Paulus meinte das ganz anders (eBook)

Das Weib schweige - untertan der Obrigkeit - Liebe schuldig bleiben - keine Frau anfassen - alles glauben. Fünf Klärungsversuche zu missverstandenen Paulus-Stellen
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2024 | 1. Auflage
372 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-24815-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Paulus meinte das ganz anders -  Günter Unger
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Viele Gedanken des Paulus haben Theologie und Kirche geprägt. Einige Stellen seiner Briefe aber werden fehlgedeutet - über Jahrhunderte hinweg. Die mangelnde Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche, die unterwürfige Lehre vom Gottesgnadentum der Obrigkeit, die Verwirrung um das Weitergelten des Religionsgesetzes, die restriktive Ehe- und Sexualmoral der Kirche und die Auffassung, aus Liebe müsse man alles ertragen, glauben und dulden, gehen auf missverstandene Paulus-Stellen zurück. Die Auswirkungen solcher Fehldeutungen haben der Christenheit enormen Schaden zugefügt. In fünf Kapiteln dieses Buches werden zu den genannten Problemthemen anhand einer Auslegung der zugrundeliegenden Paulus-Aussagen fünf Klärungsversuche vorgestellt. Um das Buch auch für theologische Laien gut lesbar zu halten, ist der Text um Allgemeinverständlichkeit bemüht; die nötige wissenschaftliche Begründung und Diskussion findet weitgehend in ausführlichen Fußnoten statt.

Günter Unger ist bayerischer evangelischer Pfarrer im Ruhestand und Autor neutestamentlich-exegetischer Bücher. Seit seiner früheren Tätigkeit als Assistent am Institut für Neutestamentliche Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München gilt sein Interesse besonders der neutestamentlichen Exegese.

Günter Unger ist bayerischer evangelischer Pfarrer im Ruhestand und Autor neutestamentlich-exegetischer Bücher. Seit seiner früheren Tätigkeit als Assistent am Institut für Neutestamentliche Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München gilt sein Interesse besonders der neutestamentlichen Exegese.

„Das Weib schweige in der Gemeinde!“

Für diesen Satz wird Paulus viel gescholten – aber die schlimme Anweisung ist erst Jahrzehnte später in seinen Brieftext eingefügt worden. Viele wichtige Missions–Mitarbeiterinnen des Paulus waren Frauen.

1. Die Anstößigkeit und die eigenartige Umgebung der Aussage

Recht regelmäßig verweisen Kritiker des Apostels Paulus auf die problematische Aussage im Ersten Korintherbrief, Kapitel 14, Vers 34–35, die mit den Worten beginnt „Das Weib schweige in der Gemeinde …“. Die dort zu lesenden Sätze sind in der Tat frauenfeindlich, ihre Wirkungsgeschichte in den christlichen Kirchen über die Jahrhunderte hinweg ist verheerend, die Trübung des Paulus-Bildes, die von ihnen ausgeht, ist beträchtlich – jedoch: die beiden Verse stammen gar nicht von Paulus, sondern von späteren Schreibern. Bisweilen wird Paulus, bahnbrechender Denker im Neuen Testament und zugleich ‚Theologe der Freiheit‘, allein aufgrund dieses schroffen Zitates als antiker Frauenverächter eingestuft und mit den in 1 Kor 14 zu lesenden problematischen Worten die Vermutung begründet, dass möglicherweise viele der reichhaltigen und wirkmächtigen Gedanken des Apostels auf Vorurteile hin zu überprüfen und womöglich kaum in die moderne Zeit zu übernehmen seien.

Wer die fragliche Stelle jedoch aufmerksam betrachtet, erkennt bald, wie hier dem Paulus etwas zu Unrecht unterstellt wird, denn die anstößige Anweisung stammt – recht gut ersichtlich – gar nicht von ihm; sie ist, zu einem relativ frühen Zeitpunkt zwar, aber doch nachträglich in den Text eingefügt worden.

