autor verrät als über den Gegenstand seiner Biographie, bestätigt ein Blick in den Aufsatz »Fugger und Medici«, den Pölnitz 1942 in der Historischen Zeitschrift publizierte. In diesem Artikel, der auf eine Vortragsreise im faschistischen Italien zurückging, wurde die Kooperation der beiden berühmten Handelshäuser noch unverhohlen für die Traditionsbildung der damaligen Achsenmächte in Anspruch genommen.8 Erst unter dem Eindruck der militärischen Niederlage des nationalsozialistischen Deutschland gelangte Pölnitz zu einer kritischeren Einschätzung der »italienischen« Prägung Jakob Fuggers. Diesem Transformationsprozess eingehender nachzugehen, wäre eine lohnende Aufgabe.9

Und noch in einer weiteren Hinsicht hat Pölnitz der Fuggerforschung ein problematisches Erbe hinterlassen: in der Konzentration auf zwei Generationen der Familien- und Unternehmensgeschichte. Wie bereits Ehrenberg und Strieder sah Pölnitz in der Ära Jakob und Anton Fuggers die große Zeit der Familie, in der sich ihr Aufstieg in engem Zusammenhang mit dem Geldbedarf europäischer Fürsten, insbesondere der Habsburgerkaiser Maximilian I. und...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Mittelalter
ISBN-10 3-17-042452-1 / 3170424521
ISBN-13 978-3-17-042452-4 / 9783170424524
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