Nürnberg - Ein Stadtporträt in 50 Kapiteln (eBook) -  Siegfried Zelnhefer

Nürnberg - Ein Stadtporträt in 50 Kapiteln (eBook) (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
418 Seiten
ars vivendi (Verlag)
978-3-7472-0604-1 (ISBN)
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Kein Geschichtsbuch, sondern ein Gegenwartsbuch - mit Geschichte Jeder kennt Nürnberg. Doch was macht Nürnberg wirklich aus? Bratwürste, 1. FC Nürnberg und Lebkuchen? Was bestimmt die Stadt mit ihrer reichen Geschichte? Albrecht Dürer, Industrialisierung, NS-Zeit. Aber da ist noch mehr. Siegfried Zelnhefer geht den langen Linien nach und beleuchtet viele Themen aus dem Hier und Heute. Er beschreibt, was die Stadt Nürnberg im öffentlichen Raum oder in der öffentlichen Diskussion im 21. Jahrhundert bestimmt, was die Nürnbergerinnen und Nürnberger bewegt, mit Bezug auf die Historie, aber auch mit Blick auf deren Relevanz in der Gegenwart. Am Beispiel von Orten, Schlüsselbegriffen und Ereignissen wird die Stadt lebendig. Ein Stadtporträt der ungewöhnlichen Art.

Siegfried Zelnhefer, Jahrgang 1956, ist Nürnberger, promovierter Historiker, Journalist und Autor mehrerer Bücher. Zuletzt erschienen von ihm »Das Nürnberger Christkind« und »Die Bratwurst - Geschichten, Hintergründe und Rezepte«.

Mundart


»Der allerschönste Dialekt«


Franken gliedert sich in verschiedene Dialektgebiete, Nürnberg wird dem oberostfränkischen Sprachraum zugeordnet. Darunter gibt es weitere Differenzierungen, selbst zwischen den Nachbarstädten Nürnberg und Fürth. Mädchen heißen in Nürnberg Maadla, in Fürth Maadli. So hat wahrscheinlich der eine Nürnberger Dialekt nie existiert. Und wenn es ihn gab, dann hat er sich wie jede Sprache stetig verändert. Inzwischen hört man ihn immer weniger in der Fußgängerzone oder beim Einkauf. Ob er einmal verschwindet? Dabei bietet jede Mundart – die Nürnberger besonders – eine ungeheure Vielfalt des Ausdrucks, die jeder Standardoder Hochsprache überlegen ist.

Der Nürnberger Gymnasiallehrer, Sprachwissenschaftler, Autor und Dialektforscher Herbert Maas (1928–2014) hat die Nürnberger Mundart als »Stiefkind unter den deutschen Stadtdialekten« bezeichnet. Er führte das unter anderem darauf zurück, dass Nürnberg nie Mittelpunkt eines Landes gewesen war und große Dichter fehlten, die diese Sprache bekannt gemacht hätten, so wie etwa Ludwig Thoma das Bairische, Gerhart Hauptmann das Schlesische oder Johann Nestroy das Wienerische. Auch der Klang der Nürnberger Mundart sei nicht allzu ansprechend. Manche sagen sogar, der Nürnberger Dialekt sei ordinär.

Manchmal schämen sich Nürnberger ihres Dialekts. Das kann auch für ein fehlendes Selbstbewusstsein sprechen. Dazu passt die Neigung zur Verkleinerung oder Verniedlichung. Das Christkind ist das Christkindla (Christkindlein), ein Schnapsglas heißt Schdamberla und ein eher schwächlicher, nicht so heller Mensch ist ein Männla. In jüngster Zeit wird sogar die beliebte Begrüßungsund Abschiedsformel Servus zum Servusla.

links Herausragende Vertreter der Nürnberger Mundart: Klaus Schamberger (links) und Fitzgerald Kusz.

Im Nürnbergerischen und anderen fränkischen Dialekten gibt es in der Aussprache der Konsonanten »p« und »b« oder

»t« und »d« keinen Unterschied. Sie werden alle weich gesprochen, etwa besonders schön in der bereits im Jahr 1800 mit der Sprichwörtersammlung des reichsstädtischen Beamten Benedict Wilhelm Zahn (1738–1819) festgehaltenen Redewendung Bäiderla af alle Subbm (Petersilie auf jeder Suppe). Das Sprachbild bezeichnet einen Menschen, der überall dabei ist und sich selbst recht wichtig nimmt.

