Der Sprung aus dem Karree -  Walther H. Lechler

Der Sprung aus dem Karree (eBook)

Mit biblischen Bildergeschichten das Leben leben lernen

Alfred Meier (Herausgeber)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
160 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-4479-1 (ISBN)
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Ich möchte versuchen, in uns Bilder zu erwecken, genauso in mir wie in jedem von uns, Bilder, die in uns aufkommen, Bilder die schon da sind. Ich möchte ein Wissen wieder zugänglich machen, was wir immer schon hatten, das nie weg war, sondern nur verstellt, verschüttet war. Es war, wie wir im Zeitalter der Computer sagen, unserem Zugriff nicht mehr zugänglich. Es ist etwas, wonach wir uns alle sehnen, nämlich einfach herauszukommen aus der Zerrissenheit, in der wir drin stehen und wieder eins zu werden, ganz zu werden und angekommen zu sein. Diese Bilder, dieses Wissen ermöglicht uns, das Leben leben zu lernen und uns das Leben zu nehmen, das uns zusteht. Walther H. Lechler

Walther H. Lechler, 1923-2013, war Arzt, Psychiater und Psychotherapeut. Er gründete 1971 die sozio-psychosomatische Klinik in Bad Herrenalb. Er verstand sie als Lehr-Lern-Gemeinschaft. 1988 ging er in Pension und gründete 1989 den Förderkreis für Ganzheitsmedizin Bad Herrenalb e.V. In seiner Klinik hielt er an Wochenenden sogenannte "Bibelstunden". Er verstand es,ohne irgendeinen theologischen Anspruch zu haben, die Bilder in Gleichnissen und Texten, so zu deuten, dass viele davon berührt waren.

Der Sprung aus dem Karree. Das Rätsel der neun Punkte


Wir nehmen ein kleines Rätsel als Denkhilfe und als Vergleich. Man kann es in lerntheoretischen und lernpsychologischen Büchern finden und zwar zum Thema Problemlösung und Problemlösungsversuche. Diejenigen, die Paul Watzlawik kennen, die finden dieses Rätsel in seinem Buch «Lösungen».

Die gestellte Aufgabe lautet ganz schlicht:

Die neun Punkte sollen durch vier Linien ohne den Stift abzusetzen, ohne Unterbruch, und ohne dass Punkte zweimal berührt werden, verbunden werden.

Ein elfjähriger Junge meldet sich und versucht das Rätsel zu lösen.

Du bist aber sehr mutig. Ich hätte das in deinem Alter nicht gewagt, mich zu melden. Ich hätte mich irgendwo verkrochen, ganz hinten in die Ecke und hätte so getan, als wäre ich gar nicht da.

Also los, vier Striche. Nicht schieben. Vielleicht musst du etwas springen. An der Tafel können wir das ja immer korrigieren. Jetzt noch der vierte Strich. Was passiert jetzt? Es fehlt immer noch ein Strich, damit alle neun Punkte verbunden sind. Was machen wir jetzt? Probieren wir es einfach nochmals.

Was wir im Leben nicht haben, ist ein Schwamm, der jetzt das Gezeichnete löscht. Im Leben ist es eher wie beim Schachspiel, gezogen ist gezogen, so heisst die Regel da. Probier’s nochmals. Und lass dich nicht jagen.

Ja, es bleibt einfach immer ein Punkt übrig! Komisch nicht?

So wie wir das hier sehen, wie du dich so hartnäckig abmühst und es immer wieder mit neuer Hoffnung probierst, machen wir es doch auch bei unseren Problemlösungsversuchen in unserem Leben, nicht? Es gibt ja Aufgaben, die hat noch niemand gelöst, das ist zum Beispiel die Quadratur des Kreises und, ein uralter Traum des Menschen, das Perpetuum Mobile. Und es sind dauernd auf der ganzen Welt Bastler dabei, die ihr ganzes Leben opfern und sich sagen: Ich werde das doch schaffen mit dem Perpetuum Mobile!