Um dies darzulegen, greife ich neben neuerer Literatur dankbar zurück auf Beobachtungen, Gedanken und Argumente der kleinen feinen Monographie von Gottfried Fitzer „Das Weib schweige in der Gemeinde“, die bereits 1963 erschienen, aber leider nicht breit genug bekannt geworden ist und die mich als einstmaliger Erstimpuls nun zu diesem Kapitel angeregt hat.1

Das problematische (angebliche) Pauluswort steht im 1. Korintherbrief im 14. Kapitel. Paulus widmet dieses ganze lange Kapitel jedoch nicht etwa einer Diskussion über die Rechte von Frauen in der Gemeinde, sondern einem sehr speziellen und eigenartigen Phänomen, das heutigen Bibellesern weithin unbekannt ist und, wenn wahrgenommen, reichlich abstrus erscheint, nämlich dem sogenannten ‚Zungenreden‘ – einem Phänomen, das in der korinthischen Gemeinde ganz offenkundig verbreitet war,2 von Paulus aber nicht sonderlich wertgeschätzt wurde. Wenn Paulus dennoch erstaunlich ausführlich auf dieses Phänomen des ‚Zungenredens‘ eingeht, dann deshalb, weil der 1. Korintherbrief deutlich erkennbar ein Antwortschreiben auf Anfragen und Problemanzeigen ist: Paulus äußert sich abschnittsweise zu Schwierigkeiten und Missständen in der jungen korinthischen Gemeinde, zu denen er zuvor in einem (uns nicht erhaltenen) Brief aus Korinth um seine Meinung oder seine Weisung gefragt worden war.3 Das ‚Zungenreden‘ (griechisch die ‚Glossolalie‘), das Reden in unbekannten fremden Zungen (d.h. Sprachen), zu dem er im 14. Kapitel Stellung nimmt, war ein ekstatisches unverständliches Sprechen-Schreien-Singen4, das in korinthischen Gemeindeversammlungen regelmäßig gepflegt worden zu sein scheint,5 auf das die Korinther (oder die Mitglieder einer Untergruppe der Gemeinde) zudem besonders stolz waren, das ihnen wohl geradezu als vermeintlicher Ausweis diente, den Heiligen Geist zu besitzen,6 welcher auf solche Weise in ‚Engelssprache‘7 aus den Menschen rede. Paulus jedoch, in seinem Wesen und Denken kritischer und rationaler als die korinthischen Zungenredner, schätzte dieses Phänomen nicht besonders und wollte es nicht fördern, sondern eindämmen.8 Vers 23: „Wenn nun die ganze Gemeinde zusammenkäme an den gleichen Ort und alle redeten in Zungen, und es kämen Ahnungslose9 oder Ungläubige hinzu, würden sie nicht sagen, ihr seid verrückt?“ Paulus will das ‚Zungenreden‘ begrenzen zugunsten klar verständlicher Rede (‚prophetische Rede‘),10 jedoch nicht durch ein direktes Verbot des Zungenredens (das wahrscheinlich kaum befolgt worden wäre oder das weiteren Unfrieden erzeugt hätte – er gibt denen, die vermutlich für ein Verbot plädierten, auch nicht offen recht, so Vers 39 – und er sagt sogar, entgegenkommend, er selbst ‚kann das auch‘, Vers 18; es liegt also keine exklusive Geist-Begabung und Fähigkeit der darauf so stolzen Gruppe vor), sondern er will erkennbar dadurch steuernd eingreifen, dass er Struktur und Ordnung in die ekstatisch-chaotischen Gemeindeversammlungen zu bringen versucht – ein durch Einflussnahme von außen, allein mittels eines Briefes, nicht leichtes Unterfangen.

In diesem besonderen Zusammenhang und – wohl nachträglich – hineingestellt in dieses (in den heutigen Kirchen kaum noch bekannte) sehr spezielle Thema begegnet die hier zu besprechende (nun freilich recht bekannte, weil als anstößig wahrgenommene) Weisung, die Frau solle in der Gemeindeversammlung schweigen. Diese Weisung könnte allerdings bereits beim ersten aufmerksamen Lesen des ganzen Kapitels wie ein aus dem schlüssigen Argumentationsgang herausfallendes anderes Thema, wie ein Fremdkörper im Zusammenhang des ‚Zungenredens‘ wahrgenommen werden.

