Des Führers heimliche Vasallen -  Christian Klösch

Des Führers heimliche Vasallen (eBook)

Die Putschisten des Juli 1934 im Kärntner Lavanttal
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
260 Seiten
Czernin Verlag
978-3-7076-0858-8 (ISBN)
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Der Juliputsch 1934 wurde in der NS-Zeit identitätsstiftender Mythos, in der Zweiten Republik zum Tabu. Im Lavanttal artete er zu einem regelrechten Bu?rgerkrieg aus. Doch wer waren die »heimlichen Vasallen« des Fu?hrers, die hinter dem rasanten Aufstieg der NSDAP in Unterkärnten und dem blutigen Umsturzversuch standen? Als der nationalsozialistische Putschversuch am Abend des 25. Juli 1934 in Wien bereits gescheitert war, stand der Aufstand in Kärnten noch bevor. Innerhalb weniger Stunden konnten ca. 1.300 Putschisten das gesamte Lavanttal fu?r wenige Tage unter ihre Kontrolle bringen. Nirgendwo in Österreich beherrschten die Nationalsozialisten ein Territorium von vergleichbarer Größe. Der Historiker Christian Klösch rekonstruiert die Vorgeschichte und schildert die Geschehnisse des Bu?rgerkriegs. Anhand von Lebensgeschichten der Protagonisten des Putsches stellt er die Folgen fu?r die Bevölkerung, die Karrieren der Putschisten, die persönlichen Netzwerke und die Kontinuität der lokalen Eliten u?ber die verschiedenen politischen Systeme hinweg bis in die ju?ngste Vergangenheit dar.

Christian Klösch, Historiker, geboren 1969 in Wolfsberg. Studium der Geschichte und Philosophie in Graz und Wien. Gedenkdienst am Leo Baeck Institute in New York. 1997-2005 Mitarbeiter der Österreichischen Exilbibliothek im Literaturhaus Wien und der Österreichischen Historikerkommission. Seit 2005 Mitarbeiter der Kommission fu?r Provenienzforschung am Technischen Museum Wien und ab 2012 auch Kustos und Kurator fu?r Raumfahrt und Exklusion/Inklusion von Mobilität in der Verkehrsabteilung am Technischen Museum Wien.

I.


Politik und Wirtschaft in Kärnten und im Lavanttal in der Ersten Republik


Im November 1918 stand die militärische Niederlage der österreichisch-ungarischen Monarchie auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs fest. Die Habsburger-Monarchie, die über Jahrhunderte Mittel- und Südosteuropa politisch, kulturell und wirtschaftlich geprägt hatte, brach wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Am 3. November 1918 unterzeichneten die Entente-Mächte und Österreich-Ungarn den Waffenstillstand. In allen Kronländern der Monarchie bildeten sich Nationalversammlungen, die die Weichen zur staatlichen Unabhängigkeit stellten. Im deutschsprachigen Teil der Monarchie trat unter Führung des Sozialdemokraten Karl Renner eine provisorische Nationalversammlung aus ehemaligen Reichstagsabgeordneten zusammen, die am 12. November 1918, nach der Niederlegung der Staatsgeschäfte durch Kaiser Karl I., die Gründung der Republik Deutsch-Österreich proklamierte.

Zunächst sah sich die Republik als integraler Bestandteil der neu ausgerufenen Deutschen Republik, allerdings untersagten die Entente-Staaten im Friedensvertrag von St. Germain ausdrücklich und zum Missfallen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung den „Anschluß“ an das Deutsche Reich. So wie der Status des Landes waren die Grenzen anfangs noch unklar: So beanspruchte Deutsch-Österreich zunächst weite Teile des sogenannten Sudetenlandes, Vorarlberg strebte zur Schweiz, Salzburg zu Bayern und das vorwiegend deutschsprachige Westungarn kam erst 1920 mit Ausnahme der größten Stadt Ödenburg/Sopron als „Burgenland“ zu Österreich.3

