Zwischen 'ehrbar' und 'liederlich' -  Sylvina Zander

Zwischen 'ehrbar' und 'liederlich' (eBook)

Zur Geschichte der Frauen in Oldesloe vom 17. bis zum 19. Jahrhundert
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
324 Seiten
Wachholtz Verlag
978-3-529-09242-8 (ISBN)
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Das Buch »Zwischen 'ehrbar' und 'liederlich'« schildert Lebenswelten und Lebensbedingungen von Frauen in Oldesloe. Der historische Zeitraum reicht von der Frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert, und die anschaulichen Fallstudien basieren auf systematisch ausgewerteten Archivquellen. Zu den Themen zählen Kindheit und Jugend, Ehe und Familie. Es geht um die Schicksale lediger Frauen und Witwen wie auch um die Rolle von 'Hexen'. Eine besondere Bedeutung kommt dem weiblichen Körper zu, der unter Aspekten wie Schwangerschaft und Geburt - einschließlich Hebammenwesen -, weibliche Ehre, Sittlichkeit und Unzucht betrachtet wird. Auch Kriminalfälle von Diebstählen bis hin zu Abtreibung und Kindsmord werden behandelt. Eingebettet wird die Geschichte der Frauen in die männlich dominierte Gesellschaft eines kleinstädtisch-ländlichen Milieus. Der Ausblick ins späte 19. Jahrhundert zeigt Aufbrüche: die Zuwanderung von Schwedinnen, die Schaffung neuer Bildungsmöglichkeiten wie auch die sich allmählich verändernde rechtliche Stellung der Frau. Herausgegeben von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Bad Oldesloe Marion Gurlit.

Sylvina Zander, Studium der Kunstgeschichte, Romanistik und Slawistik in Hamburg, Promotion in Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Veröffentlichungen zur Geschlechter,- Sepulkral- und Regionalgeschichte. Tätig als Archivarin der Stadt Bad Oldesloe.

Einleitung

Dieses Buch erzählt von Frauen, die in der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert in Oldesloe gelebt haben. Es basiert im Wesentlichen auf Quellenmaterial des Oldesloer Stadtarchivs, des Landesarchivs Schleswig-Holstein und des Kirchenarchivs Oldesloe im Kirchenkreisarchiv Plön-Segeberg. Es beleuchtet in vielen Detailschilderungen die Lebenswelten von Frauen jeden Alters und mit Einschränkungen jeden Standes. Diese Verankerung der Darstellung in den Quellen ermöglicht es, jenseits von zeitgenössischen Theorien über das, wie sich Männer und Frauen zu verhalten und zu sein hatten, auf die tatsächlichen Verhaltensweisen und Lebenswirklichkeiten zu sehen. In vielen Fällen gelingt es, die handelnden Personen in ihre sozialen Beziehungen einzubetten und ihren Lebenslauf zu verfolgen.

Frauen und ihre Lebensgeschichten waren nicht schwer zu finden: Frauen bevölkern die Akten in ihrer Rolle als Kind, Magd, Ehefrau, Mutter oder Witwe, als Reisende, als Erwerbstätige, als Person, die sich vor Gericht verantworten muss oder eine Klage erhebt, sie erscheint als Bettlerin und als »Hexe«. Die Lebenswelten der Oldesloer Frauen in dem langen Zeitraum sind nicht losgelöst von den politischen, ökonomischen und sozialen Gegebenheiten zu verstehen. Es muss deutlich benannt werden, welche gesellschaftliche und soziale Position die Herkunftsfamilie des Mädchens und diejenige der Frau hatte, denn sie war entscheidend für die ökonomischen und sozialen Grundlagen des Lebens. In den Quellen erscheinen vor allem die Frauen der unteren Stände, weil sie – stets von Armut bedroht – am wahrscheinlichsten mit der Obrigkeit und ihren Gesetzen oder Normen in Konflikt gerieten.

