Opus diaboli -  Karlheinz Deschner

Opus diaboli (eBook)

Fünfzehn unversöhnliche Essays über die Arbeit im Weinberg des Herrn
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
266 Seiten
Alibri Verlag
978-3-86569-726-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
16,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
In fünfzehn 'unversöhnlichen Essays' beleuchtet Karlheinz Deschner Episoden aus der Kriminalgeschichte des Christentums. Mit der ihm eigenen sprachlichen Wucht entlarvt er etwa die Konstantinische Schenkung als großes Betrugsmanöver, veranschaulicht er das schwierige Verhältnis von Christentum und Sexualität und prangert die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert an. Opus diaboli erschien erstmals 1987, doch die Beiträge haben nichts an Aktualität verloren - selbst jene nicht, die zu bestimmten Anlässen veröffentlicht wurden (wie dem Besuch des damaligen Papstes in Südamerika oder seiner Fehden mit modernen Apologeten des Christentums).

Karlheinz Deschner (1924-2014) studierte Neue deutsche Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte an der Universität Würzburg. 1951 promovierte er mit einer Arbeit über Nikolaus Lenau. Nach der Publikation zweier autobiographischer Romane und der vielbeachteten Literaturkritik Kitsch, Konvention und Kunst erschien 1962 Abermals krähte der Hahn, seiner kritischen Kirchengeschichte 'von den Evangelisten bis zu den Faschisten'. Seitdem hat Deschner Essays, Aphorismen, vor allem aber religions- und kirchenkritische Geschichtswerke veröffentlicht. Seine zehnbändige Kriminalgeschichte des Christentums liegt seit März 2013 vollständig vor. Für sein aufklärerisches Engagement und für sein literarisches Schaffen erhielt er unter anderem den Arno-Schmidt-Preis (1988), den Alternativen Büchnerpreis (1993) und als erster Deutscher den International Humanist Award (1993).

 

Man nennt es Heilsgeschichte

„...auf hundert verschiedene Weise will ich wiederholen, daß man niemals Gott etwas Gutes tut, wenn man den Menschen Böses tut.“

Voltaire

„Nihilist und Christ: das reimt sich, das reimt sich nicht bloß ...“

Nietzsche

„Wenn ihr euren Sinn nicht ändert, werdet ihr alle ebenso umkommen.“

Lk. 13,3

 

Ich betrachte gerade Fotos: Kinderleichen in einem kroatischen KZ. Da kommt meine Tochter, plappernd, erzählend. Ich sehe ihr schmales, ein wenig blasses Gesicht, ihre hellen, verständigen Augen, ich sehe durch sie hindurch. Auf einmal schweigt sie mitten im Satz. „Papaaa ...!“ sagt sie. Ich gehe mit meinen Kindern, halte sie links und rechts an der Hand. Plötzlich fällt mir ein Mann ein. Irgendwo im Osten schritt er zur Exekution; und seine zwei Kinder umklammerten, umschlangen ihn, wurden von ihm mitgeschleift, bis man sie ihm vom Körper schoß.

Während ich dies schreibe, schlendert mein Sohn am Bach. Manchmal schlägt er mit einer Rute aufs Gras. Und dahinter kniet sein Schwesterchen mit ausgebreiteten Armen vor unserer Katze in der Wiese.

Andre Kinder kamen nach Theresienstadt, nach Auschwitz, Jasenovac. Andre Väter fielen vor Stalingrad, am Atlantik, in Afrika. Meine Kameraden starben, ohne Kinder gehabt zu haben. Sie waren selbst noch Kinder. An einem Märztag wie heute keuchten wir über eine Wiese vor Breslau. Es war Nachmittag, die Sonne schien, man roch schon den Frühling. Und sie beschossen uns wie auf der Treibjagd ... Ein paar Augenblicke kniete ich bei ihm. Er lag auf dem Rücken, sein Haar leuchtete hell, und aus seinem Bauch drangen die Därme. Er war siebzehn. Seine Augen hingen am Himmel, blau und unverwandt am Frühlingshimmel, während er immer wieder „Mutter“ stöhnte, „Mutter, Mutter“ ...

Millionen starben so. In diesem Krieg. Im letzten. So weit wir zurückblicken: Gier und Gewalt, eine Kette von Katastrophen. Der ewige Bankrott. Geschichte.

