Lernen zu unterscheiden -  Nikolaas Sintobin

Lernen zu unterscheiden (eBook)

Herz, Geist und Wille
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
136 Seiten
Echter Verlag
978-3-429-06638-3 (ISBN)
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Was ist Unterscheidung? Dürfen Sie Ihren Gefühlen trauen? Wie können Sie aus Erfahrungen lernen, was für Sie wichtig ist? Wie geht das in der Elternschaft? Oder wenn Sie in einer Krise stecken? Oder wenn Sie wütend sind? Oder im siebten Himmel schweben? Kann Ihr persönlicher Glaube bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen? Welche besondere Rolle spielen dabei das Hören, die Vernunft und der Wille? Jesuiten verfügen über jahrhundertealte Erfahrung im aufmerksamen Zuhören. Dieses Buch erschließt einen Schatz, der ignatianische Unterscheidung genannt wird. Es will gut strukturiert und praktisch zu dieser spirituellen Weisheit führen. 100 Beispiele machen es zu einem zugänglichen Leitfaden. Papst Franziskus sagt, dass die Unterscheidung eines der Dinge ist, die die Kirche heute am meisten braucht.

Nikolaas Sintobin SJ (geb. 1962) war Rechtsanwalt und trat 1989 in den Jesuitenorden ein. Er wurde in Brüssel, Paris und Santiago de Chile ausgebildet. Er arbeitete als Schulseelsorger, Lehrer und geistlicher Begleiter und spezialisierte sich auf jesuitische Spiritualität und Pädagogik. Derzeit wirkt er hauptsächlich über Medien, besonders über das Internet.

I.Unterscheidung: ein Handbuch


Es ist nicht immer leicht, zu unterscheiden. Es gibt verschiedene Voraussetzungen, bevor eine Unterscheidung getroffen werden kann. Es gibt auch mehrere Schritte und Elemente in der Dynamik des Unterscheidens.

1.Erste Schritte


Die Unterscheidung erfordert Vorbereitung, sowohl auf der Ebene des Herzens als auch in Bezug auf das Objekt der Unterscheidung. Bei der Unterscheidung geht es nicht darum zu sagen: Es gefällt mir, also werde ich es tun, oder es gefällt mir nicht, also werde ich es nicht tun. Die ignatianische Unterscheidung appelliert an den subtilen und komplexen Reichtum des menschlichen Wesens. Bevor man mit der Unterscheidung beginnt, ist es gut, die drei folgenden Vorstufen zu durchlaufen.

Die Sensibilität ausbilden

Unterscheidung bedeutet, dass wir uns von dem inspirieren lassen, was wir auf der Ebene unserer tiefsten Gefühle erfahren. Gefühle sind sehr persönlich. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, dass wir genau dort nach dem suchen, was für uns am besten ist. Christen glauben, dass wir in unserem Herzen die Stimme Gottes hören können. Dort können wir finden, wozu er uns persönlich einlädt. Christen glauben, dass der beste Weg zu einem glücklichen und sinnvollen Leben ist, diesem Ruf zu antworten.

Gefühle können beeinflusst werden. Denken Sie daran, wie Marketing funktioniert: Werbung kann erfolgreich Gefühle in uns erzeugen. Genauso können gute oder weniger gute Freunde einen Einfluss darauf haben, was jemand mag oder nicht mag. Das Gleiche gilt für das Wetter, für die Gesundheit oder für die Tageszeit. Denken Sie an die vielen Menschen, die keine Morgenmenschen sind.

Gefühle können auch ganz schön seltsam oder problematisch sein. Manche Menschen verletzen sich selbst oder andere gerne. Gefühle können pervers sein. Sehen Sie sich kleine Kinder an: Sie können süß wie Engel sein; sie können aber auch brutal und grausam sein wie Teufel und dennoch Freude daran finden. Man kann seinen Gefühlen also nicht bedingungslos vertrauen. Das Herz muss geformt, genährt und verfeinert werden.