Lesen wir den betreffenden Abschnitt 1 Kor 14 von Vers 26 bis 40; es sind dabei die problematischen Aussagen der Verse 34 und 35 zur besseren Unterscheidung in kursivem Druck wiedergegeben (dazu ebenfalls kursiv bereits diejenigen Worte im originalen, von Paulus stammenden Umgebungstext, die für den nachträglich eingefügten Mittelteil eine assoziative Stichwort-Basis gebildet, d.h. die zu dem mittleren Einschub eingeladen und angeregt haben dürften):11

26Wie steht es denn nun, Brüder12? Wenn ihr zusammenkommt, hat ein jeder einen Psalm, hat eine Lehrunterweisung, hat eine Offenbarung, hat eine Zungenrede, hat eine Übersetzung [scil. der ansonsten unverständlichen Zungenrede]. Alles soll zum Aufbau [der Gemeinde] geschehen! 27Falls jemand in Zungensprache redet, dann etwa zwei oder maximal drei, und nacheinander, und einer soll es auslegend übersetzen. 28Ist aber kein Ausleger da, so schweige er [scil. der Zungenredner] in der Gemeinde; für sich selber kann er reden und für Gott. 29Propheten [scil. im Namen Jesu und aus dem Geist heraus Sprechende] sollen zwei oder drei reden, und die anderen sollen darüber urteilen. 30Wenn aber einem anderen, der [noch] sitzt, eine Offenbarung zuteil wird, dann soll der erste schweigen. 31Ihr könnt, nämlich nacheinander, alle prophetisch reden, damit alle etwas lernen und alle bestärkt werden. 32Auch die Geister der Propheten sind den Propheten untertan. 33Denn Gott ist nicht ein Gott des unordentlichen Durcheinanders, sondern des harmonischen Friedens – wie in allen Gemeinden der Heiligen.13 – 34Die Frauen sollen schweigen in den Gemeinden (Gemeindeversammlungen); denn es steht ihnen nicht zu, zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. 35Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie zu Hause ihre Männer fragen. Denn es steht der Frau schändlich schlecht an, in der Gemeinde(versammlung) zu reden. 36Oder ist etwa von euch das Wort Gottes hergekommen oder allein zu euch hingegangen? 37Wenn jemand meint, ein Prophet zu sein oder ein Geistbegabter14, dann sollte er doch auch erkennen, dass das, was ich euch schreibe, vom Herrn kommt.15 38Wenn aber einer das nicht anerkennt, dann wird auch er nicht anerkannt.16 39Folglich, meine Brüder, bemüht euch um die prophetische Rede und wehrt nicht der Zungenrede. 40Alles soll jedenfalls mit anständig guter Gestaltung17 und geordnet zugehen.“

Es gilt nun darzulegen, wie dieser Text zusammen mit weiteren Aussagen und Eigenheiten des 1. Korintherbiefes und anderer Paulusbriefe mehr an Informationen zu seiner Analyse enthält, als es beim ersten Lesen erscheinen mag. Dabei schreiten die hier folgenden Abschnitte fort von einer zunächst mehr textanalytischen Detailbetrachtung, die dem nicht exegetisch Interessierten als ‚trocken‘ erscheinen kann, über das verwirrend schwierige Kapitel 11 hinweg zu einer schließlich lebendi geren Wahrnehmung der äußerst wichtigen Rolle, die Frauen in den Gemeinden und in der Missionsarbeit des Paulus unbezweifelbar hatten.

2. Der auffallende Textbefund in alten Handschriften

Bevor ein Textabschnitt des Neuen Testaments ausgelegt wird, steht – so verlangt es die exegetische Sorgfalt – grundsätzlich eine Überprüfung des griechischen Urtextes an, der uns in...

Erscheint lt. Verlag 28.2.2024
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte 1-7 • 1. Korinther 13 • Frauen in der Kirche • Gefangenschaft des Paulus • Gesetzesfreiheit bei Paulus • Hohelied der Liebe • Kirche und Obrigkeit • Kirchliche Ehe- und Sexualethik • Römer 13 • Römischer Kaiserkult • Zölibat
ISBN-10 3-384-24815-5 / 3384248155
ISBN-13 978-3-384-24815-2 / 9783384248152
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