Anfang und Werden - Stift Stams im Mittelalter -

Anfang und Werden - Stift Stams im Mittelalter (eBook)

Vorträge der wissenschaftlichen Tagung anlässlich des 750-Jahr-Jubiläums des Zisterzienserstiftes Stams 1273-2023; Stift Stams, 22. bis 24. September 2022.
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2024 | 1. Auflage
336 Seiten
Universitätsverlag Wagner
978-3-7030-6632-0 (ISBN)
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Das 750-Jahr-Jubiläum der Gründung des Zisterzienserstiftes Stams (1273-2023) war der Anlass, die Geschichte dieses Klosters, das zu den herausragenden Erinnerungsorten des Landes Tirol gehört, auf eine neue Weise zu würdigen. Die hier publizierten Vorträge der wissenschaftlichen Tagung zum Jubiläumsjahr konzentrieren sich bewusst auf die frühe Klostergeschichte, um in detaillierten Tiefenbohrungen das Spezifische in der Entwicklung des Ortes sichtbar werden zu lassen. Moderne Impulse und Forschungsansätze, die für die Erforschung mittelalterlicher Klöster in den letzten Jahrzehnten bestimmend waren, werden aufgenommen und weitergedacht. Im thematischen Fokus stehen die Anfänge des Klosters, Gründungsumstände, personelle und wirtschaftliche Vernetzungsstrategien, Identifikations- und Memorialfunktionen und die Leistungen der frühen Stamser Zisterzienser auf dem Gebiet der Kunst und Historiografie.

Julia Hörmann-Thurn und Taxis, studierte Geschichte und Historische Hilfswissenschaften in Innsbruck und Wien, ist Absolventin des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und promovierte 1998. 2016 habilitierte sie sich für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften. Sie lehrt und arbeitet am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck. Tobias Pamer, geb. 1995, Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität Innsbruck, Doktoratsstudium an der Universität Salzburg mit Aufenthalt an der Harvard University. Er ist Lehrbeauftragter und Projektleiter im Kernfach Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften des Instituts für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck. Jörg Schwarz, geb. 1968, promovierte 1999 mit einer Arbeit zum hochmittelalterlichen Reichstitel an der Philipps-Universität Marburg und habilitierte sich 2007 im Fach Mittelalterliche Geschichte an der Universität Mannheim mit einer Arbeit über den Hof Kaiser Friedrichs III. Nach Stationen als Akademischer Rat an den Universitäten Freiburg im Breisgau, München und einer Professurvertretung an der Technischen Universität Chemnitz lehrt er seit 2020 als Professor für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck.

Stams – ein typisches Zisterzienserkloster? Konventionalisierte Handlungsmuster bei Klostergründungen des Zisterzienserordens im 13. Jahrhundert


Julia Bruch

Der ungeheure Erfolg des Zisterzienserordens, der sich vor allem in einer höchst attraktiven Verschmelzung von Aufbruch und Institutionalisierung zeigt, blieb bekanntermaßen nicht auf die unmittelbare Anfangsphase des Ordens im ausgehenden 11. und im 12. Jahrhundert beschränkt, sondern zeigte sich auch im 13. Jahrhundert noch in aller Deutlichkeit. Kloster Stams in Tirol, dessen Anfänge und Werden im Mittelpunkt unseres Bandes stehen, ist dafür nur ein, aber möglicherweise, trotz aller Individualität der Entwicklung, ganz besonders wichtiges Beispiel. Wer nach den Anfängen des Klosters fragt, muss dabei nicht ganz von vorne beginnen, im Gegenteil: Die Gründungsgeschichte des Klosters wurde unter anderen von Josef Riedmann, Werner Köfler und Ulrich Köpf bereits gut erforscht.1 Die Anfangszeiten einflussreicher Zisterziensermännerklöster wurden in zahlreichen Einzelstudien oft sehr detailliert untersucht.2 Was allerdings fehlt, ist eine neuere vergleichende Studie zu den späten Gründungen von Männerklöstern des Zisterzienserordens. Diesem Desiderat sei der folgende Aufsatz gewidmet. Zuerst werde ich mich dem Zisterzienserorden und den Gründungen von Männerklöstern aus normativer Sicht zuwenden. Danach werde ich die Gründung der Zisterze Stams als Fallbeispiel im Spiegel der Ordensverfassung analysieren. Zeitgleiche Gründungen werden dem Fallbeispiel sodann an die Seite gestellt. Ziel ist es, die Praktiken der Klostergründungen des Zisterzienserordens herauszuarbeiten sowie der Frage nachzugehen, ab wann ein Männerkloster als „zisterziensisch“ anzusehen ist und als vollständig gegründet gelten kann.

