JUGEND SUCHT -  Christoph Möller

JUGEND SUCHT (eBook)

Ein Präventionsbuch - Ehemals Abhängige berichten
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
140 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044739-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
22,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Komasaufen, Kiffen, exzessives PC-Spielen im Jugendalter sind Themen, die alle betreffen, die mit jungen Menschen zu tun haben. Dieses Buch stellt die Suchtformen sowie gesellschaftliche Rahmenbedingungen - Werbung, die Verfügbarkeit von Alkohol, den Umgang mit der Cannabis-Legalisierung, Digitalisierung, erwachsene Vorbilder - anschaulich und fachlich fundiert dar. In 12 Interviews berichten ehemals abhängige Jugendliche über die Hintergründe ihrer Abhängigkeit und ihren Weg aus der 'Sackgasse Sucht'. Der eindrückliche Einblick in diese Lebenswege hilft dabei, einen Zugang zu drogen- oder internetsüchtigen Jugendlichen zu finden und sich in der Suchtprävention einzusetzen.

Prof. Dr. med. Christoph Möller, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie am Kinderkrankenhaus Auf der Bult in Hannover, Leiter der Suchttherapiestation Teen Spirit Island und Honorarprofessor an der Ostfaliahochschule in Wolfenbüttel.

Vorwort von Rainer Thomasius1


In den letzten Jahren weisen Untersuchungen in Deutschland hohe Steigerungsraten beim Konsum legaler und illegaler Suchtmittel (Tabak, Alkohol, Cannabis, Ecstasy, Amphetamine, Kokain) durch Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus. Junge Menschen geraten immer früher mit Suchtmitteln in Kontakt, das Einstiegsalter sinkt. Aus Beratungs- und Behandlungsstellen wird von besonders intensivem Konsum dieser Substanzen durch Jugendliche berichtet.

Neu hinzu gekommen ist die Internet- und Computer-Sucht, die von der American Psychiatric Association in der DSM-5 unter Internet Gaming Disorder als Forschungsdiagnose aufgeführt ist. Auch in den Katalog der ICD-11 wurde die Diagnose aufgenommen.

Riskante Konsumformen und übermäßiger Mediengebrauch sind mit teilweise erheblichen gesundheitlichen Folgen verbunden. So werden bei manchen jungen Konsumenten Entwicklungsstörungen infolge eines Substanzmissbrauchs beobachtet (ungünstige Auswirkungen des Substanzmissbrauchs auf die Persönlichkeitsentwicklung, Leistungsfähigkeit, Motivation etc.), des Weiteren psychische Störungen (Depressive Störungen, Angststörungen, Psychosen etc.) und körperliche Erkrankungen (Hirnleistungsstörungen, Infektionen, Vergiftungen etc.). Heute stellen die Suchtstörungen eines der zahlenmäßig größten Risiken für die altersgerechte Entwicklung und Gesundheit im Kindes- und Jugendalter dar.

Aus der klinischen Arbeit mit betroffenen Kindern und Jugendlichen ist bekannt, dass die Gründe für die Zunahme der Suchtstörungen in dieser Altersgruppe auf mehrere Einflüsse zurückzuführen sind: gestiegene Griffnähe (Konsumangebote in Freundeskreis und Nachbarschaft), veränderte Einstellungen und Erwartungshaltungen (»Spaßkultur«), konsumierende Peers, nachlassende soziale Kontrolle (gesellschaftliche und familiäre Funktionen), Substanzmissbrauch der Eltern sowie seelische Traumatisierungen und Störungen im Kindes- und Jugendalter.