Die Menschen finden es normal, dass ihr Verstand durch jahrelanges Studium geformt wird. Das Gleiche ist für das Gefühlsleben notwendig. Nicht nur in der Kindheit – ein Leben lang bleibt diese Notwendigkeit bestehen. Vor allem wenn man will, dass das Herz ein verlässlicher Wegweiser zu dem ist, was wichtig ist. Doch nicht alle Meister auf diesem Gebiet sind solide und vertrauenswürdig.

Wer von klein auf nur Limonade und Fast Food zu sich genommen hat, wird es schwer haben, raffiniertere – und nahrhaftere – Speisen und Getränke zu schätzen. Das Gleiche gilt im weiteren Sinne für unsere Lebensweise. Manche Menschen glauben, dass Glück nichts anderes ist als Eigennutz und persönlicher Komfort. Sie glauben aufrichtig, dass Freude gleichbedeutend ist mit der unmittelbaren Befriedigung von Hunger und Durst, dem Wunsch nach Geld, Macht und Anerkennung. Es fällt ihnen schwer zu erkennen, dass Engagement für andere, Kompromisse, Vergebung, Solidarität, Geduld und Zurückhaltung weitaus mehr Freude bereiten können als die narzisstische Konzentration auf sich selbst.

Carolines Mutter hat ihrer Tochter immer den Glauben eingeflößt, dass äußere Schönheit das höchste Gut sei. Jeden Tag verbringt Caroline viel Zeit vor dem Spiegel. Im Laufe der Jahre ist sie sehr geschickt darin geworden, sich um ihr Aussehen zu kümmern. Sie erhält oft Komplimente für ihr Aussehen, was sie sehr schätzt. Diese kleine, immer wiederkehrende Freude geht jedoch mit einem gewissen inneren Unbehagen Hand in Hand. Caroline hat gelernt, damit zu leben. So ist das Leben nun einmal, sagt ihre Mutter. Jetzt, wo Caroline langsam Falten und ein paar graue Haare bekommt, merkt sie, dass sie immer ängstlicher wird. Dieses Gefühl erschöpft sie. Caroline fragt sich, wie lange sie das noch durchhalten wird.

Es ist wünschenswert, dass wir unser inneres Leben von der enormen Erfahrung und Weisheit inspirieren lassen, die die Menschheit in ihrer langen Geschichte erworben hat. Seit Tausenden von Jahren sind die Menschen urteilsfähig. Daraus haben wir viele Lektionen gelernt. Es ist nicht notwendig, dass jede Generation und jeder Mensch das Rad neu erfindet. Musik, Literatur, Tanz, Film und andere Kunstformen können dazu beitragen, die Sensibilität des Herzens zu schärfen und zu vertiefen.

Der Meister des Herzens. Das gilt auch für die große religiöse Erfahrung der Menschheit. Für die Christen bedeutet dies vor allem, sich von Jesus inspirieren zu lassen. Er ist der Meister schlechthin für die Liebe und damit für ein authentisches Leben. Wir brauchen diese Nahrung und Inspiration nicht nur einmal, sondern unser ganzes Leben lang. Regelmäßig zu beten und sich im Alltag vom Beispiel Jesu inspirieren zu lassen, bedeutet, dass das tiefste und innerste Selbst von seinem Evangelium erschlossen, geformt und bereichert wird. Je mehr dies geschieht, desto mehr kann ein Mensch darauf vertrauen, dass seine tiefsten Gefühle wirklich von Gott selbst inspiriert werden. Auf diese Weise können affektive Regungen zu verlässlichen Wegweisern für ein erfülltes Leben werden, das Leben, das Gott für jeden Menschen wünscht.

Mit dem Verstand den Boden bereiten

Es ist wichtig, auf das Herz zu hören, aber das reicht nicht aus. Unterscheidung ist kein Vorwand, mit geschlossenen Augen weiterzugehen. Unterscheidung setzt voraus, dass das Herz vom Verstand gut informiert ist. Wir müssen sicher sein, dass unsere Gefühle auf einem vollständigen und richtigen Verständnis der Situation beruhen. Deshalb ist es wichtig, die Frage oder das Thema, über das man nachdenken will, sorgfältig vorzubereiten.

