Hausverwaltung im Rampenlicht -  Clemens Riha,  Bernhard Riha

Hausverwaltung im Rampenlicht (eBook)

Kuriose Geschichten über das Zinshaus im Wandel der Zeit
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
240 Seiten
Verlag Kremayr & Scheriau
978-3-218-01429-8 (ISBN)
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Der Hausverwalter kennt alle Facetten eines Zinshauses. Einblicke in Geschichte und Geschichten eines ganz besonderen Berufsstandes. Der Hausverwalter weiß nie, was ihm der neue Arbeitstag bringen wird: überschwemmte Garagen mit schwimmenden Luxusautos, nervenaufreibende Eigentümer:innenversammlungen oder 'nackerte' Einbrecher. So unterschiedlich die Hausverwalter:innen, so unterschiedlich ihre Erinnerungen. In seiner wechselhaften Geschichte hat der Berufsstand viel erlebt: mit Schwarzgeld gefüllte Safes oder marode Zinshäuser, oft stand er mit einem Fuß im sprichwörtlichen Kriminal. Das ist alles vorbei. Heute stellen Dekarbonisierung und Digitalisierung den modernen und die moderne Hausverwalter:in vor neue Herausforderungen.

Clemens und Bernhard Riha entdeckten früh ihre Leidenschaft für Immobilien. Die gelernten Immobilientreuhänder gründeten im Alter von 22 und 25 Jahren gemeinsam ihre eigene Firma, die sich seit jeher mit der Entwicklung von Zinshäusernbeschäftigt. Vor allem geschichtsträchtige Objekte haben es den Brüdern angetan, was sie nach 'Wenn Wände reden könnten' (Kremayr & Scheriau 2022) nun mit einem Band über Hausverwaltungen erneut unter Beweis stellen.

I.
Vom Glacis zur Ringstraße –
die Hausadministration im alten Wien


Wien war von einer Stadtmauer umgeben, als hier die ersten Haus-Inspectoren ihrer Arbeit nachgingen. Sie verwalteten das Eigentum des Adels oder reicher Bürger und Bürgerinnen auf Basis des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB). Als die Stadtmauer fiel und die Prachtbauten am Ring entstanden, begann die Professionalisierung der Branche.

„Jedes Zinshaus ist wie ein Kunstwerk, ein Original, einzigartig und wertvoll“, erklärt Wolf-Dietrich Schneeweiss, Kunstfreund und Besitzer der Immobilienkanzlei Schneeweiss, in seinem Büro am Wiener Rathausplatz. Wenn der Immobilienmanager aus einem der Fenster seines Büros sieht, fällt sein Blick über den Rathausplatz und die Ringstraße hinweg auf die Innere Stadt, zum Café Landtmann, hinter dem sich die Mölker Bastei erhebt. Hier hat man die seltene Möglichkeit, die städtebauliche Entwicklung Wiens mit einem einzigen Blick zu erfassen.

Wo heute Wolf-Dietrich Schneeweiss und sein Verwaltungsteam ihrer diskreten Arbeit nachgehen und vor dem Haus winters wie sommers Vergnügungen aller Art für die Wiener Bevölkerung und die Gäste der Stadt geboten werden, befand sich im alten Wien das Glacis: eine breite, unbebaute Fläche zwischen der Wiener Stadtmauer und den Vorstädten. Das Militär hielt dort seine Paraden ab, Handwerker gingen dort gelegentlich ihrer Arbeit nach – wenn ihre Tätigkeit aufgrund von Dämpfen oder Gerüchen im Freien angenehmer war – und die Wiener Bevölkerung nutzte das Glacis zunehmend als Naherholungsgebiet.

Die Wohnungen entlang des Glacis – sowohl auf der Stadtseite, auf den Basteien, als auch entlang der gegenüberliegenden Vorstädte – waren sehr beliebt. Von dort hatte man eine grandiose Aussicht und man konnte davon ausgehen, dass beim Lüften der Wohnung tatsächlich ein frisches Lüftchen in die Räume drang und nicht nur der Geruch von Pferdeäpfeln.