Diese Praktiken werden dabei als sich wiederholende Handlungen verstanden, die zu einer Inkorporation eines neuen Klosters in den Orden führten.3 Im Gegensatz zur „reinen Lehre“ der Praxeologie werden hier Praktiken nicht nur als physische Handlungen gefasst, sondern als wiederkehrende Handlungen von Akteuren und Akteurinnen, die im Zusammenhang der Gründungsprozesse von Zisterziensermännerklöstern sichtbar werden. Dabei treten nicht nur die rechtlichen Vorgaben des Ordens in den Blick, sondern auch sich wiederholende Vorgänge, die nicht vorgeschrieben waren, aber als Konventionen in den Quellen fassbar sind.4 Aus diesen sich wiederholenden Handlungen werden die konventionalisierten Praktiken der Klostergründung erarbeitet. Das kann nur durch eine vergleichende Untersuchung erfolgen. Der Vorteil an diesem Ansatz ist, dass die Akteure und Akteurinnen selbst und deren Handlungen in den Vordergrund treten. Erst in einem weiteren Schritt werden diese Handlungen durch die Vorgaben des Ordens und mit der Hilfe anderer Fallbeispiele kontextualisiert.

Kurze Geschichte des Zisterzienserordens


Zur Kontextualisierung der Gründung des Klosters Stams ist es wichtig, vorab eine kurze Entwicklungsgeschichte des Zisterzienserordens und den aktuellen Forschungsstand zu skizzieren. Das Hauptaugenmerk der Zisterzienserforschung liegt auf dem erfolgreichen Gründungsjahrhundert.5 Die ersten Zisterzienser waren, so Jörg Oberste, „Fundamentalisten“, „denen die konsequente Rückkehr zu einem älteren Ideal vor Augen stand“, zugleich waren Robert von Molesme († 1111), Alberich von Cîteaux († 1109), Stephan Harding († 1124) und ihre Anhänger „Rebellen“, die „nicht in den vorgezeichneten Bahnen der Kirche“ agierten, sich vielmehr durch „Experimentierfreude“ auszeichneten.6 Für eine klösterliche Gemeinschaft wünschten sich diese Männer eine strenge Auslegung der Regula Benedicti7 und eine Rückbesinnung auf das Evangelium sowie die Kirchenväter.8 Diese Forderungen waren Ausdruck eines Frömmigkeitsverständnisses der Zeit, das durch die Endzeiterwartung im Vorfeld der Jahrtausendwende geprägt war und zu einer regelrechten religiösen Frömmigkeitsbewegung emergierte.9 So wurde 1098 in Cîteaux ein novum monasterium gegründet, von dem aus der Orden seinen Anfang nahm.10

Die Lebensweise der Zisterzienser wurde nach und nach in zahlreichen Dokumenten festgeschrieben. Daraus zu nennen sind die Carta Caritatis und das Exordium Parvum sowie zahlreiche Viten der Gründungsväter. Diese Lebensweise war offenbar so attraktiv, dass sie von weiteren Männern übernommen wurde.11 Für die Verbreitung über Cîteaux hinaus steht der Name Bernhard von Clairvaux († 1153), der zusammen mit 30 Gefährten im Jahr 1112 in das Kloster Cîteaux eintrat. Nun waren so viele Mönche vorhanden und das Interesse so groß, dass in kurzer Zeit vier weitere Klöster, die nach dem Vorbild von Cîteaux lebten, gegründet wurden. Diese Klöster, Primarabteien genannt, sind La Ferté (1113), Pontigny (1114), Clairvaux (1115) und Morimond (1115).12 Mit der Carta Caritatis, die nicht nur die Lebensweise der Mönche, sondern auch die gemeinschaftliche Struktur der Klöster regelte, gaben sich die zisterziensischen Klöster eine Verfassung, die sie als ersten Orden auszeichnete. Ihre Lebensweise verbreitete sich im 12. Jahrhundert über nahezu ganz Europa. Bis zum Tod Bernhards von Clairvaux im Jahr 1153 gab es etwa 350 Zisterzen, bis 1250 hatte sich die Zahl nahezu verdoppelt. Am Ende des Mittelalters gab es etwa 740 Zisterzen.13 Dadurch, dass der Orden so erfolgreich war und dennoch auf ein Kloster, also Cîteaux, ausgerichtet blieb, gab es nicht nur eine relativ strikte Organisation, sondern auch das Generalkapitel als institutionalisiertes Organ der Ordensführung.14 Einmal im Jahr sollten sich alle Zisterzienseräbte in Cîteaux versammeln. Dort wurden, unter vielem anderen, auch Gründungen und Neuaufnahmen von Klöstern besprochen. Die Gründung des Klosters Stams fiel in eine Zeit, in der die Ausbreitung des Männerzweigs des Zisterzienserordens weniger schnell vonstattenging. Das 13. Jahrhundert, insbesondere die zweite Hälfte, zeichnet sich eher durch eine massive Verbreitung der Frauenklöster des Ordens aus.