Unser Rätsel zeigt uns, dass wir eine ganz bestimmte Vorstellung von der Anordnung der neun Punkte haben. Das ist nämlich der Clou. Wie die neun Punkte angeordnet sind, stellen sie ja ein Quadrat dar. Wir sehen in ihnen sofort eine Quadrat, mit einem zusätzlichen Punkt in der Mitte. Und so beschränk, wie wir diese neun Punkte sehen, so begrenzt ist auch unsere Vorstellung von der Welt, die wir im Moment von ihr haben und in der wir leben.

Ich male jetzt ein grosses «C» in dieses Quadrat der neun Punkte hinein.

Festgefahren, oft gefangen im Karree, im eigenen Bewusstsein «C». Im folgenden Text sind ganz viele solche »C’s» beschrieben.

«C» steht für unsere Vorstellung, die sich durch unsere Erfahrungen gebildet und in uns angesammelt hat, lateinisch «C»ognitio. In diesem Wort steckt das Wort «erkennen» drin. Im Englischen «Cognition». Das ist die Summe meiner Erfahrungen. Es ist genau das, was ich jetzt in meinem Hiersein bin, eingepackt in den Rahmen von Zeit und Raum, also sichtlich begrenzt. Es fällt uns doch allen sehr schwer, uns vorzustellen, dass es ausserhalb von uns, auch ausserhalb der Menschheit, noch irgendetwas gibt, denn wir scheinen das letzte Glied in der Schöpfung zu sein. Das ist mit ein Grund, dass wir solche Schwierigkeiten haben mit dem Begriff Gott und dem Begriff Himmel.

Jeder und jede erlebt sich als eine Persönlichkeit und ist auch so geprägt. Als Ausdruck dieser Prägung steht sein Name da. In einem Gespräch, das ich einmal mit Graf Dürkheim haben konnte, und das könnte auch die Lösung für unser Rätsel sein, sagte er: der Karlfried, das ist sein Vorname, muss durch die Dürkheims hindurch zum Karlfried kommen. Und so muss ich als Walther durch den Clan der Lechler hindurch zum Walther kommen. Jeder und jede kann das für sich selbst durchspielen. Die Frauen, die haben es da noch schwerer, wenn man ihre Namensänderung durch die Heirat nimmt, sie müssen durch ihren eigenen Clan durch und dann noch durch den Clan von dem, den sie sich angelacht haben. Das muss der Mann auch, nur fällt es im Namen nicht so auf. Er behält dann lieber seinen Namen und sagt: Da ist alles schon inbegriffen. Das, was uns so einen furchtbaren Schrecken macht, ist nämlich, das aufzugeben, was wir gerade so sind und wo wir uns unter Umständen gerade noch wohlfühlen, um dann zu etwas Anderem, etwas Grösserem zu kommen.

Wenn wir es in uns nicht mehr aushalten, nennt man das ja auch Krise. Das «C» könnte also auch für «C»risis stehen. Dann für Konditionierung, «C»onditioning, das heisst, so wie wir hingetrimmt wurden. Alles, was an uns gewirkt hat und uns geformt hat. All das, was ohne diese herumhängenden Geschlechtsorgane geboren wird, wird hingetrimmt zu der Vor-stellung, die wir vom Mädchen und der Frau haben. Und das, was geboren wird und diese Attribute hat, die herumhängen in der Gegend, wird automatisch hingetrimmt zu dem, was wir im Moment noch für den Mann halten. Und es gibt da ganz bestimmte Dinge, die der Frau und dem Mann zugeordnet werden. Man(n) darf nicht weinen, Man(n) muss tapfer sein usw., eine Frau darf weinen, das ist typisch weiblich. Zum Jungen sagt man dann auch: verhalte dich nicht wie ein Mädchen. Das nur ein paar Beispiele. Wir werden dann dahinkonditioniert, wir werden davon geprägt. Und das ist zunächst wie unser Gefängnis, unsere Bastion, unsere Festung. Man könnte das zum «C» dazuschreiben: das ist unser Karzer. Früher gab es in den Schulen noch Karzer. Wenn man gegen die Regeln verstossen hat, musste man nachsitzen im Karzer oder bekam man Karzer. Im Englischen könnte das «C»ave heissen, Höhle, oder französisch la cave, der Keller. Man ist im Keller, also an einem Ort, wo man es nicht mehr aushält und man wirklich Probleme bekommt und in der Krise ist. Und die möchte man jetzt lösen.

