Innehalten an Grenzen - Grenzen überwinden -  Bertram Dickerhof

Innehalten an Grenzen - Grenzen überwinden (eBook)

Eine Grundlegung der Meditation
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
328 Seiten
Echter Verlag
978-3-429-06653-6 (ISBN)
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Angesichts der vielfältigen Krisen unserer Zeit, aber auch in unserem persönlichen Leben stoßen wir immer wieder an Grenzen. Gibt es eine Möglichkeit, zu lernen, so mit ihnen umzugehen, dass sie nicht nur Hindernisse für die Erfüllung unserer Vorstellungen sind? Auf Grundlage der Erfahrungen aus vielen Jahreskursen schlägt Bertram Dickerhof dazu eine tägliche Zeit des Innehaltens vor: 20 Minuten stille Meditation und 10 Minuten Betrachtung eines Textpaares - einem Hinweis zum Meditieren aus einer der Weltreligionen und einem dazu korrespondierenden Abschnitt aus der Bibel. Die bei dieser Praxis gemachte Erfahrung: Im Innehalten wirkt eine Kraft, die Grenzen entmachtet und uns so befähigt, ein Leben in innerer Freiheit und Verantwortung führen zu können. Vorangestellt ist den Textpaaren eine theoretische und praktische Einleitung in die 'Zeit der Stille'. Kommentare zu allen Textpaaren schließen den Band ab. Ein Lese- und Übungsbuch zu den Themen 'Innehalten', 'Meditation', 'Stille' und 'Gebet'.

Bertram Dickerhof, Jesuit, Mathematiker und Theologe, Trainer für Gruppendynamik und Lehrer für Vipassana-Meditation, gründete 2003 die Christliche Lebensschule Ashram Jesu, die Suchende inspiriert, ihren persönlichen spirituellen Weg zu entdecken und zu gehen.

Meditation und ihre Auswirkungen im Alltag


In dieser Situation der Verunsicherung und der Zukunftsangst ist Innehalten nötig. Denn wie bisher kann es nicht weitergehen. Aber ein Innehalten, das vor allem in Nachdenken besteht, greift zu kurz. Im günstigsten Fall endet es bei guten Vorsätzen. Da die Konzentration darauf den meisten Menschen im Alltag je länger, je mehr abhandenkommt, folgen aus ihnen oft keine effektiven Veränderungen. Wie heißt es so treffend: „Mit guten Vorsätzen ist der Weg zur Hölle gepflastert.“ Demgegenüber eröffnet Innehalten in Form von Meditation die Möglichkeit, zu kreativen Handlungsmöglichkeiten jenseits von Verdrängung, Flucht und blindem Aktionismus zu finden. In der Kraft der Meditation kann ein Mensch sich seinem Leben stellen. Sie schenkt eine Erfüllung, die jenseits von Konsum liegt, und macht daher einen nachhaltigeren Lebensstil möglich.

Das Wort „Meditation“ stammt vom lateinischen „meditari“ ab, was „nachdenken“, „nachsinnen“, „überlegen“, „zur Mitte finden“ bedeutet. Der Begriff „Meditation“ bietet Raum für eine ganze Fülle von Methoden aus verschiedenen Religionen: Die ruhige Betrachtung eines Schrifttextes oder eines Bildes, das gesammelte Hören eines Musikstücks wird ebenso als Meditation bezeichnet wie z. B. die buddhistische Vipassana- oder Zen-Meditation, Yoga im Hinduismus oder die christliche Kontemplation.

„Meditation“ zielt auf eine bleibende Erfüllung des Menschen. Diese wird verwirklicht in der Transformation der Person, die die Übung bewirkt. Wir erfahren immer wieder Erfüllung, Befriedigung, Glück im Leben. Doch dauern diese Erfahrungen nur kurz, sie bleiben nicht. Keine Erfahrung bleibt. Deshalb kann das Ziel der Meditation – bleibende Erfüllung – keine Erfahrung sein, kein Etwas, kein Objekt in unserem Bewusstsein. Das Ziel ist sprachlich nicht beschreibbar. Es liegt jenseits der Grenzen von Sprache und damit jenseits der Grenzen unserer Welt. Es ist transzendent. Infolgedessen kann bleibende Erfüllung auch nicht durch Suchen oder Herstellen von irgendwelchen Bewusstseinsobjekten und Konzentration auf sie zu erreichen sein, sondern, wenn überhaupt, durch eine Offenheit, die sich immer mehr entgrenzt, mit nichts beschäftigt ist und nichts erstrebt. Offene Bewusstheit, ein nicht-fokussiertes, ungeschäftiges, reines Gewahrsein ist die Disposition für die Erfüllung, die bleibt.

