Frieden finden -  Georg Fischer,  Stefan Hofmann

Frieden finden (eBook)

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2024 | 1. Auflage
110 Seiten
Echter Verlag
978-3-429-06637-6 (ISBN)
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Wie zerbrechlich ist der Friede geworden! Im Äußeren sehen wir das in Unruhen und Kriegen. Im Inneren vertreiben Sorgen und Ängste, Streitigkeiten und Konflikte unseren Frieden. Wie in den vielfachen Krisen zum Frieden finden? Wie Frieden stiften oder wenigstens zum Frieden beitragen? Die Bibel und die Spiritualität der Jesuiten bieten hier wertvolle Anregungen. Die Autoren zeigen Wege zu tieferem innerem und äußerem Frieden auf. Sie sprechen Stolpersteine an und stellen Übungen für den Alltag vor.

Stefan Hofmann SJ, geboren 1978, Prof. für Moraltheologie an der Universität Innsbruck, neben Forschung und Lehre auch schriftstellerisch und in der Seelsorge aktiv.

I. Friede und Unfrieden sehen


Was meinen Sie, wenn Sie von Frieden sprechen? Was vermissen Sie, wenn Sie Unfrieden erfahren? Wer intellektuell und spirituell nach neuen Wegen sucht, muss zunächst klären, was er sucht. Befriedigende Antworten und Wege können sich nur zeigen, wenn klar ist, welche Wünsche und Fragen uns bewegen. Das ist beim Frieden nicht anders als bei der Frage nach dem guten Leben. Wir sollten deshalb klären, welche Wirklichkeit wir finden möchten, wenn wir von Frieden sprechen. Welche Voraussetzungen sollten jedenfalls erfüllt sein, damit die Rede vom Frieden sinnvoll erscheint? Ist die Totenstille eines Friedhofs hinreichend für »Frieden«? Unsere Rede vom Frieden ist vielseitig: Sie ist politisch und spirituell, säkular und religiös, oft sehr vage, dann aber wieder anspruchsvoll. Soweit möglich, wollen wir in diesem Buch das ganze Spektrum des Bedeutungsfeldes von »Frieden« mitbedenken. Trotzdem lohnt es sich zu fragen, welche Vor- und Nachteile unterschiedliche Definitionen von Frieden mit sich bringen – und welche von ihnen am ehesten überzeugen können.

Die Etymologie des Wortes Frieden verweist auf das althochdeutsche fridu und dessen Bedeutungsfeld von Schonung und Freundschaft. Wer diesen historischen Aspekt betont, wird Frieden als Begriff guter, sozialer Beziehungen beschreiben. Frieden kann es dann nur dort geben, wo zwei oder mehrere Personen in guten Beziehungen zueinander stehen.1 Dieser Begriff vom Frieden wäre ein positiv gefüllter Begriff: Friede ist dann viel mehr als die bloße Abwesenheit von Krieg und Gewalt. Die philosophisch-spirituelle Rede vom »inneren Frieden« kann hier sehr gut anknüpfen: Der innere Friede, den wir in Mystik und Philosophie erstreben, ist sicher mehr als die pure Abwesenheit von Stress und Streit. Für viele ist er mit Trost und innerer Ruhe verbunden.

Lebensphilosophie und Spiritualität lehren uns, den Frieden im Sinne einer inneren Zufriedenheit zu verstehen. Dann fragen wir: Was sättigt mich? Was erfüllt mich mit Frieden? Welche Bedürfnisse wollen befriedigt sein, sodass im Alltag ein tragfähiger innerer Friede möglich wird? Das Bild einer Katze, die soeben ihr Lieblingsmenü verzehrt hat und deshalb friedvoll schnurrt, kann uns hierbei helfen. Oft stellt sich innerer Friede dort ein, wo etwas in uns zufrieden gestellt wurde. Und es ist gut, die leibliche Dimension, für die das Bild der Katze steht, auch wirklich ernst zu nehmen. Wir Menschen besitzen allerdings auch die Fähigkeiten der Vernunft. Deshalb stellen sich zum menschlichen Frieden mehr Fragen als bei Haustieren. Alle Aspekte unseres Lebens müssen berücksichtigt werden. Deshalb lohnt es zu fragen: Welche Sehnsucht, welche Fähigkeiten kennen wir (kenne ich) als Lebewesen mit Vernunft? Inwiefern sind wir (bin ich) zu einem tieferen Frieden in der Lage als ein Haustier wie die erwähnte Katze? Wann kann der Mensch mit Leib, Seele und Geist, wann kann ich mit meinem Leib, mit meiner Seele und mit meinem Geist spürbar Frieden finden? Geistliche Übungen können helfen, diesen Fragen nachzugehen.

Friedensforschung: negativer und positiver Friede


Die Unterscheidung zwischen negativem und positivem Frieden stammt aus der politisch motivierten Friedensforschung. Eingeführt wurde sie von Johan Galtung, einem norwegischen Friedensforscher. Galtung versteht unter positivem Frieden die Abwesenheit von struktureller (indirekter) Ungerechtigkeit und Gewalt.2 Ein negativer Friedensbegriff, der nur auf die Abwesenheit direkter Gewalt fokussieren würde, ist für Galtung unzureichend: So könnte die indirekte Gewalt ungerechter Gesellschaftsstrukturen übersehen werden, obwohl Unterdrückung, Ausbeutung und Verarmung so weit gehen können, dass auch sie zum Tod führen. Ein Beispiel für einen negativen Frieden, der nicht genügen kann, wäre die Pax Romana: Von 27 v. Chr. an erlebte das Römische Reich einen über 200 Jahre anhaltenden inneren Frieden. Die römischen Städte blühten auf, viele profitierten durch Sicherheit und Wohlstand. Dennoch war dieser Friede ein römischer Friede, der den anderen Völkern von außen aufgezwungen wurde. Kleinere Aufstände schlugen die Römer blutig nieder. Obwohl es keine nennenswerten Bürgerkriege gab, herrschte in vielerlei Hinsicht strukturelle Gewalt. Nach den Begriffen Galtungs muss die Pax Romana deshalb als negativer Friede gelten.