Und suchen tun wir die Lösung im Rahmen dessen, in dem wir uns erleben und wohlfühlen bzw. uns jetzt gerade eben nicht mehr wohlfühlen, aber wo wir geglaubt haben, wir hätten uns wohlgefühlt, denn etwas anderes kennen wir nicht. Dafür steht in unserem Rätsel das Karree. Und wir zwingen auch andere genau dort die Lösung zu suchen. Und da diese anderen auch nicht mehr sehen als wir, fangen die auch tatsächlich an die Lösung dort zu suchen.

Da gibt es ein schönes Beispiel dafür, einen uralten Witz, den ihr wohl schon kennt. Ein Betrunkener kriecht nachts um einen Laternenpfahl herum, sehr unkontrolliert in seinen Bewegungen, und sucht etwas. Wie es so sein will, kommt ein Polizist, dein Freund und Helfer, vorbei und erkundigt, was er denn suche. Da sagt der: Ich suche, hick, meinen Schlüssel, hick. Und so sieht man nach kurzer Zeit auch diesen Polizisten herumkriechen und beide suchen nun den Schlüssel. Der eine hat einen Schluckauf, der andere natürlich, nicht der Polizist. Nach einiger Zeit wagt es der Polizist den Mann zu fragen: Sagen Sie mal, haben Sie den Schlüssel hier verloren? Der sagte: Nein, dort drüben, aber hier ist es heller.

Dieser Witz ist sehr, sehr wahr. Er scheint blöd zu sein, aber leider Gottes verhalten wir uns oft so blöd, denn es ist sehr unangenehm, dort zu suchen, wo man sowieso kaum glaubt, das Betreffende finden zu können, weil eben das Licht fehlt, das wir glauben haben zu müssen, um zu finden. Und so verpflichten wir Lehrer, Pfarrer, Ärzte, Psychologen, Chirurgen, was immer man will, auch Rechtsanwälte. Das Prozesse führen ist in vielen Fällen ein Symptom von Hunger und Durst bei einem Menschen, der dadurch, wie der Alkoholiker durch den Alkohol, der Arbeitssüchtige durch die Arbeit, der Fresssüchtige durch das Fressen und der Schmerztablettensüchtige gegen seine Schmerzen, eine Lösung sucht. Er, der unzufrieden im Leben ist, sucht durch Prozessieren Satisfaction zu bekommen. Wer kennt dieses Wort noch: Satisfaction? Das meint nämlich Genugtuung. Dass Genüge getan ist.

Um 1900 herum war es grosse Mode in Deutschland, dass man sich duelliert hat. Heute macht man das nicht mehr so, dass man im Morgengrauen mit einem Sekundanten in den Wald hinausgeht und wenn sich dann gerade über den Wiesen der Frühnebel hebt, die beiden sich Duellierenden Rücken an Rücken losmarschiert sind, dann sich umgedreht haben und wenn das Kommando gegeben wurde, haben sie geschossen.

Heute geht man mit seinem Sekundanten zu einer Einrichtung, die wir zum Duellieren geschaffen haben, das sind die Gerichte. Die Richter und Rechtsanwälte leben ja von diesen Duellanten, die Satisfaction, das heisst eben Befriedigung und Genugtuung suchen. Im Grunde genommen wollen die von Unlustgefühlen loskommen. Es würde niemand einen Teufel tun, der einigermassen im Leben alles tut, dass er satt ist, dass es genug ist, das steckt in diesem Wort satisfacere, um Rechtsanwälte zu bezahlen und sie zu beauftragen, Schriftsätze zu lesen und Anklagen zu erheben. Doch die Gerichte heute sind überfüllt, Akten stappeln sich und Prozesse ziehen sich über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hin. Die Gründe dafür liegen an dem allgemeinen Unbefriedigtsein, dem Hunger und Durst nach erfüllendem Leben, den der Einzelne hat....

Erscheint lt. Verlag 21.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
ISBN-10 3-7597-4479-6 / 3759744796
ISBN-13 978-3-7597-4479-1 / 9783759744791
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