Festzustellen ist eine grundsätzliche hierarchische Ungleichheit, eine soziale Asymmetrie im Verhältnis der Geschlechter zueinander. Dies betraf alle Lebensbereiche und ganz besonders die Sexualität, wie im Kapitel über die Unzucht und die Sittlichkeitsvergehen deutlich werden wird. Es betraf auch die politische Mitwirkung von Frauen: Ihr Ausschluss vom aktiven und passiven Wahlrecht blieb im gesamten Untersuchungszeitraum bis in das Jahr 1919 eine Konstante. Auch das liberale Staatsgrundgesetz von 1848 änderte daran nichts. Nur die männlichen Staatsbürger wurden per Gelöbnis zur Beachtung der Verfassung, zum Gehorsam der Gesetze und zur Treue dem Herzoge verpflichtet.1 In jedem Kapitel dieses Buches wird dieses Gefälle zwischen Männern und Frauen deutlich werden. Andererseits wird aber auch erkennbar, dass es sich dabei nicht um ein starres Ungleichheits-Verhältnis handelte. Frauen treten wie die Männer als Handelnde auf, die ihre Interessen vertreten und Spielräume zu nutzen wissen.

In diesem Buch ist der frühneuzeitlichen »Arbeitsteilung« zwischen Mann und Frau ein Kapitel gewidmet. Es gilt vor allem für die Haushalte der Handwerker und der Landwirte, in denen die Arbeitssphären von Mann und Frau zwar getrennt, aber als komplementär und gemeinsam als überlebensnotwendig eingeschätzt wurden. Im 18. und 19. Jahrhundert entstand unter veränderten politischen und ökonomischen Bedingungen im Bürgertum ein Rollenkonzept, das der Frau, nun im Gegensatz zum außer Haus arbeitenden Mann, den Haushalt und die Kinder zuwies: Sie war nun Gattin, Mutter und Hausfrau. Diese Sorgearbeit wurde nicht mehr als Arbeit definiert, sondern sollte aus angeborener Mütterlichkeit und Liebe geschehen. Es war nun eine vermutete »weibliche Natur«, die der Frau ihre Tätigkeitsfelder zuwies und sie von allen anderen ausschloss.2

So beleuchtet dieses Buch die Lebensumstände von Frauen in fünf Hauptkapiteln. Das erste beschäftigt sich mit der Stadt Oldesloe, ihrer wirtschaftlichen und politischen Lage, aber auch mit ihrem Aussehen und einigen wichtigen geschichtlichen Zäsuren. In dieses Kapitel gehört auch die grundlegende Einführung in die Rechtsstellung der Frau im Untersuchungszeitraum.

Das zweite Hauptkapitel beschäftigt sich mit dem weiblichen Lebenszyklus von der Kindheit bis zur Witwenschaft. Am Anfang des Kapitels über die Kindheit und Jugend steht eine doppelte Erkenntnis: die Oldesloer Stadtbevölkerung war jung. Es gab viele Kinder in der Stadt, gleichzeitig aber war die Kindersterblichkeit erschreckend hoch. Versuche, die Sterblichkeitsrate zu senken, werden am Beispiel der Blatternimpfung dargestellt, die 1811 als Pflichtimpfung obligatorisch wurde. Kinder wuchsen nicht unbedingt mit ihren leiblichen Eltern auf, denn viele waren früh mit dem Tod eines oder beider Elternteile konfrontiert. Kinder aus armen Haushalten mussten früh zum Lebensunterhalt der Familien beitragen. So nehmen die Kinderarbeit und die Kinderkriminalität in Form von Diebstählen einen breiten Raum ein. Nicht vergessen werden aber auch Kinderspiele und die Darstellung von Fürsorge und Liebe, die den Kindern entgegengebracht wurde. Zur Lebenswirklichkeit von Kindern gehörte ganz wesentlich der Schulbesuch, der hier anhand der Mädchenschulen für Kinder der unteren und höheren Stände einen breiten Raum einnimmt und dem sich eine Untersuchung über die Lese- und Schreibfertigkeiten der aus der Schule entlassenen Kinder anschließt.

Das Jugendalter wird als Zeitraum von der Konfirmation bis zur Mündigkeit mit 21 Jahren begriffen. Diese Lebensphase hat in den Quellen wenig Spuren hinterlassen. Es war die Zeit der Berufsausbildung (für die Jungen), der Vorbereitung auf den Ehestand (für die Töchter der höheren Stände) und des Eintritts in einen Dienst (für die Mädchen der unteren und zum Teil der mittleren Stände). Es war aber auch das Alter der Geschlechtsreife, der Partnersuche und der Vergnügungen. In der Regel endete die Jugendzeit mit dem Schließen einer Ehe.

Im Kapitel über die Lebensphase des Gesindedienstes werden die Herkunft, das Alter und die Mobilität der Dienstmädchen untersucht. Einen breiten Raum nehmen die obrigkeitlichen Gesindeordnungen mit ihrem negativen, sanktionierenden Blick auf das Gesinde ein, dem die davon in vielen Fällen abweichende Realität der Dienstverhältnisse entgegengestellt wird.

Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit der Ehe, die für die meisten Frauen das angestrebte Ziel war, weil nur die Ehe die Loslösung aus elterlicher, vormundschaftlicher oder dienstherrlicher Kontrolle ermöglichte. Die Ehe erlaubte es der Frau, ihren eigenen Haushalt zu führen, und nur in der Ehe war Geschlechtsverkehr erlaubt und wurde nicht sanktioniert. In der Ehe blieb die Frau dem Mann als dem Haushaltsvorstand untergeordnet. Dies brachte eine Vielzahl an rechtlichen Minderstellungen der Frau besonders in Finanzfragen mit sich. Diese sogenannte »Geschlechtskuratel«, die die Frau unter die Vormundschaft ihres Mannes stellte, wird ebenso behandelt wie die eheliche Arbeitsgemeinschaft von Mann und Frau im Haus, aber auch in Gewerbe und Handwerk. Den Abschluss des Kapitels bilden zum Teil gewaltsam ausgetragene Ehekonflikte. In diesem Zusammenhang wird die Möglichkeit der Ehescheidung diskutiert.

Nicht alle Frauen heirateten. Es gab durchaus Frauen, die als Ledige auf verschiedene Weise versuchten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten: als Näherin, Tagelöhnerin, Köchin oder Haushälterin. Sie lebten in eigenen Haushalten oder zur Untermiete. Daneben gab es Frauen, die im Elternhaus blieben und dort die Eltern unterstützten. Im Alter drohte vielen dieser Frauen Armut und Einsamkeit.

Das galt auch für die Witwen, deren Lebensumstände ebenfalls sehr weit auseinanderfielen: Die Spannbreite reichte von der wohlhabenden Witwe, die von ihrem Vermögen lebte, über Witwen, die einem Gewerbe nachgingen, bis zur Bewohnerin des Armenhauses, die mit einem kargen Almosengeld auskommen musste. Gerade Witwen im Armenhaus wurden zur Mitarbeit in der Pflege von Insassen oder zur Lohnspinnerei angehalten. Besonderes Augenmerk wird auf die Witwenversorgung gelegt, die Pastoren- und Lehrerwitwen, vor allem aber den Handwerkerwitwen zuteil wurde, denen es innerhalb einer bestimmten Frist gestattet wurde, den Betrieb ihres Mannes weiterzuführen.

Sehr alten Witwen, die nicht mehr arbeiten konnten oder die zeitlebens von der Hand in den Mund gelebt hatten und deshalb über keinerlei Rücklagen und Sicherheiten verfügten, fielen oft in bittere Armut. Ihnen ist ein besonderes Kapitel »Armut« gewidmet, das sich mit den Lebensbedingungen in den Oldesloer Armenanstalten auseinandersetzt. Dargestellt werden auch übergreifende Notlagen, wie Viehseuchen und durch Missernten ausgelöste Teuerungen, die viele prekär lebende Familien in Not brachten.

Zur Armut gehört auch das Kapitel über die Vagantinnen und umherziehenden Bettlerinnen. Sie gehörten allen Altersstufen an, waren Kinder, Ledige, verheiratete Frauen oder Witwen. Sie repräsentierten äußerste Armut und waren in Oldesloe ein vertrauter, wenn auch bekämpfter Anblick. Mithilfe von Bettlerordnungen, Stadtverweisen und Bestrafungen versuchte die Stadtobrigkeit, dieser Menschen Herr zu werden.

Im dritten Hauptkapitel wird der weibliche Körper in den Blick genommen. Im ersten Kapitel geht es um das Konstrukt der »Ehre«, das in der Frühen Neuzeit besonders in der zünftischen Handwerkerschaft, aber nicht nur dort, eine bedeutende Rolle spielte. Ehre war untrennbar mit Sexualität und dem weiblichen Körper verbunden: Eine Frau hatte »rein« zu sein. Bei Vergehen gegen dieses Reinheitsgebot »befleckte« die Frau, sei es als Ehefrau oder Tochter, die Ehre vor allem des Ehemannes, Vaters und der gesamten Familie. Dargestellt wird an einigen Beispielen, welche Folgen eine angenommene Unehrlichkeit für die Frauen selbst und ihre potenziellen oder tatsächlichen...

Erscheint lt. Verlag 15.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
ISBN-10 3-529-09242-8 / 3529092428
ISBN-13 978-3-529-09242-8 / 9783529092428
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