Ein Freund der Wohnungen am Glacis war Ludwig van Beethoven. Er lebte einige Jahre – mit Unterbrechung – in dem imposanten Zinshaus seines Freundes, des Geschäftsmanns Johann Baptist von Pasqualati, auf der Mölker Bastei. Beethoven genoss den Blick über das Glacis so sehr, dass es ihn wurmte, dass eine Außenmauer den Blick in Richtung Osten zum Prater hin versperrte. Er soll einen Maurer beauftragt haben, eine Öffnung in die Mauer zu schlagen. Pasqualati vereitelte den zerstörerischen Plan seines Mieters, woraufhin Beethoven beleidigt auszog. Pasqualati soll dem Hausmeister aber verboten haben, das Logis an andere zu vermieten, denn Beethoven würde schon wiederkommen. Er behielt damit Recht. Das Pasqualati-Haus beherbergt heute eine Beethoven-Ausstellung des Wien Museums.

Am Beispiel dieser Anekdote zeigt sich, dass Häuser, in denen der Besitzer oder die Besitzerin selbst lebte, in der Regel ohne Hausverwalter auskamen, hier reichte üblicherweise ein Hausmeister. Das sollte viele Jahre so bleiben.

Der Besitz eines Hauses war neben dem Status eines Bürgers von Wien – im Gegensatz zu dem eines Einwohners – seit dem Mittelalter Grundvoraussetzung, um in Wien ein Amt innezuhaben oder am politischen Geschehen teilzunehmen. Das erklärt, warum historische Grabsteine in Wien oft von Text überquellend die Auskünfte geben, dass die Verstorbenen Bürger von Wien, Stadtbaumeister, Fabrikanten und deren Witwen oder eben auch Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen waren.

Im 18. und 19. Jahrhundert forderten viele Wohnungsannoncen dazu auf, sich bei Interesse an einer zum nächsten Zinstermin verfügbaren Wohnung an den „dasigen Inspector“ zu wenden, oder es gab laut Inserat „der Inspector im besagten Hause nähere Aufschlüsse“. Oft konnte man sich zusätzlich an den Hausmeister wenden, was uns zeigt, dass der Inspector in erster Linie verwaltete und nicht schraubte oder bohnerte. Der Inspector lebte den Anzeigen zufolge manchmal vor Ort, verfügte aber auch, wie der Hausadministrator, oft über eine eigene „Kanzley“ mit regelmäßigen Kanzleizeiten. Wir können diese Kanzleien mit gutem Gewissen als die Vorgängerinstitutionen der heutigen Hausverwaltungen bezeichnen.

Vermietet wurde damals zu den Zinsterminen, zu denen auch der Zins fällig war – sechs Monate im Voraus bei einer üblicherweise befristeten Mietdauer von einem Jahr. Die Miete wurde als Verzinsung des Investments, also des Gebäudes, gesehen. Das brachte der Miete den Namen Zins und den dazugehörigen Gebäuden den Namens Zinshaus ein.

Die Zinstermine entsprangen dem christlichen Kalender. So fiel der überaus beliebte Zinstermin Georgi auf den 24. April, den Tag des heiligen Georg, an dem in vielen katholischen Ländern das Frühlingsfest gefeiert wird. Zu Michaeli, am 29. September, war nicht nur oft der Zins für das nächste Halbjahr fällig, für die Bauern begann an diesem Festtag offiziell die Winterarbeit. Martini, am 11. November, war im Jahresverlauf ein ebenso beliebter Termin wie Maria Lichtmess im Februar.

Die wichtigen Zinstermine fielen mehr oder weniger mit jenen Terminen zusammen, an denen die Gebäudesteuern zu entrichten waren, die die Stadt Wien auf Immobilieneigentum auf Basis des Verkehrswertes der Gebäude einhob. Nur die „Freyhäuser“ Adeliger mit ihren steuerlichen Privilegien waren lange Zeit von dieser Steuer befreit. Das Graf Starhemberg’sche Freihaus an der Wieden war das größte Zinshaus seiner Zeit. Das schaffte man nur mit einem tüchtigen Administrator und entsprechendem Personal: Rund eintausend Menschen lebten hier, zahlreiche Geschäfte und Werkstätten wurden betrieben. Die Bevölkerung behauptete damals, so Zeitungsberichte, dass das Freihaus jede Viertelstunde einen Dukaten Reinertrag abwerfe.