Vor dem Hintergrund der Defizite eines solchen negativen Friedens forderten die deutschen Bischöfe vor ein paar Jahren, dass wir in Gesellschaft und Politik gezielt nach »gerechtem Frieden« suchen sollten.3 Das Anliegen ist sehr verständlich: Ein ungerechter Friede, der auf Ausbeutung beruht und Konflikte gewaltsam unterdrückt, dürfte den Namen »Friede« kaum verdienen. Solange systemische Ungerechtigkeiten nicht beseitigt werden, droht direkte Gewalt immer neu aufzubrechen. Das gilt für unseren sozialen Nahbereich genauso wie für Staaten, die ethnische oder religiöse Minderheiten unterdrücken.

Der positiv gefüllte Friedensbegriff wird allerdings zu Recht auch kritisiert: Die Idee des positiven Friedens gilt als vage, da unklar ist, wann tatsächlich Gerechtigkeit verwirklicht ist. Zudem kann die Idee vom positiven Frieden zur Rechtfertigung von Gewalt herangezogen werden. Dann könnte die je eigene Vorstellung vom gerechten Frieden im Extremfall den Einsatz von Waffen legitimieren. Wenn existierende gesellschaftliche Strukturen nur noch als Systeme struktureller Gewalt betrachtet werden, dann kann der Kampf gegen das System schnell als Einsatz für den »besseren« positiven Frieden und damit als gut und richtig erscheinen.

Oft dürfte es eine subtile Versuchung sein, mit Verweis auf ungerechte Strukturen militärische Gewalt für legitim zu halten. Gewalt ist auch dann nicht einfach gut, wenn der herrschende Friede (etwa in Libyen) noch kein gerechter Friede ist. Die Unterscheidung von positivem und negativem Frieden scheint den »negativen Frieden« zu Unrecht abzuwerten. In Zeiten von Krieg und militärischen Konflikten wie z.B. im Sudan oder in der Ukraine fragen viele, ob ein Ende der Waffengewalt nicht an sich schon einen Gewinn darstellen würde. Wie viel Leid könnte so verhindert werden? Wer Frieden eher im Sinne eines »negativen« Begriffs als Abwesenheit von Krieg und direkter Gewalt versteht, muss die bestehenden Ungerechtigkeiten nicht automatisch gutheißen. Er hätte auch unabhängig von seinem Begriff von Frieden die Möglichkeit, Ungerechtigkeit zu kritisieren. Friede im Sinne einer bloßen Waffenruhe ist zu wenig. Allerdings wäre mit dem Ruhen der Waffen in manchen Situationen doch sehr viel gewonnen.

Sind begriffliche Unterscheidungen wirklich nötig?


Manche werden fragen, wieso wir das Anliegen des Friedens mit so vielen Überlegungen erschweren sollten. Handelt es sich bei Unterscheidungen wie jener vom negativen und positiven Frieden nicht um unnötige Quisquilien? Um Belanglosigkeiten, die für die Praxis letztlich ohne Bedeutung sind? Wäre nicht Engagement für den Frieden alles, was zählt? Aus der Sicht der ignatianischen Spiritualität und ihrer Theologie kann eine solche Pragmatik nicht genügen. Ignatianisch ist Spiritualität dann, wenn die Wirklichkeit differenziert wahrgenommen und alle Fragen und unsere menschlichen Reaktionen klug unterschieden werden. Nur so können die vielen Aspekte von Frieden und Unfrieden ganz in den Blick kommen. Wo ein falscher oder trügerischer Friede herrscht und wo nicht; inwiefern Gewalt ethisch legitim sein könnte oder nicht; was eine Spiritualität des Friedens sein und leisten kann, und inwiefern der Friede eine »Frucht des Geistes« (Gal 5,22) sein könnte – all diese Fragen verlangen Unterscheidungen. Engagement ist meistens gut. Blindes Engagement kann allerdings auch viel zerstören.

Am Beginn der Suche nach Frieden lohnt es sich deshalb, genau hinzusehen und Friede und Unfrieden bewusst wahrzunehmen. Das gilt für den persönlichen Bereich genauso wie für die Politik. Wie könnten wir auf Frieden hoffen, wenn wir manche Ursachen und Formen von Unfrieden und Gewalt gar nicht wahrnehmen? Ignatius von Loyola hält das Wahrnehmen dessen, was sich und was uns bewegt, für wesentlich.

Im Bereich der internationalen Beziehungen und der Politik erreichen uns durch die Medien sehr viele und teils auch unterschiedliche Nachrichten. Hier besteht sehr viel Aufmerksamkeit, doch lohnt es sehr zu prüfen, wie verlässlich die Quellen sind. Welche Brillen setzen die Sender (die Redakteure, die Blogger, die Konzerne oder Regierungen dahinter) auf und bei den Rezipienten voraus? Welche Grundanliegen stehen hinter einzelnen pro-israelischen oder pro-palästinensischen Meldungen? Helfen die Medien, die wir nutzen, die Chancen auf Frieden gut und klug wahrzunehmen? Welche Vorentscheidungen, welche politisch motivierten Interessen liegen einzelnen Meldungen zugrunde? Kommen die Perspektiven aller Betroffenen in den Blick? Lesen wir auch jene...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
ISBN-10 3-429-06637-9 / 3429066379
ISBN-13 978-3-429-06637-6 / 9783429066376
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