Manchmal kamen Lichtgestalten. Buddha, das Auge der Welt, das Licht ohnegleichen. Christus, der Allessehende, die Sonne der Gerechtigkeit, das wahrhaftige Licht. Sie verboten das Töten, sie lehrten, das Böse mit Gutem zu überwinden. Sie priesen die Friedfertigen. Sie predigten Nächstenliebe und Feindesliebe. Sie fanden Jünger, Gemeinden.

Eineinhalb Jahrtausende wurden die Europäer vom Christentum geprägt, Generation um Generation, Herrscher und Beherrschte, Priester und Laien, Lehrer und Schüler. Das Christentum durchdrang alles, bestimmte alles, beeinflußte das private, das öffentliche Leben, Familie, Ehe, Liebe, die Bildung, die Wirtschaft, das Recht und den Staat. Doch noch im 20. Jahrhundert haben christliche Nationen die größten Kriege der Geschichte geführt und mehr Menschen vernichtet als jemals zuvor.

Wie war das möglich? Wie wuchsen diese Völker auf? Wie wurden sie erzogen? Wie regiert? Nichts gibt besser darauf Antwort als die Vergangenheit der Kirche. Denn länger als alle Reiche, alle Dynastien, Gesellschaftssysteme, länger und intensiver hat sie auf die Menschen Europas gewirkt, ihr Schicksal bestimmt: negativ im höchsten Grade, in jeder Hinsicht, worüber sich, was man nicht unterschätze, so grundverschiedne Geister wie Goethe, Nietzsche, Marx und Kierkegaard einig sind, während die Historiker, mit verschwindenden Ausnahmen, dies noch immer übersehen, allenfalls streifen. Gerade darauf aber kommt es an.

Das soll diese kurze Vorgeschichte der Barbarei des 20. Jahrhunderts zeigen; in großen Zügen und, wenn man will, einseitig, doch nur insofern, als im folgenden stets von der Regel die Rede ist, nicht von den Ausnahmen, als ich immer nur die entscheidende, die politikbestimmende Seite des maßgeblichen großkirchlichen Christentums erhelle, mögen dies auch Ignoranten, Heuchler und Religionsidylliker aller Schattierungen bestreiten.

 

Für die ältesten Christen war Kriegsdienst undenkbar. Nirgends in ihrer Literatur der ersten Jahrhunderte wird er erlaubt, sogar die Tötung aus Notwehr von allen Kirchenvätern verboten. Da schenkte ihnen Kaiser Konstantin 313 volle Religionsfreiheit, und 314 beschließen sie die Exkommunikation fahnenflüchtiger Soldaten. Wer die Waffen wegwarf, wurde ausgeschlossen. Vordem schloß man aus, wer sie nicht wegwarf. Und so sehen wir statt der ehemaligen Pazifisten plötzlich die kirchlichen Feldgeistlichen, statt der getöteten christlichen Kriegsdienstverweigerer die tötenden christlichen Krieger. Rasch strich die militärfreundliche Kirche die Namen aller Soldatenmärtyrer aus ihren Heiligenkalendern und unterstützte nun die Machthaber beim Massenmord, ja, trieb sie bald selber dazu – bis heute.

In Sack und Asche erbettelt Papst Stephan II. vom Frankenkönig Pippin den Krieg gegen die Langobarden, mit denen die Franken im besten Einvernehmen gelebt. Eine (elfhundert Jahre später eingestandene) gigantische geistliche Fälschung und zwei blutige Feldzüge ergeben den Kirchenstaat, den fränkische und sächsische Herrscher immer wieder bestätigen und vergrößern.

Doch auch die Päpste erschienen bald mit Helm, Panzer und Schwert. Sie hatten ihr eignes Heer, ihre eigne Marine, ihre eigene Waffenfabrik. Um jede Grafschaft, jedes Schloß, jede Burg kämpften sie. Ganze Herzogtümer wurden von ihnen geraubt. Überall warben sie Söldner und schlachteten ihre Landsleute ab.