Der wachsenden Zahl suchtgefährdeter und süchtiger Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener stehen in Deutschland nach wie vor erhebliche Defizite und Mängel in der therapeutischen Versorgung speziell dieser Altersgruppe gegenüber. Um suchtgefährdete und süchtige Kinder und Jugendliche frühzeitig und gezielt zu befähigen, auf einen Suchtmittelkonsum zu verzichten, ist ein weiterer Ausbau des Hilfesystems dringend erforderlich. Dabei gibt es manches zu berücksichtigen: Ausstiegshilfen für Kinder und Jugendliche müssen abstinenzorientiert sein. Die Angebotsstrukturen müssen kind- und jugendgerecht ausgerichtet werden. Die Therapie muss familien-, entwicklungs- und störungsorientiert sein. Persönliche, familiäre und soziale Konflikte, die dem Substanzmissbrauch häufig zugrunde liegen, müssen rechtzeitig erkannt und im Therapieprozess einer Lösung zugänglich gemacht werden. Mit Ausnahme weniger Modelleinrichtungen (deren Zahl glücklicherweise steigt) werden diese Anforderungen in Deutschland jedoch bislang bei weitem nicht erfüllt.

Dieses Buch enthält eine Dokumentation über zehn Interviews, die mit süchtigen Jugendlichen geführt worden sind. Der Autor Christoph Möller hat mit jungen Patientinnen und Patienten gesprochen, als sie am Ende ihrer Suchttherapie in »Teen Spirit Island« (TSI) standen. Diese Facheinrichtung gehört zu den wenigen stationären Modellen für süchtige Kinder und Jugendliche in Deutschland. »Teen Spirit Island« und das Team von Christoph Möller haben inzwischen einen über 25-jährigen Erfahrungsschatz gesammelt. Christoph Möller war maßgeblich am Aufbau dieser Einrichtung beteiligt. Heute leitet der Kinder- und Jugendpsychiater, der als Suchtexperte große Anerkennung erhält, als Chefarzt die Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult, zu der auch »Teen Spirit Island« gehört.

Die Gesprächspartner von Christoph Möller sind zwischen 14 und 18 Jahre alt; alle wiesen eine schwerwiegende Suchterkrankung oder Medienabhängigkeit auf, als sie in »Teen Spirit Island« angekommen waren. Der Autor hat seine Fragen behutsam gestellt: Warum hast du Drogen genommen? Welche erwünschte Wirkung haben die Substanzen bei dir hervorgerufen? Wie hat sich der Substanzmissbrauch auf dein Zusammenleben mit Eltern, Geschwistern und Freunden ausgewirkt? Welchen Einfluss hatte der Konsum von Alkohol, Drogen und Medien auf deine Schulausbildung und Entwicklung? Mit welchen seelischen und körperlichen Auswirkungen war der Substanzmissbrauch und Medienkonsum verbunden?

Die Offenheit, mit der die Jugendlichen diesen Fragen begegnen, ist beeindruckend. Der Leser wird bei der Lektüre der Interviews an sehr persönliche Schilderungen der Jugendlichen herangeführt; diese Darstellungen gehen unter die Haut. Man spürt, dass die Jugendlichen in vertrauter Atmosphäre Auskunft über sich gegeben haben.

Der Leser erfährt aus den Berichten der Jugendlichen viele Details über deren anfangs kontrollierten, dann aber zusehends entgleisenden Konsum legaler und illegaler Suchtmittel und den exzessiven Mediengebrauch. Der Weg in die Sucht, das lehren die Schilderungen der jungen Patienten, wird nicht etwa in aller Abgeschiedenheit beschritten. Vielmehr unterhalten die meisten suchtgefährdeten beziehungsweise süchtigen Kinder und Jugendlichen enge persönliche Kontakte. Die Sucht der Jugendlichen wirkt sich in besonderer Weise auf die Beziehungen zu nahen Angehörigen aus. In umgekehrter Richtung hat das Verhalten der Angehörigen einen wichtigen Einfluss auf die Suchtentwicklung des Jugendlichen. Gerade zu Beginn des Substanzmissbrauchs oder der exzessiven Mediennutzung suchen viele Jugendliche im Rausch eine Abkehr von familiären Spannungen und Konflikten.