Der Kärntner Abwehrkampf 1918–1920


Der Verlauf der südlichen Grenze der Republik stand 1918 noch nicht fest. Die deutsch-slowenische Sprachgrenze verlief quer durch die alten Kronländer Kärnten und Steiermark. Die Untersteiermark wurde ohne gröbere Kampfhandlungen an das neugebildete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat) angeschlossen. Südkärnten wurde im November 1918 von jugoslawischen Milizen besetzt, doch formierte sich hier, im Gegensatz zur Untersteiermark, Widerstand in der deutschsprachigen Bevölkerung des Gebiets, die mit Unterstützung von Freiwilligenverbänden aus Tirol und der Steiermark sowie der neugegründeten Volkswehr einen bewaffneten Aufstand initiierte. Zu den ersten Kampfhandlungen kam es am 15. Dezember 1918 in Grafenstein bei Klagenfurt und zehn Tage später im Lavanttal.4 Am 27. Dezember 1918 gelang es Freiwilligenverbänden, das südliche Lavanttal mit den Orten St. Paul, Ettendorf und Lavamünd zurückzuerobern.5

Aber im Frühjahr 1919 flammten die Kampfhandlungen erneut auf und endeten mit der Besetzung Südkärntens und Klagenfurts durch überlegene jugoslawische Truppen. Erst durch Intervention der Alliierten – besonders Italiens – zogen sich diese Einheiten im Juli 1919 aus Klagenfurt zurück, weite Teile Südkärntens blieben aber weiterhin unter jugoslawischer Kontrolle. Um die territoriale Zugehörigkeit dieses Gebiets zu klären, beschlossen die Siegermächte bei den Friedensverhandlungen in Paris im Mai 1919 die Abhaltung einer Volksabstimmung in Kärnten. Ohne Abstimmung wurde jedoch das Kanaltal an Italien und das Gebiet um Dravograd/Unterdrauburg mit dem Mießtal sowie das Seeland südlich von Eisenkappel zugunsten des SHS-Staates abgetrennt. In Südkärnten wurde für den 10. Oktober 1920 eine Volksabstimmung angesetzt, in der sich die Bevölkerung der Zone A6 unter Aufsicht einer Interalliierten Kommission mit 59,04 % der Stimmen für einen Verbleib des Gebiets bei Kärnten aussprach. Von diesen Stimmen kam ungefähr die Hälfte von slowenischen Kärntnern und Kärntnerinnen. In Lavamünd, der einzigen Lavanttaler Abstimmungsgemeinde, sprachen sich 92,9% für den Verbleib bei Österreich aus.7

Für den Ausgang der Abstimmung dürften weniger die sprachliche Zugehörigkeit als wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Gründe eine Rolle gespielt haben. Zum einen befürchtete die vorwiegend bäuerliche Bevölkerung Südkärntens den Verlust ihrer traditionellen Absatzmärkte in den Städten Klagenfurt und Villach, zum anderen erschien die demokratische Republik Österreich mit ihrer fortschrittlichen Sozialgesetzgebung attraktiver als die autoritäre Monarchie des SHS-Staates. Aber auch das Versprechen der Kärntner Landesregierung, abgegeben in der Sitzung am 28. September 1920, „dass sie den slowenischen Landsleuten ihre sprachliche und nationale Eigenart jetzt und allezeit wahren will und dass sie deren geistigem und wirtschaftlichem Aufblühen dieselbe Fürsorge angedeihen lassen wird wie den deutschen Bewohnern des Landes“, brachte viele Slowenen dazu, für Österreich zu stimmen.8

Die politische Entwicklung in Kärnten bis 1938


Erst am 19. Juni 1921 – nach Abwehrkampf und Volksabstimmung – wurden in Kärnten die ersten freien Landtagswahlen abgehalten.9 Aus diesen Wahlen gingen die Sozialdemokraten mit dem Gewinn von 19 der 42 Mandate als stimmenstärkste Partei hervor. Der Sozialdemokrat Florian Gröger löste den deutsch-nationalen Arthur Lemisch als Landeshauptmann ab, der seit 1918 der provisorischen Landesregierung vorstand. Doch bereits 1923 verloren die Sozialdemokraten bei vorgezogenen Landtagswahlen die Mehrheit an eine bürgerliche Einheitsliste, bestehend aus „Christlichsozialen“, Großdeutschen und deutschnationalem „Landbund“. Der Landbundführer Vinzenz Schumy wurde Landeshauptmann, ihm folgten seine Parteigenossen Arthur Lemisch (1927–1930) und Ferdinand Kernmaier (1930–1934).

