... damit das Lachen im Halse stecken bleibt -  Hans-Jürgen Fischer

... damit das Lachen im Halse stecken bleibt (eBook)

Ein Ratgeber für das Satireschreiben
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
284 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-4568-2 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Umbrüche und Verunsicherungen sowie schwindender Medienangebote zu politischer Bildung ist es notwendig, solche Trends umzukehren. Satire kann Menschen zum Nachdenken bringen, sodass sie die Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderungen erkennen. Außerdem erweitert jede für Satire notwendige Recherche im Nebeneffekt bei Schreibenden deren politische Bildung. Das Buch soll hierzu Beiträge leisten. Der Ratgeber gliedert sich in drei Teile, die folgende Themenbereiche beinhalten: >>> Beantwortung der Frage: Was ist Satire? >>> Das Arbeiten mit Satire: Mögliche Themenfelder; Annäherung an Satiretexte und Methoden zu ihrer Realisierung; Wege an die Öffentlichkeit. >>> Exemplarische, nach Textsorten geordnete Satiretexte; Literaturvorschläge zu Satire. Das Buch richtet sich erstens an am Satireschreiben interessierte Menschen, die bereits über Kenntnisse im Schreiben kreativer Texte verfügen. Zweitens an Schreibpädagogen und Personen, die Schreibgruppen oder Lesebühnen leiten, in denen das Thema Satire vermittelt werden soll. Drittens an Teilnehmende, die solche Angebote nutzen.

Kurzvita Hans-Jürgen Fischer, Jahrgang 1949, wächst als Staatenloser in Hannover auf. Erst mit 17 Jahren erwirbt er die deutsche Staatsangehörigkeit. Segregationserfahrungen lassen ihn zum Schulverweigerer werden, und so verlässt er 1965 die Volksschule ohne Abschluss. Nach zwei abgebrochenen Lehren wird er nacheinander Seemann, Fabrikarbeiter, Soldat und Kraftfahrer. Im 25. Lebensjahr beginnt er mit dem Nachholen von Schulabschlüssen, absolviert eine Tischlerlehre, erwirbt das Fachabitur und studiert anschließend Sozialwesen. Nach Diplom und staatlichem Anerkennungsjahr arbeitet er 30 Jahre lang als Sozialpädagoge im Jugendamt Hannover, qualifiziert sich in Sozialmanagement und Fragen zur Jugenddelinquenz. Mit Eintritt in den Ruhestand 2012 studiert er Biografisches und Kreatives Schreiben und schließt 2014 mit dem Master ab. Seitdem leitet er Schreibgruppen an. Sein besonderes Interesse gilt dem Schreiben von Kurzprosa, Lyrik und Liedtexten mit satirischem Hintergrund. 2022 initiiert er eine Lesebühne, die er weiterhin leitet. 2012 veröffentlicht er seinen Debütroman Sandros Strafe. Es folgen zwei Anthologien mit satirischen Texten, ein Fachbuch zur Schreibgruppenarbeit mit Langzeitarbeitslosen sowie der Roman Bei den Herrenmenschen, in dem er die Geschichte seines Vaters als Zwangsarbeiter im Nazireich erzählt. 2019 gewinnt er den vom Theaterpädagogischen Zentrums Brixen (Südtirol) ausgeschriebenen 1. Preis des Wettbewerbs für Bühnenautor*innen Bleib cool, Schätzchen. Der Titel seines satirischen Sketches lautet: Ein Blick in die Welt von Amazon.

Teil 1 Was ist Satire?


Satire als Bildungsmedium


Was kann Satire auslösen, was kann sie bewirken?


Stellen wir uns vor, wir säßen in einer Kabarettaufführung. Innerlich haben wir uns bereits darauf eingestellt, Überraschungen zu erleben, ungewohnte Einsichten serviert zu bekommen. Wir sind gespannt, weil wir zwar die grobe Richtung kennen, weil wir vermuten, dass gesellschaftliche Zustände und Fehltritte Prominenter mit geistreichem Witz thematisiert und skandalisiert werden – aber wir können nicht wissen, was sich das Ensemble dazu hat einfallen lassen. Es steht also bereits vor dieser Aufführung fest, dass es Überraschungen geben wird. Wozu sollten wir auch sonst so viel Geld für die begehrten Karten ausgeben, wenn wir das alles schon wissen und nur müde lächeln werden?

