Anna selbdritt

Bilder einer wirkungsmächtigen Heiligen
Buch | Hardcover
92 Seiten
2005 | 1., Aufl.
Langewiesche, K R (Verlag)
978-3-7845-2113-8 (ISBN)
19,80 inkl. MwSt
Die hl. Anna, Mutter der Gottesmutter Maria, meist mit Tochter und Enkelkind Jesus "selbdritt" dargestellt, galt im Spätmittelalter als "Superheilige". Ausgestattet mit magischer und sexueller Potenz, mit bergendem und gefährlichem Aspekt, "zuständig" für Reichtum, Fruchtbarkeit, weibliche Leiden und Erlösungsbedürfnisse, war sie die beliebteste Patronin der führenden Schichten sowie Symbol weiblicher Integrität und Autonomie in einer männlich dominierten Welt. Ausgehend vom Sippen-Altar des holsteinischen Frauen-Klosters Preetz betrachtet die Autorin in diesem, aus ihrer Magisterarbeit hervorgegangenen Buch die Geschichte des Annenkults und die Varianten des Annen-Bildes in der Kunst unter kulturgeschichtlichen Aspekten - wie z.B. dem der Hebamme - oder unter dem Stichwort "Ekstase und Vergiftung", um dem Geheimnis des Annenkults auf die Spur zu kommen.
Was machte die Hl. Anna so attraktiv?
Eine Antwort findet sich am ehesten in den Darstellungen, die die heilige Anna in Beziehungen zeigen, etwa zu der von ihr begründeten ‘Sippe Jesu’ (nach einem apokryphen Evangelium) und zu anderen Heiligen, die in ihrer Nähe platziert werden. Die Autorin untersucht zunächst den Altaraufsatz der Heiligen Sippe im Kloster Preetz (Holstein), der um 1510/20 entstanden ist und noch heute dort steht. Ein dort ebenfalls bewahrtes Buch, ab 1471 von einer Priörin dieses Frauenklosters geschrieben, lässt verständlich werden, welch faszinierendes Identifikationsangebot für Frauen von Anna ausgegangen ist. Der theologischen Bedeutung der Anna selbdritt als einer „irdischen Trinität“ geht die Autorin ebenso nach wie der Frömmigkeitspraxis der Familien, die ihre Töchter ins Kloster gaben und der Rolle, die die Begriffe „rein“ und „unrein“, verbunden mit weiblicher Sexualität, spielten.
Die legendarische Geschichte der heiligen Anna verdankt sich dem Bedürfnis der Gläubigen, mehr über Maria und deren Jungfräulichkeit zu erfahren, denn die Evangelien sprechen von den Brüdern Jesu. Um daraus wenigstens Vettern werden zu lassen, musste Anna dreimal verheiratet gewesen sein. Als Großmutter Jesu konnte sie den Gehorsam des Erlösers einfordern zur Erfüllung der an sie gerichteten Gebete – eine Macht, die an Magie grenzte. Diese Kultpraxis, von Bruderschaften und Humanisten aufgebaut, fand mit der Reformation ihr vorläufiges Ende. Bestand aber hatte der Glaube, dass Anna, die erfahrene (mitunter jugendlich gegebene) Frau, Mutter und Witwe, bei Schwangerschaften und Geburten helfen konnte. „An ihrem Bild wird deutlich, dass Virginität nicht eigentlich physisch zu verstehen ist, sondern die Möglichkeit weiblicher Integrität und Autonomie in einer männlich dominierten Welt symbolisiert“, so die Autorin.
Ihre anschließende Betrachtung von ‘Varianten des Annenbildes’, wie sie die Kunstgeschichte bietet, zeigt zunächst Geborgenheit vermittelnde Bilder. Ende des 15. Jahrunderts kommt es zu einer Veränderung der Figuration: beide Frauen nebeneinander sitzend, das Kind zwischen sich. Die Autorin führt sie zurück zum ‘ersten Bad des Kindes’ aus byzantinischen Geburtsbildern und damit zu der ‘verdrängten’ Geschichte der Hebamme Salome, mit der das Bild der heiligen Anna verschmolzen zu sein scheint. Hier kommt erneut die Vorstellung von „rein und unrein“, gebunden an weibliche Körperlichkeit, ins Spiel. Wasser und Hand (die der Hebamme) werden zu den bestimmenden Merkmalen bei Annen-Bildern bis in die Neuzeit.
Das letzte Kapitel behandelt die Kult-Bündelung von Anna und Antonius in der Heilung bei Mutterkornbrand: Der Wüstenheilige ist auch auf einem Flügel des Preetzer Annen-Altars präsent, „sein“ Antoniter-Orden widmete sich derart Erkankten. Mutterkorn spielte als Wehenmittel und Abortivum eine Rolle, konnte aber auch Lähmungen und Abfaulen der Gliedmaßen sowie Halluzinationen hervorrufen. Stichworte wie „Ekstase und Vergiftung“ oder „Blutige Tränen“ deuten an, welche Entdeckungen in der Kulturgeschichte mittels der Bilder der Anna selbdritt zu machen sind.

Einleitung 3 – Das Preetzer Retabel der hl. Sippe 4 – Der Schrein 4 – Die Flügel 7 – Verhältnis von Flügeln und Schrein 10 – Zerstörungen und Wiederherstellungen 11 – Zuschreibung – Lokalisierung und Datierung 12 – – Das Kloster Preetz 14 – Geschichte, Standort und Struktur 14 – Die Priörin Anna von Buchwald 16 – Der Sippen-Altar als “Rollenbild”? 17 – – Die Klosterkirche 21 – Der Nonnenchor und sein Gestühl 23 – – Anne trinitaire 25 – Der Kult der hl. Anna und die Trinubiums-Legende 28 – – Die Mutter der jungfäulichen Gottesmutter 28 – Die Sippe Jesu 30 – Trinubium - ein Thema für ein Nonnenkloster? 31 – Der Sippenschrein als hortus conclusus 32 – – Kultentwicklung und -verbreitung 34 – Allmächtige Anna 37 – Varianten des Annenbildes 42 – Die jugendliche Witwe 42 – Die Umhüllende 44 – Wurzel Jesse - arbor annae 48 – Anna tritt in Marienbilder ein 50 – Anna an Marias Seite 55 – Das Bad des Kindes 56 – Die Hebammen-Geschichte 62 – – Wasser und Hand 66 – Versuchungen 71 – Ekstase und Vergiftung 71 – Blutige Tränen 79 –Zunge, Hand und Haut 83 – Schluss 85 – ANHANG 86 – Anmerkungen 86 – Literaturverzeichnis 88

Reihe/Serie Die Blauen Bücher
Zusatzinfo 112 Abb., davon 71 farb.
Sprache deutsch
Maße 170 x 245 mm
Gewicht 394 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Mittelalter
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Anna (Heilige) • Antoniter • Antonius-Feuer • Apokryphen • Brüderschaften • Ekstase • Geburtshilfe • HC/Sachbücher/Geschichte/Mittelalter • Hebamme • Malerei • nonnenkloster • Preetz • Sippe, Heilige • Skulptur • Spätmittelalter • Trinubiums-Legende • Vergiftung • Volksfrömmigkeit • Wurzel Jesse
ISBN-10 3-7845-2113-4 / 3784521134
ISBN-13 978-3-7845-2113-8 / 9783784521138
Zustand Neuware
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