Man erkennt den Nürnberger Mundartsprecher manchmal leicht daran, wenn er versucht, sich hochdeutsch zu artikulieren. Dann kann es passieren, dass er im Bemühen, sich besonders korrekt zu verhalten, ein wenig übertreibt und selbst weich auszusprechende Konsonanten hart betont. Was auch ein sublimer Versuch sein kann, Sympathie zu erwecken.

Über Jahrhunderte fand die Nürnberger Mundart keinen schriftlichen Niederschlag. Selbst der bekannte Schuhmacher und Poet Hans Sachs (1495–1576) – ein paar Jahrhunderte später Hauptfigur in Richard Wagners Werk Die Meistersinger von Nürnberg – bemühte sich trotz mancher Dialekt-ausdrücke nicht, nürnbergerisch zu schreiben. Es änderte sich erst mit dem frühen, bedeutenden Mundartdichter Konrad (eigentlich: Johann Conrad) Grübel (1736–1809). In seinen lustigen Gedichten beschrieb der Flaschnermeister volksnah seine Mitmenschen. Zahlreiche Handwerksmeister folgten seinem reimenden Beispiel.

In den vergangenen zwei Jahrhunderten erlebte die Nürnberger Dialektliteratur einige Aufs und Abs. Oft prägten sie Hobbydichter.

In den vergangenen zwei Jahrhunderten erlebte die Nürnberger Dialektliteratur einige Aufs und Abs. Oft prägten sie Hobbydichter. Es ging um Alltagsbeobachtungen, Befindlichkeiten und um die Pflege des lokalen Egos. Manche Texte blieben an der Oberfläche oder verloren sich ins Heiter-Belanglose. Einige Autoren nutzten aber auch immer die Kraft der Mundart zur Gesellschaftskritik. In den 1960er-Jahren standen sich Traditionalisten, vor allem Vertreter des Collegiums Nürnberger Mundartdichtung, und eine neue Generation von Autoren gegenüber, die in ihren Gedichten auch auf Reime verzichteten – in der hiesigen Mundartdichtung eine ungeheure Neuerung. Heute mag es keinen Gegensatz mehr geben, oder die Gegensätze haben sich zumindest abgeschwächt. Dabei macht sich der 1988 gegründete Cadolzburger ars vivendi verlag (man beachte die selbst gewählte Kleinschreibung) seit den 1990er-Jahren besonders verdient um die Pflege des Dialekts. Verleger Norbert Treuheit hat sich zum Ziel gesetzt, gute Mundartliteratur in moderner Gestaltung herauszugeben und damit auch ein junges Publikum anzusprechen. Der Verlag bietet renommierten Autoren wie Günther Hießleitner, Gerhard C. Krischker, Gerhard Falkner, Helmut Haberkamm, Klaus Schamberger oder Fitzgerald Kusz ein Forum. Auch der Verlag Nürnberger Presse hat früh den Stellenwert der Mundart erkannt, insbesondere durch die Herausgabe mehrerer Buchtitel von Herbert Maas.

Hauke Stroszeck (Pseudonym: Lothar Kleinlein, wunderbar gewählt, denn der Klein macht sich mit dem lein noch mal kleiner. Nürnbergerischer geht es nicht.) oder Fitzgerald Kusz sind wichtige Protagonisten einer neuen Nürnberger Mundartlyrik. Und Kusz ist der erste und einzige Nürnberger Dialekt-schriftsteller, der vor allem mit seinem erfolgreichsten Bühnenstück Schweig Bub! im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus bekannt geworden ist. Nach der Uraufführung in den (kleinen) Nürnberger Kammerspielen am 6. Oktober 1976 wurde das fränkische Volksstück über 700-mal in den Städtischen Bühnen, bald im großen Schauspielhaus, aufgeführt. Mit Schweig, Bub! hat Kusz gezeigt, wie nah der Dialekt am »Volk« ist, wie er perfekt dazu dienen kann, unter dem Mantel des Vertrauten – der Mundart – und mit Hilfe humoriger Pointen die Verwerfungen in Familie und Gesellschaft offenzulegen. In diesem Stück kann viel gelacht werden. Aber es bleibt einem oft im Halse stecken. Ein fränkisches Familiendrama, das in der Hochsprache wohl nicht seine Wucht hätte entfalten können. Das Volksstück wurde in 13 deutsche Dialekte sowie ins Flämische übersetzt und auf viele Bühnen und in Hörspielfassungen gebracht.