Dann treten die Akteure auf, und wir erleben ein Feuerwerk unerwarteter Hinweise zu ungeahnten Zusammenhängen. Das Programm kommt beim Publikum an. Auch wenn wir aktiv mitgehen, indem wir lachen, grölen oder frenetisch applaudieren, gehen wir nach Veranstaltungsschluss nicht zufrieden nach Hause und haken das Erlebnis ab. Was uns an neuen Informationen, Ansichten und Einsichten vermittelt wurde, arbeitet noch eine Weile in uns weiter, und wir versuchen, es in unser eigenes Weltbild einzuflechten. Wenn wir indes jemand sind, dem die ganze Richtung nicht passt, werden wir grollend versuchen, die satirischen Punkte durch die eigene Einstellung zu widerlegen und zu konterkarieren. Wie auch immer wir reagieren – ob positiv oder negativ – ohne eigene Reaktion kommen wir da jedenfalls nicht davon. Dieser Effekt stellt sich übrigens nicht nur ein, wenn die satirischen Botschaften von der Bühne kommen, sondern auch dann, wenn sie über Radio- oder Fernsehgeräte gesendet oder über das Lesen eines gedruckten Textes vermittelt werden.

Und genau diese Reaktion der Adressat*innen macht Satire so wirkungsvoll. Dies zeigt sich zunächst durch die erlebte Überraschung. Kontexte werden hergestellt, deren Existenz wir bisher nicht erahnten, und wir werden zum Nachdenken gebracht über bisher vermeintlich klare Sachverhalte, die sich uns auf den zweiten Blick als völlig anders beschaffen präsentieren. Wir sind erstaunt über fremde Sichtweisen, die wir plötzlich für plausibel halten, und die eine ungewohnte Betrachtung der Dinge vermitteln. Da stellt sich dann entweder ein Aha-Effekt ein, der das Bedürfnis auslöst, nähere Informationen einzuholen, oder aber Entrüstung und Abwehrhaltung, wenn dies dem eigenen Weltbild widerstrebt. Im ersten Fall fühlt man sich aufgeklärt, im zweiten auf den Schlips getreten. Denn bei Satire gibt es keine flaumweiche Vermittlung zwischen konträren Positionen, hier wird eindeutig Stellung bezogen, zugespitzt und polarisiert. Bei solchen Botschaften bleiben nur zwei mögliche Haltungen: zustimmen oder verdammen. Jeder in satirischen Texten enthaltene Gag lässt vordergründig lächeln, doch die eigentlich beabsichtigte Reaktion ist es, Nachdenken auszulösen, sodass der Lacher im Halse stecken bleibt. Es wird ein Spiegel vorgehalten, der uns dazu bringen soll, die bisher gewohnten eigenen Einstellungen zu reflektieren ein daraus resultierendes Verhalten ggf. zu modifizieren. Widersprüche im gesellschaftlichen Miteinander sowie Anspruch und Wirklichkeit in der Lebensführung prominenter Personen werden so freigelegt.

Skeptiker*innen mögen sagen, Satire könne nichts verändern. Dem will ich entgegnen: Wenn auch kritisierte Tatbestände durch Satire nicht unmittelbar verändert werden können, weil keine direkten Machtmittel damit verknüpft sind, so regt sie dennoch Menschen an, über diese Dinge nachzudenken, eine kritische Perspektive einzunehmen, Sichtweisen zu überprüfen und so möglicherweise Einstellungen zu diesen Fragen zu verändern. Indes ist Selbstdenken anstatt andere denken zu lassen die notwendige Voraussetzung, vorherrschenden Sichtweisen etwas entgegensetzen zu können. Je mehr Menschen dazu fähig sind, desto schwieriger wird es für Herrschende, ihre hegemonialen Sichtweisen und Wahrheiten von oben ungestört und unhinterfragt durchzusetzen. Eine lebendige Demokratie braucht denkende Menschen, kein Stimmvieh, das alles schluckt, was man ihm vorsetzt. Der öffentliche kritische Blick ist oft schon vorhanden, und Satiriker schreiben dann, was andere kritische Zeitgenossen denken, aber nur selten so pointiert auszudrücken vermögen.

Dies alles ermöglicht, dass über Satire Missstände aufgespürt, ihre Hintergründe beleuchtet, aufbereitet und enthüllt präsentiert werden. Etwas oder jemand wird durch den Kakao gezogen, und dies löst bei uns Erkenntnis und Schadenfreude aus sowie den Impuls, die jeweilige Kernaussage in uns weiter wirken zu lassen. Sachverhalte werden als Täuschung und Lüge zulasten der Gesellschaft entlarvt, und als Folge unserer gedanklichen Auseinandersetzung mit solchen Botschaften wird jeder noch so schräge Witz die Welt ein wenig besser machen.