Leo IX. ignorierte 1053 die Cluniazensischen Friedensbestrebungen, ignorierte sein eigenes Wehrverbot für Geistliche, ignorierte Treueid und Lehensdienst, den ihm die christlichen Normannen versprachen, und bekriegte sie. Der Cluniazenser Hildebrand rief als Gregor VII. (Lieblingswort: „Verflucht sei der Mensch, der sein Schwert von Blut zurückhält!“) die ganze Welt zur Bildung eines Heeres auf, an dessen Spitze er als „Führer und Bischof“ marschieren wollte. Gregor IX. zog gegen den siegreich vom Kreuzzug heimkehrenden Kaiser Friedrich. Urban VI., der den Bischof von Aquila ermorden, fünf Kardinäle hinrichten, zuvor fürchterlich foltern ließ, u. a. durch einen früheren Seeräuber, den er zum Prior des Johanniterordens gemacht, focht mit seinen Söldnern im sizilischen Erbfolgekrieg. Pius V. und Sixtus V. lieferten Türken und Briten große Seeschlachten bei Lepanto und im Kanal. Julius II. (Devise: „Wenn Sankt Peters Schlüssel nicht helfen, so helfe mir sein Schwert!“) führte fast in jedem Jahr seines Pontifikates Krieg, dabei so erfolgreich, daß Kaiser Maximilian mit dem Gedanken spielte, Papst zu werden. Paul IV. sah Mitte des 16. Jahrhunderts seinen Arm „bis zum Ellbogen in Blut getaucht“, war aber so moralisch, daß er „anstößige“ Partien aus Michelangelos „Jüngstem Gericht“ übermalen ließ. Noch vor gut hundert Jahren rekrutierte Pius IX. Truppen. Und noch vor 40 und 30 Jahren hätten Päpste Pauls IV. Diktum wiederholen können, sogar mit größerem Recht – obwohl auch sie sehr auf Moral hielten; Pius XII. beispielsweise, der in einem Schreiben an die katholische Hierarchie der USA Ende 1939 als Ursache des „heutigen Elends“ natürlich nicht den Faschismus sah, der die Welt eben in den größten Krieg der Geschichte gestürzt, sondern u. a. die kurzen Röcke der Damen. Keine kuriose kirchengeschichtliche Episode, sondern typisch für eine bis heure gültige Moral – wenn man dabei von jenen Jahrhunderten absieht, in denen manche Nonnenklöster mehr Verkehr als die Bordelle hatten und alle Kleriker, von der Spitze der Hierarchie bis zum letzten Dorfkaplan, ihre Kebsen.

Wie aber die Päpste, so ihre Bischöfe, Äbte. Sie waren die Söhne, Brüder, Vettern des weltlichen Adels, waren so habsüchtig und machtgierig wie er, auch gewiß nicht weniger verhaßt, was die häufigen Bischofs- und Abtsmorde im Mittelalter, die Pfaffenkriege und Pfaffenjagden sowie ungezählte literarische Dokumente bezeugen. Im altdeutschen Staat fungierten Kleriker als Minister, Kronschatzverwalter, Heerführer des Königs. Unter Kaiser Otto II. stellten sie mehr als doppelt soviel Gepanzerte wie alle weltlichen Fürsten. Im Norden und Süden kommandierten Kardinäle und Bischöfe ganze Armeen. Manche Prälaten vollstreckten die Blutrache mit eigener Hand. Und kein Bistum, in dem nicht ein Bischof zuweilen jahrzehntelange Fehden führte. Sie schonten oft weder Frauen noch Mädchen, mordeten Greise und Kinder, manchmal selbst Seite an Seite mit „Ketzern“, wie der Kölner Erzbischof Dietrich von Moers. Sie stachen ihren Gegnern die Augen aus, wie 1368 der Abt von Reichenau jedem Konstanzer, der in seine Hand fiel. Sie knüpften alle ihre Gefangenen auf, wie 1379 Bischof Dietrich von Osnabrück. Sie ließen Aufständische fußfällig um Gnade bitten und dann doch schockweise köpfen, wie 1415 der Bischof von Lüttich, Johann von Wittelsbach. „Also stunt es mit der Pfaffhait, wo man poses horte oder krig wer und man fragte, wer tut das, so hies es, der bischof, der...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte
ISBN-10 3-86569-726-7 / 3865697267
ISBN-13 978-3-86569-726-4 / 9783865697264
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 2,1 MB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Annas Reise in die digitale Welt

von Magdalena Kayser-Meiller; Dieter Meiller

eBook Download (2023)
De Gruyter Oldenbourg (Verlag)
29,95