Nun weiß jeder Mensch, dass er in Gedanken immer wieder mit irgendwelchen Themen, Erinnerungen, zukünftigen Ereignissen, Bildern, Szenen und der Verbesserung seines jeweiligen Zustandes beschäftigt ist und eine solche anstrebt. In welchem Ausmaß dies der Fall ist, erschließt sich erst dem Meditierenden: Er stellt fest, dass er fast pausenlos mit Denken und Wollen beschäftigt ist. „Kein Atemzug ohne Gedanken“, sagte mein Vipassana-Lehrer in Bodh Gaya. Wir leben unser Leben in einer Welt, die wir durch Denken und Wollen konstituieren. „Die Welt als Wille und Vorstellung“ lautet zu Recht der Titel von Schopenhauers Hauptwerk. Zwischen dem Menschen im Alltagszustand, der voller Aktivität des Denkens und Wollens ist und infolgedessen nicht oder nur sehr wenig offen, und dem Ziel unbegrenzter Offenheit und Nichtaktivität liegt der lange Weg der Übung des Meditierens.

Diese Übung besteht äußerlich in einem bewegungslosen, stillen Sitzen, möglichst an einem ruhigen Ort ohne Ablenkungen mit geschlossenen Augen oder, wenn das nicht leicht möglich ist, auch halb geöffneten Augen, die vor dem Übenden auf dem Boden ruhen, ohne diesen zu fokussieren. Die Meditierenden verwenden bei dieser Übung keinen äußeren Meditationsgegenstand, keinen Text, kein Bild, nichts Äußeres, worauf sie sich konzentrieren.

Innerlich besteht die Übung kurz gesagt darin, das ständige spontane Denken und Wollen durch ein Wahrnehmen zu unterbrechen, dessen Konzentration der Übende in dem Maße reduzieren kann, wie er das Wahrgenommene annimmt und sein lassen kann. Dann wandelt sich die auf das Objekt des Wahrnehmens gerichtete Aufmerksamkeit zum ungeschäftigen Gewahrsein des Ganzen – und der Übende ist in diesem Prozess mehr geöffnet worden.

Da Offenwerden nicht durch Streben zu erreichen ist – im Streben richte ich mich immer auf etwas aus –, sind Sich-Entspannen, Loslassen, Aufhören des Sich-Anstrengens und Sein-Lassen, was ist und wie es ist, wesentliche Elemente des Meditierens. Diese erste Orientierung über Meditation, wie ich sie verstehe, wird natürlich im weiteren Verlauf der Ausführungen Zug um Zug ergänzt und vertieft.

Die Nicht-Erfahrung der bleibenden Erfüllung ist da, wenn die im Bewusstsein auftauchenden Objekte ihre Kraft, Denken und Wollen zu aktivieren, weitgehend eingebüßt haben und der Meditierende wach in eine Art traumlosen Schlaf versinkt. Das Ziel wird nicht erfahren. Es geschieht – und dann entsteht daraus eine erfahrene Erfahrung. Es selbst ist in der Unmittelbarkeit der erfahrenden Nicht-Erfahrung. Der Meditierende weiß darum in einem Wissen, das nicht weiß. Wer in diese Unmittelbarkeit eingetaucht ist, wacht auf zu einem befreiten Leben aus dem immanent-transzendenten Grund aller Wirklichkeit, der unbedingte Liebe ist. Dieser macht seine Person aus. Er ist ihr Kern. Aber die Person ist nicht der Kern aller Wirklichkeit.