Im Freihaustheater gelangte im September 1791 Mozarts „Zauberflöte“ zur Uraufführung. Kurz darauf starb Mozart in der Rauhensteingasse 8, in der letzten Wiener Wohnung der Familie, die in den zehn Jahren, die sie in Wien lebte, dreizehn Mal übersiedelt war.

Zu Michaeli 1784, also per 29. September, hatten Constanze und Wolfgang Amadeus Mozart wieder einmal eine repräsentative Wohnung in der Stadt gesucht. Sie wurden in der heutigen Domgasse fündig, die von der Singerstraße zum Stephansdom führt. Zweieinhalb Jahre, bis Georgi 1787, lebte Familie Mozart im Haus des Stuckateurs Camesina, ihre längste Mietdauer. Das heute „Mozarthaus“ genannte Gebäude wird von Musikbegeisterten aus aller Welt besucht.

Von der Domgasse zog die Familie Mozart in die Vorstadt Landstraße, was Hinweis auf einen finanziellen Engpass gibt. Zu Michaeli 1787 ging es wieder zurück in die Stadt, an die Tuchlauben. Ein ewiges Hin und Her, doch Familie Mozart war wahrlich keine Ausnahme. Wir können davon ausgehen, dass die Inspectoren, Administratoren, Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen zu Georgi und Michaeli die meiste Arbeit, den meisten Ärger, aber auch das meiste Geld hatten.

Der damals übliche Umzugsreigen erklärt, warum Wien nicht nur eine Stadt der Musik und Kultur ist, sondern vor allem auch eine Stadt der Gedenktafeln. Tagelang könnte man auf den Spuren der Adressen Mozarts, Grillparzers oder Beethovens verbringen, denn egal wie kurz jemand hier schöpferisch tätig war – und auch wenn nicht –, es war in jedem Fall eine Gedenktafel wert, dass er kurze Zeit an einer bestimmten Adresse gewohnt hatte.

Je nach Quellenlage soll Beethoven in seinen 35 Wiener Jahren bis zu 70 Mal übersiedelt sein, inklusive der Sommerfrischen in Mödling oder Baden; ein Topwert an Übersiedlungen, der wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass der taube Komponist, der gerne im Takt auf Möbel einschlug und nachts musizierte, bestimmt kein idealer Nachbar war.

Von seiner Wohnung auf der Mölker Bastei hatte Beethoven über das Glacis hinweg freien Blick in die „Alservorstadt“, in ca. 700 Meter Luftlinie Entfernung stand dort sein künftiges Todeshaus, das Schwarzspanierhaus. Dort lebte er Jahre später im 2. Stock, wieder mit Blick über das Glacis, diesmal in die andere Richtung, zur Innenstadt hin. Als Beethoven 1827 starb, begleiteten 15 000 Menschen, sein Bruder, Bekannte und Schaulustige, Musiker und Fiaker seinen Sarg über das Glacis hinweg zur Minoritenkirche.

Einer der wenigen Hausadministratoren, die zu seiner Zeit in der Presse namentliche Erwähnung fanden, war Anton Angerer, der Administrator des Schwarzspanierhauses, weil er ein halbes Jahrhundert nach Beethovens Tod eine Erinnerungstafel zu Ehren des Komponisten anregte. 1885 schaffte er es ein zweites Mal in die Wiener Zeitung: Ein Briefträger wollte von ihm wissen, in welchem Stockwerk denn der Herr van Beethoven lebe, er habe einen Brief aus Graz zuzustellen. Da zog der Administrator den armen Briefträger vermutlich am Rockzipfel vor das Haus, zeigte ihm die schöne Gedenktafel, nahm den Brief und schrieb auf die Rückseite unter die Adresse des Grazer Spaßvogels, vermutlich in gestochener Schönschrift:...

Erscheint lt. Verlag 29.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
ISBN-10 3-218-01429-8 / 3218014298
ISBN-13 978-3-218-01429-8 / 9783218014298
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