Nicht jeder Konsum von Alkohol, illegalen Drogen oder Medien mündet zwangsläufig in der Abhängigkeit. Das Risiko süchtig zu werden, ist von vielen Faktoren abhängig. Gefährdet sind vor allem jene Jugendliche, die bereits in ihrer Kindheit besonderen inneren und äußeren Belastungen ausgesetzt gewesen waren. Die Aufzeichnungen der Interviews geben dafür eindrucksvolle Beispiele ab. Fast durchgängig sprechen die jungen Interviewpartner ihre verlorene Kindheit an, die nicht selten durch einen Mangel an Fürsorge und Verbundenheit und in manchen Fällen durch frühe Gewalterfahrung gekennzeichnet ist.

Trotz solcher anhaltenden Traumatisierungen kam kaum jemand aus eigener Initiative nach »Teen Spirit Island«. Süchtige Jugendliche haben in der Regel keine Einsicht in ihr Suchtproblem. Wer die berauschende Wirkung eines Suchtmittels oder der Computerspiele – aber manchmal auch die Umstände des Konsums – erst kürzlich zu schätzen gelernt hat, der will sich nicht behandeln lassen. Daher führt häufig erst der Druck durch Angehörige, Lehrer oder Betreuer zur Einweisung in die Klinik. Diesen Umstand wissen die jungen Patienten erst am Ende der Therapie zu würdigen, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die stabilisierte Psyche den Blick für die eigene Lebensgeschichte frei macht.

Ein weiter Aspekt sticht aus der Fülle der Schilderungen hervor: Bei der Behandlung des Suchtproblems fühlen sich Jugendliche durch ganz unterschiedliche Therapieelemente angesprochen. So unterschiedlich wie ihre Biografien sind, so verschieden fällt auch die Bewertung all dessen aus, was aus der Sucht herausgeführt hat. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wird der Erfolg der Suchttherapie bei Kindern und Jugendlichen entscheidend durch das Maß an Flexibilität bestimmt, die Behandlung an den Bedürfnissen und Erfordernissen des Einzelfalls auszurichten. Am deutlichsten bringen dies die Interviewpartner zum Ausdruck, indem sie sagen, dass sie sich auf »Teen Spirit Island« verstanden gefühlt haben. Dieses Gefühl ist der Nährboden für eine positive Richtungsänderung.

Die befragten Jugendlichen wollen nach ihrer Entlassung aus der Suchttherapie vom Drogen- und Medienzwang befreit bleiben. Sie möchten ihre Schulausbildung nachholen, sagen sie, und all die anderen Dinge, die in der langen Phase des Substanzmissbrauchs oder Computerspielens auf der Strecke geblieben sind. Was, fragt Christoph Möller, ist am Ende einer Suchttherapie noch Positives über Drogen zu erwähnen? Nichts, antworten die Jugendlichen.

Die abgedruckten Interviews veranschaulichen in einer auch für den Laien leicht verständlichen Weise, welche individuellen, familiären und sozialen Konstellationen im Einzelfall dazu beitragen können, dass Kinder und Jugendliche in der Sucht nach Alkohol, Drogen und Computerspielen einen Ausweg aus ihrem persönlichen Dilemma suchen. Zugleich belegen die Schilderungen der behandelten Suchtpatienten exemplarisch, dass betroffene Jugendliche erfolgreich aus dieser Sackgasse in ein von Drogen befreites und selbstbestimmtes Leben herausgeführt werden können, wenn kompetente Hilfestellung angeboten wird. Die Lektüre des Buches ist gerade aus dem zuletzt genannten Grund sehr ermutigend. Betroffene Jugendliche, besorgte Eltern, Experten der Jugendhilfe, Suchthilfe und Pädagogik sowie viele andere am Thema Interessierte können...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
ISBN-10 3-17-044739-4 / 3170447394
ISBN-13 978-3-17-044739-4 / 9783170447394
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,6 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Mit Online-Material

von Wolfgang Schneider; Ulman Lindenberger

eBook Download (2018)
Beltz (Verlag)
58,99