Satire ist originäre politische Bildungsarbeit


Selbst Satire zu schreiben ist etwas für Überzeugungstäter*innen, für Menschen mit dem Anspruch, ihren Verstand politisch zu bilden, und wohl auch für Zeitgenoss*innen mit Sendungsbewusstsein. Ein solches Schreiben kann seelische Entlastung bewirken, den Leidensdruck an gesellschaftlichen Realitäten mindern. Wenn wir also einen solchen Druck verspüren, uns dabei in allgemein gesellschaftlichen und politischen Fragen auf der Höhe fühlen, wenn wir außerdem auch Humor haben, sind dies vermutlich Gründe dafür, weshalb wir uns für das Satireschreiben interessieren. Also legen wir einfach los. Sollten wir da jedoch Defizite bei uns spüren, wäre es für uns sinnvoll und naheliegend, uns hinreichend sachkundig zu machen. Denn wer Sachverhalte, Zustände, das Agieren von Personen oder sich abzeichnende Entwicklungen wirkungsvoll kritisieren will, muss das nötige und belastbare Hintergrundwissen dazu parat haben. Authentische Texte zeugen davon, dass ihre Urheber*innen sich auf sicherem Terrain bewegen, also wissen, wovon sie schreiben. Mit Halbwissen kommt man da nicht weit. Wenn das durchschimmert und die Adressat*innen es erkennen, werden sie den sich entwickelnden Gedankengängen nur selten folgen wollen, und schließlich werden sie einfach innerlich abschalten. Diesen Effekt kennt jeder, der sich mit dem Schreiben fiktiver Texte befasst hat. Denn sobald die innere Logik beim Erzählen reißt, die Nachvollziehbarkeit fehlt oder Unglaubwürdigkeit die Oberhand gewinnt, legen Lesende den Text einfach zur Seite. Wir müssen unsere Adressat*innen an den Text fesseln und ihre Neugier auf den Fortgang schüren. Und weil dieser Mechanismus auch und gerade bei Satire wirkt, ist unsere Glaubwürdigkeit gefragt.

Satireschreiben kann also nur dann authentisch auf Adressat*innen wirken und dadurch überzeugen, wenn wir wissen, worüber wir erzählen. Als Beispiel kommt hier ein Herrschaftsinstrument ins Spiel, das in den letzten vierzig Jahren zunehmend aus dem Blickfeld geriet, aber unterschwellig stets vorhanden ist – Klassismus. Die bis in die 1980er Jahre entstandene Mittelschicht bröckelt seit der Durchsetzung neoliberaler Konzepte und der damit verbundenen Globalisierung zunehmend, die Schere zwischen Arm und Reich klafft mehr und mehr auseinander. Armut bedingt neben fehlender materieller Versorgung auch und gerade massive Benachteiligungen im Bildungssystem, sodass nachfolgende Generationen sich dadurch ebenfalls nicht aus ihrer Benachteiligung befreien können. Die früher propagierte und bis in die 1980er Jahre staatlich geförderte Chancengleichheit ist derzeit nicht mehr viel wert und steht oft nur noch auf dem Papier, die gesellschaftliche Realität hat sich dramatisch gewandelt. Doch anders als in früheren Zeiten der kapitalistischen Gesellschaft, in denen bei Unterprivilegierten und sozial Benachteiligten ein Bewusstsein für die eigene ungünstige Lage bestand und unter den Generationen weitergegeben wurde, ist ein solches Bewusstsein bei Betroffenen zunehmend geschwunden. Erst in jüngerer Zeit und vornehmlich bei akademisch Gebildeten, die sich mit Glück und besonderer Energie aus dem Schicksal ihrer (unteren) Klasse befreien konnten, indem sie sich trotz großer Widerstände Bildung aneigneten, bildet sich erneut ein Bewusstsein über die schwierigen Startbedingungen heraus.

Privilegiertere Zeitgenoss*innen reden und schreiben manchmal über Themen, die nicht die ihren sind, weil sie aufgrund günstiger Sozialisationsbedingungen solchen Erfahrungen nicht ausgesetzt waren. Tiefergehende Erlebnisse und Erfahrungen sozialer Diskriminierung durch Verhalten, Wort, Tat oder Mangel sind ihnen fremd. Doch gerade solche Herabsetzungen und Verletzungen prägen einen Menschen, verfestigen Ansichten und Haltungen, sind mit negativen Gefühlen verknüpft. So etwas lässt sich auch mit noch so intensiver Recherche nicht wettmachen. Wer in behüteten, gut situierten Familienkonstellationen aufwuchs, kann dies kaum wirklich nachvollziehen. Neben dem meist durch Geburt zugeteilten...

Erscheint lt. Verlag 24.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
ISBN-10 3-7597-4568-7 / 3759745687
ISBN-13 978-3-7597-4568-2 / 9783759745682
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 378 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von Nina Janich; Steffen Pappert; Kersten Sven Roth

eBook Download (2023)
Walter de Gruyter GmbH & Co.KG (Verlag)
205,95