Neben Kusz ist heute der wirkungsvollste Protagonist des Nürnbergerischen der Journalist und Autor Klaus Schamberger. Seit Jahrzehnten bedient sich Schamberger in unzähligen Zeitungsglossen und vielen Büchern oft der Mundart, um Heiteres, aber immer wieder auch sehr Ernstes, den Lesern nahezubringen. Er mag seine Heimatstadt Nürnberg. Und weil er sie mag, entgeht sie auch nicht seiner wortgewandten Kritik. Verpackt in die Mundart, kommt sie gefälliger daher. Sie ist eine raffinierte Camouflage. Aus Schambergers Gedichten spricht auch immer wieder eine überraschende Zärtlichkeit.

Die Mundart spielt(e) ebenso im Lied eine Rolle. Auf der Kleinkunstbühne reüssierte Hermann Strebel (1877–1949, von vielen liebevoll Strebala genannt, wieder eine Verkleinerungsform) mit Couplets und Mundartvorträgen seit Beginn des 20. Jahrhunderts, auch in seinem eigenen Kabarett im Hotel Wittelsbach. Von ihm stammt die nachhaltigste Hommage an den Nürnberger Dialekt: sein Lied »Das ist doch der allerschönste Dialekt«, in dem sich Mundartausdruck an Mundartausdruck reiht, darunter auch manch derber. Sie wird heute noch auf den musikalischen Bühnen gepflegt. Der fränkische Humorist Herbert Hisel (1927–1982), zunächst Ingenieur bei der Grundig AG, startete 1961 eine bundesweit steile Karriere als Humorist mit fränkischem Zungenschlag. Er hatte mit dem Nürnberger Dialekt viel Erfolg und machte ihn weithin bekannt. Schließlich erhielt er acht Goldene Schallplatten.

Die Peterlesboum, das Gesangs- und Gitarrenduo Willi Händel (1930–2022) und Karl Vogt (1926–1988), traten seit 1958 mit eigenem Programm auf. Vor allem im Fasching feierten sie mit ihren Ohrwürmern im Nürnberger Dialekt große Erfolge. Sie nahmen Schallplatten auf und trugen so die einheimische Mundart auch in andere Gefilde. Mit dem Tod von Karl Vogt waren die Peterlesboum Geschichte. Die Peterlesboum Revival Band (seit 1995) unter der Regie von Conny Wagner (1945–2016) erweckte Melodien und Intentionen des Originals wieder zu neuem Leben.

In den Liedermacherzeiten der 1970er-Jahre kam die Mundart wieder besonders zu Ehren: Günter Stössel (1944–2023), Dichter, Kabarettist und Songschreiber (und im Brotberuf technischer Redakteur bei der Kraftwerk Union in Erlangen) vereinte Dialekt mit Blues, Folk und Ragtime. Er übersetzte auch zwei Asterixbände in die Nürnberger Mundart. In zahlreichen Hörfunksendungen brachte er über viele Jahre einem großen Hörerkreis die Eigenwilligkeiten des Dialekts näher. Der Lieder-macher und Buchhändler Maximilian Kerner (1949–2005) übertrug mit Stössel Wilhelm Buschs Max und Moritz ins Fränkische. Mit seinem Lied »Iiech bin a Glubberer« legte Kerner 1995 ein musikalisches Bekenntnis für seinen Herzensverein 1. FC Nürnberg ab, bei dem Seitenhiebe auf den FC Bayern München nicht fehlen durften. Auch Musikgruppen wie die Frankenbänd oder Wassd scho? Bassd scho! pflegen das tradierte Liedgut und die Mundart.

Insgesamt war und ist die Verbreitung der Nürnberger (und fränkischen) Mundart via Fernsehen überschaubar.

Mediale Präsenz der Mundart ist für ihre Relevanz wichtig. Insgesamt war und ist die Verbreitung der Nürnberger (und fränkischen) Mundart via Fernsehen überschaubar. Während Generationen von deutschen Fernsehzuschauern das Kölsche aus dem Millowitsch-Theater, das domestizierte Plattdeutsche aus dem Hamburger Ohnsorg-Theater oder das Altbaierische...

Erscheint lt. Verlag 29.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte
ISBN-10 3-7472-0604-2 / 3747206042
ISBN-13 978-3-7472-0604-1 / 9783747206041
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