Zur Gründung eines Zisterzienserklosters


In der Forschung wurden bislang insbesondere Gründer und Gründerinnen der Klöster ermittelt und untersucht, auch die Lage der Klöster zwischen Norm und Realität wurde beleuchtet. Der konkrete Gründungsvorgang der Männerklöster wurde in Detailstudien mehr oder weniger gut aufgearbeitet, aber noch nicht vergleichend zusammengebracht.15 Gerhard B. Winkler spricht in Bezug auf die Ausbreitung des Ordens von einer „Zellteilung“.16 Dieses Bild passt sehr gut, sah doch die Carta Caritatis die Gründung eines neuen Klosters aus einem bestehenden Kloster als Ableger vor. Aus einem Kloster wurden zwölf Mönche ausgesandt, um ein neues Kloster zu gründen. Diese beiden Klöster sollten fortan als Mutterkloster und Tochterkloster verbunden bleiben.17 Jedes Männerkloster des Ordens wurde als „Vollkloster“ gegründet, das von einem Abt geleitet wurde. Der Vaterabt hatte allerdings das Visitationsrecht und das Generalkapitel gab die Regelungen vor.18 Im Idealfall war eine Privilegierung durch den Papst, das sogenannte Zisterzienserprivileg, vorgesehen und damit die Exemtion aus dem bischöflichen Herrschaftsbereich sowie der Verzicht der Stifter:innen auf Vogteirechte.19 Wie diese einzelnen Handlungen vonstattengingen, kann am Fallbeispiel Stams geradezu mustergültig gezeigt werden.

Die Gründung Stams im Spiegel der Ordensverfassung


Die Gründung eines Zisterzienserklosters ist ein Prozess, bestehend aus verschiedenen Praktiken, die bis zum 13. Jahrhundert zu Konventionen geworden waren. Dieser Prozess kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen, weswegen es oft zu Diskussionen um das Gründungsdatum kommt; so auch bei Stams.20 Am Anfang der Überlieferung zur Gründung des Klosters steht ein Beschluss des Generalkapitels vom September des Jahres 127221 – eine sogenannte Inspektionsnotiz mit einem sit-filia-Vermerk. Das Generalkapitel übertrug den Äbten von Lucelle/Lützel und Raitenhaslach den Auftrag, den Ort, der vom Grafen von Tirol-Görz zur Klostergründung vorgesehen war, persönlich zu untersuchen und zu prüfen. Erwies sich der Ort nach Ansicht der Äbte als geeignet, sollte dort ein Konvent errichtet werden. Die Neugründung sollte in diesem Falle der Zisterze Kaisheim als Tochterkloster unterstellt werden. Aus diesem Beschluss des Generalkapitels werden die wichtigsten Akteure und Akteurinnen einer Klostergründung fassbar: adelige Stifter und Stifterinnen, die beabsichtigen, ein Kloster zu stiften, sowie das Generalkapitel, an das dieser Wunsch herangetragen wurde und das nun den Ort inspizieren lässt. Hinzu kommen zwei vom Orden bestimmte Inspektoren und das erwählte Mutterkloster, das folglich den Gründungskonvent zu schicken hatte und dessen Abt als Vaterabt die jährliche Visitation übernehmen sollte.

Die Stifter des Klosters Stams werden im Statut nicht namentlich genannt,...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Mittelalter
ISBN-10 3-7030-6632-6 / 3703066326
ISBN-13 978-3-7030-6632-0 / 9783703066320
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