Im Vergleich zu den anderen österreichischen Bundesländern hatten die Christlichsozialen in Kärnten, insbesondere in der Bauernschaft, geringeren Einfluss auf die Gemeinde- und Landespolitik, dafür war hier die Hochburg der deutschnationalen Parteien: Ähnlich wie in der Steiermark konnte in Kärnten der deutschnationale Landbund als Bauernpartei Fuß fassen. In den Städten hatte hingegen die „Großdeutsche Volkspartei“ im Bürgertum ihre Wählerbasis. Die Partei der Kärntner Slowenen errang bei den Landtagswahlen der Ersten Republik zwar immer zwei Mandate, konnte aber nur einen Teil der Stimmen der slowenischsprachigen Bevölkerung auf sich vereinen.

Bereits 1921 zogen die Nationalsozialisten in den Landtag ein und bauten ihren Stimmenanteil in den 1920er Jahren trotz interner Spannungen und einer Parteispaltung langsam, aber dafür kontinuierlich aus. Ab 1930 konnte die NSDAP-Hitlerbewegung viele Funktionäre des Landbundes und der „Großdeutschen Volkspartei“ an sich binden, was zu bedeutenden Erfolgen bei Gemeinde- und Landtagswahlen führte. 1933 schien es fast so, als ob diese beiden deutsch-nationalen Parteien fast vollständig in der NSDAP aufgegangen wären. Nach der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 verzeichneten manche Ortsgruppen Neubeitritte von bis zu 50 %.

Der Staatsstreich vom 5. März 1933 und die darauffolgende Errichtung der austrofaschistischen Diktatur unter Führung der Christlichsozialen Partei und der „Heimwehren“ konnten den Aufstieg der Nationalsozialisten nicht bremsen. Als organisatorische Basis der Diktatur wurde die Vaterländische Front gebildet, die aber in der Bevölkerung wenig populär war. Schritt für Schritt wurden alle politischen Parteien aufgelöst oder verboten und oppositionelle Funktionäre aus ihren Ämtern entfernt. Der Landeshauptmann von Kärnten, Ferdinand Kernmaier, wurde, nachdem er seine Sympathien für die Nationalsozialisten öffentlich bekundet hatte, im Frühjahr 1934 durch den ehemaligen Oberkommandierenden im Kärntner Abwehrkampf, Ludwig Hülgerth, ersetzt. Am 1. November 1934 setzte der Ständestaat auf Grund der Maiverfassung von 1934 in Kärnten einen nach Berufsständen gegliederten Landtag ein, dem bis zum „Anschluß“ im März 1938 der Führer der „Vaterländischen Front“, Arnold Sucher, als Landeshauptmann vorstand.

Die geographische Lage des Lavanttals.

Das Lavanttal


Das Lavanttal umfasst den politischen Bezirk Wolfsberg und hatte in der Zwischenkriegszeit bei einer Fläche von 960,2 km2 rund 44.000 Einwohner. Geographisch liegt das Tal auf halbem Wege zwischen den Landeshauptstädten Klagenfurt und Graz. Trotz seiner geographischen Geschlossenheit hatte das Lavanttal viele Jahrhunderte lang keine gemeinsame (Herrschafts-)Geschichte. Im Gegensatz zum übrigen Kärnten galt es lange Zeit als Hochburg des Katholizismus, da sich drei große geistliche Herrschaften das Tal praktisch unter sich aufteilten.

Das nördliche Lavanttal mit der Stadt Wolfsberg als Zentrum war bis 1759 im Besitz der geistlichen Herren des Bistums Bamberg. Von Wolfsberg aus regierte der bambergische Vizedom...

Erscheint lt. Verlag 11.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
ISBN-10 3-7076-0858-1 / 3707608581
ISBN-13 978-3-7076-0858-8 / 9783707608588
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