Je mehr ich die Früchte des Innehaltens am eigenen Leib erfahren habe, ein umso größeres Anliegen ist es mir geworden, Menschen dazu anzuhalten, eine tägliche Zeit der Stille und des Ihrer-selbst-Innewerdens in ihren Alltag einzubauen. Das ist für viele anfangs nicht leicht. Wenn sich die Praxis jedoch einigermaßen stabilisiert hat und zu einem Teil des Lebens geworden ist, macht sich die Kraft des Innehaltens in vielfacher Weise im Alltag bemerkbar.

Ein schützender Mantel


Durch die Zeit der Stille entsteht etwas wie ein Puffer zwischen der eigenen Person und den Kräften, die im Alltag herrschen und einen vereinnahmen wollen; eine kleine Distanz wie durch einen gefütterten Mantel, die jedoch nicht Distanziertheit, sondern die Voraussetzung für Zuwendung ist. Dieser Mantel bewirkt, dass das, was geschieht, nicht ungebremst auf die eigene Person durchschlägt und sie in automatisch ablaufende Reaktionen verstrickt. Wenn z. B. der Chef kommt und Druck macht mit einer neuen Aufgabe, die „gestern schon hätte fertig sein sollen“, muss der in Meditation Geübte nicht alles stehen und liegen lassen, sich selbst vergessen und sich schuldbewusst an die neue Arbeit machen, sondern kann durchatmen und überlegen, wie er mit der Situation umgeht, und seine Prioritäten abwägen. Ähnlich muss er eine vielsagende Bemerkung eines Kollegen nicht gleich auf sich selbst beziehen und aus Verunsicherung (über-)reagieren. Er hat Zeit, sich zu entscheiden, ob er die Bemerkung auf sich beruhen lässt oder ob er nachfragt, und wenn ja, wann, wo, bei welcher Gelegenheit und wie er das tut.

Selbsterkenntnis


In der Stille kommen Gedanken, Gefühle, Wünsche und Bewertungen ans Licht, die dem Alltagsbewusstsein verborgen sind. Der Meditierende wird sich seiner inneren Bewegungen hier und jetzt bewusst. Schon auf diese Weise kreiert die stille Zeit Selbsterkenntnis. Aber es geschieht noch mehr: Durch das aufmerksame Verweilen bei den inneren Bewegungen geht dem Meditierenden auf, wieso diese entstehen konnten; nicht nur, welches Ereignis sie ausgelöst hat, sondern welche Vorstellungen, Botschaften, Glaubenssätze der eigenen Person die konkreten inneren Bewegungen bedingen. Solche Selbsterkenntnis ist die Grundlage wahren Selbstbewusstseins und Selbstvertrauens.

Selbstbewusstsein hat ja nicht, wer mit Willen und Kraft eine Fassade, Pose oder sonstige Selbstinszenierung aufrechtzuerhalten vermag. Solches Verhalten ist starr und unflexibel und schützt ein Selbst, das sich nicht traut zu sein, was es ist und wie es ist, und dazu zu stehen. Selbstbewusstsein ist der Mut zur Bewusstheit seiner selbst. Ohne Courage ist es nicht möglich, sein Verhalten mit dem anderer Menschen fein abzustimmen, einen Konflikt konstruktiv auszutragen und etwas mit anderen auszuhandeln.

Selbstvertrauen resultiert aus der Auflösung der „blinden Flecken“. Das sind dysfunktionale Verhaltensmuster, die andere an mir wahrnehmen, für die ich selbst jedoch blind bin. Wenn sich dem Meditierenden die Bedingungen seines Fühlens und Verhaltens erschließen, lösen sich die blinden Flecken auf. Dann kann er darauf vertrauen, dass er sich und seinen Absichten durch sein ihm unbewusstes Benehmen nicht im Wege steht und zielorientiert handeln kann.

Kreative Problemlösungen


Wie Selbsterkenntnis die subjektive, auf das eigene Selbst bezogene Frucht des Innehaltens ist, ist Problemlösung ihre objektive, auf die gegebene Situation bezogene Seite. Das möchte ich erklären: Als Student mühte ich mich wochenlang ab, den Beweis für einen mathematischen Satz zu führen, von dem...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
ISBN-10 3-429-06653-0 / 3429066530
ISBN-13 978-3-429-06653-6 / 9783429066536
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