Wenn zum Beispiel ein junger Mensch eine Entscheidung über seine Studienwahl treffen möchte, muss er sich unbedingt vorher informieren, welche Möglichkeiten für ihn in Frage kommen, nicht nur in den Träumen, sondern auch in der Realität. Das bedeutet, dass er sorgfältig prüfen soll, was er über seine Fähigkeiten und Vorlieben von früher her und aus Erfahrungen weiß. So wird er besser erkennen, was er gut kann und was er nicht so gut kann. Er wird auch im Internet recherchieren, mit Lehrern, Familienmitgliedern, Freunden und Menschen aus verschiedenen Berufen sprechen usw. Auf diese Weise zeigt sich ihm, welche Studiengänge interessant und machbar sind und ob sie seinen Wünschen und Vorlieben entsprechen.

Stefan hat seit seiner Kindheit eine Leidenschaft für Flugzeuge. Nach und nach wurde sein Wunsch, Kampfpilot zu werden, bestätigt. Stefan ist jetzt 17 Jahre alt und hat recherchiert, wie er sich am besten auf einen solchen Beruf vorbereitet. Vor kurzem war er mit Freunden in einem Vergnügungspark. An einem Gerät mit großen Druckschwankungen verlor er für eine Weile das Bewusstsein. Medizinische Untersuchungen ergaben, dass er ein angeborenes Problem mit dem Gleichgewicht hat. Stefan ist sehr besorgt. Er hat gelernt, dass man körperlich sehr fit sein muss, um ein Kampfflugzeug zu fliegen. Stefan ist immer noch begeistert von Flugzeugen. Gleichzeitig merkt er, dass sein Wunsch, Kampfpilot zu werden, zu schwinden beginnt.

Manchmal geht es bei der Unterscheidung um ein Thema, das andere Menschen, eine Organisation, eine Gruppe, eine Gemeinschaft, an der Sie beteiligt sind, usw. betrifft. In diesem Fall ist es ratsam, vor Beginn der eigentlichen Unterscheidung zu prüfen, was andere darüber denken oder wie die Organisation selbst das Thema sieht.

Cécile hat sich entschlossen, in ihrer Gemeinde mehr Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig wird sie angesprochen, Mitglied des Pfarrgemeinderats zu werden. Ihre unmittelbare Reaktion ist, dass dies genau das ist, wonach sie sucht. Bevor sie sich verpflichtet, macht sie einen Termin mit dem Vorsitzenden des Rates aus. Sie möchte genau wissen, was dieses Engagement mit sich bringt und ob es sich mit ihren anderen Tätigkeiten vereinbaren lässt. Außerdem möchte sie vorher mit ihrem Mann und mit ihren Kindern sprechen.

Nicolas ist ein leidenschaftlicher junger Lehrer. Unerwartet bietet ihm ein großzügiger Sponsor die Möglichkeit, für seine Schüler ein Wochenende im Ausland zu organisieren. Nicolas ist überglücklich. Er hat das Gefühl, dass er sich diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen darf. Ohne zu zögern, sagt er zu und beginnt mit der Organisation der Reise. Als alles fast fertig ist, informiert er seinen Schulleiter. Dieser macht Nicolas sofort klar, dass er einen großen Fehler begangen hat. Jetzt hat der Schulleiter ein Problem, sagt Nicolas, immer noch überschwänglich. Nein, sagt sein Chef, du bist es, der ein Problem hat: Diese Reise wird nicht stattfinden.

Unterscheidung ist keine Form der Magie. Das Herz kann nicht aus dem Nichts eine Antwort auf oft komplexe...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
ISBN-10 3-429-06638-7 / 3429066387
ISBN-13 978-3-429-06638-3 / 9783429066383
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